Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.06.2014 geändert. Die Vergütung der Beschwerdeführerin für das Gutachten vom 03.04.2014 wird auf 2.475,80 Euro festgesetzt. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem Rechtsstreit, der die Versorgung mit Inkontinenzartikeln als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand hatte, hat die Beschwerdeführerin aufgrund der Beweisanordnung des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.08.2013 das Sachverständigengutachten vom 03.04.2014 erstattet. Mit Schreiben vom 04.04.2014 stellte sie unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 100,00 Euro nach der Honorargruppe M 3 folgende Vergütung in Rechnung:
Aktenstudium 4 Stunden 400,00 Euro
Fahrtzeit 1,3 Stunden 130,00 Euro
Reisekosten 116 km x 0,30 Euro 34,80 Euro
Begutachtung (Hausbesuch) 1,5 Stunde 150,00 Euro
Erstellen des Gutachtens 28 Stunden 2800,00 Euro
Diktat und Korrektur 5, 7 Stunden 570,00 "
Schreibgebühr 57.731 Anschläge 51,30 Euro
Porto 6,90 Euro
MWSt 787,17 "Euro
Gesamtsumme 4.930,17 Euro
Mit Schreiben vom 15.04.2014 hat der Kostenbeamte den Rechnungsbetrag mit 1.539,75 Euro festgestellt und dabei den Stundensatz nach der Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) sowie die folgende Berechnung der Zeitanteile zugrunde gelegt:
Aktenstudium 4 Stunden
Fahrtzeit 1,3 Stunden
Begutachtung (Hausbesuch) 1,5 Stunden
Erstellen des Gutachtens 3 Stunden
Diktat und Korrektur 5,8 Stunden
Summe: 15,6 Stunden 1.200,00 Euro
Schreibgebühr 57.731 Anschläge 52,20 Euro
Reisekosten 116 km x 0,30 Euro 34,80 Euro
Porto 6,90 Euro
MWSt 245,85 Euro
Gesamtsumme 1.539,75 Euro
Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin Erinnerung eingelegt und richterliche Festsetzung beantragt, mit der sie sich gegen die Reduzierung des Stundensatzes für die Abfassung des Gutachtens und die Beurteilung der Beweisfragen sowie gegen die Zuordnung der Honorargruppe M 2 wendet.
Mit Beschluss vom 02.06.2014 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Vergütung für das Gutachten auf 1.539,75 Euro festgesetzt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens sei gerechtfertigt. Die Zuordnung zur Honorargruppe M 3 sei nicht gerechtfertigt, weil es sich um kein Zusammenhangsgutachten handele. Gegen den am 04.06.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16.06.2011 eingegangene Beschwerde, zu deren Begründung macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe umfangreiche Recherchen zu den in Betracht kommenden Inkontinenzprodukten sowie zu der erforderlichen Anzahl von Windeln pro Tag durchführen müssen. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 02.07.2014).
Der Beschwerdegegner hat einen Zeitanteil von 14 Stunden für den Arbeitsschritt der Beurteilung der Beweisfragen und die Zuordnung zur Honorargruppe M2 für gerechtfertigt erachtet. Er hat ebenso wie die Beschwerdeführerin auf den Beschluss des zuständigen Beschwerdesenats vom 26.08.2011 (L 15 KR 423/11 B) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Der Senat entscheidet gemäß § 4 Abs. Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Nach den hier maßgeblichen Regelungen der §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) richtet sich die Vergütung des Sachverständigen nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Wieviel Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Erforderlich ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, um sich nach sorgfältigem Studium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehender Überlegung seine gutachtlichen Darlegungen zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei ist der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und der Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen (Ständige Rechtsprechung des zuständigen Senats, zuletzt Beschlüsse vom 06.05.2013 – L 15 SB 40/13 B und vom 28.10.2014 – L 15 P 44/14 B).
Der Zeitaufwand für die Abfassung des Gutachtens und die Beurteilung der Beweisfragen ist mit 14 Stunden in Ansatz zu bringen. Dieser Zeitaufwand ist nicht schematisch nach der Seitenzahl des Gutachtens festzusetzen. Maßgeblich ist vielmehr der Umfang und die Schwierigkeit der gedanklichen Arbeit des Sachverständigen im Einzelfall (Beschlüsse des Senats vom 9. 10. 1e99 – L 4 B 9/99 -, vom 30.11.2007 – L 4 B 18/07 und vom 24.09.2008 – L 4 B 9/08). Denn dieser Arbeitsschritt umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und der näheren Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seiner Entscheidung begründen zu können. Dazu gehört die diktatreife Vorbereitung der Beurteilung ohne Wiedergabe der Anamnese, der Untersuchungsergebnisse oder Befunde, einschließlich der Begründung der vom Sachverständigen getroffenen Schlussfolgerung, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Vorgutachten, anders lautenden Befunden sowie die Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen. In diesem Arbeitsschritt wird die eigentliche Gedankenarbeit im Zusammenhang mit der Auswertung der erhobenen Befunde, deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfrage sowie die diktatreife Vorbereitung abgegolten. Einen gewissen Anhaltspunkt für die Einschätzung des Zeitaufwandes für diesen Arbeitsschritt ergibt sich der Umfang des Abschnitts, in dem sich der Beschwerdegegner mit der Auswertung der vorgefundenen Befunde und Diagnosen befasst sowie die nachfolgende Herleitung der Beantwortung der Beweisfragen. Vorliegend kommt der von der Beschwerdeführerin angegebene Zeitaufwand für Recherchen, nämlich für Internetrecherchen, für die Besuche bei einem Sanitärfachgeschäft und einer Apotheke sowie ein Hausbesuch hinzu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Zeitaufwand für Recherchen zum Kenntnisstand in dem von der Sachverständigen vertretenen Fachgebiet nicht gesondert berücksichtigungsfähig ist. Denn es ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlich befähigter Sachverständiger diesen Kenntnisstand ständig vorhält. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Zeitaufwand von 1,5 Stunden für die körperliche Untersuchung der Klägerin in dem vorangehenden Arbeitsschritt berücksichtigt wird. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint es gerechtfertigt, den Zeitaufwand, den ein durchschnittlich befähigter Sachverständigen für diesen Arbeitsschritt aufwenden muss, mit 14 Stunden einzuschätzen. Ein größerer Zeitaufwand wird auch aus den Ausführungen auf den Seiten 15 – 30 des Gutachtens nicht erkennbar. Danach hat die Beschwerdegegnerin die aus den Datenblättern der Inkontinenzprodukte und aufgrund Inaugenscheinnahme ersichtlichen Eigenschaften der Produkte und die besonderen Gegebenheiten aufgrund des körperlichen und geistigen Gesundheitszustandes der Klägerin beurteilt und auf dieser Basis die Beweisfragen des Gerichts beantwortet.
Der Honorarsatz ist nach der Honorargruppe M 2 auf 75,- Euro festzusetzen. Die Zuordnung zu einer Honorargruppe bestimmt sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG, in der die einzelnen in § 9 Absatz 1 S. 1 JVEG aufgeführten Honorargruppen näher definiert sind. Die dort normierten Voraussetzungen für die Zuordnung zur Honorargruppe M 3 liegen nicht vor. Die Abgrenzung zwischen der hier zugrundezulegenden Honorargruppe M 2 und der Honorargruppe M 3 nimmt der Senat vor an hand des jeweils der Honorargruppe zugeordneten Wortlautes, der bei der Honorargruppe M 2 auf einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad und bei der Honorargruppe M 3 auf einen hohen Schwierigkeitsgrad abstellt. Darüber hinaus soll die Honorargruppe M 2 beschreibenden Begutachtungen ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge vorbehalten sein. Beispielhaft werden Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität genannt, die neben der beschreibenden Ist-Zustands-Begutachtung die sozialmedizin ische Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt insgesamt und/oder für bestimmte Erwerbstätigkeiten unter Berücksichtigung der daraus erwachsenden Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erfordern. Die Zuordnung zur Honorargruppe M 3 soll nach dem Wortlaut die Begutachtung spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder der Beurteilung der Prognose und/oder der Beurteilung strittiger Kausalfragen vorbehalten sein. Beispielhaft. werden Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten genannt.
Einen Schwierigkeitsgrad, der die Zuordnung zur Honorargruppe M 3 rechtfertigen würde, hat das Gutachten der Beschwerdegegnerin nicht zu bewältigen. Vielmehr hatte sie eine Zustandsbegutachtung durchzuführen, bei der die körperliche Verfassung und die geistigen und körperlichen Behinderungen der Klägerin zu beurteilen und die in Betracht kommenden Inkontinenzprodukte auf ihre Eignung einzuschätzen waren. Ein besonders hoher Schwierigkeitsgrad der gutachterlich zu klärenden Fragen lässt sich danach nicht feststellen. Daher ist die Vergütung folgendermaßen festzusetzen:
Aktenstudium 4 Stunden
Fahrtzeit 1,3 Stunden
Begutachtung (Hausbesuch) 1,5 Stunden
Erstellen des Gutachtens 14 Stunden
Diktat und Korrektur. 5,7 Stunden
Summe: 26,5 Stunden x 75 Euro 1987,50 Euro
Schreibgebühr 57.731 Anschläge 51,30 Euro
Reisekosten 116 km x 0,30 Euro 34,80 Euro
Porto 6,90 Euro
Summe: 2080,50 Euro
MWSt 395,30 Euro
Gesamtsumme 2475,80 Euro
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG, § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG).
Erstellt am: 09.03.2015
Zuletzt verändert am: 09.03.2015