Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2012.
Der 1957 geborene Kläger war von 1980 bis 2008 als technischer Angestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 05.12.2006 bis zur Aussteuerung am 22.04.2008 bezog er wegen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld vom Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung. Anschließend bewilligte ihm die Beklagte auf seine Arbeitslosmeldung vom 31.03.2008 Arbeitslosengeld ab dem 23.04.2008 für 450 Tage. Das Arbeitslosengeld wurde ihm (mit Unterbrechungen) bis zur Anspruchserschöpfung am 23.09.2009 ausgezahlt.
Bereits im Dezember 2007 hatte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, jedoch zunächst erfolglos (Bescheid vom 16.05.2008, Widerspruchsbescheid vom 06.04.2009). Das nachfolgende Klageverfahren (SG Gelsenkirchen S 7 KN 121/09) endete nach medizinischen Ermittlungen durch einen Vergleich vom 10.09.2010 mit folgendem Inhalt: "Die Beklagte ist bereit, beim Kläger ab September 2009 einen Zustand von voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.08.2012 anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen." In Ausführung dieses Vergleiches bewilligte die DRV dem Kläger mit Bescheid vom 24.09.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit beginnend am 01.04.2010 bis zum 31.08.2012. Bei der Festsetzung des Rentenbeginns ging die DRV davon aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 15.09.2009 erfüllt waren. Der Bescheid wurde mit Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig. In dem Zeitraum vom 24.09.2009 bis zum 31.03.2010 bezog der Kläger keine Sozialleistungen.
Bei einer persönlichen Vorsprache am 08.11.2010 informierte der Kläger die Beklagte über den mit der DRV geschlossenen Vergleich. Ergänzend teilte er mit, er wolle den Ausführungsbescheid aber anfechten lassen. Er fühle sich falsch beraten, weil er die Rente tatsächlich erst ab März 2010 ausgezahlt bekomme (vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI). Der Mitarbeiter der Beklagten teilte ihm mit, eine "Information/Vertretung in rentenrechtlichen Fragen" sei nicht möglich.
Mit Blick auf den Ablauf der Zeitrente meldete sich der Kläger am 20.07.2012 mit Wirkung zum 01.09.2012 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Er wies drauf hin, Anfang 2012 bei der DRV die Verlängerung der Rente beantragt zu haben, jedoch ohne Erfolg (Bescheid vom 13.07.2012).
Sein dagegen eingelegter Widerspruch war ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.10.2012). Das deshalb geführte weitere Klageverfahren gegen die DRV (Sozialgericht Gelsenkirchen S 7 KN 756/12) endete am 10.01.2014 wiederum mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich die DRV bereit erklärte, bei dem Kläger ab dem 31.12.2012 einen Zustand von voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.01.2016 anzunehmen und ihm dementsprechend Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Zwischenzeitlich lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 20.07.2012 ab (Bescheid vom 06.08.2012). Der am 23.04.2008 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erschöpft; seither sei der Kläger weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher keine neue Anwartschaftszeit erfüllt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er gehe davon aus, durch den Bezug der befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung erneut einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben zu haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 (am selben Tag mit einfachem Brief an den Kläger versandt) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 137 Abs. 1 SGB III habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer u.a. die Anwartschaftszeit erfülle. Die Erfüllung der Anwartschaftszeit setzte voraus, dass jemand innerhalb der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe (§ 142 Abs. 1 SGB III). Die Rahmenfrist betrage zwei Jahre und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III). Der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen am 01.09.2012 erfüllt. Die Rahmenfrist umfasse daher die Zeit vom 01.09.2010 bis zum 31.08.2012. Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III seien Personen in der Zeit versicherungspflichtig, für die sie von einem Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung eine zeitlich begrenzte Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig gewesen seien. Unmittelbar bedeute in diesem Zusammenhang, dass zumindest an einem Tag im letzten Monat vor Beginn des Bezuges einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung Versicherungspflicht bestanden haben oder eine Entgeltersatzleistung bezogen worden sein müsse. Der Kläger habe bis zum 23.09.2009 eine Entgeltersatzleistung in Form von Arbeitslosengeld bezogen. Im Anschluss hieran habe die DRV mit Vergleich vom 10.09.2010 einen Zustand voller Erwerbsminderung ab September 2009 auf Zeit anerkannt und dementsprechend im Bescheid vom 24.09.2010 eine Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung (erst) ab dem 01.04.2010 bewilligt. In der Zeit vom 24.09.2009 bis zum 31.03.2010 habe damit kein Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vorgelegen. Nach den §§ 24, 26, 28a SGB III sei dies kein Zeitraum, in dem Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestanden habe. Damit sei der Kläger nicht unmittelbar vor dem Bezug der Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung versicherungspflichtig gewesen. Dies habe zur Folge, dass der Zeitraum des Bezuges der Zeitrente nicht zur Begründung einer Anwartschaftszeit herangezogen werden könne. Der Kläger habe daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Der am 23.04.2008 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei bereits vollständig erfüllt worden und damit verbraucht.
Hiergegen hat der Kläger – nunmehr anwaltlich vertreten – am 10.10.2012 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, (auch) in der Zeit vom 24.09.2009 bis zum 31.03.2010 im Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestanden zu haben. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III seien daher erfüllt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2012 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen.
Mit Urteil vom 13.11.2013 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 23.12.2013) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend hat es ausgeführt, der Kläger habe im Zeitraum vom 23.09.2009 bis zum 01.04.2010 keine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen. Denn die Rente sei erst mit dem 01.04.2010 tatsächlich zur Auszahlung gelangt (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Dass die DRV laut Vergleich vom 10.09.2010 einen Zustand voller Erwerbsminderung auf Zeit ab September 2009 angenommen habe, stehe einem Bezug einer Rente im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nicht gleich. Unmittelbar vor dem 01.04.2010 habe der Kläger vielmehr weder eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen, noch sei er vor Beginn der Leistung aufgrund eines anderen Sachverhaltes versicherungspflichtig gewesen. Der Zeitraum vom 23.09.2009 bis zum 01.04.2010 – also von mehr als sechs Monaten – könne auch nicht mehr als unmittelbar im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III bezeichnet werden. Nach allgemeiner Meinung sei dies schon bei einem über vier Wochen bzw. einen Monat hinausgehenden Zeitraum nicht mehr der Fall (Brand in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 26 Rn. 20 m.w.N.).
Dagegen richtet sich die am 22.01.2014 eingelegte Berufung des Klägers. Der Rechtsauffassung des Sozialgerichts könne nicht gefolgt werden. Entscheidend für die Erfüllung der Anwartschaftszeit als Voraussetzung des Arbeitslosengeldes sei im Rahmen des Bezuges einer Erwerbsminderungsrente nicht deren tatsächliche Auszahlung, sondern der Rentenanspruch an sich. Andernfalls würde der Zufall entscheiden, ob Anspruchsberechtigte einer Rente wegen Erwerbsminderung die Anwartschaftszeit erfüllten oder nicht.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 06.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend verweist sie auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Wiesbaden (Gerichtsbescheid vom 28.05.2013 – S 10 AL 11/12). Dort werde darauf hingewiesen, dass sich durch die Regelungen der §§ 43 Abs. 2, 101 Abs. 1, 102 Abs. 1 S. 1 SGB VI eine Zeitspanne ergeben könne, in der weder Arbeitslosengeld noch Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bezogen werde. Dabei handele es sich aber nicht um eine planwidrige Gesetzeslücke, die eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung erlaube. Der Gesetzgeber habe sich vielmehr trotz entsprechender Gelegenheit nicht veranlasst gesehen, hierdurch auftretende Lücken im Leistungsbezug zu vermeiden. Eine solche Lücke führe im vorliegenden Fall zu einem Wegfall bzw. einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Dies dürfte dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein, so dass es bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen bleiben müsse.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 S. 1 SGG beabsichtige. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 7 KN 121/09 und S 7 KN 756/12), der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 S. 1 SGG). Die Beteiligten sind hierzu vorab angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG).
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch mit Blick auf die Berufungsbegründung ist eine abweichende Beurteilung des Falles nicht veranlasst.
Er wirft allein die Frage auf, ob eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits dann als im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III bezogen zu gelten hat, wenn zwar noch kein Anspruch auf konkrete Auszahlung der Rente (also auf Einzelleistungen) bestand, das diesbezügliche Stammrecht (vgl. dazu Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: EL 83 Oktober 2014, § 99 SGB VI Rn. 5) aber bereits entstanden war.
Für die vom Sozialgericht vertretene Auffassung spricht zunächst der Gesetzeswortlaut, der mit der Formulierung " … in der Zeit, für die sie beziehen …" auf einen tatsächlichen Empfang von Rentenzahlbeträgen, nicht bereits auf das Entstehen einer durch das Stammrecht auf Rente erworbenen Rechtsposition abstellt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird eine Leistung erst dann "bezogen", wenn sie tatsächlich zufließt bzw. erhalten wird (so BSG, Urteil vom 04.12.2014 – B 5 AL 1/14 R (Terminbericht Nr. 58/14, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de); vorgehend LSG NRW, Urteil vom 22.11.2012 – L 9 AL 138/11 Rn. 26).
Anders ist dies etwa bei der Nahtlosigkeitsregelung (§ 145 Abs. 1 S. 1 SGB III), wozu sich die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28.05.2013 – S 10 AL 11/12 verhält. Der dort verwendete Ausdruck "festgestellt" macht deutlich, dass nicht an einen tatsächlichen Leistungsvorgang, sondern an die Entscheidung des Trägers der Gesetzlichen Rentenversicherung über den Status der Erwerbsfähigkeit des Betroffenen angeknüpft wird. Auch in anderen Büchern des SGB (z.B. in § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) differenziert der Gesetzgeber bewusst zwischen dem Bezug einer Leistung und dem bloßen Anspruch hierauf; dies spricht ebenfalls für die hier gewählte Lesart des § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22.05.2014 – L 16 AL 287/13 Rn. 24, wonach ein ruhender Anspruch auf Krankengeld Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nicht begründet).
Dass das Merkmal "beziehen" in § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nur Zeiträume erfasst, für die tatsächlich Leistungen gezahlt wurden, ergibt zudem ein Vergleich mit den Vorgängerregelungen (zu § 26 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III) in den bis zum 31.12.1997 geltenden Bestimmungen des § 186 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 AFG. Knüpften diese sogar im Wortlaut nicht nur an den Bezug, sondern an die tatsächliche Zahlung der dort genannten Leistungen an, so war mit der Einführung des § 26 SGB III zum 01.01.1998 (insoweit) eine Rechtsänderung nicht verbunden (vgl. BT-Drs. 13/4941 S. 158).
Literatur und Rechtsprechung verstehen § 26 Abs. 2 SGB III denn auch einhellig dahingehend, dass es für alle dort genannten Leistungen (zumindest) auf deren tatsächlichen Bezug (sei es auch im Rahmen einer nachträglichen Bewilligung) ankommt, dass aber allein das Bestehen eines Anspruches – etwa in Gestalt eines Stammrechts – insoweit nicht ausreicht bzw. gar nicht erforderlich ist (vgl. etwa Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III n.F., Stand: 123. Ergänzung Dezember 2013, § 26 Rn. 100; Scheidt in Mutschler u.a., SGB III, 5. Auflage 2013, § 26 Rn. 33, 37; Brand in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 26 Rn. 19 ff.; Timme in Hauck/Noftz, SGB III, Stand: Lieferung 1/13 I/13, K § 26 Rn. 35; Fuchs in Gagel, SGB III, Stand: 55. Erg.-Lfg. 2014, § 26 Rn. 24; Werhahn in jurisPK-SGB III, 1. Auflage 2014, § 26 Rn. 27 f.; LSG Hessen, Urteil vom 15.07.2011 – L 9 AL 125/10 Rn. 39; LSG NRW, Urteil vom 22.05.2014 – L 16 AL 287/13 Rn. 24; vgl. im Übrigen auch bereits zu § 130b Abs. 1 S. 1 RKG BSG, Urteil vom 15.11.1989 – 8 RKn 2/88 Rn. 18, sowie vorgehend LSG NRW, Urteil vom 12.01.1988 – L 15 Kn 118/85 = Die Beiträge 1988, 250 ff. (253)).
Der Einwand des Klägers, bei dieser Lesart hänge es vom Zufall ab, ob Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III eintrete oder nicht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die "Zufälligkeit" beruht darauf, dass der Eintritt voller Erwerbsminderung von medizinischen Umständen sowie von deren Feststellung abhängt. Die daraus resultierende Unsicherheit eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III ist Folge der generellen Unvorhersehbarkeit eines Eintritts voller Erwerbsminderung als Teil des allgemeinen Lebensrisikos; auch im Rahmen der Vorschriften über die Begründung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ist diese Unsicherheit hinzunehmen. Im Übrigen würde die von dem Kläger bemängelte Zufälligkeit nicht einmal vermieden, wenn an die Stelle des tatsächlichen Bezuges der Leistung etwa der Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts träte. Denn auch das Stammrecht entsteht erst, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rente (hier wegen voller Erwerbsminderung) erfüllt sind; seine Entstehung hängt daher in gleicher Weise wie der Rentenbeginn von dem stets unsicheren Zeitpunkt des Eintritts des rentenrechtlichen Leistungsfalles (bzw. seiner Feststellung) ab.
Soweit sich – wie beim Kläger – in der Gesetzlichen Rentenversicherung im Einzelfall Spielräume für eine einvernehmliche Festlegung des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung auf einen bestimmten Zeitpunkt ergeben, mögen die an diesem Rechtsverhältnis Beteiligten (d.h. der Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Versicherte) etwaige Nachteile, die sich aus einer konkreten Festlegung in anderen Bereichen der Sozialversicherung ergeben können, ggf. mit in ihre Überlegungen einbeziehen. Keineswegs allerdings besteht Veranlassung, möglicherweise unerwünschte Folgen autonomer Entscheidungen in Rentenverfahren über eine weder vom Wortlaut noch vom Sinngehalt des § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III gedeckte Auslegung nachschaffend im Bereich des Arbeitsförderungsrechts zu umgehen bzw. zu korrigieren.
Schließlich kann es im vorliegenden Fall – mit Blick auf einen Sozialrechtlichen Herstellungsanspruch – zu keinem anderen Ergebnis führen, dass der Kläger am 08.11.2010 bei der Beklagten vorgesprochen und mitgeteilt hat, er habe mit der DRV am 10.09.2010 einen Vergleich über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit geschlossen, wolle aber möglicherweise gegen den Ausführungsbescheid (vom 24.09.2010) vorgehen. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang eine Verpflichtung der Beklagten annehmen wollte, den Kläger darüber aufzuklären (§ 14 SGB I), dass mit der Festlegung des Leistungsfalles auf den Monat September 2009 die Voraussetzungen für die Begründung einer neuen Anwartschaftszeit durch den Rentenbezug (wegen § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III) fraglich sein dürften, würde sich dies nicht zu Gunsten des Klägers auswirken. Denn auch bei zutreffender Beratung wäre es dem Kläger (unbeschadet der bereits eingetretenen Bestandskraft des Ausführungsbescheides vom 24.09.2010) nicht mehr möglich gewesen, den Leistungsfall voller Erwerbsminderung nachträglich (noch um sechs Monate früher) in die Vergangenheit zu verschieben; der Kläger hatte sich insoweit vielmehr schon durch den Vergleich vom 10.09.2010 irreversibel gebunden. Deshalb wäre eine Kausalität zwischen Beratungspflichtverletzung und eingetretenem Schaden (in Form der Nichtbegründung einer neuen Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld) von vornherein undenkbar (vgl. zum Kausalitätserfordernis Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: EL 83 Oktober 2014, vor §§ 38-47 SGB I Rn. 176 ff.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil sich die Lösung unschwer aus dem Gesetz entnehmen lässt und weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abweichende Meinungen vertreten werden.
Erstellt am: 27.04.2015
Zuletzt verändert am: 27.04.2015