Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.05.2014 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Regelbedarfs gemäß § 20 SGB II zu gewähren.
Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung sieht der Senat in Übereinstimmung mit den zutreffenden und ausführlichen Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht, einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund als hinreichend glaubhaft gemacht an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vorliegen; denn soweit der Anordnungsanspruch selbst nur möglicherweise besteht, ist dieser in der Regel zumindest vorläufig zu befriedigen, wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistung sichert und nicht absehbar ist, dass kurzfristig die notwendige abschließende Klärung hinsichtlich des Vorliegens des Anspruchs herbeigeführt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 596/05, juris, Rn 26,29). So liegt der Fall vorliegend, da in Rechtsprechung und Literatur die aufgeworfene, komplexe und schwierige Rechtsfrage äußerst kontrovers diskutiert wird und mangels höchstrichterlicher und verfassungsgerichtlicher Entscheidungen noch offen ist. Eine zuverlässige Beurteilung im Eilverfahren ist daher nicht möglich. Die zu treffende Folgenabwägung fällt zu Gunsten der Antragsteller aus, da nur so deren soziokulturelles Existenzminimum in der Zeit bis zu einer endgültigen Klärung gesichert werden kann.
Zum einen werden in der Rechtsprechung schon die tatbestandlichen Voraussetzungen der eng auszulegenden Ausschlussnorm als nicht gegeben angesehen, sofern für Antragsteller davon auszugehen ist, dass diese sich nicht nur allein zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland aufhalten (vergleiche LSG NRW Urteil vom 10.10.2013, L 19 AS 129/13; kritisch dazu Urteil LSG NRW vom 28.11.2013, L 6 AS 130/13).
Zum anderen wird die Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit europäischem Sekundärrecht angezweifelt (vergleiche hierzu zusammenfassend Urteil LSG NRW vom 28.11.2013 L 6 AS 130/13 m. vielen Nachweisen, zuletzt auch Beschluss des Senats vom 25.6.2014, L 12 AS 232/14 B ER, siehe auch EuGH Urteil vom 19.9.2013, C 140/12 – Brey, juris). Danach verstößt der Ausschluss gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Bei dem Leistungsausschluss handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (siehe auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) 883/2004 Art. 4 VO Rn. 5). Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich auch nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt. i. V. m. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie). Die RL 2004/38 ist auf Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (siehe EuGH Urteil vom 19.9.2013, C 140/12 – Brey, juris, Rn. 57). Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich aus Art. 24 Abs. 1, 2; 7 Abs. 1 Buchst. b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3, Abs. 4 Buchst. b der RL ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet worden sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs im Übrigen (st. Rspr des EuGH seit er Rs 63176, Sig 1976, 2057- Inzirillo).
Das gegenteilige Votum des Generalanwalts X zu seinen Schlussanträgen vom 20.05.2014 bei dem EuGH in der Rechtssache zu dem Az. C-333/13 kann letztendlich nicht zu einem anderen Ausgang der vorliegenden Angelegenheit führen. Es zeigt vielmehr nur wiederum in seiner Umfänglichkeit und Komplexität auf, dass die Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage des Leistungsausschlusses offen ist und in dem vorliegenden einstweiligen Verfahren nicht zuverlässig beantwortet werden kann. Die Entscheidungsfindung reduziert sich auf die nach dem BVerfG vorzunehmende und dargestellte Folgenabwägung.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §§ 193 SGG.
Eine Beschwerde findet gegen diesen Beschluss nicht statt (§ 177 SGG).
Erstellt am: 17.07.2014
Zuletzt verändert am: 17.07.2014