Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der am 00.00.1948 geborene Kläger ist gelernter Maurer. Er hat einen Grad der Behinderung von 50 und ist zwischenzeitlich seit 01.03.2011 Rentner (Altersrente für schwerbehinderte Menschen).
Der Kläger bezog in der Vergangenheit Arbeitslosengeld ab Januar 2007. Anlässlich der Aufnahme einer Beschäftigung ab Juni 2007 wurde ihm im Aufhebungsbescheid vom 18.06.2007 folgender Hinweis erteilt: "Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Erfahren Sie von der Beendigung weniger als drei Monate vorher (dies gilt auch bei der Aufnahme von befristeten Beschäftigungen von weniger als drei Monaten), müssen Sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Beendigung melden. Melden Sie sich verspätet, erhalten Sie für eine Woche wegen einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld. Außerdem wird Ihre Anspruchsdauer um 7 Tage gemindert."
Seit 18.06.2006 bis Ende Dezember 2010 arbeitete der Kläger in Vollzeit als Vorarbeiter im Bauhauptgewerbe (regelmäßiger monatlicher Bruttoverdienst in 2010: 1700,- Euro). Der befristete Arbeitsvertrag endete am 31.12.2010. Bei der Beklagten meldete sich der Kläger am 21.10.2010 arbeitsuchend und arbeitslos zum 01.01.2011. Im Anhörungsbogen betreffend den möglichen Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung erklärte der Kläger: "Bin auch davon ausgegangen, dass der Vertrag verlängert wird. Ganz ehrlich habe ich wirklich nicht mehr daran gedacht, vor drei Monaten sich arbeitsuchend zu melden ( )". Vermittlungsvorschläge seitens der Beklagten wurden dem Kläger auf seine Arbeitsuchendmeldung nicht unterbreitet. Auf das am 27.10.2010 veröffentlichte Stellengesuch gab es keine Reaktionen etwaiger Arbeitgeber.
Mit Bescheid vom 01.02.2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.01.2011 bis 07.01.2011 wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung fest. Dem widersprach der Bevollmächtigte des Klägers am 07.02.2011. Der Kläger sei noch nie arbeitslos gewesen und habe von der Drei-Monats-Frist nicht gewusst. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass das befristete Arbeitsverhältnis wie zuvor auch verlängert werden würde; dass dem nicht so sei, habe er erst unmittelbar vor dem 21.10.2010 erfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes bestehe die Meldepflicht auch dann, wenn der Arbeitgeber den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stelle. Sowohl durch das dem Kläger Anfang 2007 anlässlich seiner damaligen Arbeitslosigkeit ausgehändigte Merkblatt als auch durch den ausdrücklichen Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 18.06.2007 sei der Kläger auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung hingewiesen worden.
Mit weiterem Bescheid vom 01.02.2011 in Gestalt eines (gesonderten) Widerspruchsbescheides ebenfalls vom 08.02.2011 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Der Kläger sei durchgehend seit dem 03.01.2011 arbeitsunfähig erkrankt und stehe daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Eine Leistungsfortzahlung bei bzw. trotz Arbeitsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da der Kläger angesichts der Sperrzeit nicht während des Bezugs von Arbeitslosengeld erkrankt sei. Das Klageverfahren des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 01.02.2011 (Az. des Sozialgerichts Duisburg aktuell: S 12 AL 106/11) ist mit Blick auf das hiesige Verfahren ausgesetzt worden.
Auf die neuerliche Arbeitslosmeldung vom 15.02.2011 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2011 (geändert durch Bescheid vom 24.03.2011 und Aufhebungsbescheid vom 24.03.2011) Arbeitslosengeld ab dem 15.02.2011 bis 30.04.2011 (ab Mai 2011 Beginn der laufenden Rentenzahlung).
Gegen den Sperrzeitbescheid vom 01.02.2011 hat der Kläger am 04.03.2011 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, im Zeitpunkt 21.10.2010 sei es nicht so gewesen, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2010 geendet hätte. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei gemessen an den materiell-rechtlichen Bestimmungen der §§ 14 ff. des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) unwirksam gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei drei Mal verlängert worden. Er habe lediglich die 3-wöchige Frist des § 17 TzBfG zur diesbezüglichen Geltendmachung vor dem Arbeitsgericht versäumt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger unter anderem erklärt: "Es ist schon richtig, wenn ich angegeben habe, dass ich das mit der Arbeitsuchendmeldung vergessen habe. Das habe ich so gesagt. Bei uns in der Firma ist auch darüber gesprochen worden. Mir ist gesagt worden, ich brauch mich nicht zu melden, denn ich sei schon so lange dabei. ( ) Ich muss sagen, dass ich dann auch überlegt habe: sollst Du dich melden oder nicht, und dann habe ich mich leider am Ende zu spät gemeldet."
Der Kläger hat beantragt,
den Sperrzeitbescheid vom 01.02.2011 sowie den darauf bezogenen Widerspruchsbescheid vom 08.02.2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 21.02.2012, der Beklagten bekanntgemacht am 29.03.2012, hat das Sozialgericht den angefochtenen Sperrzeitbescheid aufgehoben. Der Kläger habe sich zwar objektiv nicht rechtzeitig arbeitsuchend gemeldet und hierfür auch keinen wichtigen Grund gehabt. Sein Verhalten sei zumindest fahrlässig gewesen, da er sich bei der Beklagten angesichts seiner Unsicherheit über die Meldepflicht zumindest näher hätte erkundigen müssen. Gleichwohl sei der Sperrzeitbescheid aufzuheben, da das Verhalten des Klägers nicht versicherungswidrig gewesen sei. Der Sperrzeittatbestand sei teleologisch zu reduzieren und dann nicht anzuwenden, wenn – wie im Fall des Klägers – auch bei abstrakter Betrachtung aus Sicht der Beklagten ohnehin aufgrund Alters und Schwerbehinderung des Versicherten Vermittlungsbemühungen offensichtlich aussichtslos und deshalb gar nicht erst in Angriff genommen worden seien.
Gegen das Urteil vom 21.02.2012 wendet sich die Beklagte nach Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (Senatsbeschluss vom 27.08.2013, Az.: L 9 AL 105/12 NZB). Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts führe dazu, dass im Ergebnis ältere und schwerbehinderte Menschen generell von der Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ausgenommen seien. Dies sei im Gesetz nicht vorgesehen und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Im Übrigen habe sie, die Beklagte, durchaus Vermittlungsbemühungen unternommen, da sie das Stellengesuch des Klägers veröffentlicht habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die zulässige Klage ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts unbegründet. Der angefochtene Sperrzeitbescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.
1. Streitgegenständlich ist allein der statthaft mit der (isolierten) Anfechtungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG angegriffene Sperrzeitbescheid vom 01.02.2011. Grundsätzlich bilden zwar ein Sperrzeitbescheid und ein zeitgleicher oder nachfolgender Bewilligungsbescheid, mit dem gewissermaßen die "Konsequenzen" aus dem Sperrzeitbescheid gezogen werden, eine rechtliche Einheit (vgl. etwa: Senatsurteil vom 16.11.2011, Az.: L 9 AL 82/11, juris Rn. 27 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG) und sind prozessual nicht isoliert voneinander angreifbar (vgl. etwa: BSG, Urteil vom 21.07.2009, Az.: B 7 AL 6/08 R, juris Rn. 9). Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass im (Ablehnungs-)Bescheid vom 01.02.2011 eben keine Bewilligungsentscheidung getroffen, sondern die Gewährung von Arbeitslosengeld gänzlich abgelehnt wurde und die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld – auch über die erste Woche des potentiellen Leistungszeitraumes und damit über die Dauer der in Rede stehenden Sperrzeit hinaus – nicht wegen der festgestellten Sperrzeit, sondern wegen fehlender Verfügbarkeit des Klägers und Nicht-Anwendbarkeit der im Krankheitsfall möglichen Leistungsfortzahlung von Arbeitslosengeld (§ 126 SGB III in der bis 31.03.2012 geltenden Fassung des Gesetzes, im Folgenden: SGB III a.F.; aktuell § 146 SGB III) abgelehnt hat.
Hiergegen hat sich der – anwaltlich auch schon im Widerspruchsverfahren vertretene – Kläger isoliert mit einem gesonderten Widerspruch und einer gesonderten Klage zur Wehr gesetzt. Die Frage, ob die Beklagte zu Recht eine Sperrzeit festgestellt hat, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides zwar insoweit vorgreiflich, als dass die möglicherweise bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers gem. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. für seinen Arbeitslosengeldanspruch dann unschädlich wäre, wenn die Arbeitsunfähigkeit "während des Bezugs von Arbeitslosengeld", d.h. außerhalb einer Sperrzeit (Aubel in: jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 146, Rn. 42), eingetreten wäre. Gleichwohl steht es dem Kläger in der hier bestehenden Konstellation im Rahmen seiner Herrschaft über den Streitgegenstand frei, nicht (nur) ein Anfechtungs- und Leistungsbegehren gerichtet auf Gewährung von Arbeitslosengeld geltend zu machen und gegen den Sperrzeitbescheid zusammen mit dem Ablehnungsbescheid zu klagen, sondern sich isoliert gegen den Sperrzeitbescheid zu wenden (so unter Verweis auf die Dispositionsmaxime wohl ebenfalls: Bayrisches LSG, Urteil vom 23.07.2009, Az. L 8 AL 340/06, juris. Rn. 21) und den Ablehnungsbescheid in einem gesonderten Verfahren gerichtlich anzugreifen.
Für eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Sperrzeitbescheid besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, denn die im Sperrzeitbescheid getroffenen Regelungen (feststellende Regelung betreffend des "Eintritts" einer Sperrzeit und eine Regelung zum Anspruch auf Arbeitslosengeld dergestalt, dass der Leistungsanspruch für die Dauer der Sperrzeit ruht und sich der Leistungsanspruch für die Dauer der festgestellten Sperrzeit vermindert) können nicht "eins zu eins" Eingang in den Regelungsgegenstand des Ablehnungsbescheides gefunden haben, da der Ablehnungsbescheid eine Aussage über die Dauer des Leistungsanspruchs naturgemäss nicht trifft.
2. Zu Recht hat die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2011 bis 07.01.2011 eine Sperrzeit festgestellt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (aktuell: § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III) tritt eine Sperrzeit ein, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. unter anderem dann vor, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III a.F. – Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGB III sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden; die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Die Feststellung einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung ist allerdings nur dann rechtmäßig, wenn dem Arbeitslosen hinsichtlich des Meldeversäumnisses Verschulden, d.h. zumindest leichte Fahrlässigkeit, vorzuwerfen ist (Karmanski in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 159, Rn. 117; zu § 37 b Satz 2 in der bis 30.12.2005 geltenden Fassung des Gesetzes, die noch das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" enthielt: BSG, Urteil vom 25.05.2005, Az.: B 11a/11 AL 81/04 R, juris Rn. 18 f.).
a) Der Kläger hat – objektiv – seine in § 38 Abs. 1 SGB III geregelte Meldepflicht verletzt, denn er hat sich erst am 21.10.2010 arbeitsuchend gemeldet, während es ihm gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III oblegen hätte, sich bereits bis Ende September 2010 (drei Monate vor Auslaufen des bis zum 31.12.2010 befristeten Arbeitsvertrages) arbeitsuchend zu melden. Dass der Arbeitgeber des Klägers möglicherweise eine (neuerliche) Verlängerung des Arbeitsvertrages in Aussicht gestellt hat, ist gem. § 38 Abs. 1 Satz 4 SGB III unbeachtlich. Nur ein wirksam vereinbartes Anschlussarbeitsverhältnis lässt die Meldepflicht entfallen (Jüttner in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl. 2013, § 38 Rn. 40 f.; Brand in: ders., SGB III, 6. Aufl. 2012, § 38, Rn. 5). Unbeachtlich bleibt auch, ob sich der Kläger – was er nicht getan hat – im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses erfolgreich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses zur Wehr hätte setzen können. Das Arbeitsverhältnis endet im Sinne von § 38 Abs. 1 SGB III zu dem in dem befristeten Arbeitsvertrag genannten Zeitpunkt; Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Wirksamkeit einer Kündigung oder Befristung und ein diesbezüglicher arbeitsgerichtlicher Prozess haben keinen Einfluss auf die Meldepflicht des § 38 Abs. 1 SGB III (Rademacker in: Hauck/Noftz, SGB III, Loseblatt Stand April/2014, § 38, Rn. 35). Daraus folgt, dass die bloße Möglichkeit eines arbeitsgerichtlichen Prozesses und der vom Arbeitslosen vermutete Ausgang eines solches Prozesses "erst recht" keinen Einfluss auf die Meldepflicht des § 38 Abs. 1 SGB III haben kann.
b) Der Kläger hatte für sein Verhalten auch keinen wichtigen Grund. Ein solcher ist anzuerkennen, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen des Arbeitslosen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte; die Sperrzeit setzt somit ein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus (BSG, Urteil vom 25.08.2011, Az.: B 11 AL 30/10 R, juris Rn. 21). Eine Sperrzeit wegen nicht rechtzeitiger Arbeitsuchendmeldung erfordert eine doppelte Verschuldensprüfung: Zum einen muss der Arbeitslose Kenntnis von der Obliegenheit zur Arbeitsuchendmeldung gehabt haben bzw. nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten fahrlässig darüber in Unkenntnis gewesen sein und zum zweiten muss er sich zumindest leicht fahrlässig nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung arbeitsuchend gemeldet haben (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.03.2010, Az.: L 2 AL 18/08, juris. Rn. 19 m.w.N.). Fahrlässig handelt in entsprechender Anwendung des § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Der Kläger hatte – unabhängig von der Frage, ob er Kenntnis bereits durch das ihm im Januar 2007 anlässlich seiner früheren Arbeitslosigkeit ausgehändigte Merkblatt hatte – Kenntnis von seiner Meldeobliegenheit jedenfalls vermittelt durch den ausdrücklichen und verständlichen Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 18.06.2007 (vgl. zur Kenntnis bei vorherigem Aufhebungsbescheid: LSG NRW, Urteil vom 02.02.2012, Az.: L 16 AL 201/11, juris Rn. 33; LSG Hamburg, Urteil vom 31.05.2010, Az.: L 5 AL 157/07, juris Rn. 35). Diese Kenntnis ist auch nicht allein wegen der zeitlich relativ lange zurückliegenden Hinweise "unbeachtlich" geworden. Für die Frage, ob sich der Versicherte an früher erteilte Hinweise erinnert bzw. im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfes zu erinnern hat, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei auch in den Blick zu nehmen ist, wie lange die Zeitspanne zwischen erteiltem Hinweis und Meldepflichtzeitpunkt ist. Bei Hinweisen, die Jahre zuvor erteilt wurden, dürfte es nicht lebensfern sein, wenn sich der Betroffene an diese nicht mehr erinnert (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.03.2010, Az.: L 2 AL 18/08, juris Rn. 20). Hierauf kommt es in dem hier vorliegenden Fall aber nicht an. Denn die generelle Obliegenheit zur Arbeitsuchendmeldung drei Monate vor Ende eines Arbeitsverhältnisses war dem Kläger, wie er im Verhandlungstermin vor dem Senat ausdrücklich bestätigt hat, tatsächlich bekannt. Er war sich lediglich – wie seine Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 21.02.2012 anschaulich belegen – in Ansehung der von ihm erwarteten Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses unsicher darüber, ob und wann er sich arbeitsuchend zu melden hat. Dann aber wäre er, wenn er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen wäre, zumindest gehalten gewesen, sich bei der Beklagten rechtzeitig näher zu erkundigen und die Unsicherheit zu beseitigen, statt bis zum 21.10.2010 schlicht untätig zu bleiben.
c) Die Versicherungswidrigkeit des Verhaltens des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil die Vermittlung des Klägers in Arbeit aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen und seines Alters (möglicherweise) erschwert war. Die Auffassung des Sozialgerichts, § 38 SGB III bzw. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III a.F. sei so auszulegen, dass bei offensichtlich aussichtslosen Vermittlungsbemühungen, von denen bei einem schwerbehinderten Versicherten kurz vor Beendigung des 63. Lebensjahres auszugehen sei, ein Schaden ausgelöst durch die verspätete Arbeitsuchendmeldung unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt ausscheide und deshalb eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nicht zu rechtfertigen sei, ist mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Was der Gesetzgeber als versicherungswidriges Verhalten ansieht, wird durch die Sperrzeittatbestände des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. (abschließend) geregelt. Dem Wortlaut nach finden sich weder in § 38 SGB III noch in § 144 SGB III a.F. Anhaltspunkte dafür, dass die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung bzw. die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen für eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung in irgendeiner Form vom Alter oder Gesundheitszustand des Betroffenen abhängig sein sollen. Die Möglichkeit der erleichterten Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld unter Verzicht auf das Erfordernis der Arbeitsbereitschaft für ältere Arbeitnehmer nach den Voraussetzungen des § 428 SGB III gilt befristet nur für Fälle, in denen der Arbeitslosengeldanspruch vor dem 01.01.2008 entstanden ist, was zeigt, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich nicht mehr typisierend von einer faktischen Unvermittelbarkeit älterer Arbeitnehmer ausgeht. Auch aus den §§ 29 ff. SGB III ergeben sich keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber generalisierend unterstellt, dass bei schwerbehinderten Arbeitslosen kurz vor Erreichen eines altersrentenberechtigenden Alters Vermittlungsbemühungen nicht erfolgversprechend sind und deshalb unterbleiben können. Im Gegenteil fordert der Gesetzgeber zu verstärkter vermittlerischer Unterstützung gerade in Fällen auf, in denen die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Dass die frühzeitige Arbeitsuchendmeldung bei Personen wie dem Kläger nur eine "Förmelei" und deren Unterbleiben für die Versichertengemeinschaft folgenlos bleibt, kann angesichts dessen nicht unterstellt werden.
Ob im konkreten Einzelfall auf die rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung des Klägers über die Veröffentlichung eines Stellengesuchs hinaus Vermittlungsbemühungen aufgenommen worden wären und welche Erfolgsaussichten diese gehabt hätten, muss – anders als das Sozialgericht meint – außer Betracht bleiben. Der Sperrzeittatbestand ist nicht Ausdruck individueller Schadensfeststellung, sondern Folge von versicherungswidrigem Verhalten (BSG, Urteil vom 25.08.2011, Az.: B 11 AL 30/10 R, juris Rn. 25). Auf Letzteres wiederum hat die Arbeitsverwaltung ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand im Rahmen einer Massenverwaltung zu reagieren, was nicht möglich wäre, wenn sie aufzuklären hätte, ob im konkreten Einzelfall die rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung einen Schaden (sprich Arbeitslosigkeit) vermieden hätte oder die Gefahr eines Schadenseintrittes zumindest verringert hätte. Derartige Feststellungen wären mit einem erheblichen Verwaltungs- und/oder Vermittlungsaufwand verbunden, dem die Beklagte bei der Umsetzung des Sperrzeittatbestandes gerade nicht ausgesetzt sein soll (BSG, a.a.O).
d) Beginn und Umfang der festgestellten Sperrzeit sind nicht zu beanstanden. Einwände werden insoweit vom Kläger auch nicht vorgebracht. Nach § 140 Abs. 6 SGB III a.F. beträgt die Dauer der Sperrzeit – wie im angefochtenen Bescheid geregelt – bei einem Meldeversäumnis oder einer verspäteten Arbeitsuchendmeldung eine Woche. Beginn der Sperrzeit ist der erste Tag der Arbeitslosigkeit (LSG NRW, Urteil vom 02.02.2012, Az.: L 16 AL 201/11, juris Rn. 38; Rademacker in: Hauck/Noftz, SGB III, Loseblatt Stand April 2014, § 38, Rn. 49) und damit hier der 01.01.2011. Der Tag, an dem die Arbeitsuchendmeldung spätestens hätte erfolgen müssen, ist nicht als sperrzeitbegründendes Ereignis i.S.v. § 140 Abs. 2 SGB III a.F. anzusehen. Da dieser Tag in die Zeit der (noch) bestehenden Beschäftigung fällt, liefe eine Sperrzeit regelmäßig angesichts fehlender Arbeitslosigkeit in Leere (LSG NRW, Urteil vom 02.02.2012, Az.: L 16 AL 201/11, juris Rn 35), was nicht Sinn der Sperrzeitregelung sei kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 09.10.2014
Zuletzt verändert am: 09.10.2014