Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.01.2015 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind unbegründet.
Das Sozialgericht hat die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 SGB II haben die Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Es kann dahin stehen, ob sie hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind, weil ein möglicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der diesbezügliche Leistungsausschluss gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch für wirtschaftlich inaktive EU-Bürger, die nicht einmal zum Zwecke der Arbeitsuche eingereist sind und sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten (vgl. im Einzelnen Beschluss des Senats vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER und vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und L 12 AS 2210/14 B, bei juris). Dies trifft auf die Antragsteller zu 1) und 2) zu. Ein materielles Aufenthaltsrecht ist bei ihnen nicht ersichtlich. Da sich der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch auf die Familienangehörigen erstreckt, sind auch die minderjährigen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2) nach dieser Vorschrift von Leistungen ausgeschlossen.
Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1) und der 1986 geborene Antragsteller zu 2) sind bulgarische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben im März 2013 zusammen mit ihrer am 00.00.2012 geborenen Tochter – der Antragstellerin zu 3) – nach Deutschland eingereist. Eine Berufstätigkeit haben sie seitdem nicht ausgeübt. Die Antragstellerin zu 1) hat zwar von Mai 2013 bis März 2014 ein Gewerbe angemeldet, aus diesem Gewerbe aber nach eigenen Angaben keine Einkünfte erzielt. Der Lebensunterhalt der Familie wurde vielmehr durch Kindergeld, das Sammeln von Pfandflaschen, durch Betteln und durch die Inanspruchnahme caritativer Leistungen (Tafel e.V. usw.) gesichert. Die Antragsteller sind damit weder als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) noch als Selbständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Da sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, sind die Antragsteller auch nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Ihr Aufenthaltsrecht kann sich damit allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a) FreizügG/EU). Danach sind Unionsbürger unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, die sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nicht einmal diese Voraussetzungen erfüllen die Antragsteller.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und sich bereits in Bulgarien nur notdürftig mit Betteln über Wasser gehalten. Sie haben zwar im Rahmen des Eilverfahrens geltend gemacht, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten und intensiv um Arbeit bemühen, diese Behauptung aber zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht. Unklar ist bereits, in welchem Bereich die Antragsteller, die über keine Deutschkenntnisse verfügen, überhaupt tätig sein wollen. Konkrete Darlegungen, welche Schritte zur Arbeitsuche unternommen worden sind und weshalb diese Schritte nicht erfolgreich waren, sind trotz ausdrücklicher Nachfrage des Senats nicht erfolgt. Eine ernsthafte Absicht, sich in Deutschland eine Beschäftigung zu suchen, kann dem Vortrag der Antragsteller nicht entnommen werden. Der Wille, sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten zu wollen, muss aber verneint werden, wenn keinerlei ernsthafte Absichten verfolgt werden, eine Beschäftigung aufzunehmen. Das Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche setzt zudem voraus, dass der Arbeitsuchende eine konkrete Aussicht hat, innerhalb einer gewissen Zeit einen Arbeitsplatz zu finden (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER, RdNr. 30 bei juris unter Hinweis auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU und Art. 14 Abs. 4 b der Richtlinie 2004/38/EG). Dies ergibt sich nunmehr auch aus dem zum 09.12.2014 geänderten § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU, der in Nr. 1a ausdrücklich bestimmt, dass Unionsbürger, die sich zum Zweck der Arbeitsuche aufhalten, nach sechs Monaten nur noch unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Eine solche Aussicht auf Einstellung ist hier ebenfalls nicht ersichtlich. Allein die Behauptung, sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufzuhalten, vermag aber zur Überzeugung des Senates keine Verbindung zum Arbeitsmarkt zu begründen.
Jedenfalls für solche EU-Ausländer, die kein materielles Aufenthaltsrecht aufweisen und nicht einmal über eine ernsthafte und aktive Arbeitsuche eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut haben, ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014 davon auszugehen, dass ein Leistungssauschluss – wie § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II – europarechtskonform ist (vgl. Beschluss des Senats vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER, juris; LSG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER, RdNr. 11 bei juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und L 12 AS 2210/14 B, bei juris). Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der RL 2004/38 bestimmt zwar, dass jeder Unionsbürger, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, grundsätzlich ein Recht auf die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates hat, dies gilt aber nach der oben zitierten Entscheidung des EUGH nur, wenn und solange der Aufenthalt des Unionsbürgers im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der RL 2004/38 überhaupt erfüllt. Dies setzt nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38 bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates voraus, dass der Unionsbürger entweder Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist (Art. 7 Abs. 1 a) oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während des Aufenthalts keine Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (Art. 7 Abs. 1 b). Nur solange sie diese Voraussetzungen erfüllen, steht ihnen das Aufenthaltsrecht zu (Art. 14 Abs. 2 der RL 2004/13). Bei der Beurteilung dieser Frage ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen, wobei die beantragten Leistungen nicht zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, RdNr. 80 bei juris). Liegen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie nicht vor, kann der Unionsbürger nach der Richtlinie hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen auch keine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmestaats verlangen.
Ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie steht den Antragstellern aber nicht zu. Sie verfügen nach ihren eigenen Angaben nicht über ausreichende Existenzmittel und haben deshalb Leistungen nach dem SGB II beantragt.
Auch Art. 4 der VO Nr. 883/2004, die ab dem 1.Mai 2010 die VO Nr. 1408/71 ersetzt hat, steht dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Art. 4 ("Gleichbehandlung") der Verordnung lautet: "Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates." In Art. 70 Abs. 1 und 2 der Verordnung sind diesbezüglich die "besonderen beitragsunabhängigen Leistungen" geregelt, zu denen nach Anhang X der VO 883/2004 auch die Leistungen nach dem SGB II gehören. Diese werden aber nach Art. 70 Abs. 4 der VO 883/2004 ausschließlich in dem Mitgliedsstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Hieraus folgt nach der Auffassung des EuGH, dass eine nationale Regelung – wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – die die Gewährung solcher Leistungen an nicht erwerbstätige Unionsbürger von dem Erfordernis abhängig macht, dass sie die Voraussetzungen der RL 2004/38 für ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedsstaat erfüllen, nicht gegen Art. 4 der VO Nr. 883/2004 verstößt (vgl. EuGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, RdNr. 83 f. bei juris).
Da das in Art. 18 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) allgemein niedergelegte Diskriminierungsverbot durch Art. 24 der RL 2004/38 und Art. 4 der VO 883/2004 konkretisiert wird (vgl. EuGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, RdNr. 61 bei juris), steht es einem Leistungsausschluss wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger ebenfalls nicht entgegen.
Gleiches gilt für Art. 45 Abs. 2 AEUV, weil die Antragsteller zu 1) und 2) keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt glaubhaft gemacht haben. Der EuGH hat diesbezüglich zwar festgestellt, dass es im Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, nunmehr Art. 45 Abs. 2 AEUV) im Lichte des Art.12 EG-Vertrag (nunmehr Art. 18 AEUV) nicht mehr möglich sei, Unionsbürger von einer finanziellen Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern soll. Er hat aber gleichzeitig festgestellt, dass es legitim sei, dass ein Mitgliedsstaat eine solche Beihilfe erst dann gewährt, wenn eine tatsächliche Verbindung des Arbeitsuchenden zu dem Arbeitsmarkt des Staates festgestellt werden kann, die allerdings auch dadurch begründet werden kann, dass der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedsstaat gesucht hat (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C 23/08 in Sachen Vatsouras und Koupatantze, RdNr. 38 ff.bei juris). Eine solche Beschäftigungssuche und dadurch begründete Verbindung zum Arbeitsmarkt haben die Antragsteller aber gerade nicht glaubhaft gemacht. Aus diesem Grund kommt es auch auf die vom BSG in seinem Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 (B 4 AS 9/13 R) angesprochene Frage, ob der Leistungsausschluss auch für solche Arbeitsuchende europarechtskonform sei, die eine Verbindung mit dem Aufnahmestaat haben, weil sie – wie im Fall der den Vorlageschluss betreffenden Klägerinnen – bereits kurzfristige Beschäftigungen in Deutschland ausgeübt haben, im vorliegenden Verfahren nicht an: Dieser Sachverhalt trifft auf die Antragsgegner gerade nicht zu.
Aus diesem Grund besteht auch keinen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB III. Ein den hier vorliegenden Sachverhalt betreffendes Verfahren ist beim EuGH nicht anhängig.
Mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg hat das Sozialgericht auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Aus diesem Grund war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 09.03.2015
Zuletzt verändert am: 09.03.2015