Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 19.11.2013 aufgehoben. Den Klägern wird für die Zeit ab 25.03.2013 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus E bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beschwerde ist statthaft und damit zulässig; §§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 572 Abs. 2 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
1) Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2013, der die Leistungsbewilligung für den Zeitraum September bis Dezember 2012 regelt und den Klägern zu 1) und 2) einen Regelbedarf in Höhe von 337 EUR und dem Kläger zu 3) einen Regelbedarf in Höhe von 299 EUR zuerkannte.
2) Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 b) SGG (in der ab dem 25.10.2013 geltenden Fassung der Änderung durch Art. 7 Nr. 11a des Gesetzes vom 19.10.2013, BGBl I, 3836) ist die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde dann ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt hier mindestens 903 EUR. Die Kläger zu 1) und 2) haben mit dem Klageantrag einen Regelbedarf von jeweils 446 EUR geltend gemacht, der Kläger zu 3) ein Regelbedarf in Höhe von 355 EUR. In der Klagebegründung gingen die Kläger zu 1) und 2) von einem Regelbedarf von 345,- EUR und der Kläger 3) von einem Regelbedarf von 306 EUR aus; 446 EUR – 345 EUR x 2 Personen x 4 Monate + 355 EUR – 306 EUR x 4 Monate = 903 EUR. Unter Berücksichtigung des tatsächlich bewilligten Regelbedarfs mit Bewilligungsbescheid vom 26.11.2012 ist der Wert des Beschwerdegegenstandes sogar höher als 903 EUR.
II. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
1) Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Kläger – bei summarischer Prüfung – in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Hinreichende Erfolgsaussichten sind daher grundsätzlich dann zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 – 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12; so auch die ständ. Rspr. des erkennenden Senats, Beschluss vom 12. September 2013 – L 7 AS 176/13 B; Beschluss vom 12. Juni 2013 – L 7 AS 138/13 B). Ein Gericht, das § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im PKH-Verfahren "durchentschieden" werden können, verkennt die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG vom 14.06.2006 – 2 BvR 626/06 -, vom 08.11.2004 – 1 BvR 2095/04 – und 04.02.2004 – 1 BvR 596/03).
Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist aber nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rz. 29 – BVerfGE 81, 347). Ist dies der Fall, muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (BVerfG, Beschluss vom 10.12.2001 – 1 BvR 1803/97 – juris Rz. 9 – NJW-RR 2002, 793). Macht ein Kläger geltend, dass das Gesetz, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, verfassungswidrig sei, sind Erfolgsaussichten gegeben, wenn die Möglichkeit, dass das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig hält und das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) aussetzt, nicht fernliegend ist (in diesem Sinne auch LSG Bayern, Beschlüsse vom 22.08.2012 – L 11 AS 549/12, L 11 AS 550/12, L 11 AS 551/12).
Bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe in der Neugestaltung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453 ff) handelte es sich zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrages am 25.03.2013 – dem Zugang der Klage beim Sozialgericht Aachen mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – nach Ansicht des Senats noch um eine schwierige, bisher nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage. Der Bewilligung von PKH steht für den vorliegenden Fall zunächst die Rechtsprechung des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe für "alleinstehende Leistungsberechtigte" gem. §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII (Urteile vom 12.07.2012 B 14 AS 153/11 R; B 14 AS 189/11 R) nicht entgegen. Bei den Klägern handelt es sich um die Ehepartner, die zusammen mit ihrem volljährigen Sohn in einem Haushalt leben. Bei der seitens der Kläger aufgeworfene Frage geht es daher nicht bzw. nicht allein um die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende (die Gegenstand der Entscheidung des BSG war; BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 153/11 R -, BSGE 111, 211-234). Die Kläger rügen vielmehr (auch) die Höhe des Regelsatzes für den Kläger zu 3). Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 12.07.2012 noch keine Stellung genommen zu der Verfassungsgemäßheit nach der Regelbedarfsstufe 3 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt; vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 (Regelbedarfsstufen) RBEG. Das BSG hat auch nicht zu den Regelbedarfsstufen für leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche im Sinne § 8 Abs. 1 Nr. 4 – 6 RBEG Stellung bezogen. Das Urteil des BSG vom 12.07.2012 steht einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen (vgl. BSG aaO, LS. Rdnr. 19, 24 ff).
Gleiches ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 28.03.2013 (B 4 AS 12/12 R). Mit der Entscheidung hat das BSG geurteilt, dass die Höhe des Regelbedarfs ab 1.1.2011 nicht verfassungswidrig zu niedrig bemessen worden ist, soweit der Regelbedarf für Alleinstehende und erwachsene Ehepartner, die zusammenleben, sowie für Erwachsene in einem Paarhaushalt mit Kind und ein Kind bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahrs betroffen ist. Ob hiermit auch die verfassungsgemäße Höhe des Regelbedarfs für volljährige Kinder, die mit ihrem Elternteil in einem Haushalt leben, erfasst wurde, bedurfte für die Frage, ob Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, keiner näheren Betrachtung. Für die Versagung von Prozesskostenhilfe ist es zwingend notwendig, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt ist und die Urteilsgründe abgesetzt sind.
Der PKH-Antrag war mit Eingang beim SG am 25.03.2013 entscheidungsreif; an diesem Tag wurde auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur PKH-Akte überreicht. Zu diesem Zeitpunkt war zumindest das Urteil des BSG vom 28.03.2013 noch nicht ergangen. Erst nach Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe kann feststehen, dass eine dem Rechtsschutzbegehren entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, gegen die unter Umständen nicht schlüssig dargelegt worden ist, dass diese Rechtsprechung nicht zutreffend oder im speziellen Fall nicht anwendbar sei.
Die Kläger waren auch nicht auf das im Widerspruchsverfahren durch den Beklagten angebotene Ruhen des Verfahrens zu verweisen. Einer unbemittelten Partei darf nicht die Möglichkeit genommen werden, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06). Der Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe besteht für das erste gerichtliche Verfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfe geltend gemacht wird. Für weitere Zeiträume besteht für denselben Leistungsberechtigten bei Parallelität der Fallgestaltung grundsätzlich kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe (BVerfG, Beschluss vom 30.05.2011 – 1 BvR 3151/10, Rn 12 -, juris; Beschluss des erkennenden Senats vom 15.3.2013 – L 7 AS 2075/12 B).
2) Die Kläger verfügen daher über kein im Rahmen des § 115 ZPO einzusetzendes Einkommen oder Vermögen, so dass ihnen (ratenfrei) Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
3) Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Kläger folgt aus § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Erstellt am: 28.10.2014
Zuletzt verändert am: 28.10.2014