Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17.5.2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012 aufgehoben, soweit die Beklagte darin den Bescheid vom 9.7.2002 auch für den Monat Februar 2012 aufgehoben und für diesen Monat 253,96 EUR zurückgefordert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auch im zweiten Rechtszug zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe eines Anspruchs auf (große) Witwenrente.
Die 1935 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau und Witwe des am 00.00.1933 geborenen und am 00.00.2002 verstorbenen Versicherten K Q (fortan: Versicherter).
Der Versicherte war in erster Ehe mit der 1938 geborenen V L verheiratet. Aus der Ehe gingen drei 1955, 1957 und 1958 geborene Kinder hervor. Die Ehe wurde aus überwiegendem Verschulden des Versicherten geschieden (Urteil des Landgerichts (LG) F vom 5.5.1966, Aktenzeichen (Az) 4 R 00/65, rechtskräftig seit dem 28.6.1966). Zunächst zahlte der Versicherte seiner früheren Ehefrau Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 150 DM und daneben Unterhalt für die drei gemeinsamen Kinder. In einem zwischen den früheren Eheleuten am 24.11.1966 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Versicherte, den gemeinsamen Kindern je 100 DM Kindesunterhalt zu zahlen; nachehelicher Unterhalt wurde darin nicht geregelt, aber tatsächlich nicht mehr gezahlt. Die frühere Ehefrau bezog anschließend Leistungen der Sozialhilfe.
Der Versicherte ging bereits nach der Trennung von seiner früheren Ehefrau eine Beziehung zur Klägerin ein, aus der im Februar 1967 eine gemeinsame Tochter hervorging. Im Mai 1967 heirateten der Versicherte und die Klägerin, 1972 kam ein gemeinsamer Sohn zur Welt. Die Klägerin war während der Ehe nicht berufstätig. Nach dem Tod des Versicherten gewährte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente in Höhe von (iHv) zunächst 1.027,39 EUR/Monat (Bescheid vom 9.7.2002). Daneben erhält die Klägerin (seit August 2000) von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen Regelaltersrente iHv anfänglich umgerechnet 185,67 EUR netto.
Die frühere Ehefrau wandte sich nach der Scheidung einem verheirateten Mann zu und unterhielt zu ihm eine nichteheliche Beziehung, aus der zwei 1969 und 1970 geborene Kinder hervorgingen. Deren Vater zahlte (nur) Unterhalt für seine Kinder. Die frühere Ehefrau bezog weiter Sozialhilfe. Erst ab 1989 war sie für etwa 6 Jahre sozialversicherungspflichtig als Helferin in der Altenpflege beschäftigt. Anschließend bezog sie Krankengeld und Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Etwa seit 2001 übernahm sie als Selbstständige gelegentlich und in geringem Umfang Pflegedienste. Seit Juni 2001 bezieht sie eine eigene Altersrente für Frauen von der DRV Bund (als Rechtsnachfolgerin der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) in Höhe von (iHv) monatlich zunächst umgerechnet 384,12 EUR netto (Bescheid vom 18.9.2001) und daneben eine Betriebsrente der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen iHv rund 40 EUR/Monat. Außerdem wurde sie nach eigenen Angaben zunächst von ihren Kindern finanziell unterstützt. Ab dem 1.4.2002 bezog sie neben den beiden Renten nur noch Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt iHv zunächst 222,06 EUR/Monat zuzüglich eines besonderen Mietzuschuss iHv 128,- EUR/Monat von der Stadt N. Ab 1.3.2003 bezog sie Grundsicherungsleistungen iHv zunächst 170 EUR und Wohngeld iHv 109 EUR, später nur noch Grundsicherungsleistungen in schwankender Höhe.
Am 23.5.2011 beantragte die früheren Ehefrau (Geschiedenen-)Witwenrente nach dem Versicherten, die die Beklagte ab Juni 2011 iHv netto 271,70 EUR gewährte, weil die frühere Ehefrau im Zeitpunkt des Todes des Versicherten gegen ihn einen Anspruch auf Unterhalt gehabt habe (Bescheid vom 30.1.2012, hinsichtlich des Rentenbeginns geändert durch Bescheid vom 4.5.2012). Danach hob die Beklagte – nach vorheriger Anhörung der Klägerin – den Bescheid vom 9.7.2002 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit ab Februar 2012 auf und forderte 253,96 EUR (den für Februar 2012 bereits gezahlten Monatsbetrag) zurück: Bestehe für denselben Zeitraum aus den Rentenanwartschaften eines Versicherten Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte, erhalte jede Berechtigte den Teil der Witwenrente, der dem Verhältnis der Dauer der Ehen des Versicherten mit allen Berechtigten entspreche. Durch das Hinzutreten einer zweiten Berechtigten sei in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Witwenrentenbescheid sei mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, die große Witwenrente betrage ab dem 1.3.2012 nur noch 803,85 EUR monatlich. Die Voraussetzungen für eine ermessensfehlerfreie Aufhebung bereits ab dem 1.2.2012 seien gegeben, weil die Klägerin über die geänderten Verhältnisse bereits durch das Anhörungsschreiben vom 23.1.2012 informiert gewesen sei, und deshalb gewusst habe oder grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass ihr Anspruch auf ungeteilte Witwenrente bereits ab Februar nicht mehr zugestanden habe (Bescheid vom 9.2.2012; Widerspruchsbescheid vom 12.4.2012).
Mit ihrer Klage vom 7.5.2012 beansprucht die Klägerin weiter die volle Witwenrente. Die frühere Ehefrau habe im letzten Dauerzustand vor dem Tod keinen Unterhaltsanspruch gegen den verstorbenen Versicherten gehabt. Es lägen Anzeichen für einen konkludenten Unterhaltsverzicht vor. 1966 sei vor dem Landgericht Essen ein Vergleich geschlossen worden, nach dem nur die Kinder Unterhalt zu beanspruchen hatten, nicht aber die frühere Ehefrau. Sollte es an einem (wirksamen) Unterhaltsverzicht fehlen, sei der Anspruch jedenfalls verwirkt. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die frühere Ehefrau als mitschuldig Geschiedene erstmals über 40 Jahre nach ihrer Scheidung Unterhaltsansprüche geltend mache.
Das Sozialgericht (SG) hat die frühere Ehefrau zum Verfahren notwendig beigeladen (Beschluss vom 24.8.2013; fortan: Beigeladene). Diese hat behauptet, nie auf Unterhalt verzichtet zu haben.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9.2.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.4.2012 sowie den der Beigeladenen erteilten Bescheid vom 4.5.2012 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung der großen Witwenrente, weil der Beigeladenen als vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegattin ein Anspruch auf Witwenrente zustehe. Im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten habe dieser der Beigeladenen gegenüber als überwiegend schuldig geschiedener Ehegatte den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt geschuldet. Die Beigeladene habe nicht auf Unterhalt verzichtet. Die Klägerin, die den Unterhaltsverzicht beweisen müsse, habe diesen Beweis nicht erbracht. Die Beigeladene habe den Unterhaltsanspruch auch nicht verwirkt. Nur weil sie unterlassen habe, Unterhalt zu fordern, habe der Versicherte nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie auch künftig keinen Unterhalt nict mehr geltend mache (Urteil vom 17.5.2013).
Mit ihrer Berufung vom 7.6.2013 begehrt die Klägerin weiter ungekürzte Witwenrente. Die Beigeladene habe (konkludent) auf Unterhalt verzichtet, indem sie diesen bereits kurz nach der Scheidung neben dem (gleichrangigen) Kindesunterhalt nicht mehr geltend gemacht habe. Zumindest könne in diesem Verhalten das notwendige "Umstandsmoment" für eine Verwirkung gesehen werden. Verwirkt sei der Unterhaltsanspruch außerdem, weil die Beigeladene eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu einem verheirateten Ehemann unterhalten und mit ihm zwei Kinder gezeugt habe. Ein solches Verhalten sei zur damals vollkommen inakzeptabel gewesen und habe wegen der vollständigen Namensgleichheit von Klägerin und Beigeladener besonders schwer gewogen. Auch das Sozialamt habe offenbar einen vorrangigen Unterhaltsanspruch verneint, denn es habe sich nie an den Versicherten gewandt. Schließlich habe die Beigeladene ihre Erwerbsobliegenheit über Jahre verletzt. Sie sei so zu behandeln, als ob sie zumindest Rente in Höhe des sozialrechtlichen Grundbedarfs beziehe und damit im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten nicht unterhaltsbedürftig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17.5.2013 zu ändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu entscheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurück zu weisen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin könne weder von einem Verzicht noch von einer Verwirkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt ausgegangen werden. Im Vergleich von 1966 sei ausschließlich Kindesunterhalt geregelt worden; von einem Verzicht der Beigeladenen auf ihren eigenen nachehelichen Unterhaltsanspruch sei mit keinem Wort die Rede gewesen. Für einen Willen der Beigeladenen, durch die Regelung des Kindesunterhalts den eigenen Unterhaltsanspruch unmittelbar und endgültig (konkludent) zum Erlöschen zu bringen – auch für den Fall späterer Änderung der eigenen Bedürftigkeit oder der Leistungsfähigkeit des Versicherten – bestünden keine Anhaltspunkte. Durch einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt hätte die bei Vergleichsschluss 1966 nicht berufstätige, allein für drei minderjährige Kinder sorgende Beigeladene zudem einen Vertrag zu Lasten Dritter (dem Träger der Sozialhilfe) geschlossen. Eine solche Vereinbarung laufe den guten Sitten zuwider und sei daher selbst dann nichtig, wenn die Vereinbarung nicht auf einer Schädigungsabsicht gegenüber dem Träger der Sozialhilfe beruhe.
Der Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt sei auch nicht verwirkt. Es fehle an einem zur schlichten Untätigkeit hinzutretenden Verwirkungsverhalten, aufgrund dessen der Versicherte darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Beigeladene ihren Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Die Beigeladene sei im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten (Zeit vom 1.5.2001 bis 30.4.2002) auch unterhaltsbedürftig gewesen. Zwar habe sie erst seit dem 12.3.2002 Sozialhilfe bezogen; soweit sie zuvor von ihren Kindern finanziell unterstützt worden sei, minderten diese freiwillige Leistungen Dritter den Unterhaltsanspruch der Beigeladenen jedoch nicht. Es habe sich – ebenso wie bei den Einkünften aus den gelegentlich übernommenen pflegerischen Tätigkeiten – nicht um dauerhafte und stabile wirtschaftliche Verhältnisse gehandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten die Akten des LG F (Az 4 R 00/86 sowie die BSHG/SGB XII-Akten der Stadt N (betreffend die Beigeladene) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
A. Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet. Das SG hat die Klage weit überwiegend zu Recht abgewiesen. Die von der Klägerin mit der Anfechtungsklage angefochtenen Bescheide vom 9.2.2012 (idG des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012, vgl § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und 30.1.2012 (nicht: 4.5.2012) sind nämlich, soweit der Zeitraum ab März 2012 geregelt wird, rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht, § 54 Abs 1 S 2 SGG. Die Klägerin hat ab März 2012 nur noch Anspruch auf die von der Beklagten festgestellte anteilige (große) Witwenrente (im Folgenden unter I.). Das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 17.5.2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2012 idG des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012 sind lediglich aufzuheben, soweit darin der Bescheid vom 9.7.2002 (auch) für den Monat Februar 2012 aufgehoben wird und für diesen Monat 253,96 EUR zurückgefordert werden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung und Rückforderung liegen insoweit nicht vor, § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 iVm § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X; im Folgenden zu II.).
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 9.2.2012 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.4.2012) und der an die Beigeladene gerichtete Bescheid vom 30.1.2012. Soweit im Klageantrag der Bescheid vom 4.5.2012 genannt wird, handelt es sich offenbar um eine versehentlich falsche Bezeichnung (falsa demonstratio). Denn die Klägerin wendet sich nach ihrem gesamten Vorbringen gegen die Feststellung eines Stammrechts auf (Geschiedenen-)Witwenrente zugunsten der Beigeladenen und die darauf basierende anteilige Kürzung ihrer eigenen (großen) Witwenrente. Ein Recht der Beigeladenen auf (Geschiedenen-)Witwenrente hat die Beklagte nur im (Grund-, Ausgangs-) Bescheid vom 30.1.2012 festgestellt. Mit dem späteren Bescheid vom 4.5.2012 hat sie lediglich (ohne Auswirkung auf den gleichzeitigen Anspruch der Klägerin) den Rentenbeginn (vom 1.2.2012 auf den 1.6.2011) vorverlegt, über Rentenart, -dauer oder – höhe aber nicht erneut entschieden.
Der Bescheid vom 30.1.2012 ist Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens, obwohl es sich um einen (nur) an die Beigeladene gerichteten begünstigenden Bescheid handelt. Da dieser Bescheid im Verhältnis zur Klägerin als Grundlage für die Aufteilung der Witwenrente auf mehrere Berechtigte belastende Drittwirkung entfaltet, gilt er bei Widerspruch und Klage gegen die entsprechende Kürzung der eigenen Witwenrente automatisch als mit angefochten (so bereits BSGE 21, 125ff; BSG, Urteil vom 13. März 1968 , Aktenzeichen (Az) 12 RI 250/67 , juris; zuletzt BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4).
I. Zu Recht hat die Beklagte den der Klägerin ungeteilte Witwenrente gewährenden Bescheid vom 9.7.2002 wegen einer wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse für die Zukunft, dh ab März 2012, aufgehoben, soweit der Beigeladenen Anspruch auf (Geschiedenen-)Witwenrente zusteht, § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Bei Hinzutreten eines weiteren Berechtigten ist die Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zwischen den Berechtigten aufzuteilen, § 91 S 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift erhält, wenn für denselben Zeitraum aus den Rentenanwartschaften eines Versicherten Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte besteht, jeder Berechtigte den Teil der Witwenrente, der dem Verhältnis der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten zu der Dauer der Ehen des Versicherten mit allen Berechtigten entspricht. Neben dem mit Bescheid vom 9.7.2002 bestandskräftig festgestellten Anspruch der Klägerin auf (große) Witwenrente besteht im geregelten Zeitraum ab März 2012 auch ein Anspruch der Beigeladenen auf (große) Witwenrente für geschiedene Ehegatten, § 243 Abs 2 SGB VI.
1. Nach § 243 Abs 2 SGB VI besteht Anspruch auf große Witwenrente auch für geschiedene Ehegatten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist, die nicht wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von diesem Unterhalt erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und (als eine von mehreren gleichrangigen Alternativen) das 45. Lebensjahr vollendet haben, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30.4.1942 gestorben ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Ehe zwischen der Beigeladenen und dem Versicherten ist vor dem 1. Juli 1977 (nämlich am 5.5.1966, rechtskräftig seit dem 28.6.1966) geschieden. Die Beigeladene, die das 45. Lebensjahr längst (bereits 1983) vollendet hat, hat nicht erneut geheiratet oder eine Lebenspartnerschaft begründet. Der Versicherte hat die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben, nämlich am 00.00.2002. Die Beigeladene hat zwar im letzten Jahr vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemanns von diesem keinen Unterhalt erhalten; sie hatte jedoch (was gleichwertig ist) im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod Anspruch auf Unterhalt (vgl zu a.), der 25% des notwendigen Mindestbedarfs iS des Sozialhilferechts erreicht (vgl zu b.) und nicht mit hinzuzurechnenden Einkünften gedeckt werden konnte (vgl. zu c.). Auf ihn hat sie weder verzichtet (vgl zu 2.), noch ist der Anspruch verwirkt (vgl zu 3.).
a. Als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand legt der Senat den Zeitraum vom 1.4.2002 bis zum 00.00.2002 zugrunde. Maßgeblich ist – ohne Rücksicht auf ihre Dauer – grundsätzlich die Zeitspanne von der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschiedenen mit Dauerwirkung bis zum Tode des Versicherten. Wie sich auch aus dem unterschiedlichen Wortlaut der ersten und der zweiten Alternative des § 243 Abs 2 Nr 3 SGB VI ergibt, verbietet sich dabei eine starre, schematische, auf ein Jahr fixierte Handhabung (BSG, Urteile vom 16.3.2006, Aktenzeichen (Az) B 4 RA 15/05 R, 28.2.1990, Az 8 RKn 3/89, und 25.2.2010, Az B 13 R 147/08 R, Rdnr 27). Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschiedenen sind ab April 2002 dauerhaft und stabil gewesen. Ab diesem Zeitpunkt bezogen sowohl der Versicherte als auch die Beigeladene nur noch ihre jeweiligen regelmäßigen Altersbezüge; die Beigeladene hatte ihre zuvor bis einschließlich März 2002 in geringem Umfang ausgeübte Tätigkeit als selbstständige Pflegekraft dauerhaft aufgegeben. Anschließend änderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der beiden bis zum Tod des Versicherten nicht mehr; mit Änderungen war auch nicht mehr zu rechnen.
In diesem Zeitraum hatte die Klägerin einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten nach §§ 58, 59 Ehegesetz (EheG), weil nach dem Ausspruch im Scheidungsurteil vom 5.5.1966 der Versicherte überwiegend Schuld an der Scheidung trug. Das EheG ist zwar mit Ablauf des 30.6.1977 außer Kraft getreten (Art 3 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976, BGBl I 1421). Hier sind aber die darin enthaltenen Vorschriften über die Scheidung der Ehe und die Folgen der Scheidung des EheG noch anwendbar, weil die Ehe vor dem In-Kraft-Treten des 1. EheRG am 1.7.1977 (Art 12 Nr 3 Abs 2 1. EheRG) geschieden worden ist (LSG NRW, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 39/10, Rdnr 24; OLG Celle, Urteil vom 13.10.2011, Az 10 WF 280/11, Rdnr 10 f mit Ausführungen zu möglichen Auswirkungen des Unterhaltsänderungsgesetzes vom 21.12.2007).
Nach § 58 Abs 1 EheG hatte der Versicherte der Beigeladenen den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Beigeladenen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichten (BSG, Urteil vom 14.7.1982, Az 5a/5 RKn 12/80). Auch bei einem lange zurückliegenden Scheidungszeitpunkt sind danach grundsätzlich zunächst die damaligen Einkommensverhältnisse und die gesellschaftliche Stellung beider Ehegatten von entscheidender Bedeutung (BSGE 40, 225, 226 = SozR 2200 § 1265 Nr 8 und Urteil vom 20.6.1979 aaO). Der unterhaltsberechtigte Ehegatte soll nach § 58 EheG so gestellt werden, dass er seinen in der Ehe erworbenen Lebensstandard beibehalten kann. Anschließend ist der angemessenen Unterhalt zur Zeit der Scheidung an die Lohn- und Preisentwicklung bis zum Todeszeitpunkt des Versicherten anzupassen (BSG, Urteil vom 14.7.1982, Az 5a/5 RKn 12/80 in BSGE 54,34ff = SozR 2200 § 1265 Nr 66).
Auf welche Art dies zu geschehen hat, kann hier dahinstehen. Denn dass ein Unterhaltsanspruch der die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder betreuenden, nicht erwerbstätigen Beigeladenen im Augenblick der Scheidung im Jahr 1966 gegen den vollschichtig erwerbstätigen Versicherten (durchschnittliches sozialversicherungspflichtiges Einkommen 1966 rd 1.200 DM/Monat) bestand, ist unstreitig. Der Versicherte zahlte auch tatsächlich – zumindest bis zum Vergleichsschluss im November 1966 – 150 DM/Monat an Ehegattenunterhalt. Unabhängig von der Art und Weise der Hochrechnung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf den Zeitpunkt des Todes des Versicherten und der konkreten Höhe dieses Anspruchs der Beigeladenen am 00.00.2002 wird als angemessener Unterhalt einer geschiedenen Frau iSv § 58 EheG wenigstens der sog notwendige Mindestbedarf geschuldet (BSG, Urteil vom 14.7.1982, Az 5a/5 RKn 12/80, Rdnr 14). Denn auch bei einfachen Lebensverhältnissen geht der für den angemessenen Unterhalt erforderliche Betrag stets über das Existenzminimum hinaus. Das ergibt sich schon daraus, dass nach § 65 Abs 1 EheG bei Bedürftigkeit infolge sittlichen Verschuldens unterhalb des angemessenen Unterhalts (§ 58 Abs 1 EheG) der notdürftige Unterhalt verlangt werden kann (BSG, Urteil vom 14.7.1982, Az 5a/5 RKn 12/80, Rdnr 14).
Nach der Auskunft des Sozialbüros der Stadt N betrug der sozialhilferechtliche Bedarf der Beigeladenen im Mai 2002 unter Berücksichtigung der üblichen Kosten für eine angemessene Wohnung, des Regelsatzes der Sozialhilfe, den Mehrbedarfszuschlägen gemäß § 30 SGB XII sowie verschiedener Beihilfen monatlich 607,01 EUR. Tatsächlich dürfte er noch etwas höher gelegen haben, denn die Berechnung der Stadt N berücksichtigt zu Unrecht Mehrbedarfe wie Weihnachtsgeld, Geburtstagsgeld, Reparaturen u.a. nicht.
Bereits den als Unterhalt geschuldeten notwendigen Mindestbedarf iHv 607,01 EUR konnte die Beigeladene im Augenblick des Todes des Versicherten am 00.00.2002 nicht mit eigenen Einkünften decken. Sie bezog zu diesem Zeitpunkt lediglich gesetzliche Rente iHv monatlich netto 384,12 EUR und rund 40 EUR Betriebsrente der kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen. Es ergab sich eine Unterdeckung und damit Bedürftigkeit iHv 182,88 EUR/Monat. Soweit die Beigeladene Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt von zunächst 222,06 EUR/Monat und einen besonderen Mietzuschuss iHv 128,- EUR/Monat erhielt, sind diese gegenüber dem Unterhaltsanspruch nachrangig, § 2 Abs 1 und 2 S 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der bis zum 31.12.2004 gültigen Fassung bzw §§ 4 Nr 3, 13 Abs 1 und 14 Abs 2 Nr 20 Wohngeldgesetz in der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Fassung.
Der Versicherte konnte den Bedarf der Beigeladenen im Zeitpunkt des Todes mit seiner monatlichen Rente iHv brutto 1.808,12 EUR (1.540,52 EUR netto) zumindest iHv 116,64 EUR/Monat decken, war somit in dieser Höhe leistungsfähig. Der Unterhaltsbedarf der insoweit ebenfalls zu berücksichtigenden Klägerin als zweiter Ehefrau des Versicherten belief sich dabei auf die Hälfte der gemeinsamen Renteneinkünfte ((1.540,52+186,67):2 = 863,10 EUR). Ihn konnte sie iHv 186,67 EUR mit eigenen Renteneinkünften decken; es verblieb ein Unterhaltsanspruch von 677,43 EUR. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts des Versicherten von 1.000 EUR/Monat (Nr 20.1. der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum Unterhaltsrecht, Stand: 1. Juli 2001) verblieb ein zwischen den gleichrangigen Ansprüchen (§§ 1582 Abs 1, 1609, 1571 Nr 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) der beiden (geschiedenen) Witwen aufzuteilender Betrag von (1.540,52-1000) 540,52 EUR. Hiervon stand der Klägerin (185,67: (185,67+677,43) = 21,58% und damit) 116,64 EUR/Monat zu.
b. Zwar verlangen weder der Gesetzestext noch der Begriff des Unterhalts eine Mindesthöhe des zu gewährenden Unterhalts. Im Hinblick darauf, dass die Hinterbliebenenrente Ersatz für einen weggefallenen Unterhalt bzw Unterhaltsanspruch bilden soll und die Gewährung von Witwenrente nach § 243 SGB VI zur Kürzung einer (weiteren) Witwenrente nach § 91 SGB VI führt, sind der Höhe nach nur solche Leistungen als Unterhalt iSd Gesetzes anzusehen, die geeignet sind, den Mindestlebensbedarf eines Unterhaltsempfängers- bzw -berechtigten merklich zu beeinflussen (BSGE 22, 44; Gürtner in: KassKomm. SGB VI. 81. EL 2014. § 243 Rdnr 12). Das BSG verlangt daher inzwischen ausnahmslos (früher aA BSGE 50, 210), dass der Unterhalt 25% des für den geschiedenen Ehegatten zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs des Sozialhilferechts erreichte (BSGE 53, 256). Unter der Geltung des bis Ende 2004 wirksamen BSHG waren zur Ermittlung der Mindesthöhe anzusetzen die Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende (BSGE 53, 256). Nicht zu berücksichtigen sind die Kosten der Unterkunft und der dafür notwendige Sozialhilfebedarf (BSG NJW 1991, 2790), ebenso wenig andere individuelle Umstände, wie das Einkommen des geschiedenen Ehegatten (BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 34) oder etwaiger Sozialhilfemehrbedarf (BSG 53, 256).
Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten betrug der sozialrechtliche Regelsatz für Haushaltsvorstände 287 EUR/Monat; 25% hiervon ergeben 71,75 EUR. Der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen überstieg diesen Betrag mit 116,64 EUR/Monat deutlich.
c. Der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen entfällt auch nicht dadurch, dass sie – wie die Klägerin behauptet – ihre Bedürftigkeit selbst herbeigeführt hat, indem sie ihrer Erwerbsobliegenheit gegenüber dem Versicherten nicht nachgekommen ist. Es trifft zwar zu, dass die Beigeladene spätestens nach Volljährigkeit der gemeinsamen drei Kinder Ende 1976 gegenüber dem Versicherten als Unterhaltsschuldner verpflichtet war, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Daran war sie – was unterhaltsrechtlich ohne Relevanz ist – durch die Betreuung der beiden weiteren, nichtehelich mit Herrn C gezeugten Kinder allerdings faktisch gehindert.
Es lässt sich bereits nicht hinreichend sicher feststellen, wie sich die finanziellen Verhältnisse der Beigeladenen bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten durch eine frühere Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entwickelt hätten und ob sie ihre Unterhaltsbedürftigkeit zu diesem Zeitpunkt hätte vermeiden können, Dagegen spricht, dass die Beigeladene selbst die tatsächlich aufgenommene Pflegetätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nur etwa 6 Jahre lang vollschichtig und sozialversicherungspflichtig hat ausüben können. Dass dies im Fall einer früheren Aufnahme einer Erwerbstätigkeit anders gewesen wäre und die Renteneinkünfte signifikant höher ausgefallen wären, kann allenfalls gemutmaßt, aber nicht bewiesen werden.
Zudem gilt: Inwieweit sich ein vorwerfbares Verhalten eines Unterhaltsberechtigten in der Vergangenheit, das seine Bedürftigkeit beeinflusst, auf den Unterhaltsanspruch auswirkt, ist in unterhaltsrechtlichen Sondervorschriften geregelt; sie schließen in ihrem Regelungsbereich den Rückgriff auf allgemeine Grundsätze aus (BGH, Urteil vom 18.5.1983, Az IVb ZR 375/81; BGHZ 84, 280, 283 mwN). Im vorliegenden Fall sieht § 65 Abs 1 EheG vor, dass ein Unterhaltsberechtigter, der infolge sittlichen Verschuldens bedürftig ist, zumindest noch den notdürftigen Unterhalt verlangen kann. Dieser liegt unter dem Unterhaltsbedarf, der im ungünstigsten Fall als angemessener Unterhalt in Betracht kommt. Er deckt nur das zum Leben Unumgängliche und nähert sich damit den in § 25 Abs 2 BSHG auf das Unerlässliche eingeschränkten Sozialhilfeleistungen (Brühl. Unterhaltsrecht. 1963. S 60). Seine genaue Höhe ist strittig, liegt aber zumindest bei 70% des sozialhilferechtlichen Regelsatzes (Bay VGH, Urteil vom 26.11.1993, Az 12 CE 93.3058, Rdnr 21; Streichbier in; Grube/Warendorf. SGB XII. 5 Aufl 2014. § 26 Rdnr 4 mwN) und damit deutlich oberhalb von 25% des sozialhilferechtlichen Regelsatzes, die nach der Rspr des BSG im Rahmen von § 243 Abs 2 Nr 3 SGB VI als Unterhaltsanspruch(-shöhe) genügen. Unterhalt im Zeitpunkt des Todes des Versicherten stand der Beigeladenen also selbst dann zu, wenn sie ihre Bedürftigkeit durch sittliches Verschulden herbeigeführt hätte.
Ein sittliches Verschulden ist hier überdies zu verneinen. Nicht jede Vernachlässigung der Obliegenheit, die Mittel zum eigenen Unterhalt im Rahmen des Zumutbaren selbst aufzubringen, ist als sittliches Verschulden im Sinne von § 65 Abs 1 EheG anzusehen. Die Bedürftigkeit muss vielmehr durch Verhaltensweisen herbeigeführt worden sein, die bei objektiver Wertung sittlich zu missbilligen sind, wie Arbeitsscheu, Trunksucht, Verschwendung, Spielleidenschaft uä (BGH, Urteil vom 18.5.1983, Az IVb ZR 375/81; Hoffmann/Stephan EheG 2. Aufl. § 65 Anm. 8; Göppinger/Wenz Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 891, 815; RG LZ 1919, 1238; vgl zum Fall einer Verwirkung infolge von Trunksucht eines Unterhaltsgläubigers: OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.1997, Az 16 UF 199/96). Derartige Gründe sind hier nicht zu erkennen, die Betreuung von Kindern – gleich aus welcher Beziehung sie stammen – ist objektiv nicht zu missbilligen.
2. Die Beigeladene hat auf ihren Unterhaltsanspruch – was grundsätzlich nach § 72 Abs 1 EheG möglich gewesen wäre – nicht verzichtet. Für einen solchen Verzicht ist die Klägerin – da er ihren Anspruch auf ungeteilte große Witwenrente begründen würde – objektiv darlegungs- und beweisbelastet. Diesen Beweis hat sie nicht führen können. Problematisch ist insoweit bereits – worauf der Klägerbevollmächtigte selbst hinweist – dass es an einer umfassenden, sicheren Tatsachenbasis fehlt. Die den Ehegattenunterhalt der Beigeladenen betreffenden Unterlagen aus der Zeit der Scheidung und der Folgejahre sind nur noch bruchstückhaft vorhanden. So lässt sich dem Vergleich aus November 1966 bereits nicht entnehmen, was alles darin geregelt worden ist. Außer dem ausdrücklich geregelten Kindesunterhalt erfolgten alle übrigen Regelungen ausschließlich durch Bezugnahme auf andere Verfahren, zu denen keine Unterlagen mehr existieren. Dafür, dass auf diese Art auch der Ehegattenunterhalt der Beigeladenen geregelt und auf diesen ggf sogar (ausdrücklich) verzichtet wurde, hat der Senat keinen Anhalt. Das behauptet auch die Klägerin nicht substantiiert.
Auf Unterhalt für sich hat die Beigeladene durch die ausschließliche Regelung von Kindesunterhalt im Vergleich vom November 1966 auch nicht konkludent verzichtet. Zwar hat der Versicherte nach Abschluss des Vergleichs nur noch Kindesunterhalt und – trotz gleichen Rangs der Unterhaltsansprüche – keinen Ehegattenunterhalt mehr an die Beigeladene gezahlt (zuvor 150 DM/Monat); diese hat sich zur Deckung ihres Bedarfs an das Sozialamt statt an den Versicherten gewandt. Daraus lässt sich aber zur Überzeugung des Senats nicht (mit hinreichender Sicherheit) schließen, dass die Klägerin dauerhaft – auch für den Fall eigener Not und geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse (vgl hierzu BSG, Urteile vom 25.2.2010, Az B 13 R 147/08 R, Rdnr 35, vom 27.2.1980, Az 1 RJ 22/79, Rdnr 19, und vom 9.2.1984, Az 11 RA 84/82, Rdnr 17) – auf Unterhalt verzichtet hat. Die Beigeladene hat dies ausdrücklich bestritten und ihr Verhalten nachvollziehbar damit begründet, dass der Versicherte damals, 1966, nach eigenen Angaben und ihrer Einschätzung nicht hinreichend leistungsfähig war, um den Bedarf aller Unterhaltsberechtigten (den der gemeinsamen drei Kinder, ihren eigenen, den der Klägerin als künftigen Ehefrau und des bereits gezeugten weiteren Kindes) hinreichend zu decken. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Beigeladene auch im Falle verbesserter Leistungsfähigkeit keinen Ehegattenunterhalt mehr geltend machen wollte; davon konnte auch der Versicherte nicht (sicher) ausgehen. Ohne Belang ist, ob die Beigeladene aufgrund von Beratung durch einen Anwalt oder das Sozialamt Kenntnis von der Gleichrangigkeit ihres Unterhaltsanspruchs mit denjenigen der anderen Unterhaltsberechtigten hatte.
Ein (konkludenter) Unterhaltsverzicht ist auch nicht darin zu sehen, dass das Sozialamt N offenbar – trotz rechtlichen Vorrangs des Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen gegenüber dem Versicherten – der Beigeladenen Sozialhilfeleistungen gewährt hat, ohne (zu versuchen,) Regress beim Versicherten zu nehmen. Denn das Sozialamt kann nicht (konkludent) auf Unterhalt für die Beigeladene verzichten.
Ein (konkludent) geschlossener Unterhaltserlassvertrag wäre im Übrigen ein Vertrag zu Lasten Dritter – des Sozialamtes – gewesen und wäre damit den guten Sitten zuwidergelaufen und aus diesem Grund nach § 72 S 3 EheG iVm § 138 BGB nichtig gewesen, auch wenn die Vereinbarung nicht auf einer Schädigungsabsicht der Ehegatten gegenüber dem Träger der Sozialhilfe beruht haben sollte (BGH, Urteil vom 8.12.1982, Az IVb ZR 333/81, Rdnr 17). Die Beigeladene war aufgrund der Betreuung der drei minderjährigen, damals 8, 9 und 11 Jahre alten Kinder rechtlich nicht verpflichtet (BSG, Urteil vom 31.5.1967, 12 RJ 406/62, Rdnr 22) und tatsächlich auch nicht in der Lage, den eigenen Bedarf durch eine Erwerbstätigkeit sicherzustellen.
3. Die Beigeladene hat ihren Unterhaltsanspruch weder nach § 66 EheG noch nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt (vgl zum Nebeneinader beider Verwirkungstatbestände: Brühl. Unterhaltsrecht. 2. Aufl. 1963. S 266). Das (allgemeine) Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht anerkannt. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) sowie sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr des BSG; BSG, Urteil vom 12.11.2013, Az B 1 KR 56/12 R, Rdnr 15; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, Rdnr 37 mwN; BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, Rdnr 36; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 Rdnr 31; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 Rdnr 36; BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 1 Rdnr 17; BSG SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 13; BSG, Urteil vom 30.7.1997, Az 5 RJ 64/95, Rdnr 27; BSGE 80, 41, 43; BSG, Urteil vom 1.4.1993, Az 1 RK 16/92, Rdnr 23; BSG SozR 2200 § 520 Nr 3 S 7; BSG, Urteil vom 29.7.1982, Az 10 RAr 11/81, Rdnr 15; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSG, Urteil vom 25.1.1972, Az 9 RV 238/71, Rdnr 17).
a. Die Klägerin hat – persönlich vom Senat gehört – angegeben, der verstorbene Versicherte hätte nach seiner Scheidung von der Beigeladenen mit dieser keinen Kontakt gehabt. Allenfalls habe man sie zufällig und auch nur selten beim Einkaufen gesehen. Von der Beziehung zu Herrn C habe er nicht über die gemeinsamen Kinder, sondern über Nachbarn erfahren. Weder über diese Beziehung noch über die Beigeladene als solche oder etwaig fortbestehende Unterhaltsansprüche habe der Kläger je mit ihr gesprochen. Ein tatsächliches Vertrauen des Versicherten darauf, dass ein Unterhaltsanspruch von der Beigeladenen nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), kann aus reinem "Nicht-darüber-Sprechen" nicht gefolgert werden. Über insoweit möglicherweise vorhandenen Überlegungen des Versicherten ist nichts Näheres bekannt. Das gilt auch in Bezug auf Vorkehrungen und Maßnahmen des Versicherten (Vertrauensverhalten), die dazu geführt haben könnten, dass ihm durch eine verspätete Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde, zB durch unterlassenes Generieren zusätzlicher Einkünfte im Alter für sich und die Klägerin. Bereits aufgrund Fehlens von (nachgewiesenem) Vertrauen und Vertrauenshandlungen des Versicherten auf die Nicht-mehr-Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, ist der Anspruch der Beigeladenen nicht verwirkt.
b. Zudem hat auch die Beigeladene kein Verhalten gezeigt, dass entsprechendes Vertrauen des Versicherten hätte rechtfertigen können.
Der Umstand, dass die Beigeladene ihren Unterhaltsanspruch bis zum Tod des Versicherten 45 Jahre lang nicht ausgeübt hat, erfüllt als reines Nichtstun zwar das Zeitmoment der Verwirkung, nicht aber das zusätzlich notwendige Verhalten. Auch der BGH verzichtet – in der von der Klägerin zitierten Entscheidung – nicht auf ein solches Umstandsmoment (BGH, Urteil vom 23.10.2002, Az XII ZR 266/99, Rdnr 13). Die Entscheidung ist im Übrigen nur bedingt auf den vorliegenden Fall übertragbar, da es dort – anders als hier – um keinen auf Verschulden des Unterhaltsschuldners basierenden Unterhaltsanspruch ging, und vom BGH der vorliegend nicht relevante Gesichtspunkt des Schutzes von Schuldnern vor Unterhaltsrückständen in den Mittelpunkt der Entscheidung gestellt wurde.
Verwirkt ist der Unterhaltsanspruch auch nicht dadurch, dass die Beigeladene eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu einem verheirateten Ehemann unterhalten und mit ihm zwei Kinder gezeugt hat. Dies stellt insbesondere keine schwere Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten dar oder einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel gegen dessen Willen iSd § 66 EheG (aA Brühl. Unterhaltsrecht. 2. Aufl. 1963. S 263 ff mwN). Richtig ist allerdings, dass ein solches Partnerschaftsmodell in den 60er und 70er Jahren gesellschaftlich noch deutlich weniger als heute akzeptiert wurde und wegen des Wohnens in derselben Stadt (N) und der damals noch bestehenden vollständigen Namensgleichheit von Klägerin (als zweiter Ehefrau) und Beigeladener (als geschiedener Ehefrau) durchaus von Belang war. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Witwenrentenanspruch der Beigeladenen gerade die Geschiedenen im Rentenalter für die typischen Einbußen entschädigen soll, die sie wegen der Scheidung der Ehe ohne Versorgungsausgleich in ihrer eigenen Rente hinnehmen mussten (BSG, Urteil vom 25.2.2010, Az B 13 R 147/08 R, Rdnr 37). Das eine Verwirkung bewirkende Verhalten müsste daher den Unterhaltsverpflichteten ebenso (schwer) getroffen haben wie der Verlust des Unterhaltsanspruchs den Berechtigten (BGH, Urteile vom 8.11.1972, Az IV ZR 109/70, vom 26.9.1979, Az IV ZR 87/79, Rdnr 7 und vom 8.4.1981, Az IVb ZR 566/80, Rdnr 7).
Das ist hier nicht der Fall. Der Senat hat nicht einmal Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte durch die Beziehung der Beigeladenen zum verheirateten Herrn C und die daraus hervorgegangenen beiden Kinder (besonders) getroffen worden ist. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass ihn diese Beziehung annähernd so getroffen hat wie die Beigeladene der (dauerhafte) Bezug von Sozialleistungen im Alter getroffen hätte, wie er ohne Unterhaltsanspruch bzw diesen ersetzende (Geschiedenen-)Witwenrente erforderlich gewesen wäre. Zweck des § 66 EheG ist nicht, einen geschiedenen Ehegatten zu einem sittlichen Lebenswandel anzuhalten und ihn wegen einer unsittlichen Lebensführung zu strafen. Der Unterhaltspflichtige soll von seiner Unterhaltspflicht nur befreit werden, wenn er selbst in seinen rechtlich geschützten Interessen durch den Lebenswandel seines geschiedenen Ehegatten betroffen wird. Aus diesem Grund hat der BGH bereits 1959 die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs einer geschiedenen Ehefrau verneint, die – ähnlich wie im vorliegenden Fall die Beigeladene – jahrelang eine nichteheliche Beziehung zu einem verheirateten Mann führte, aus der ein gemeinsames Kind hervorging (BGH, Urteil vom 11.11.1959, Az 4 ZR 88/59, Rdnr 43). Dieser Ansicht schließt sich der Senat an.
Hinzu kommt, dass es beim Anspruch der Beigeladenen nach §§ 58, 59 EheG um die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs geht, der nicht allein durch die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bestimmt wird. Im Gegensatz zu einem Unterhaltsanspruch nach neuem Recht beruht der Anspruch der Beigeladenen zudem darauf, dass die Ehe der Parteien überwiegend durch Verfehlungen des Unterhaltspflichtigen (körperliche Misshandlungen) zerrüttet und deswegen aus seinem überwiegenden Verschulden geschieden worden ist. Gerade diesem Umstand misst das zur Anwendung kommende Recht bei der Frage des Verlustes jenes Anspruchs ein wesentliches Gewicht bei und leitet aus ihm die Rechtfertigung ab, nur im Falle – hier nicht gegebener – grober und für den Unterhaltspflichtigen besonders belastender Verstöße eine Verwirkung anzunehmen (BGH, Urteile vom 26.9.1979, Az IV ZR 87/79, Rdnr 10, vom 19.3.1986, Az Ivb ZR 20/85, Rdnr 17, und vom 27.3.1991, Az XII ZR 96/90, Rdnr 16, 18).
Die Anteile der Klägerin und der Beigeladenen an der Witwenrente nach dem Versicherten sind der Höhe nach zu Recht unstreitig.
II. Der Bescheid vom 9.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012 beschwert die Klägerin allerdings, soweit die Beklagte darin den Bescheid vom 9.7.2002 entgegen ihrer eigenen Diktion ("für die Zukunft") auch für den Monat Februar 2012 (teilweise) aufhebt, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Aufhebung "für die Zukunft" bedeutet Aufhebung für die Zeit nach Bekanntgabe des Bescheids; wird die geänderte Leistung in Monatsabschnitten gewährt, beginnt die Zukunftswirkung mit Beginn des nächsten Leistungsabschnitts (BSGE 61, 189ff = SozR 1300 § 48 Nr 31; BSGE 62, 103ff = SozR 1300 § 48 Nr 39; BSGE 65, 185ff = SozR 1300 § 48 Nr 57; BSGE 80, 186ff = SozR 3-7140 § 1 Nr 1; Schütze in: von Wulffen/Schütze. SGB X. Kommentar. 8. Aufl. 2014, § 48 Rndr 18) Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung vom 9.2.2012 handelte es sich beim Rentenanspruch für den Monat Februar 2012 damit nicht mehr um einen künftigen, sondern um einen gegenwärtigen, bereits entstandenen Anspruch. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung und Erstattung liegen aber nicht vor, § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 iVm § 50 SGB X.
Nach – dem hier als Eingriffsnorm einzig in Betracht kommenden – § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X setzte eine rückwirkende ("ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse") Aufhebung voraus, dass die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass ihr Anspruch auf Witwenrente bereits für Februar 2012 (teilweise) weggefallen ist. Eine solche mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin ist nicht erkennbar. Sie ist insbesondere nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte die Klägerin über die aus ihrer Sicht geänderten Verhältnisse mit Anhörungsschreiben vom 23.1.2012 informiert hat. Die Beklagte hat der Klägerin darin lediglich mitgeteilt, dass nach ihrer Rechtsauffassung der Antrag der Beigeladenen auf Witwenrente Erfolg hatte und damit eine weitere Berechtigte hinzukomme, weshalb die Witwenrente zwischen den beiden Berechtigten aufzuteilen sei. Diese Schlussfolgerungen sind, wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, keinesfalls derart evident, dass sich bei Kenntnis der mitgeteilten Tatsachen (Rentenantrag der Beigeladenen; bewilligende Entscheidung der Beklagten) aufdrängen musste, dass die Rechtsauffassung der Beklagten zutrifft und deshalb der Klägerin der vollständige Rentenanspruch nicht mehr zusteht.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 S 1, § 193 Abs 1 S 1 SGG. Aufgrund ihres weit überwiegenden Unterliegens entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin der obsiegenden Beigeladenen (auch) die notwendigen Kosten des zweiten Rechtszugs erstattet.
C. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 12.11.2014
Zuletzt verändert am: 12.11.2014