Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls vom 22.04.1964 in Kasachstan nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und um die Zahlung von Verletztenrente.
Der am 00.00.1951 geborene Kläger verlor am 22.04.1964 während der Schulzeit in Kasachstan (S) bei der Tätigkeit in einer Schreinerei den zweiten bis fünften Finger rechts in einem elektrischen Hobel. Nach seinen Angaben wurden ihm für die Schädigung vom Tag der Arbeitsaufnahme am 18.11.1970 an zunächst 34 Rubel ausgezahlt; der Betrag habe sich bis zu seiner Aussiedlung in die Bundesrepublik am 03.03.1992 auf 120 Rubel monatlich gesteigert.
Am 06.05.1993 stellte der Kläger wegen des genannten Unfalls bei der Gemeinde K – Sozialamt – einen Antrag auf Gewährung von Leistungen. Der von dort an die Bundesausführungsbehörde – Unfallversicherung für das Schulwesen – weitergeleitete Antrag wurde mit Bescheid vom 07.06.1993 abgelehnt. Eine Rentenzahlung nach dem FRG komme nicht in Betracht, da zum Unfallzeitpunkt auch in der Bundesrepublik keine Versicherung bestanden habe. Eine Versicherung für Schüler gebe es hier erst seit dem 01.04.1971.
Am 07.07.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten telefonisch einen (erneuten) Antrag auf Anerkennung des Unfalls vom 22.04.1964. Seinem folgenden schriftlichen Antrag vom 03.09.2011 fügte er Kopien des Registrierscheins des Bundesverwaltungsamts vom 10.03.1992 zum Aufnahmebescheid in die Bundesrepublik, seiner Einbürgerungsurkunde vom 29.09.1993, seines Vertriebenenausweises, einer Bescheinigung der Mittelschule Nr. 41 der Republik Kasachstan vom 18.06.2009 über den Unfall vom 22.04.1964 "während des Werkunterrichts bei der Arbeit mit dem elektrischen Hobel", eines Auszugs aus dem Untersuchungsprotokoll der Ärztlichen Kommission für Arbeitsfähigkeit über eine Untersuchung am 07.04.1971 (Hauptdiagnose: Vier Finger der rechten Hand fehlen), Kopien der Schwerbehindertenbescheide vom 25.08.1992 (Verlust des 2. bis 5. Fingers rechts, Grad der Behinderung – GdB – 40) und vom 08.07.2011 (Verlust des 2. und 5. Fingers rechts, Hüftgelenkarthrose bds., Wirbelsäulensyndrom – GdB 50) sowie Renteninformationen der Knappschaft Bahn-See vom 11.06.2010 und 27.03.2009 und einen Auszug aus dem Arbeitsbuch bei. Als Zeugen für den Unfallhergang benannte der Kläger Herrn C und Herrn T.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich des Unfalls vom 22.04.1964 mit Bescheid vom 21.09.2011 ab. Dem Kläger stehe – wie auch bereits mit Schreiben vom 07.06.1993 mitgeteilt – kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung zu, weil er zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht unter dem Schutz einer gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Da sich das behauptete Ereignis außerhalb der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zugetragen habe, sei zur Beurteilung eines Anspruchs das FRG maßgeblich. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a FRG werde ein Unfall außerhalb der BRD entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Versicherungsfalls bei einem deutschen oder nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei. Dies müsse verneint werden. In der ehemaligen UdSSR erstrecke sich der Versicherungsschutz für Schüler allgemeinbildender Schulen nur in den engen Grenzen des Art. 52 der zu dem Staatsrentengesetz erlassenen Ausführungsverordnung (in der Fassung vom 21.11.1973, Verordnung des Ministerrats der UdSSR Nr. 852, SPP SSSR – Nr. 25/1973 – Art. 143). Hierunter fielen nur Unfälle in Verbindung mit der Ableistung von Praktika und dergleichen, nicht hingegen der Besuch einer allgemeinbildenden Schule. Auch in der BRD habe im Zeitpunkt des Unfalls hierfür kein Unfallversicherungsschutz bestanden. Die Bestimmungen über die Versicherung von Schülern sei erst mit Wirkung vom 01.04.1971 in das deutsche Gesetz aufgenommen worden.
Mit seinem Widerspruch vom 05.10.2011 teilte der Kläger mit, dass sich der Unfall nicht in der Schule, sondern in einem separaten Gebäude eines Schreinereibetriebs der Sowchose ereignet habe. Hier sei er im Rahmen eines Praktikums zum Hobeln von Zaunlatten eingesetzt worden. Er habe für die Folgen des Unfalls von 1971 an bis zu seiner Ausreise in die BRD eine Rente erhalten. Als weitere Zeugen benannte er Herrn L, Herrn T und Frau X.
Die Zeugen wurden im Wege der Amtshilfe vernommen, der Zeuge T durch die Verwaltung der Stadt X (27.10.2011), die Zeugen L sowie X durch die Verwaltung der Stadt N (04.11.2011 bzw. 17.11.2011) und die Zeugen C und Seidel durch die Verwaltung der Stadt K (17.11.2011 bzw. 21.11.2011).
Nach Auswertung der Vernehmungsprotokolle wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 zurück. Dass es sich bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nicht um ein Produktionspraktikum gehandelt habe, gehe schon aus der Unfallbescheinigung der Schule hervor, wonach sich das Geschehen während des Werkunterrichts zugetragen habe. Eine Bestätigung erfahre diese Angabe durch die Zeugenaussagen. Hiernach seien die Tätigkeiten einmal wöchentlich und dann lediglich stundenweise zu verrichten gewesen. Einer der ehemaligen Mitschüler habe den wöchentlichen Zeitaufwand mit ungefähr zwei Stunden angegeben, so dass hier eindeutig die Erlangung von Fähig-/Fertigkeiten im Umgang mit technischen/elektrischen Werkzeugen für die Schulausbildung und nicht die Herstellung von Produkten für die Sowchose im Vordergrund gestanden habe.
Der Kläger hat am 20.04.2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und die Anerkennung des Unfalls vom 22.04.1964 als Arbeitsunfall nach Fremdrentenrecht sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. begehrt. Zur Begründung hat er ergänzend zu seinem vorigen Vorbringen angeführt, dass der Arbeitseinsatz im Sägewerk nicht die schulische Bildung habe unterstützen sollen. Ziel sei ausschließlich die Herstellung von in der Sowchose verwendeten Waren und damit eine Produktionstätigkeit gewesen. Dies würden auch die Zeugen bestätigen.
Das SG hat die Zeugen L, C und X in einem Erörterungstermin am 17.09.2012 vernommen. Der Zeuge T hat unter Vorlage eines ärztlichen Attestes mitgeteilt, aus gesundheitlichen Gründen nicht zu einem Termin kommen zu können.
Mit Urteil vom 22.02.2013 hat das SG die Klage abgewiesen.
Es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FRG bezüglich des Unfalls des Klägers vorlägen. Ein Anspruch sei jedenfalls gem. § 5 Abs. 2 FRG ausgeschlossen, da zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens auch in Deutschland kein Versicherungsschutz hierfür bestanden habe.
Schulunfälle in Deutschland seien erst seit 01.04.1971 in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen worden. 1964 habe ein solcher Schutz noch nicht bestanden. Zur Überzeugung der Kammer habe es sich bei dem Unfall des Klägers vom 22.04.1964 um einen Schulunfall i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 des Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gehandelt. Die Abgrenzung des Geschehens gegenüber einem Praktikum bzw. einer Produktionstätigkeit sei nicht leicht, ergebe sich jedoch aus der Abwägung aller Umstände. Für eine Produktionstätigkeit spreche allein der Umstand, dass während des Schulunterrichts Dinge hergestellt worden seien, die auch dem täglichen Leben in der Sowchose gedient hätten. Ansonsten sprächen aber alle Umstände hiergegen. Bei der kurzen Zeitdauer (2 Stunden Unterricht pro Woche) könne nicht von einem Arbeitseinsatz ausgegangen werden. Hierfür spreche auch die Einbindung des Unterrichts in den Stundenplan sowie die organisatorische Aufteilung (verschiedene Klassen nacheinander). Auch in der vom Kläger vorgelegten Schulbescheinigung werde der Unfall als "während des Werkunterrichts" bezeichnet. Für die Arbeiten habe es keinen Lohn, sondern Noten gegeben. Ebenfalls spreche gegen einen Arbeitseinsatz, dass die Mädchen zur gleichen Zeit in der Schule geblieben seien und hauswirtschaftliche Fähigkeiten erlernt hätten. Gegen eine Produktion spreche weiterhin das damalige Alter des Klägers von lediglich 13 Jahren sowie die Tatsache, dass es keine Vorgaben bzgl. Stückzahlen und Qualität der Arbeiten gegeben habe.
Gegen das ihm am 07.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.04.2013 Berufung eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Seiner Auffassung nach ergebe sich allein aus der Tatsache, dass die Schüler die von ihnen herzustellenden Werkstücke in Serie herstellen mussten, dass es nicht um das Erlernen von Fertigkeiten gegangen sei, sondern es sich um einen Produktionseinsatz gehandelt habe. Am Unfalltag sei sein Einsatz und der eines weiteren Mitschülers ausnahmsweise in der Halle mit den gefährlichen Maschinen erfolgt, weil ein Plansoll zu erfüllen gewesen sei, für das andere Produktionskräfte nicht zur Verfügung gestanden hätten. Dieser Einsatz könne daher nur als Produktionseinsatz bewertet werden. Schließlich habe er für diesen Unfall in Kasachstan eine Rente bezogen. Möglicherweise könnten aus einem dortigen Sozialversicherungsbüro noch Unterlagen über die Rentenzahlungen erhalten werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 zu verurteilen, seinen Unfall vom 22.04.1964 in Kasachstan als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen und ihm wegen der Folgen Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Soweit sich Umstände nach fast 50 Jahren nicht mehr weiter aufklären ließen, treffe den Kläger hierfür die Beweislast. Die Gewährung der Invalidenrente in Kasachstan sei kein Nachweis dafür, dass es sich um einen von der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Arbeitsunfall handele.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf die Anerkennung des Unfalls vom 22.04.1964 als Arbeitsunfall nach dem FRG und auf Zahlung einer Rente gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob es sich bei dem Antrag des Klägers vom 07.07.2011 und dem hierauf ergangenen streitigen Bescheid vom 21.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 um eine Überprüfung des den vorigen Antrag vom 06.05.1993 ablehnenden Bescheides vom 07.06.1993 gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handelt oder ob die Beklagte eine eigenständige neue Prüfung der Sach- und Rechtslage vorgenommen hat. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und Zahlung einer Verletztenrente nach dem FRG besteht nicht. Entsprechend wäre auch bei Annahme eines Überprüfungsverfahrens der vorige Bescheid vom 07.06.1993 nicht rechtswidrig und daher nicht gem. § 44 SGB X von der Beklagten zurückzunehmen.
Der Kläger unterfällt als anerkannter Vertriebener (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz) zwar dem durch das FRG begünstigten Personenkreis (§ 1 Buchst. a FRG). Auch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des FRG gem. § 2 FRG liegt nicht vor. Bei dem von ihm erlittenen, hier streitigen Unfall handelt es sich jedoch nicht um einen nach § 5 FRG zu entschädigenden Arbeitsunfall.
Gemäß § 5 Abs. 1 FRG (in der durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung – Rechtsüberleitungsgesetz – RÜG – vom 25.07.1991, BGBl I 1991, S. 1606 ab 01.01.1992 und bis heute unverändert fortgeltenden Fassung) wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch entschädigt,
1.) ein außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland eingetretener Arbeitsunfall, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war
2.) ein Arbeitsunfall, wenn
a) der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war oder
b) sich der Unfall nach dem 30. Juni 1944 in einem Gebiet ereignet hat, aus dem der Berechtigte vertrieben ist, und der Verletzte, weil eine ordnungsmäßig geregelte Unfallversicherung nicht durchgeführt worden ist, nicht versichert war.
Ob diese grundsätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen überhaupt vorliegen (vgl. hierzu die gegenteiligen Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 21.09.2011), kann der Senat dahingestellt lassen. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des Unfalls vom 22.04.1964 als Arbeitsunfall und Gewährung einer Entschädigung ist – wie das SG zu Recht ausgeführt hat – bereits aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2 FRG ausgeschlossen.
Gemäß § 5 Abs. 2 FRG gelten Unfälle, gegen die der Verletzte an dem für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort (§ 7 FRG) nicht versichert gewesen wäre, nicht als Arbeitsunfälle im Sinne des § 5 Abs. 1 FRG, es sei denn, der Verletzte hätte sich an diesem Ort gegen Unfälle dieser Art freiwillig versichern können.
"Maßgeblicher Ort" für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist gem. § 7 FRG der Ort, an dem der zuständige Träger der Unfallversicherung (§ 9 FRG) am 1. Januar 1992 seinen Sitz hat. Gem. § 9 Abs. 1 FRG ist zuständig für die Feststellung und Gewährung der Leistungen der Träger der Unfallversicherung, der nach der Art des Unternehmens, in dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat, zuständig wäre, wenn sich der Arbeitsunfall dort, wo sich der Berechtigte in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der Anmeldung des Anspruchs gewöhnlich aufhält, ereignet hätte. ( ) Ergibt sich nach Absatz 1 die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft oder eines Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand, so ist die Unfallkasse des Bundes zuständig (§ 9 Abs. 2 FRG).
Seit seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik und somit auch zu der in § 9 FRG genannten maßgeblichen Zeit der Anmeldung seines Anspruchs (vgl. auch Janz, Zweng, Eicher, a.a.O., S. 23 f. Anm. 14, S. 28 Anm. 6) lebte der Kläger in K und hielt sich entsprechend dort gewöhnlich auf. Zuständig für einen Schulunfall in K ist gem. § 128 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII der Unfallversicherungsträger im Landesbereich, somit ein Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Nach der in § 9 Abs. 2 FRG begründeten Sonderzuständigkeit ist zuständig für den Unfall des Klägers die hier beklagte Unfallkasse des Bundes. Sitz der Unfallkasse-Bund ist (und war im Zeitpunkt der Antragstellung sowohl 1993 als auch 2011) X.
Hätte sich der Unfall am maßgeblichen Ort (X) ereignet, wäre der Kläger nach dem dort anzuwendenden Recht nicht iSv § 5 Abs. 2 FRG versichert gewesen. In zeitlicher Hinsicht relevant ist dabei das im Zeitpunkt des Ereignisses (hier: 1964) geltende Recht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Regelung.
Bereits die in § 5 Abs. 2 FRG gewählte Formulierung zeigt aufgrund der Vergangenheitsform ("gewesen" wäre), dass die (fiktive) Prüfung der Versicherung sich nicht auf den jetzigen, sondern auf einen früheren Zeitpunkt beziehen muss. Bei systematischer Betrachtung kann dieser frühere Zeitpunkt nur der des Unfallereignisses sein. Zum einen ist Absatz 2 der Vorschrift in Zusammenhang mit Absatz 1 zu lesen, der in beiden dort genannten Anwendungsfällen auf den Zeitpunkt des Unfalls abstellt. Zum anderen ist der Verweis auf § 7 FRG (bei dem seinerseits wegen des dortigen Verweises auf § 9 FRG der Tag der Antragstellung nach dem FRG maßgebend ist) in § 5 Abs. 2 FRG allein hinter die Bestimmung des "maßgeblichen Ortes" gestellt, nicht aber generell auf die fiktive Prüfung der Versicherung bezogen.
Die Relevanz des Unfallzeitpunkts ergibt sich schließlich auch aus dem sachlichen Hintergrund des FRG. § 5 Abs. 2 FRG trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der Versicherungsschutz nach Bundesrecht und nach dem Recht des Vertreibungsgebietes auf unterschiedliche Personenkreise erstrecken kann (Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Fremdrentengesetz, 19. Lfg. – I – 84, 106/5). Mit der Verweisung auf den für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort wird erreicht, dass die Frage, ob der Verletzte versichert war, nach dem Recht des Ortes zu beantworten ist, an dem sich der Berechtigte im Geltungsbereich des FRG zur Zeit der Anmeldung des Anspruchs gewöhnlich aufhält. Dabei ist der Unfall so zu behandeln, als ob er sich an diesem Ort zur Zeit seines Eintritts ereignet hätte (Hoernigk/Jahn/ Wickenhagen, a.a.O., 106/6; Janz, Zweng, Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl. 1960, S. 17 Anm. 2). Im Gegensatz zum vorigen Fremdrenten- und Auslandsgesetz (FAG), das auf dem Prinzip des Schadensersatzes für nicht realisierbare Ansprüche aufbaute, bezweckt(e) das FRG, eine Eingliederung der Vertriebenen und sonstigen nach dem FRG begünstigten Personen auch auf unfallversicherungsrechtlichem Gebiet zu vollziehen. Dem Eingliederungsgedanken folgend schaff(t)en die Regelungen des FRG für Verletzte eine den Inländern vergleichbare Rechtsposition (BSG Urteil vom 30.11.1982 – 2 RU 63/81 in SozR-2 5050 § 9 FRG). Die Anspruchsteller werden dementsprechend so behandelt, als ob sich der Unfall im Bundesgebiet unter dem im Zeitpunkt des Unfalls hier geltenden Recht ereignet hätte (BSG Urteil vom 17.10.1990 – 2 RU 3/90 – juris Rn. 17; Urteil vom 30.11.1982 – 2 RU 63/81 in SozR-2 5050 § 9 Nr. 1; Janz, Zweng, Eicher, a.a.O., S. 17 Anm. 3;).
Rechtsgrundlage für die Anerkennung und Entschädigung eines 1964 in X erlittenen Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung waren die damals im gesamten Gebiet der BRD geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Diese ermöglichten eine Anerkennung des vom Kläger erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall nicht, da eine Versicherung für diesen Unfall nicht bestand (vgl. auch Janz, Zweng, Eicher, a.a.O., S. 23).
Der Kläger zählte nicht zu dem in § 539 Abs. 1 Nrn. 1 bis 16 RVO (in der damals geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz – UVNG) vom 30.04.1963 – BGBl I 1963, S. 241) aufgeführten versicherten Personenkreis. Schüler an allgemeinbildenden Schulen waren hier seinerzeit nicht genannt und sind erst durch das Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18.03.1971 (BGBl I 1971, 237) ausdrücklich mit Wirkung zum 01.04.1971 in § 539 Nr. 14 RVO, der zum streitigen Zeitpunkt nur Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung erfasste, eingefügt worden. Dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt Schüler einer allgemeinbildenden Schule und nicht Lernender im Sinne der Vorschrift war, ergibt sich zur Überzeugung des Senates aus der aktenkundigen Bescheinigung der Mittelschule Nr. 41 der Republik Kasachstan vom 18.06.2009 und wird auch vom Kläger ausdrücklich betont. Die zum Unfall führende Tätigkeit ereignete sich unstreitig auch nicht im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses.
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls ebenfalls nicht als eine Person anzusehen, die "wie ein nach (§ 539) Abs. 1 RVO Versicherter" tätig wurde (sog. "Wie-Beschäftiger"). Ein Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" setzt voraus, dass es sich um eine ernstliche, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (vgl. BSG Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 5/04 R – juris Rn. 14 m.w.N. und Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung § 2 Rn. 34.1 jeweils zu der § 539 Abs. 2 RVO gleichlautenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 S. 1 Siebten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VII). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die vom Kläger im Zeitpunkt seines Unfalls verrichtete Tätigkeit wies in keiner Weise die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses auf. Vielmehr handelte es sich – wie das SG mit ausführlicher Abwägung und Begründung dargelegt hat – allein um rein schulischen Unterricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil, die sich der Senat nach Überprüfung zu eigen macht, Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erneut und vertieft die Auffassung vertritt, die Tätigkeit in der Schreinerei sei ein Produktionspraktikum gewesen, weil die hergestellten Güter der Sowchose gedient hätten, genügt dies nicht, um ihn als "Wie-Beschäftigter" i.S.v. § 539 RVO anzusehen. Die von den einzelnen Schülern produzierten Güter können bereits nicht als "ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert" angesehen werden. Aus den Zeugenaussagen ergibt sich, dass das Anlernen der Schüler, die – so der Zeuge C – "nicht wussten, wie das geht", im Vordergrund stand. Offenkundig war Ziel des Werkunterrichts nicht, wie der Kläger anführt, eine "Serienproduktion", sondern eine breitgestreute Einführung in verschiedenste Arbeiten. So hat der Zeuge L von "verschiedenen Arbeiten" und der Zeuge C davon gesprochen, dass sie "alles" gelernt hätten, "was mit Holz zu tun hatte". Dafür, dass die von den Schülern gefertigten Produkte in wesentlichem Umfang der Erfüllung eines Plansolls dienen sollten und konnten, gibt es keine Anhaltspunkte. Dies liegt auch insofern nicht nahe, als Zahlen nicht vorgegeben wurden und der Nutzen der Arbeit eines einzelnen Schülers, wie z.B. vom Zeugen L beschrieben, stark davon abhing, wie schnell dieser die Unterrichtung – die ja einen Schreiner von seiner eigenen Arbeit abhielt – begriff. Menge und auch Güte der Arbeitsleistung und somit der wirtschaftliche Wert der Arbeit spielten, wie die Zeugen übereinstimmend dargelegt haben, allein für die Schulnote eine Rolle. Hinzu kommt noch, dass diese Schulnote wie der Zeuge L schilderte, nur von geringerer Bedeutung war; es sei "keine Mathematik oder eben wichtige Sache" gewesen. Entsprechend ist auch in keiner Weise erkennbar, dass die Handlungstendenz der Schüler während des Werkunterrichts nachhaltig darauf gerichtet war, der Sowchose in ernstlichem wirtschaftlichen Umfang zu dienen. Vielmehr stand ersichtlich die Verfolgung (eigener) schulischer Angelegenheiten im Vordergrund. Den Umständen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit der Sowchose glich die Tätigkeit – auch wenn hergestellte Güter für die Sowchose genutzt wurden – im Übrigen auch deshalb nicht, weil Zeit und Umfang der Tätigkeit allein im Rahmen des Stundenplans durch die Lehrer der Mittelschule vorgegeben wurden.
Auch der Hinweis des Klägers, er habe für den Unfall in Kasachstan eine Rente bezogen, was ggf. durch weitere Ermittlungen in einem dortigen Sozialversicherungsbüro überprüft werden könne, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Die angeregten weiteren Ermittlungen sind bereits deshalb nicht erforderlich, weil der Senat die diesbezüglichen Angaben des Klägers, die zudem von der Zeugin X bestätigt worden sind, als zutreffend ansieht. Die Gewährung einer Rentenzahlung in Kasachstan ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der BRD jedoch ohne Belang. Wie oben bereits ausgeführt, ist gem. § 5 FRG nicht das Recht des Staates, in dem sich der Unfall ereignet hat, maßgebend, sondern allein das Recht der hier damals geltenden RVO. Sieht letztere aber für den konkreten Unfall keinen Versicherungstatbestand vor, kann ein Verletzter nicht allein deshalb eine Fremdrente erhalten, weil er für den von ihm erlittenen Unfall eine Rente des Vertreibungslandes bezogen hat (vgl. BSG Urteil vom 17.10.1990 – 2 RU 3/90 – juris Rn. 16 m.w.N.; Urteil vom 27.10.1965 – 2 RU 247/62 – juris Rn. 15; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, a.a.O., 106/6).
Der Kläger hätte sich als Schüler 1964 in der BRD auch nicht freiwillig versichern lassen können, so dass die Anwendung von § 5 Abs. 2 1. Halbsatz FRG nicht gem. § 5 Abs. 2 2. Halbsatz FRG ausgeschlossen ist. Eine freiwillige Versicherung war 1964 gem. § 545 RVO nur für Unternehmer möglich.
Fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen, um den streitigen Unfall als Arbeitsunfall nach dem FRG anzuerkennen, kommt auch die Zahlung einer Verletztenrente wie vom Kläger begehrt nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 15.01.2015
Zuletzt verändert am: 15.01.2015