Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 23.01.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen einer PKH-Bewilligung festzusetzenden Rechtsanwaltsgebühren, insbesondere der Anfall einer Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG.
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die Beklagte habe im Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zu Unrecht die Bewilligung einer Witwerrente wegen Nichterfüllung der Wartezeit für die Rente wegen Todes abgelehnt.
Mit Beschluss vom 16.07.2012 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm Rechtsanwalt S bei.
Die Niederschrift der Nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 14.01.2013 enthält u.a. folgende Passage:
"Die Verhandlung wird unterbrochen.
Der Kläger verlässt mit seinem Prozessbevollmächtigten und dem Dolmetscher den Sitzungssaal.
Die Verhandlung wird fortgesetzt, nachdem der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter und der Dolmetscher den Sitzungssaal wieder betreten haben.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt der Sitzungsvertreter der Beklagten: ‚Ich bin bereit, falls der Kläger uns bis zum 30.06.2013 neue rentenrelevante Unterlagen der Verstorbenen einreicht, erneut zu prüfen, ob die Wartezeit erfüllt ist und damit ein Anspruch auf Witwerrente bestehen könnte.‘
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt daraufhin:
‚Ich erkläre das vorliegende Verfahren damit für erledigt.‘ "
Mit Schriftsatz vom 16.01.2013 beantragte der Prozessbevollmächtigte die Kosten wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nrn 3103, 3102 VV RVG 170,- EUR
Terminsgebühr Nr 3106 VV RVG 200,- EUR
Einigungsgebühr Nrn 1006, 1005 VV RVG 190,- EUR
Fahrtkosten Nr 7003 VV RVG 13,80 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr 7005 VV RVG 20,00 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe 613,80 EUR
Umsatzsteuer Nr 7008 VV RVG 116,62 EUR
Summe 730,42 EUR.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die zu zahlenden Gebühren und Auslagen am 23.04.2013 auf EUR 504,32 fest. Die beantragte Erledigungsgebühr nach Nrn 1006, 1005 VV RVG sei abzusetzen. Es sei nicht erkennbar, dass der Bevollmächtigte in besonderer Weise auf den Kläger oder die Beklagte mit dem Ziel der Herbeiführung einer außergerichtlichen Erledigung eingewirkt habe. Somit errechne sich aus den im Übrigen beantragten Gebühren eine Summe von EUR 423,80 plus 19% Umsatzsteuer in Höhe von EUR 80,52, zusammen EUR 504,32.
Die hiergegen am 10.01.2014 eingelegte Erinnerung wurde damit begründet, der Kläger sei durch die Besprechung in der Sitzungsunterbrechung bereit gewesen, unter der Prämisse der im Protokoll dokumentierten Bereitschaft der Beklagten, eine erneute Prüfung vorzunehmen, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Die Klage sei nicht zurückgenommen worden. Es sei eine teilweise Leistungsbereitschaft der Beklagten erarbeitet und im Übrigen durch Einwirkung auf den Kläger dessen Bereitschaft, das Verfahren insgesamt für erledigt zu erklären, erreicht worden.
Mit Beschluss vom 23.01.2014 hat das Sozialgericht die Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung zurückgewiesen. Zu Recht habe der Urkundsbeamte bei der Gebührenfestsetzung die Nrn 1006, 1005 nicht berücksichtigt. Insofern werde voll umfänglich auf die Begründung im Kostenfestsetzungsbeschluss Bezug genommen. Vorliegend habe insbesondere eine Klagerücknahme in Form einer einseitigen Erledigungserklärung vorgelegen. Die Beklagte habe lediglich klarstellend ihre Bereitschaft erklärt, das Vorliegen der erforderlichen Wartezeit erneut zu prüfen, wenn der Kläger bis zum 30.06.2013 neue rentenrelevante Unterlagen einreichen würde. Unabhängig hiervon hätte der Kläger ebenso einen erneuten Überprüfungsantrag stellen und damit eine neue Prüfung erreichen können.
Gegen diesen ihm am 25.01.2014 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte am 03.02.2014 Beschwerde eingelegt. Er wiederholt seine Auffassung, durch seine Mitwirkung, die über die reguläre Verfahrensführung hinausgehe, sei der Rechtsstreit ohne Urteil erledigt worden. In einem intensiven Gespräch mit dem Kläger sei es letztlich unter anschließender Einwirkung auf den Sitzungsvertreter des Beklagten gelungen, das Verfahren zum Abschluss zu bringen.
Der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Schriftsatz vom 30.05.2014 Stellung genommen und beantragt, die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 27.10.2014) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Beschwerde gegen die angefochtene Erinnerungsentscheidung ist nach § 56 Abs 1 S 1 RVG rechtzeitig eingelegt. Sie ist insbesondere auch im Übrigen statthaft. Der als Differenz zwischen der festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten Gebühr zuzüglich Umsatzsteuer zu ermittelnde Beschwerdebetrag übersteigt den nach § 56 Abs 2 S 1, § 33 Abs 3 RVG erforderlichen Betrag von EUR 200,00.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die zu zahlenden Gebühren und Auslagen sind nicht auf einen höheren Betrag festzusetzen als dies mit Beschluss vom 23.04.2013 geschehen ist. Insbesondere ist der Gebührentatbestand der Nrn 1006, 1005 VV RVG vorliegend auch zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt.
Das Klageverfahren wurde durch die Erledigungserklärung, die als Klagerücknahme iSd § 102 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen ist, erledigt. Die zuvor vom Beklagtenvertreter erklärte Bereitschaft, bei Einreichung neuer rentenrelevanter Unterlagen bis zum 30.06.2013 den Rentenanspruch erneut zu prüfen, bedeutet nichts anderes als die ausdrückliche Bereiterklärung des Beklagtenvertreters, bei Vorliegen der genannten Umstände dem ohnehin bestehenden Gesetzesauftrag durch § 44 SGB X nachzukommen.
Es kann dahinstehen, ob die vorstehende Bereiterklärung des Beklagtenvertreters durch die Initiative des Prozessbevollmächtigten des Klägers zustande gekommen ist. Jedenfalls ist darin nicht die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages zu sehen, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt worden ist (amtliche Anmerkung Nr 1000 I 1 Hs 1). Mangels Vorliegens eines Vertrages mit Streitbeseitigung scheidet somit eine Einigungsgebühr aus.
Ebenso wenig ist eine Erledigungsgebühr angefallen. Eine solche entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (amtliche Anmerkung Nr 1002 I S 1). Vorliegend war das Verhalten der Beklagten aber nicht ursächlich für die als Klagerücknahme zu wertende prozessbeendende Erklärung des Klägers. Denn die ausdrückliche Erklärung, einen Antrag des Klägers nach § 44 SGB X – noch dazu unter bestimmten Voraussetzungen – zu bescheiden, begründet für den Kläger keine neue oder weitergehende Rechtsposition als die bereits von Gesetzes wegen bestehende.
Das Verfahren ist gebührenfrei, § 56 Abs 2 S 2 RVG.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig, § 56 Abs 2 S 3 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 56 Abs 2 S 1, 33 Abs 4 S 3 RVG.
Erstellt am: 16.12.2014
Zuletzt verändert am: 16.12.2014