Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für den ersten und zweiten Rechtszug jeweils auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten nach § 117 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Streitig ist dabei, ob er als (vermeintlicher) Adoptivsohn von K I (K.I.) zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet ist.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist seit seinem ersten Lebensjahr bei der am 00.00.1914 geborenen K.I. und deren im Mai 2011 verstorbenem Ehemann I I (I.I.) aufgewachsen. K.I. ist inzwischen vollstationär in einer Seniorenresidenz untergebracht. Die insoweit entstehenden ungedeckten Heimpflegekosten nach dem Siebten Kapitel des SGB XII trägt der Beklagte seit März 2010.
In einer eidesstattlichen Versicherung vom 02.08.1962 hatte I.I. gegenüber einem Notar an Eides Statt u.a. versichert, er und K.I. hätten den Kläger, der am 00.00.1944 in U (Westpreußen) geboren und dessen leiblicher Vater Eisenbahnbeamter gewesen sei, im Spätherbst des Jahres 1944 adoptiert. Der Adoptionsvertrag sei vor einem Notar in U ordnungsgemäß geschlossen, die Adoptionsurkunde ihnen infolge der Kriegsereignisse jedoch nicht mehr zugestellt worden. Allerdings habe der damalige Notar ihnen bescheinigt, dass die Adoption ordnungsgemäß erfolgt sei. Aufgrund dieser Bescheinigung habe er seinerzeit auch Kindergeld für den Kläger erhalten. Wegen der Kriegsereignisse seien die erforderlichen Urkunden nicht mehr zu beschaffen. Mehrere Schreiben nach U seien unbeantwortet geblieben. Sämtliche Angaben, insbesondere bezüglich des Geburtstags seines Adoptivsohnes, entsprächen in vollem Umfang der Wahrheit. Auf der Grundlage dieser eidesstattlichen Versicherung wurden in das Familienstammbuch des Klägers, das am 10.01.1984 anlässlich dessen erster Eheschließung neu angelegt wurde, die Eheleute I als dessen Eltern aufgenommen.
In dem zwischen K.I. und I.I. im Oktober 1980 vor einem Notar verfügten Testament hatten sich diese gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs ihres "gemeinsamen Adoptivsohnes", des Klägers, festgehalten, dass dieser von ihnen vor etwa vier Jahren bereits Zuwendungen in Höhe von mehr als 17.000,00 DM zur Begleichung von Schulden erhalten habe. Dieser Betrag müsse als vorweggenommene Erbschaft auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet werden.
Anlässlich des Todes von I.I. im Mai 2001 hatte der Kläger im Januar 2002 als dessen Adoptivsohn gegen K.I. Klage auf Auszahlung des Pflichtteils erhoben. In dem damaligen Streitverfahren bezeichnete auch K.I. den Kläger schriftsätzlich als Adoptivsohn der Eheleute I. Darüber hinaus führte K.I. seinerzeit aus, den Sohn des Klägers, Enrico I, in der Vergangenheit durch Zahlung von Geldbeträgen in Höhe von insgesamt 25.500,00 DM sowie durch Einrichtung seiner Studentenunterkunft finanziell unterstützt zu haben, weil der Kläger seinen Unterhaltspflichten gegenüber diesem nicht nachgekommen sei. Ihr Verhältnis zu dem Kläger sei Anfang der siebziger Jahre denkbar schlecht gewesen, weil sie sich für dessen Verhalten in der Öffentlichkeit hätten schämen müssen. Der Kläger sei schließlich von I.I. aus dem Haus verwiesen worden und habe sich nachfolgend nicht mehr um die Eheleute I gekümmert. Das Verfahren endete im Juli 2002 durch Abschluss eines Vergleichs, in dem sich K.I. verpflichtete, einen Betrag in Höhe von 17.383,92 Euro nebst Zinsen zugunsten des Klägers und seiner leiblichen Tochter zu hinterlegen.
Im Hinblick auf die seit März 2010 übernommenen ungedeckten Heimpflegekosten für K.I. forderte der Beklagte den Kläger mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 16.02.2010 unter Beifügung eines Fragebogens auf, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht als Sohn der K.I. nach § 117 Abs. 1 SGB XII Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs vom 03.03.2010 machte der Kläger geltend, nicht zur Auskunft verpflichtet zu sein, weil er weder mit K.I. verwandt noch von dieser adoptiert worden sei. Die eidesstattliche Versicherung des I.I. aus dem Jahre 1962, auf der die Angaben zu seinen Eltern in dem Familienbuch beruhten, sei unzutreffend. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sowohl sein Geburtsdatum als auch der Beruf seines leibliche Vaters, der tatsächlich Angestellter der Reichsmusikkammer gewesen sei, in der Erklärung unrichtig wiedergegeben worden seien.
Nachdem die von dem Beklagten eingeleiteten Ermittlungen, Unterlagen über eine etwaige Adoption des Klägers zu erhalten, sämtlich erfolglos geblieben waren, wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, ein Auskunftsanspruch bestehe schon dann, wenn eine Unterhaltspflicht des in Anspruch genommenen – wie hier des Klägers – nicht offensichtlich ausgeschlossen sei. Die Behauptung des Klägers, es liege keine wirksame Adoption vor, sei durch das Familienstammbuch widerlegt. Das zuständige Standesamt habe insoweit die eidesstattliche Versicherung des I.I. genügen lassen. Solange keine inhaltlich anders lautenden amtlichen Dokumente vorlägen, sei der Kläger als Adoptivsohn der K.I. zu behandeln, zumal er in der Vergangenheit als solcher Pflichtteilsansprüche aus dem Erbe des I.I. gerichtlich geltend gemacht habe.
Gegen den ihm am 04.11.2010 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 30.11.2010 bei dem Sozialgericht Fulda Klage erhoben, die von dort mit Beschluss vom 22.12.2010 wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Sozialgericht Köln verwiesen worden ist. Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, gegenüber dem Beklagten nicht auskunftspflichtig zu sein. Eine Unterhaltsverpflichtung bestehe offenkundig nicht, weil mangels Existenz von Adoptionsunterlagen nicht nachgewiesen sei, dass er der Adoptivsohn von K.I. sei. Das gelte umso mehr, als eine etwaige Adoption im Herbst 1944 nach den damals bereits geltenden Grundsätzen mit Sicherheit bei seinen Geburtsunterlagen vermerkt worden wäre. Da die Geburtsurkunde vorliege, könne der Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sämtliche Unterlagen seien in den Wirren des Zweiten Weltkriegs vernichtet worden oder verloren gegangen, zumal in U seinerzeit noch eine ordnungsgemäße Verwaltung existiert habe. Die Tatsache, dass er vor vielen Jahren Pflichtteilsansprüche gegenüber K.I. geltend gemacht habe, sei unerheblich. Seinerzeit sei er aufgrund der Erzählungen der Eheleute I selbst (noch) davon ausgegangen, der Adoptivsohn von K.I. zu sein. Tatsächlich hätten sich die Eheleute seiner Person jedoch in den Wirren des russischen Vormarsches zur Jahreswende 1944/1945 bemächtigt, seien mit ihm geflohen und hätten ihn sodann als Adoptivkind ausgegeben. Nachdem er jedoch erfahren habe, nicht deren leibliches Kind gewesen zu sein, habe er sich vergeblich bemüht, Kontakt mit seiner leiblichen Mutter aufzunehmen.
Mit Urteil vom 13.04.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Gründen hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei gemäß § 117 Abs. 1 SGB XII zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Insoweit reiche es nach dem vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten Grundsatz der so genannten Negativ-Evidenz aus, dass eine Adoption des Klägers, durch die er nach § 1754 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Eheleute I erlangt hätte und als Verwandter in gerader Linie nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig wäre, im Hinblick auf die eidesstattliche Versicherung des I.I. aus dem Jahre 1962 und den Inhalt des Familienstammbuchs nicht ausgeschlossen sei. Hinzu komme, dass die Eheleute I und der Kläger das Eltern-/Kindverhältnis jahrelang gelebt und die Eheleute auch den Sohn des Klägers finanziell unterstützt hätten. Die gegen eine Adoption erhobenen Einwände des Klägers würden hingegen auf bloßen Vermutungen und der fehlenden Adoptionsurkunde beruhen. Im Übrigen habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, bis zum Zeitpunkt des Zugangs des angefochtenen Bescheides des Beklagten selbst nicht an der Adoption gezweifelt zu haben. Schließlich sei der Einwand der fehlenden Adoptionsurkunde jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen; denn es sei rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger, der von den Eheleuten nicht nur als Kind- und Jugendlicher betreut und erzogen, sondern auch im Erwachsenenalter unterstützt worden sei, sich nunmehr nach Jahrzehnten auf eine unterbliebene Adoption berufe und sich auf eine formaljuristische Position zurückziehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Den am 12.05.2011 gestellten Antrag des Klägers, den Tatbestand des Urteils dahingehend zu berichtigen, dass er in der mündlichen Verhandlung nicht eingeräumt habe, bis zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides des Beklagten nicht an der Adoption gezweifelt zu haben, hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 23.05.2011 als unbegründet abgelehnt.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 10.05.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.06.2011 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, der Beklagte könne sich nicht auf den Grundsatz der Negativ-Evidenz berufen; denn Tatbestandsmerkmale, für die der Sozialhilfeträger beweispflichtig sei, wie die Existenz eines Verwandtschaftsverhältnisses bzw. einer Adoption, würden hiervon nicht erfasst. Dabei sei ergänzend zu berücksichtigen, dass die Adoption als Statusverfahren nur dann Wirksamkeit entfalten könne, wenn die maßgeblichen Urkunden – anders als hier – auch vorhanden seien. Auf tatsächlich gelebte Verhältnisse komme es insofern hingegen nicht an. Ohne dass dies rechtlich relevant sei, habe er im Übrigen selbst schon immer Zweifel an der Adoption gehabt, den Angaben der Eheleute I jedoch letztlich geglaubt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige (Anfechtungs-)Klage i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Beklagte hat von dem Kläger zu Recht nach § 117 Abs. 1 SGB XII Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangt. Nach dieser Vorschrift haben u.a. die Unterhaltspflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses Buches es erfordert.
Der Beklagte war befugt, sein Auskunftsverlangen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakt zu regeln. § 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, der ein Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers gegenübersteht. Sie ermächtigt den Träger der Sozialhilfe, die Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen (vgl. zu alledem u.a. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 116 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG -; vgl. ferner ausführlich Blüggel, in: jurisPK-SGB XII, § 117 SGB XII Rdnrn. 54, 55).
Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen nicht. Der Umstand, dass der Kläger vor Erlass des (Ausgangs-)Bescheides vom 16.02.2010 nicht angehört wurde, ist gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unschädlich; denn dem Kläger wurde im Widerspruchsverfahren zu allen wesentlichen Tatsachen, auf die der Beklagte seine Entscheidung gestützt hat, rechtliches Gehör gewährt (vgl. Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 41 Rdnr. 15 m.w.N.).
Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 SGB XII sind ebenfalls erfüllt. Der Kläger ist als (potentiell) Unterhaltspflichtiger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet.
Entgegen dessen Ansicht setzt die Rechtmäßigkeit des hier streitigen Auskunftsverlangens nicht voraus, dass K.I. ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger tatsächlich und nachweislich zusteht. Nach dem von der Rechtsprechung des BVerwG zur Überleitung von (Unterhalts-)Ansprüchen nach § 90 BSHG entwickelten Grundsatz der Negativ-Evidenz ist eine Überleitung von (Unterhalts-)Ansprüche nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er bestünde offensichtlich nicht (mehr) (u.a. BVerwGE 49, 311, 315 ff., 56, 300, 302; 87, 217, 225); denn es ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte, unterhaltsrechtlichen Fragen (näher) nachzugehen. Unter Beachtung der Aufgabenzuweisung im gegliederten Rechtsschutzsystem der Bundesrepublik, das bereits verfassungsrechtlich vorgegeben ist (vgl. Art. 92 ff. Grundgesetz – GG -), obliegt die Prüfung unterhaltsrechtlicher Fragen vielmehr den insoweit rechtswegmäßig kompetenten Zivilgerichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.10.1978 – V C 54.77). Nur wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch nach objektivem, materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen ist – und insofern ist mit Blick auf die gegliederte Aufgabenzuweisung strikte Zurückhaltung geboten (BVerwG, a.a.O.) – ist eine gleichwohl erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige aufzuheben (ständige Rechtsprechung des BVerwG, u.a. Urteil vom 06.11.1975 – V C 28.75; ferner BVerwGE 49, 311, 315 ff.; 56, 300, 302; 87, 217, 225).
Für die hier streitbefangene Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB XII, die verfahrensrechtlich die Vorstufe zum Übergang von Ansprüchen nach §§ 93 ff. SGB XII insbesondere gegen Unterhaltspflichtige bildet (Blüggel, a.a.O., § 117 SGB XII Rdnr. 17), gelten keine strengeren Anforderungen (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 116 Abs. 1 BSHG); denn ihr Zweck ist es, dem Sozialhilfeträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) durch Inanspruchnahme Dritter, namentlich des zur Auskunft Herangezogenen, hergestellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90), und bei Ungewissheit einer Unterhaltsverpflichtung zur Sachverhaltsklärung beizutragen (Blüggel, a.a.O., § 117 SGB XII Rdnr. 26). Dieser Zweck gebietet es, als "Unterhaltspflichtige" im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB XII alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen, d.h. nicht offensichtlich ausscheiden (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 – zu § 116 Abs. 1 BSHG). Eine Negativ-Evidenz kann damit auch im Rahmen des § 117 Abs. 1 SGB XII nur dann vorliegen, wenn von vornherein, d.h. ohne nähere Prüfung, Beweiserhebung und ohne eingehende rechtliche Überlegungen ersichtlich ist, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2010 – 2 42 SO 132/09 ; Blüggel, a.a.O., § 117 SGB XII, Rdnr. 26.1).
Dabei erfasst der Grundsatz der Negativ-Evidenz entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich diejenigen Einwände des (potentiell) Unterhaltspflichtigen, die zivilrechtlich in seinen Beweislastbereich fallen mögen, sondern auch die Prüfung, ob ein Verwandtschaftsverhältnis besteht bzw. – wie hier – eine wirksame Adoption erfolgt ist. Anhaltspunkte für die von dem Kläger vorgenommene Differenzierung lassen sich weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnehmen. Vielmehr knüpft § 117 Abs. 1 SGB XII lediglich an die "Unterhaltspflicht" insgesamt, nicht hingegen an einzelne Tatbestandsvoraussetzungen an, die für das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung notwendig sind. Eine solche Unterscheidung verbietet sich auch mit Blick auf die besondere Sachkunde der Zivilgerichte für sämtliche Fragen auch der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Existenz einer Unterhaltspflicht (s.o.).
Sind als "Unterhaltspflichtige" im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB XII somit alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner nicht offensichtlich ausscheiden, so war der Kläger als potentieller Unterhaltspflichtiger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Denn es ist nach objektivem materiellem Recht nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber K.I. zum Unterhalt verpflichtet ist. "Unterhaltspflichtige" im Sinne des § 117 Abs. 1 SGB XII sind Personen, gegenüber denen Unterhaltsansprüche bestehen. Unterhaltsansprüche bestehen nach dem Zivilrecht kraft Gesetzes u.a. zwischen Verwandten in gerader Linie (§ 1601 BGB), also bei Personen, die unmittelbar voneinander abstammen (vgl. § 1589 S. 1 BGB). Zwar steht fest, dass der Kläger nicht der leibliche Sohn von K.I. ist. Er ist jedoch als möglicher Adoptivsohn der K.I., der nach § 1754 Abs. 1 BGB die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes der Ehegatten und damit eines unterhaltspflichtigen Verwandten ersten Grades erlangt, potentiell unterhaltspflichtig.
Insbesondere im Hinblick auf die eidesstattliche Versicherung des I.I. vom 02.08.1962, nach der der Kläger im Spätherbst des Jahres 1944 von den Eheleuten I adoptiert wurde und in der I.I. auch den Abschluss des Adoptionsvertrags sowie eine Bescheinigung des Notars über die erfolgte Adoption erwähnt, erscheint es durchaus möglich, zumindest aber nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass der Kläger der Adoptivsohn von K.I. ist. Zwar hat I.I. in der eidesstattlichen Versicherung das Geburtsdatum des Klägers (06.02.1944 statt 06.01.1944) und möglicherweise auch den Beruf des leiblichen Vaters des Klägers (Eisenbahnbeamter statt Angestellter der Reichsmusikkammer) unrichtig wiedergegeben. Dies mag aber auf bloßer, bei einer Adoption im Übrigen durchaus nachvollziehbarer Unkenntnis beruhen und lässt jedenfalls nicht von vornherein den Rückschluss zu, dass auch die übrigen, in der eidesstattlichen Versicherung vor allem im Zusammenhang mit der Adoption als solcher geschilderten Tatsachen unzutreffend sind. Für die Richtigkeit der von I.I. in der eidesstattlichen Versicherung behaupteten Adoption des Klägers spricht vielmehr vor allem, dass der Kläger den Namen der Eheleute I trägt; denn nach § 1757 BGB erhält das Kind als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden.
Im Übrigen legt auch das bisherige Verhalten des Klägers, namentlich vor Erhalt des Auskunftsverlangens des Beklagten, es zumindest nahe, dass er tatsächlich der Adoptivsohn von K.I. ist. Insofern erstaunt es zunächst, dass der Kläger bis heute offenbar keinerlei Veranlassung gesehen hat, den Namen der Eheleute I abzulegen, obwohl er angeblich bereits seit längerem Zweifel an der Adoption hat. Unabhängig von den diesbezüglichen Motiven des Klägers hat er jedenfalls zu Lebzeiten von I.I. nicht nur erhebliche Geldbeträge von diesem und K.I. angenommen, sondern gegenüber K.I. anlässlich des Todes von I.I. im Jahr 2001 sogar unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes als dessen Adoptivsohn Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, ihm seien Zweifel an seiner Adoption erst zu einem späteren Zeitpunkt gekommen, ist dies zwar möglich. Es ist aber zumindest ebenso gut möglich, dass auch er bis heute weiterhin von einer wirksamen Adoption ausgeht, sich jedoch lediglich mit Blick auf das Auskunftsverlangen des Beklagten und die Gefahr einer Heranziehung zu den Kosten für die Heimunterbringung von K.I. auf eine angeblich unterbliebene Adoption beruft.
Das gilt umso mehr, als die Eheleute I den Kläger nicht nur im Rahmen ihres im Oktober 1980 verfassten Testaments (weiterhin) als ihren Adoptivsohn bezeichnet haben, obwohl das gegenseitige Verhältnis – den Schilderungen von K.I. im Rahmen der Erbauseinandersetzung vor dem Zivilgericht anlässlich des Todes von I.I. im Jahr 2001 folgend – offenbar zumindest in den siebziger Jahren vorübergehend getrübt war, sondern K.I. insbesondere noch im Rahmen des damals von dem Kläger angestrengten Zivilverfahrens auf Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs nach wie vor behauptet hat, den Kläger adoptiert zu haben; denn spätestens anlässlich dieses Verfahrens hätte es nahe gelegen, die Adoption zu bestreiten und den Abschluss des prozessbeendenden Vergleichs, in dem sich K.I. verpflichtete, dem Kläger und dessen leiblicher Tochter einen Betrag in Höhe von immerhin ca. 17.000,00 DM zukommen zu lassen, zu verweigern.
Zu Recht hat das Sozialgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung im Übrigen darauf hingewiesen, dass es dem Kläger aufgrund der dargestellten Umstände möglicherweise nach § 242 BGB verwehrt ist, sich entgegen seinem bisherigen Verhalten nunmehr auf die fehlenden Adoptionsunterlagen zu berufen. Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ist ebenfalls zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen und lässt sich insbesondere nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten, sondern ist der Prüfung und Entscheidung der auch insoweit zuständigen und kompetenten Zivilgerichte vorbehalten.
Die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber K.I. ist ferner nicht offensichtlich durch andere vorrangige Unterhaltsverpflichtungen ausgeschlossen. Ihr Ehemann I.I. ist bereits verstorben. Leibliche Kinder hat K.I. nicht, und sonstige Unterhaltspflichtige sind nicht ersichtlich.
Schließlich hat der Beklagte auch die Grenzen der Auskunftspflicht eingehalten. Die Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB XII besteht, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordert. Steht die Überleitung eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs in Frage, hat der Auskunftspflichtige die Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu machen, die der Sozialhilfeträger benötigt, um rechts- und ermessensfehlerfrei über die Überleitung eines Unterhaltsanspruchs (heute nach § 93 SGB XII) auf sich entscheiden zu können (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 zu § 116 BSHG). Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Regelung des § 94 SGB XII, nach der Ansprüche gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergehen; denn der Sozialhilfeträger bedarf insoweit zeitnaher Kenntnisse über Art und Umfang der ggf. übergegangenen Unterhaltsansprüche, um den Nachrang der Sozialhilfe in effektiver Weise umzusetzen (vgl. LSG, Urteil vom 14.09.2009 – L 20 SO 96/08). Dabei hat der Sozialhilfeträger sicherzustellen, dass der Inhalt der einzelnen Fragen in einem von ihm verwendeten Fragebogen nicht weitergeht, als es die Zweckbindung der Auskunft und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zulassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 zu § 116 BSHG). Eine Auskunftspflicht besteht somit nur, solange und soweit die Heranziehung des Dritten zur Durchführung des SGB XII und damit der Klärung eines Leistungsanspruchs geeignet und erforderlich ist und den Dritten nicht unangemessen in Anspruch nimmt (LSG NRW, Urteil vom 14.09.2009 – L 20 SO 96/08 sowie vom 09.06.2008 – L 20 SO 36/07; Schorn, in: LPK-SGB XII, § 117 Rdnr. 10; Blüggel, a.a.O., § 117 SGB XII Rdnr. 51). Allerdings genügt es auch insoweit mit Blick auf den Grundsatz der Negativ-Evidenz, dass die Relevanz der begehrten Auskünfte für die Prüfung des Leistungsbegehrens einerseits und möglicher Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen andererseits nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (LSG NRW, Urteil vom 14.09.2009 – L 20 SO 96/08).
Ausgehend hiervon ist es vorliegend nicht ausgeschlossen, dass die Heranziehung des Klägers zur Klärung eines Leistungsanspruchs, insbesondere zur Einschätzung von Grund und Höhe eines etwaigen, auf den Beklagten übergegangenen Unterhaltsanspruchs, geeignet und auch erforderlich war. Nicht erforderlich ist ein Auskunftsersuchen insbesondere dann, wenn bei dem gesetzlichen Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen gemäß § 94 SGB XII Härtegründe nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII vorliegen, die zum Ausschluss des Anspruchs führen; denn dann bedarf es der Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Pflichtigen von vornherein nicht (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2010 – S 42 SO 132/09; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 117 Rdnr. 22). Anhaltspunkte für eine solche (mit Blick auf den Grundsatz der Negativ-Evidenz nur) offensichtlich bestehende Härte sind jedoch nicht ersichtlich und wurden von dem Kläger auch nicht vorgetragen.
Die begehrte Auskunftserteilung nimmt den Kläger schließlich auch nicht im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unangemessen in Anspruch. Insbesondere wird dadurch sein in Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Persönlichkeitsrecht, vor allem sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nicht in rechtswidriger Weise verletzt, sondern durch § 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII im (höherrangigen) Allgemeininteresse, namentlich der Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe, in zulässiger Weise eingeschränkt (LSG NRW, Urteil vom 14.09.2009 – L 20 SO 96/08); denn die von dem Beklagten erbetenen Angaben in dem Fragebogen, der dem angefochtenen Bescheid vom 16.02.2010 beigefügt war, sind sämtlich erforderlich, um eine etwaige Unterhaltspflicht des Klägers feststellen zu können und gehen damit nicht weiter, als es die Zweckbindung der Auskunft und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zulassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 – 5 C 22/90 – zu § 116 BSHG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt der Entscheidung in der Sache.
Veranlassung, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Streitwertfestsetzung, zu der der Senat gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 GKG auch für das erstinstanzliche Verfahren befugt war, folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 4, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 63 Abs. 2 GKG. Mangels konkreter Anhaltspunkte für die Bestimmung der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für den Kläger ist von dem Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 Euro auszugehen (vgl. § 5 Abs. 2 GKG), der bei Auskunftsansprüchen üblicherweise in Höhe der Hälfte festgesetzt wird (vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AS 12/06). Gründe, im vorliegenden Fall hiervon abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Erstellt am: 07.08.2014
Zuletzt verändert am: 07.08.2014