Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 25.06.2014, soweit mit diesem der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin M abgelehnt worden ist, aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M, C, zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bewilligt. Kosten für dieses Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann. Die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung bot – jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidungsreife seines Antrags auf Prozesskostenhilfe – auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auf diesen Zeitpunkt ist für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Antrags auf Prozesskostenhilfe abzustellen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller, Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a RdNr. 13d m.w.N.). Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a RdNr.7a f.). Die Erfolgsaussichten dürfen dabei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden. Es reicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren war im Mai 2014 entscheidungsreif. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bestand die nicht nur fernliegende Möglichkeit, dass der Antragsteller mit seinem Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.
Als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid hatte sein Begehren allerdings keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sich der Absenkungsbescheid vom 07.04.2014 – wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat – nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist. Mit seinem am 28.04.2014 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 26.04.2014 begehrt der Antragsteller in der Sache aber die vorläufige Auszahlung der mit Bescheid vom 25.03.2014 für den Zeitraum 01.05.2014 bis 31.07.2014 bewilligten Leistungen ohne Berücksichtigung der im Sanktionsbescheid vom 07.04.2014 festgestellten Minderung (vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II wegen wiederholter Pflichtverletzung). Sein diesbezügliches Begehren kann auch als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgelegt werden. Hinsichtlich dieses Antrags bestand im Zeitpunkt der Bewilligungsreife eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil fraglich ist, ob der Bewilligungsbescheid vom 25.03.2014 durch den Absenkungsbescheid aufgehoben worden ist und eine solche Aufhebung zur Durchsetzung der Sanktion teilweise für erforderlich gehalten wird. Fehlt es dann aber an einer – zumindest konkludenten – Aufhebung des Bewilligungsbescheides, kann der Leistungsberechtigte unmittelbar aus diesem Bescheid auf Leistung klagen (§ 54 Abs. 5 SGG) bzw. im Rahmen des Eilrechtsschutzes einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen. Dieser hat dann auch hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Absenkungsbescheid der Auszahlung dann – unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit – nicht entgegensteht, sondern "ins Leere" geht.
Ob die Umsetzung einer Sanktion nach §§ 31, 32 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die Aufhebung eines bereits erteilten Bewilligungsbescheides erfordert oder nicht bzw. ob davon auszugehen ist, dass sie konkludent mit dem Absenkungsbescheid erfolgt, ist umstritten.
Nach einer Auffassung ist eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht erforderlich, weil der Wortlaut der zum 01.04.2012 in Kraft getretenen Neuregelung des § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II (Minderung des "Auszahlungsanspruchs") dafür spricht, dass die Bewilligung dem Grunde nach bestehen bleibt und lediglich die Auszahlung betroffen ist. Der im Bewilligungsbescheid festgestellte Leistungsanspruch bleibe daher unberührt und müsse nicht aufgehoben werden.
Die Minderung trete vielmehr kraft Gesetzes ein (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 85/13, juris RdNr. 25 ff.; SG Trier, Beschluss vom 14.12.2011 – S 4 AS 449/11 ER – juris RdNr. 36 ff.; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 31b RdNr. 2).
Folgt man dieser Auffassung, ist gegen den Sanktionsbescheid allein eine isolierte Anfechtungsklage statthaft, in deren Rahmen die Rechtmäßigkeit der Sanktion geprüft wird. Sozialgerichtlicher Eilrechtsschutz kann dann durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage erreicht werden.
Gegen diese Auffassung werden aber Bedenken vorgebracht:. Die Aufspaltung in "Leistungsanspruch" und "Auszahlungsanspruch" überzeuge nicht. Beide seien vielmehr als Einheit anzusehen, wobei die Auszahlung nur die "automatische" Folge der zuvor erfolgten Bewilligung sei. Auch wenn die Anspruchsminderung kraft Gesetzes eintrete, bedürfe es der Aufhebung des "formalrechtlichen Anspruchs" aus dem Bewilligungsbescheid. Die Feststellung der Minderung führe zwar zu einer "Änderung der Verhältnisse", die Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei, mache diese aber nicht entbehrlich (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.02.2014 – L 7 AS 1058/13 B, juris RdNr. 8; Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 03.12.2013 L 9 AS 614/13 B, juris RdNr. 5; SG Dortmund, Beschluss vom 26.05.2014 – S 35 AS 1758/14 ER, juris RdNr. 3; Beschluss vom 13.06.2014 – S 32 AS 1173/14 ER, juris RdNr. 84 ff.SG Kassel, Urteil vom 28.08.2013 – S 7 AS 439/13, juris RdNrn. 24 – 26; S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Aufl., § 32b RdNr. 7 ).
Auch eine Auslegung des Absenkungsbescheides als konkludente Aufhebung des Bewilligungsbescheides begegnet Bedenken. Ob eine Formulierung, die – wie der Absenkungsbescheid vom 07.04.2014 – lediglich den Wortlaut des § 31b SGB II wiedergibt, gleichzeitig als Änderung des zuvor ergangenen Bewilligungsbescheides aufgefasst werden kann, erscheint zweifelhaft (verneinend Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03.12.2013 – L 9 AS 614/13 B, juris RdNr. 5) Eine solche Auslegung würde zudem unter Berücksichtigung der erforderlichen Bestimmtheit zumindest erfordern, dass das Datum des streitigen Ausgangsbescheides im Absenkungsbescheid benannt wird (so auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.03.2013 – L 19 AS 1688/12 B, juris RdNr. 26 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R, vgl. dort RdNr. 19).
Angesichts dieser Bedenken und der insoweit ungeklärten Rechtsfrage war eine hinreichende Erfolgsaussicht des Eilantrags jedenfalls bis zum Ablauf des Minderungszeitraumes am 31.07.2014 gegeben.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung war auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwalts angesichts der Schwierigkeit der Rechtslage erforderlich.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 10.09.2014
Zuletzt verändert am: 10.09.2014