Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger von Verfassungs wegen höhere Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) zustehen.
Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26.08.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum Oktober 2010 bis einschließlich März 2011 in Höhe von monatlich 758,53 EUR (Regelleistung 359 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 399,53 EUR). Ein dagegen wegen der Leistungshöhe erhobener Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2010 (zugestellt am 12.10.2010) zurückgewiesen, dagegen hat der Kläger am 12.11.2010 Klage erhoben. Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2010 wurden die monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung auf 424,08 EUR (wegen einer Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen) angehoben, so dass die monatliche Gesamtzahlung 783,08 EUR ab Dezember 2010 betrug. Mit Änderungsbescheid vom 25.03.2011 wurde die Regelleistung einer Rechtsänderung entsprechend rückwirkend ab 01.01.2011 auf 364 EUR angehoben.
Das Sozialgericht hat das Verfahren mit den weiteren Verfahren S 15 AS 457/11 (zu dem bereits das Verfahren S 15 AS 789/11 verbunden war), S 15 AS 606/12 und S 15 AS 25/13 verbunden und unter dem Aktenzeichen S 15 AS 999/10 fortgeführt.
Im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 AS 457/11 wurde vom Kläger die Leistungsbewilligung im Zeitraum von April bis September 2011 angefochten (Bescheid vom 02.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011 und des Änderungsbescheides vom 24.05.2011 – Regelleistung 364 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 431,86 EUR). Dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 AS 789/11 lag die Anfechtung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum Oktober 2011 bis Januar 2012 durch Bescheid vom 17.08.2011 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.2011 zu Grunde – Regelleistung 364 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 430 EUR, wobei Leistungen nur noch bis Oktober 2011 zur Auszahlung gelangten und dann wegen einer vom Kläger gemachten Erbschaft und seines Auslandsaufenthalts mit Bescheid vom 18.10.2011 aufgehoben wurden). Im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 AS 606/12 wandte sich der Kläger gegen die Leistungsbewilligung i.H.v. 854 EUR (Regelleistung 374 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 480 EUR) von Mai bis Oktober 2012 mit Bescheid vom 25.05.2012 und Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012. Streitgegenstand des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 15 AS 25/13 war schließlich die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 08.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2013 für den Zeitraum von November 2012 bis April 2013 i.H.v. 854 EUR (2012) und 862 EUR für 2013 (Kosten der Unterkunft und Heizung 480 EUR, Regelleistung 374 EUR bzw. 382 EUR ab Januar 2013.
Mit Urteil vom 08.08.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Leistungszeiträume vor 2011 habe das Bundesverfassungsgericht (Hinweis auf das Urteil vom 09.02.2010 zu den Az. 1 BvL 1,3 und 4/09) den Gesetzgeber nicht zu einer Neuregelung verpflichtet und dieser habe eine solche auch nicht vorgenommen, weshalb es bei der damaligen Regelleistung verbleibe. Seit der Gesetzesänderung zum 01.01.2011 entsprächen die Leistungsregelungen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und seien der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die Leistungsbewilligung auch entsprechend der jeweiligen Rechtslage zutreffend durchgeführt.
Gegen das ihm am 04.09.2013 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 30.09.2013 eingelegten Berufung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er halte alle bisher ergangenen Bewilligungsbescheide wegen der verfassungswidrigen Regelsatzberechnung für rechtswidrig. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25.04.2012 zum Aktenzeichen S 55 AS 9238/12 an das Bundesverfassungsgericht. Es sei nicht hinnehmbar, die im Laufe eines Jahres erfolgenden Preisanstiege erst durch eine nachträgliche Anhebung der Regelleistung aufzufangen. Im Übrigen seien die Anpassungen der Regelleistungen bisher viel zu gering ausgefallen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2010 und der Änderungsbescheide vom 25.11.2010 und 25.03.2011 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.03.2011 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011 und des Änderungsbescheides vom 24.05.2011 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.08.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2011 zu verurteilen, ihm vom 01.10.2011 bis zum 31.01.2012 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.05.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2012 zu verurteilen, ihm vom 01.05.2012 bis 31.10.2012 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren,
und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2013 zu verurteilen, ihm vom 01.11.2012 bis 30.04.2013 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den übrigen Akteninhalt und insbesondere die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Sozialgerichts (einschließlich der verbundenen Verfahren) sowie die den Vorgang betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht konnte gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II insgesamt entschieden. Damit stehen Regel-, Unterkunfts- und Heizungsbedarf sowie etwaige Mehrbedarfsleistungen im Streit (vergleiche Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 28.03.2013 zum Az. B 4 AS 12/12 R, juris Rn. 10). Der Kläger hat die Bewilligungsbescheide der Beklagten insgesamt mit einer kombinierten Anfechtung- und Leistungsklage angegriffen. Wenngleich er sich argumentativ ausschließlich mit dem seiner Auffassung nach verfassungswidrig zu niedrig festgesetzten Regelbedarf für einen Alleinstehenden auseinandersetzt, folgt hieraus keine Beschränkung des Streitgegenstandes auf diesen Regelbedarf (vergl. BSG a.a.O., juris Rn. 11).
Der Kläger hat mit seinem Begehren keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem SGB II ist nicht zu beanstanden. Der Kläger, der die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfüllt, hat in den geltend gemachten Zeiträumen keinen Anspruch auf höhere als die ihm von der Beklagten gewährten Leistungen.
Berechnungsfehler im Sinne einer Abweichung der Leistungsbewilligung von den Vorgaben des SGB II werden vom Kläger nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich. Kosten der Unterkunft und Heizung sind von der Beklagten im Übrigen jeweils in voller Höhe übernommen worden.
Eine Verfassungswidrigkeit der hier anzuwendenden Regelungen des SGB II über die Höhe der Regelleistung bei Alleinstehenden kann für Leistungszeiträume vor 2011 vom Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil diesbezüglich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt (auf die das Sozialgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat), das den Gesetzgeber nicht zu einer Neuregelung verpflichtet hat.
Zur Überzeugung des Senats ist die Höhe des gesetzlich vorgesehenen Regelbedarfs für Alleinstehende seit 2011 entgegen der Auffassung des Klägers nicht verfassungswidrig. Dies ist bereits vom BSG wiederholt höchstrichterlich entschieden worden (Urteile vom 12.07.2012 – B 14 AS 153/11 R und B 14 AS 189/11 R). Das Bundesverfassungsgericht hat die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen und die dafür gestellten Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei ohne Aussicht auf Erfolg (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20.11.2012 – 1 BvR 2203/12 und vom 27.12.2012 – 1 BvR 2471/12 -). Mit Urteilen vom 28.03.2013 zum Az. B 4 AS 12/12 R und B 4 AS 47/12 R hat das BSG sodann seine Rechtsauffassung weiter bekräftigt. Es liegt damit eine einheitliche und inzwischen ständige Rechtsprechung der beiden für Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitslose zuständigen Senate des BSG vor. Den Ausführungen des BSG in den vorgenannten Urteilen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung und Überzeugungsbildung an und teilt nicht die noch nicht in Kenntnis dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Bedenken einer einzelnen Kammer des Sozialgerichts Berlin, die allerdings der Kläger sich zu eigen macht.
Insbesondere stimmt der Senat im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung dem BSG darin zu, dass den Gerichten wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nur eine zurückhaltende materielle Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelungen dahingehend zukommt, ob die Bestimmung der Leistungen durch den Gesetzgeber nachvollziehbar ist und die Leistungen nicht als evident unzureichend angesehen werden müssen (vgl. BSG Urteil vom 12.07.2012 – B 14 AS 153/11 R – juris Rn. 20).
Als unproblematisch sieht der Senat dabei zunächst den Umstand an, dass die Einzelheiten des Verfahrens nicht im SGB II geregelt sind, sondern vom Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) übertragen werden. Dies hat bereits das BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 als verfassungsmäßig angesehen (BVerfG a.a.O., juris Rn. 160).
Ebenfalls vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehen worden ist der Rückgriff auf das Statistik- statt des Warenkorbmodells (BVerfG a.a.O., juris Rn. 162) und die Anknüpfung an die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS) (BVerfG a.a.O., juris Rn. 167).
Soweit das BVerfG im genannten Urteil vom 09.02.2010 verlangt hat, der Gesetzgeber müsse seine Berechnungsgrundlagen transparent und sachgerecht darlegen (BVerfG a.a.O., juris Rn. 139), ist dies mit der für Zeiträume ab 2011 vorgenommenen Neuregelung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen (RBEG) vom 24.03.2011 (BGBl I, 453) erfolgt. Es sind die Bedarfsarten, die hierfür aufzuwendenden Kosten und anschließend die Höhe des Gesamtbedarfs bestimmt worden (vgl. insb. § 5 RBEG).
Soweit der Gesetzgeber bei der Bildung der Referenzgruppe nicht mehr (wie noch vom BVerfG für richtig erachtet, BVerfG a.a.O., juris Rn. 168) das untere Quintil (20 %), sondern lediglich die unteren 15 % herangezogen hat, unterliegt diese Wertung dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. zu diesem Gestaltungsspielraum auch BVerfG a.a.O., juris Rn. 138). Ausdrücklich hat das BVerfG hierzu bereits ausgeführt, dass die Angemessenheit der Wahl der Referenzgruppe verfassungsrechtlich nicht zu überprüfen ist (BVerfG a.a.O., juris Rn. 168).
Auch das fehlende Herausrechnen der verdeckt bzw. versteckt Armen (d.h. Personen, die einen Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diesen aber nicht geltend machen bzw. von Zuwendungen Anderer leben) aus der Referenzgruppe sieht der Senat nicht als verfassungswidrig an. Hierzu hatte bereits das BVerfG im genannten Urteil ausgeführt, es sei Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob er Positionen, die sich nicht klar berechnen lassen (vgl. hierzu BT-Drs 17/3404, S. 88), unbeachtet lasse (BVerfG a.a.O., juris Rn. 169).
Soweit die Herausnahme einzelner Positionen und damit die Abweichung des Gesetzgebers vom Statistikmodell als verfassungswidrig kritisiert worden ist, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Ausdrücklich hat das BVerfG in seiner o.g. Entscheidung ausgeführt, Kürzungen von Ausgabepositionen seien möglich (BVerfG a.a.O., juris Rn. 170); diese müssten nur begründet (bzw. eine prozentuale Kürzung empirisch belegt) sein und weiter einen internen Ausgleich ermöglichen.
Auch die Fortentwicklung der Regelsätze (Anpassung) sieht der Senat nicht als verfassungswidrig an. Entgegen der vom BVerfG noch für verfassungswidrig gehaltenen Anknüpfung an den aktuellen Rentenwert gem. § 68 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – (BVerfG a.a.O., juris Rn. 183), ist die Fortschreibung jetzt an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen (70 %) sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter (30 %), somit einen Mischindex, geknüpft, wobei maßgeblich die Veränderungsrate der letzten zwei Zwölfmonatszeiträume ist, die ihrerseits jeweils von Juli bis Juni laufen (§ 28a Abs. 2 S. 1-3 SGB XII). Für 2012 hat es bei der Anpassung eine Sonderregelung in § 138 SGB XII gegeben, weil die Höhe der Regelbedarfe zum 01.01.2011 nur die Entwicklungen bis Dezember 2009 widerspiegelte. Aus diesem Grund erfolgten zum 01.01.2012 zwei Fortschreibungen. Die erste Veränderungsrate betrug 0,75 %, die zweite 1,99 % (vgl. BGBl I 2011, 2090), die Veränderungsrate zum 01.01.2013 2,26 % (vgl. BR-Drs 553/12, S. 5 ff.). Im Grundsatz hat das BVerfG die jetzt gewählte Anknüpfung im genannten Urteil für richtig angesehen. Dass die konkrete Ausgestaltung sich nicht im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hält, kann der Senat nicht erkennen (vgl. auch BSG Urt. v. 12.07.2012 – B 14 AS 153/11 R – juris Rn. 79 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 31.07.2014
Zuletzt verändert am: 31.07.2014