Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.04.2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist die fallwertbezogene Budgetierung der Vergütung der speziellen Laborleistungen nach Kapitel 32.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM) nach Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Die Antragstellerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft, deren Mitglieder als Fachärzte für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Endokrinologie in Wuppertal zu vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Nach Teil E Nr. 3.4 der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegen die Kostenerstattungen für spezielle Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM bei "Nicht-Laborärzten" einer fallwertbezogenen Budgetierung. Die Höhe des Budgets ergibt sich aus Multiplikation der Zahl der Behandlungsfälle mit dem für die Arztgruppe vorgegebenen bundeseinheitlichen Referenzfallwert von 40,00 EUR für Endokrinologen. Die Antragsgegnerin hatte diese Vorgaben zunächst nicht umgesetzt. Bezogen auf Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie sah § 7 Abs. 2 a) des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) für die Quartale III und IV/2013 einen nordrheinischen Referenzfallwert von 87,99 EUR vor. Der zum 01.10.2013 in Kraft getretene HVM überträgt mittels § 7 Abs. 2b zum 01.01.2014 den bundeseinheitlichen Referenzfallwert von 40,00 EUR auf den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin.
Die Anträge auf Aussetzung bzw. Anpassung der Mengenbegrenzung im Speziallabor nach Kap. 32.3. EBM lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.01.2014 ab. Zwar würden die Mitglieder der Antragstellerin die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllen, jedoch sei der Antrag nicht nachvollziehbar begründet worden. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.05.2014 zurück.
Bereits am 09.12.2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat vorgetragen: Die Reduzierung des Referenzfallwertes um ca. 50 % führe dazu, dass sie die nunmehr verlustbehaftete vertragsärztliche Tätigkeit kurzfristig werden einstellen müssen (wird ausgeführt).
Die Antragstellerin hat beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung zu verfügen, dass § 7 Abs. 2 Buchstabe b des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten in der Fassung der Bekanntmachung im Rheinischen Ärzteblatt 10/2013 gegenüber den Antragstellern nicht in Kraft tritt, soweit für die Vergütung der laboratoiumsmedizinischen Leistungen der Antragsteller ab 01.01.2014 ein Referenz-Fallwert in Höhe von 40,00 EUR zur Anwendung kommt;
im Wege der einstweiligen Anordnung zu verfügen, dass die laboratoriumsmedizinischen Leistungen der Antragsteller über den 31.12.2013 hinaus auf Basis des bisherigen Referenz-Fallwertes in Höhe von 87,99 EUR vergütet werden.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Anordnungsgrund und -anspruch seien nicht gegeben (wird ausgeführt).
Mit Beschluss vom 04.04.2014 hat das SG entschieden:
Tenor:
"Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung widerruflich verpflichtet, der Vergütung der laboratoriumsmedizinischen Leistungen der Antragsteller auf der Grundlage eines fallwertbezogenen Budgets über den 31.12.2013 hinaus vorläufig weiterhin den bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Referenz-Fallwert in Höhe von 87,99 EUR zugrundezulegen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin."
Es hat ausgeführt: Die Antragstellerin habe Anspruch auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs sei eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beteiligten zur Frage der Rechtmäßigkeit der KBV-Vorgaben weder geboten, noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt. Das müsse dem zu erwartenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das hinreichend wahrscheinliche Vorliegen eines Anordnungsanspruchs folge aus Teil E Nr. 3.4.5 der KBV-Vorgaben. Dass die Mitglieder der Antragstellerin die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht erfüllen sollten, sei nicht ersichtlich. Der entsprechende Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.01.2014 verweise vielmehr allein darauf, dass bei Betrachtung des Leistungsverhaltens der Praxis u.a. die medizinische Notwendigkeit der Häufigkeiten im Bereich der Vitamine B 12 und D in Frage gestellt werde, und darüber hinaus die ausgeprägte Schilddrüsen-Diagnostik in der vorliegenden Diagnosestatistik keinen Niederschlag finde. Diese Begründung erlaube indes nicht ansatzweise den nachvollziehbaren und überprüfbaren Schluss, dass dem Versorgungsbedarf mit dem Referenzfallwert von 40,00 EUR ausreichend Rechnung getragen sei und es einer Ausnahmeregelung schon dem Grunde nach nicht bedürfe. Zwar könne sich die Annahme der Antragsgegnerin, ggf. auf der Grundlage entsprechender Ermittlungen, nachträglich durchaus als zutreffend erweisen, dennoch sei ein Anspruch der Antragstellerin auf die Ausnahmeregelung jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach sei davon auszugehen, dass der Zuordnung eines nordrheinspezifischen Referenzfallwerts für die Gruppe der Endokrinologen in den Quartalen III/2013 und IV/2013 in Höhe von 87,99 EUR sachgerechte und am Bedarf orientierte Erwägungen zugrunde gelegen hätten, die es rechtfertigten, vorläufig dessen Fortgeltung anzuordnen. Auch der Anordnungsgrund sei hinreichend dargelegt. Gemessen an den Vorgaben des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen (z.B. Beschluss vom 12.08.2013 – L 11 KA 92/12 B ER -) sei ein Anordnungsgrund dargetan. Zu berücksichtigen sei, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in einer funktionellen Wechselbeziehung dergestalt stünden, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern seien oder umgekehrt; dabei dürften keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden, die Anforderungen hätten sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der jeweilige Antragsteller mit seinem Begehren verfolge. Zu berücksichtigen sei danach, dass der mit der Reduzierung des Referenzfallwertes ab dem Quartal I/2014 zu erwartende Honorarrückgang bzw. Umsatzeinbruch eine Dimension erreicht, die das Vorbringen der Antragstellerin zu dessen Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung des Praxisbetriebes in der bisherigen Struktur ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen lasse. Führe die Reduzierung des Referenzfallwertes indes dazu, dass die Antragstellerin genötigt sei, die Praxisstruktur insbesondere hinsichtlich des vorgehaltenen Labors anzupassen, so würde dies angesichts der durch Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtspositionen zu wesentlichen Nachteilen führen, die den Erlass der einstweiligen Anordnung rechtfertigen. Soweit die einstweilige Anordnung widerruflich ausgesprochen werde, trage dies dem Umstand Rechnung, dass sich im Rahmen des zu erwartenden Verfahrens über die Gewährung einer Ausnahmeregelung nach Teil E Nr. 3.4.5 der KBV-Vorgaben jederzeit die Überzeugung ergeben könne, dass die Annahme der Antragsgegnerin, es bedürfe keiner Ausnahmeregelung, zutreffend sei.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin fristgerecht mit der Beschwerde an. Sie trägt vor: Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Die Begründung des SG sei unzureichend. Das SG setze sich nur pauschal mit dem Inhalt des streitbefangenen Bescheides auseinander. Soweit argumentiert werde, dass sich der nordrheinspezifische Referenzfallwert der Quartale III/2013 und IV/2013 am Versorgungsbedarf orientiert habe, könne dies dem HVM nicht zu entnommen werden (wird ausgeführt). Soweit das SG der Antragstellerin widerruflich einen Referenzfallwert in Höhe von 87,99 EUR zugestehe, sei dieser nicht sachgerecht. Die arztindividuellen Fallwerte ihrer – der Antragsgegenerin – Mitglieder lägen unterhalb dieses Wertes. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sei zudem zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Fallwert der relevanten Fachgruppe im Quartal IV/2012 bei rund 46,00 EUR liege. Dieser Wert weiche nur geringfügig von dem bundesweit vorgegebenen Referenzfallwert nach Teil E Nr. 3.4 der KBV-Vorgaben ab. Es fehle an der hinreichenden Darlegung eines Anordnungsgrundes. Wirtschaftliche Kompensationsmöglichkeiten fehlten ebenso wie jegliche Darstellungen zum PKV-Bereich sowie zu sonstigen Einnahmen. Zudem könne die möglicherweise spezielle Praxisausrichtung der Antragstellerin im Bereich von Leistungen des Speziallabors angesichts einer begrenzten Gesamtvergütung nicht das öffentliche Interesse der nordrheinischen Ärzteschaft an einer sachgerechten und ordnungsgemäßen Honorarverteilung überwiegen. Grundrechte würden nicht verletzt. Der Antragstellerin würden Leistungen im Speziallabor nicht verwehrt; einen Anspruch auf eine Vergütung in bestimmter Höhe gewähre auch Art. 12 GG nicht. Mit Bescheid vom 30.05.2014 sei der Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung einer Ausnahmeregelung nach Teil E Nr. 3.4.5 der KVB-Vorgaben zurückgewiesen worden. Demnach werde ab dem Quartal III/2014 wieder der vorgegebene bundeseinheitliche Referenzfallwert für die Gruppe der Endokrinologen in Höhe von 40,00 EUR zu Grunde gelegt.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG Düsseldorf vom 03.04.2014 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin begehrt sinngemäß,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Antragsgegnerin habe die ablehnende Entscheidung nicht nachvollziehbar begründet. Sie sei nicht ansatzweise auf die im Laufe des Jahres 2013 übersandten umfangreichen Informationen und Begründungen des in der Praxis vorgehaltenen Leistungsbildes eingegangen. Die Antragsgegnerin habe den Antrag abgelehnt, obgleich die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung erfüllt seien. Der Hinweis der Antragsgegnerin, der durchschnittliche Fallwert der Fachgruppe der Endokrinologen, läge bei rund 46,00 EUR sei nicht stichhaltig. Auch bei dieser Begründung bleibe unklar, warum sich die Antragsgegnerin nicht mit den umfangreichen Informationen zur Notwendigkeit der individuell in der Praxis erbrachten vertragsärztlichen Leistungen im Speziallabor auseinandergesetzt habe. Die neuerliche Behauptung, die dargelegten wirtschaftlichen Nachteile seien nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, gehe fehl (wird ausgeführt). Der Widerspruchsbescheid vom 30.05.2015 löse nicht den vom SG im angefochtenen Beschluss bestimmten Widerrufsfall aus.
Am 19.11.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden. Im Anschluss hat der Senat einen sog. Hängebeschluss erlassen und angeordnet:
"Die Antragsgegnerin wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens verpflichtet, der Vergütung laboratoriumsmedizinischer Leistungen der Antragstellerin auf der Grundlage eines fallwertbezogenen Budgets über den 31.12.2013 hinaus den bis diesem Zeitpunkt maßgeblichen Referenzfallwert von 87,99 EUR zugrunde zu legen."
Hinsichtlich des Sach- und Streitstande im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 12.08.2013 – L 11 KA 92/12 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 – L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 -). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 – L 11 KA 92/12 B ER – und 12.10.2009 – L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 – L 10 B 14/06 KA ER – und 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. Senat, Beschlüsse 12.08.20313 – L 11 KA 92/12 B ER – und 21.01.2012 – L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 – L 5 KR 518/07 ER-B -).
2. Ausgehend hiervon sind Anordnungsanspruch (nachfolgend a)) und Anordnungsgrund (nachfolgend b)) glaubhaft gemacht.
ad a) Anordnungsanspruch
aa) Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Nach Teil E Ziff. 3.4.5 der KBV-Vorgaben gilt:
"Die Regelungen nach 3.4.1 bis 3.4.3 sind für alle Nicht-Laborärzte verbindlich anzuwenden, es sei denn, betroffene Ärzte weisen der Kassenärztlichen Vereinigung nach, dass sie die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllen. In diesem Fall kann die Kassenärztliche Vereinigung das Budget nach 3.4.2 erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen."
Die Regelungen nach Ziff. 3.4.1. bis 3.4.3 lauten:
3.4.1 Für Vertragsärzte, die zur Abrechnung von Laboratoriumsuntersuchungen berechtigt sind und nicht Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Transfusionsmedizin, ermächtigte Fachwissenschaftler der Medizin sind (kurz: "Nicht-Laborärzte") sowie aufgrund der Arztgruppenzugehörigkeit von nachfolgenden Regelungen erfasst werden, unterliegen die Kostenerstattungen für spezielle Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM einer fallwertbezogenen Budgetierung. Die in den Budgets enthaltenen Kostenerstattungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal nur bis zu einem begrenzten Gesamthonorarvolumen unter Berücksichtigung von Nr. 3.3 zu vergüten.
3.4.2 Die Höhe der Budgets ergibt sich aus dem Produkt des für die Arztgruppe vorgegebenen, mit der bundeseinheitlichen Abstaffelungsquote Q gemäß 1.1.5 multiplizierten Referenz-Fallwertes und der Zahl der Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 BMV-Ärzte bzw. § 25 Abs. 1 Arzt-/Ersatzkassenvertrag des Abrechnungsquartals der Arztpraxis.
3.4.3 Referenz-Fallwerte für die Ermittlung des Budgets nach 3.4.2
Arztgruppe Referenz-Fallwert in Euro Rheumatologen, Endokrinologen 40 Nuklearmediziner, Hämatologen 21 Dermatologen, Gynäkologen, Pneumologen, Urologen 4
Die Kassenärztliche Vereinigung kann für jede der genannten Arztgruppen einen KV-spezifischen Referenzfallwert festsetzen, maximal jedoch in Höhe des für die jeweilige Arztgruppe genannten Wertes. Der Referenz-Fallwert einer (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft, eines Medizinischen Versorgungszentrums und einer Praxis mit angestellten Ärzten wird als Summe der Produkte des relativen Anteils der Fälle eines Arztes in der Arztpraxis der arztgruppenbezogenen Referenz-Fallwerte der beteiligten Ärzte errechnet. Beteiligte Ärzte, die nicht zur Abrechnung von speziellen Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM berechtigt sind oder der Fallwertsteuerung nicht unterliegen, werden mit einem Referenz-Fallwert von 0 Euro berücksichtigt."
Die Mitglieder der Antragstellerin sind Nicht-Laborärzte. Demnach sind die Regelungen nach 3.4.1 bis 3.4.3 verbindlich. Allerdings formuliert Ziff. 3.4.5 mittels des Konnektors "es sei denn" eine Ausnahme. Zwischen den Beteiligten ist zufolge ihrer Erklärungen im Erörterungstermin vom 19.11.2014 unstrittig, dass die Mitglieder der Antragstellerin die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung "Laboratoriumsmedizinische Untersuchungen" erfüllt. Das leitet über zu Ziff. 3.4.5 Satz 2, wonach die KV "in diesem Fall" das Budget nach 3.4.2 erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen kann.
Die Regelung ist atypisch aufgebaut. Sie enthält in Satz 1 keinen eigenständigen Tatbestand. Statt dessen nimmt sie auf Ziff. 3.4.1 bis 3.4.3 Bezug und erklärt diese für verbindlich. Herkömmlicher Normstruktur folgend enthalten mithin Ziff. 3.4.1 bis 3.4.3 den Tatbestand. Sie bestimmen, wie sich die Höhe des Budgets errechnet. Flankierend regelt Ziff. 3.4.5 Satz 1 den persönlichen Anwendungsbereich ("Nicht-Laborärzte") und erklärt den Mechanismus der Ziff. 3.4.1 bis 3.4.3 insoweit für verbindlich. Ziff. 3.4.5 Satz 2 formuliert hierzu eine Ausnahme und eröffnet eine abweichende Rechtsfolge. Die Voraussetzungen und die abweichende Rechtsfolge verknüpft Ziff. 3.4.5 Satz 2 mit dem Verb "kann". Gesetzestechnisch kann hiermit Zweierlei zum Ausdruck gebracht werden, nämlich eine Zuständigkeits- und/oder eine Ermessenszuweisung.
Der Senat versteht die Regelung nicht als reine Zuständigkeitszuweisung sondern als eine Ermessensbetätigung fordernde Regel. Wäre Ziff. 3.4.5 Satz 2 als reine Kompetenzregel zu verstehen, so bliebe offen, nach welchen Maßgaben die KV zu entscheiden hätte. Lediglich die zulässigen Rechtsfolgen wären mit dem Dreitakt "erweitern, aussetzen und bedarfgerecht anpassen" bestimmt. Die dafür wesentlichen Bedingungen, nämlich unter welchen Voraussetzungen von welcher der drei Alternativen Gebrauch zu machen wäre, würden fehlen. Das Verb "kann" vermag keine Hilfestellung zu gegeben. Seine Funktion erschöpft sich in dieser rechtlichen Variante in einer schlichten Kompetenzzuweisung. Der Konnektor "in diesem Fall" kann gleichermaßen nicht als Voraussetzung dafür angesehen werden, ob und ggf. welche der drei Alternativen der Ziff. 3.4.5 Satz 2 einschlägig sind. "In diesem Fall" weist nur den Weg in die Ausnahme, konkretisiert indessen nicht die weiteren Voraussetzungen dafür, ob zu erweitern, auszusetzen, bedarfsgerecht anzupassen oder – ungeachtet des Wortlauts – gar abzulehnen ist. Das wäre rechtsstaatswidrig. Eine derartige Entscheidung könnte niemals nachvollziehbar sein. Fehlt es an jedweden Vorgaben, kann eine solche Entscheidung (Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) nicht i.S.d § 35 SGB X begründet werden. Die fehlende Begründung wäre denklogisch weder nachholbar (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) noch verzichtbar (§ 35 Abs. 2 SGB X). Demnach ist das Verb "kann" im konkreten Zusammenhang als Zuständigkeits- und als Ermessenszuweisung zu verstehen. Über die Ausnahme zu entscheiden hat die KV. Diese Entscheidung hat sie mangels konkreter Vorgaben nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (§ 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)).
Gleichwohl bleibt zu klären, worauf sich die Ermessenszuweisung bezieht. Das Ermessen kann sich – je nach Art und Intensität der normativen Einräumung – auf das schlichte "Ob" und/oder auf das "Wie" des Verwaltungshandelns erstrecken. Die Weichenstellung ist vorliegend entscheidend. Vom "Ob" hat die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht, denn sie hat sich entschlossen, den Antrag zu bescheiden (Entschließungsermessen). Wäre ihr zusätzlich ein Auswahlermessen eingeräumt, ergäben sich allerdings die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2014 nachhaltig tangierende Probleme.
Um ein reines Entschließungsermessen handelt es sich in Ziff. 3.4.5 Satz 2 schon deswegen nicht, weil die Regel drei Handlungsalternativen beschreibt, die ggf. um eine vierte, nämlich die Ablehnung des Antrags, anzureichern ist. Ermessen ist nur dann rechtmäßig ausgeübt, wenn die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei entschieden hätte. Ermessensfehler sind die Ermessensunterschreitung, der Ermessensfehlgebrauch und die Ermessensüberschreitung (hierzu auch Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage, 2012, § 11 Rdn. 61).
Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Auswahlermessen nicht ausgeübt (Ermessensunterschreitung). Da die Mitglieder der Antragstellerin die Ausnahmevoraussetzungen der Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 erfüllen, musste die Antragsgegnerin von einer der drei Handlungsalternativen der Ziff. 3.4.5 Satz 2 Gebrauch machen. Das ist nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat den Antrag trotz Vorliegens der in Ziff. 3.4.5 Satz 1 markierten Eingangsvoraussetzung abgelehnt. Der Wortlaut der Ziff. 3.4.5 Satz 2 gibt eine solche Befugnis nicht her. Wenn dennoch angenommen wird, dass das Auswahlermessen der Antragsgegnerin um eine vierte Variante (Ablehnung des Antrags) anzureichern ist, ergibt sich letztlich keine andere Beurteilung. Auch dann läge eine Ermessensunterschreitung vor.
Im Einzelnen: Der angefochtene Bescheid vom 15.01.2013 weist knapp zwei Seiten Begründung auf. Auf rund einer Seite werden die normativen und vertraglichen Voraussetzungen dargestellt, um sodann bezogen auf den konkreten Antrag wie folgt zu präzisieren (Anmerkung: Durchnummerierung zur Übersicht eingefügt):
"Der Antrag war Gegenstand der Sitzungen des Arbeitsausschusses am 11.11.2013 und nachfolgend des HVM-Ausschusses am 13.012014. In beiden Gremien wurde der Antrag geprüft und eingehend erörtert (1). Es bestand Konsens, dass die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen von den Antragstellern erfüllt wird, aber die begehrte Ausnahme einer nachvollziehbaren Begründung bedarf, die insbesondere in den Frequenzen und Diagnosen ihre Grundlage findet (2). Eine derartige Begründung vermochte man den Ausführungen unter Würdigung des Abrechnungsbildes nicht zu entnehmen (3). Es konnte nicht festgestellt werden, dass bei den Antragstellern zwingend ein Abrechnungsbedarf jenseits der vorgegebenen Referenzfallwerte besteht (4). Eine Erhöhung des Budgets erscheint daher nicht geboten (5). Der Vorstand der KV Nordrhein ist der Empfehlung des HVM-Ausschusses gefolgt (6). Dem HVM liegen die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgegebenen Referenzfallwerte gem. Punkt 3,4.3 des Teils E zur Honorarverteilung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen zugrunde (6). Die Kassenärztliche Vereinigung kann nur nach individueller Prüfung jeden einzelnen Antrages über eine eventuelle Ausnahmeregelung oder die Zuerkennung eines von den Vorgaben abweichenden Budgets entscheiden (7). Dabei müssen die medizinischen, wirtschaftlichen und die labortechnischen Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllt und individuell beurteilt werden (8). Bei Betrachtung des Leistungsverhaltens der Praxis wird u.a. die medizinische Notwendigkeit der Häufigkeiten im Bereich der Vitamine B 12 und D in Frage gestellt (9). Darüber hinaus fand die ausgeprägte Schilddrüsen-Diagnostik, insbesondere die Parameter fT3, fT4 und SD-AK betreffend, in der vorliegenden Diagnosenstatistik nicht ihren Niederschlag (10)."
Diese Begründung verdeutlicht, dass sich die Antragsgegnerin nicht bewusst war, Ermessen ausüben zu müssen. In Satz 2 Halbsatz 1 bestätigt die Antragsgegnerin, dass die Voraussetzungen der Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 erfüllt sind. In einem nächsten Schritt hätte nun das Ermessen betätigt werden müssen. Abweichend hiervon formuliert die Antragsgegnerin in Satz 2 Halbsatz 2 indessen eine weitere, im Text der Ziff. 3.4.5 nicht existierende Vorgabe. Das ist insofern legitim, als die Antragsgegnerin ihr Ermessen nur dann pflichtgemäß i.S.d. § 39 Abs. 1 SGB I ausüben kann, wenn ihr die hierfür erheblichen Tatsachen bekannt sind. Demzufolge ist der antragstellende Vertragsarzt i.S. einer Obliegenheit verpflichtet, die zur Begründung wesentlichen Tatsachen vorzutragen. Das ist geschehen. Die Antragstellerin hat im Verwaltungsverfahren umfangreich vorgetragen. Ob dieser Vortrag passgenau zur Forderung der Antragsgegnerin hinsichtlich Frequenzen und Diagnosen war, mag offen bleiben. Dies aber schon deswegen, weil nicht näherungsweise nachvollziehbar ist, was die Antragsgegnerin hiermit meint und wie sie diese Abstraktion im Konkreten so verdichtet hat (dazu Satz 3 und Satz 4), dass sie hierauf die Ablehnung stützt. Die Sätze 6 bis 8 wiederum sind für die Begründung bedeutungslos. Sie beschreiben die Anspruchsvoraussetzungen, hätten vorgezogen werden müssen und sind fehlplatziert. Die Sätze 9 und 10 wiederum enthalten Begründungselemente. Diese sind indessen weder nachvollziehbar noch tragen sie die Ablehnung. Schon das SG hat darauf hingewiesen, dass diese Begründung nicht ansatzweise den nachvollziehbaren und überprüfbaren Schluss erlaubt, dem Versorgungsbedarf werde mit einem Referenzfallwert von 40,00 EUR ausreichend Rechnung getragen und es schon deswegen einer Ausnahmeregelung dem Grunde nach nicht bedürfe (Umdruck S. 4). Dem ist beizutreten. Sollten im Übrigen die Sätze 9 und 10 maßgebend für die Ablehnung des Antrags sein, wäre das Ermessen deswegen fehlerhaft ausgeübt, weil die Antragsgegnerin sich auf Mutmaßungen stützt. Aus der Wendung "( ) wird u.a. die medizinische Notwendigkeit der Häufigkeiten im Bereich der Vitamine B 12 und D in Frage gestellt" folgt, dass die Antragsgegnerin ihrer Entscheidung keine Tatsache sondern eine Vermutung zugrunde gelegt hat. Damit ist der aus Sicht der Antragsgegnerin entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht aufgeklärt. Eine hierauf gestützte Ermessensbetätigung ist fehlerhaft.
Die Begründung zu Satz 3 ist nichtssagend. Sie ist beliebig austauschbar, hat allenfalls blanketthaften Charakter und stellt sich als formelhafte Floskel dar (hierzu Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2012, § 35 Rdn. 5a m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Die Begründung zu Satz 9 ist fehlerhaft und trägt die Entscheidung nicht. Damit verstößt der Bescheid vom 15.01.2014 gegen § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Antragsgegnerin zu ihrer Entscheidung bewogen haben, hat sie nicht mitgeteilt. Ein solcher Mangel kann bezogen auf gebundene Entscheidungen zwar geheilt werden (§§ 41 Abs. 2, 42 Satz 1 SGB X), indessen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Für die Adressaten muss erkennbar und damit überprüfbar sein, ob Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch vorliegt (BSG, Urteil vom 18.4.2000 – B 2 U 19/99 R -; hierzu auch Mutschler, in Kasseler Kommentar, SGB X, 2014, § 35 Rdn. 17). Daran fehlt es. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen nicht bzw. nicht nachvollziehbar ausgeübt.
Dieser Ermessensfehlgebrauch ist durch den Widerspruchsbescheid vom 30.05.2014 nicht repariert worden. Auch die Begründung dieses Bescheides ist defizitär. Seite 2 referiert den Sachverhalt und das Widerspruchsvorbringen. Seite 2 unten und Seite 3 oben wiederholen unter Bezugnahme auf § 87b Abs. 4 SGB V den Inhalt der Ziff. 3.4.1 und 3.4.2 der KBV-Vorgaben. Beginnend mit Absatz 3 der Seite 3 folgt ansatzweise eine individualisierte Begründung wie folgt (Anm.: Durchnummerierung aus Gründen der Übersichtlichkeit eingefügt):
"Von diesen Referenz-Fallwerten – unerheblich, ob die Werte des Bundes oder der jeweiligen KV maßgeblich sind – kann nach Ziffer 3.4.5 der Vorgabe KBV auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall der Gestalt abgewichen werden, das dass sich ergebene fallwertbezogene Laborbudget erweitert, ausgesetzt oder bedarfsgerecht angepasst wird (1). Voraussetzung hierfür ist ein konkret begründeter Antrag in welchem dargelegt wird, warum eine Abweichung von den Vorgaben der Bundesebene notwendig ist (2). Der Antrag wurde sowohl im Arbeitsausschuss als auch im HVM-Ausschuss eingehend geprüft und erörtert (3). Die Gremien gelangten nach Würdigung der vorgetragenen Gründe zu der Auffassung, dass eine Ausnahme von den Regelungen nicht gerechtfertigt erscheint, da die von Ihrer Mandantin begehrte Ausnahme einer nachvollziehbaren Begründung, die insbesondere in den Frequenzen und Diagnosen ihre Grundlage findet, bedarf (4). Für die Ablehnung ihres Antrages war vor allem entscheidend, dass die Betrachtung des Leistungsverhaltens der Praxis, u. a. die medizinische Notwendigkeit der Häufigkeiten im Bereich der Vitamine B 12 und D, in Frage gestellt wird (5). Darüber hinaus fand die ausgeprägte Schilddrüsendiagnostik, insbesondere die Parameter fT3, fT4 und SD-AK betreffend, in der vorliegenden Diagnosestatistik nicht ihren Niederschlag (5). Somit konnte auch im vorliegenden Widerspruchsverfahren keine andere Entscheidung getroffen werden (6).
Dieser Text entspricht im Wesentlichen jenem des Bescheides vom 15.01.2014. Satz 1 verweist auf die Ausnahmeregelung in Ziff. 3.4.5., Satz 2 postuliert eine Substantiierungspflicht. Satz 3 beschreibt einen Teilausschnitt des Sachverhalts. Satz 4 wiederholt die Begründung aus Satz 3 des angefochtenen Bescheides nahezu wortgleich. Satz 5 nimmt Satz 9 des angefochtenen Bescheides auf und verdichtet diesen dahin, dass diese Erwägung für die Ablehnung des Antrags "vor allem entscheidend" war. Mittels des Widerspruchsbescheides kristallisiert sich mithin heraus, dass die Bescheidablehnung "vor allem" auf eine Vermutung ("in Frage gestellt") gestützt wird.
Nach § 20 Abs. 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie hat alle zur Subsumtion unter eine Rechtsvorschrift maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln (Siefert, in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 20 Rdn. 4, 5). Die Behörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Maßstab des Ermittlungsumfangs ist dabei die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Räumt eine Norm der Behörde auf Rechtsfolgenseite Ermessen ein, muss die Behörde auch die für ihre Ermessensentscheidung maßgeblichen Tatsachen bzw. die Umstände aufklären, die zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs erforderlich sind (Siefert, in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 20 Rdn. 7). Ist die vollständige Sachaufklärung nur unter Mitwirkung der Beteiligten möglich, ist es Aufgabe der Behörde, auf die vollständige Tatsachendarstellung durch die Beteiligten hinzuwirken und diese Tatsachendarstellung auf ihre Wirklichkeit hin zu überprüfen (Siefert, in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 20 Rdn. 8 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.09.1955 – 10 RV 490/55 – zur Sachaufklärungsplficht nach § 106 Abs. 1 SGG). Der Antragsteller ist gehalten, seinen Antrag möglichst weitgehend zu substantiieren, was hier ausweislich des Verwaltungsvorgangs geschehen ist. Auf einen unzulänglich begründeten Antrag ist die KV mithin gehalten, den Sachverhalt aufzuklären und nötigenfalls Substantiierungshinweise zu geben. Ob diese Pflicht jener des Vorsitzenden eines verwaltungsgerichtlichen Spruchkörpers entspricht (§ 76 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung, § 106 Abs. 1 SGG, § 86 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)), mag dahinstehen, sie nähert sich dem jedenfalls an. Lehnt die Behörde den Antrag stattdessen a limine ab, verstößt sie gegen § 20 Abs. 1 SGB X.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin den schon dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden defizitären Sachverhalt nicht nach ermittelt. Damit verbleibt es dabei, dass die Ablehnung auf eine Vermutung gestützt wird und die Ermessensbestätigung schon deswegen fehlsam ist.
Mängel der Ermessensbegründung können ggf. repariert werden (hierzu Schütze, in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 41 Rdn. 10 m.w.N. (str.)). Anders verhält es sich in Fällen des Ermessensausfalls. Dann liegt kein Fehler der Ermessensbegründung, sondern ein Mangel der Ermessensbetätigung nach § 39 SGB I vor. Das spricht dafür, die Fehlerbeseitigung nicht als Heilung im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X zu qualifizieren, mithin auch den Zeitrahmen von Abs. 2 nicht als eröffnet anzusehen. Die Rechtsgrundlage solcher Korrekturen dürfte vielmehr § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sein, wonach im Vorverfahren auch über die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu befinden ist und die Widerspruchsbehörde deshalb befugt – und bei einem Ermessensausfall oder -fehlgebrauch auf Ebene der Ausgangsbehörde auch gehalten – ist, selbst Ermessenserwägungen anzustellen und sie ggf. an die Stelle der Ausgangsbehörde zu setzen. Diese Kompetenz endet indes mit dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens, weshalb die nachholende Ermessensausübung in den Fällen des Ermessensausfalls oder -fehlgebrauchs auch nach der Erweiterung des Zeitrahmens nach § 41 Abs. 2 SGB X i.d.F. des 4. Euro-Einführungsgesetzes nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zuzulassen ist (hierzu Schütze, a.a.O., § 41 Rdn. 11 m.w.N. auf die Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)). Das solchermaßen fixierte Zeitfenster ist nunmehr verschlossen. Der Widerspruchsbescheid heilt nicht, er perpetuiert den Ermessensausfall. Soweit die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung vom 07.05.2014 im Einzelnen darlegt, dass der durchschnittliche Fallwert der relevanten Fachgruppe bei 46,00 EUR liege und dieser Wert nur geringfügig vom Referenzfallwert nach Teil E Ziff. 3.4 der KBV-Vorgaben abweiche, weswegen ihre Entscheidung sachgerecht sei, führt dass nicht weiter. Insoweit handelt es sich um verspätet nachgeschobene Ermessenserwägungen. Infolgedessen ist der Bescheid vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2014 irreparabel infiziert. Er ist rechtswidrig und auf Anfechtungsklage aufhebbar.
bb) Ein Anordnungsanspruch besteht aber auch deswegen, weil die vom SG im Tenor des angefochtenen Beschlusses bestimmte Bedingung nicht eingetreten ist. Hiernach hat das SG die Antragsgegnerin widerruflich verpflichtet, den bis zum 31.12.2013 geltenden Referenzfallwert zugrundezulegen. Die Antragsgegnerin hat angenommen, der Widerspruchsbescheid vom 30.05.2014 realisiere diese Bedingung mit der Folge, dass ab 01.07.2014 wieder der reduzierte Referenzfallwert von 40,00 EUR anzusetzen ist. Das trifft nicht zu. Die Begriffe "Widerruf" (z.B. § 47 SGB X) und "Widerspruchsbescheid" (z.B. § 85 Abs. 2 SGG) sind rechtstechnisch besetzt. Sie stehen in keinem Zusammenhang. Infolgedessen ist es ausgeschlossen, dass das SG sich in der Wortwahl vertan haben und statt des Wortes "Widerruf" die Erteilung des Widerspruchsbescheid gemeint haben könnte. Das ist auch deswegen ausgeschlossen, weil das SG auf Seite 6 des Beschlussausdrucks nochmals erläutert, warum es die Entscheidung "widerruflich" ausgesprochen hat.
Ausgehend hiervon fehlt es an einem Widerruf. Die Antragsgegnerin hätte die Möglichkeit gehabt, nach Erlass des Widerspruchsbescheides einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung der einstweiligen Anordnung zu stellen. Zwar ist umstritten, welche Rechtsgrundlage hierfür in Betracht kommt. So wird teils angenommen, § 927 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sei ungeachtet der fehlenden Bezugnahme in § 86b Abs. 2 SGG anzuwenden, weil es sich insoweit um ein Redaktionsversehen handele (LSG Sachsen, Beschluss vom 24.01.2008 – L 3 B 610/07 AS ER -; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 86b Rdn. 45; anders Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 86b Rdn. 45). Von anderen wird § 323 ZPO i.V.m. § 202 Satz 1 SGG (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.10.13 – L 7 AS 1144/13 ER -) bzw. § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG analog (so Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 86b Rdn. 45 unter Bezugnahme auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.10.2010 – L 7 SO 3392/10 ER-B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2013 – L 25 AS 443/13 -) als Rechtsgrundlage herangezogen. Letztlich kann die dogmatische Herleitung offen bleiben, denn Einigkeit besteht darüber, dass Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine Abänderungsmöglichkeit gebietet (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdn. 45). Einen solchen Antrag hat die Antragsgegnerin nicht gestellt. Damit ist die Bedingung ("widerruflich") nicht eingetreten. Die Anordnung des SG wirkt fort.
ad b) Anordnungsgrund
aa) Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Sicherungsanordnungen dienen der Sicherung eines bestehenden Zustandes; das Gericht trifft demgemäß nur bestandsschützende Maßnahmen (Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 86b Rdn. 73). Hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 73). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher (Senat, Beschluss vom 28.12.2010 – L 11 KA 60/10 B ER -). Vorliegend geht es den Antragstellern darum, die fallwertbezogene Budgetierung der speziellen Laborleistungen auszusetzen, hilfsweise ihnen einen angemessenen Referenzfallwert, mindestens aber einen Referenzfallwert von 22,22 EUR zuzuweisen. Dies deutet im Hauptantrag auf eine Sicherungsanordnung und im Hilfsantrag auf eine Regelungsanordnung hin. Letztlich kann dies dahinstehen, denn Sicherungs- und Regelungsanordnung unterliegen im Ergebnis derselben Behandlung (hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Auflage, 2012, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Musielak/Huber, ZPO, 11. Auflage, 2014, § 935 Rdn. 1 und § 940 Rdn. 1; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage, 2012, § 935 Rdn. 3).
bb) Im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zum einstweiligen Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – ; Beschluss vom 19.10.1977 – 2 BvR 42/76 -) wurde unter der Geltung des früheren Rechts von den Sozialgerichten ganz überwiegend gefordert, dass dem Antragsteller schwere irreparable und unzumutbare Nachteile drohen müssen. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 86b Abs. 2 durch das 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2144) m.W.v. 02.01.2002 zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anordnungsgrund dargetan ist (Sicherung eines verfassungsrechtlichen Mindeststandard i.S. einer "Existenzgefährdung"), kann entgegen dem rechtlichen Ansatz der Antragsgegnerin nur noch eingeschränkt herangezogen werden (Senat, Beschlüsse vom 23.12.2010 – L 11 KA 54/10 B ER – und 23.11.2007 – L 11 B 11/07 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 22.05.2006 – L 10 B 3/06 KA ER – und 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER -). Setzt § 86b Abs. 2 i.d.F. des 6. SGGÄndG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seither (nur) voraus, dass ein wesentlicher Nachteil abgewendet werden soll oder die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers wesentlich erschwert werden könnte, so ist dies schon sprachlich weniger als die zuvor geforderten "schweren und unzumutbaren Nachteile" (Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 126). Demzufolge wird unter Geltung des SGG i.d.F. des 6. SGGÄndG vornehmlich darauf abgestellt, welche Intensität der abzuwehrende Eingriff in geschützte Güter (z.B. Art. 12, 14 GG) hat. Maßstab für die Eingriffsintensität sind vielfach die wirtschaftlichen Folgen in Bezug auf das geschützte Rechtsgut (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.12.2010 – L 11 KA 60/10 B ER -, 06.09.2010 – L 11 KA 3/10 B ER -, 27.05.2008 – L 11 B 6/08 KR ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER – und 12.02.2007 – L 10 B 35/06 KA ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.11.2009 – L 11 KR 3727/09 ER-B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.12.2007 – L 5 ER 289/07 KR -). Der unbestimmte Rechtsbegriff "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint" in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erfordert eine Interessenabwägung nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls. Ein Anordnungsgrund ist danach anzunehmen, wenn dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, a.a.O., § 940 Rdn. 1; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, 2010, § 940 Rdn. 4; Seiler, a.a.O, § 940 Rdn. 5; Huber, a.a.O., § 940 Rdn. 4; Frehse, in: Jansen a.a.O., SGG, § 86b Rdn. 87 ff.); dabei sind die öffentlichen Interessen jenen der Verfahrensbeteiligten gegenüberzustellen. Insbesondere sind die Folgen abzuwägen, die mit dem Erlass bzw. dem Nicht-Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden sind. Einzubeziehen sind u.a. die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Intensität einer drohenden (Grund-)Rechtsverletzung und sonstige unbillige Härten der Beteiligten. Die mit jedem Hauptsacheverfahren zwingend verbundenen zeitlichen Nachteile reichen für den Erlass einer Regelungsanordnung nicht aus (Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 – L 11 KA 92/12 B ER – und 21.01.2012 – L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.11.2011 – L 3 KA 104/10 B ER -).
cc) Hiernach ist ein Anordnungsgrund dargetan. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen sich nicht isoliert gegenüber, vielmehr besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt; dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden, die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt (BVerfG, Beschlüsse vom 19.03.2004 – 1 BvR 131/04 – und 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 -; Senat, Beschlüsse vom 27.03.2013 – L 11 KA 96/12 B ER -, 27.02.2013 – L 11 KA 8/13 B ER -,07.01.2013 – L 11 KR 592/12 B ER -, 21.05.2012 – L 11 KR 113/12 B ER -, 04.10.2011 – L 11 KA 50/11 B ER -, 21.06.2010 – L 11 B 26/09 K ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2011 – L 12 B 50/09 AS ER -). Daraus folgt, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, wenn eine Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, dennoch kann auch in diesem Fall nicht gänzlich auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes verzichtet werden (Senat, Beschluss vom 05.04.2012 – L 11 KA 85/11 B ER -; Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 87, 93). Ist ein Anordnungsgrund nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG SGG auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird (zur abweichenden Rechtslage nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 SGG vgl. Senat, Beschluss vom 03.02.2010 – L 11 KA 80/09 ER -). Anderenfalls würden die den Anordnungsgrund bezeichnenden Tatbestandsmerkmale des § 86b Abs. 2 SGG ("vereitelt" bzw. "wesentlich erschwert" und "zur Abwendung wesentlicher Nachteile") gesetzwidrig hinweg interpretiert (Senat, Beschlüsse vom 04.10.2011 – L 11 KA 50/11 B ER – und 16.05.2011 – L 11 KA 132/10 B ER -). Im Übrigen ist einstweiliger Rechtsschutz insbesondere dann zu gewähren, wenn eine Verletzung des Gebotes, effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG zu gewähren, zu besorgen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.06.2003 – L 10 B 9/03 KA ER – und 24.11.2004 – L 10 B 14/04 KA -). Letzteres ist der Fall. Die Antragstellerin kann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt vorliegend nicht. Die Rechtsverletzung wäre irreparabel (hierzu Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 109).
Ob die ggf. glaubhaft zu machenden Tatsachenbehauptungen einen Anordnungsgrund ausfüllen, bedarf einer genauen Prüfung. Trägt ein Antragsteller vor, in seiner Existenz gefährdet zu sein, muss er eine entsprechende wirtschaftliche Situation glaubhaft machen und nachvollziehbar darlegen, dass diese – kausal – auf die angegriffene Maßnahme zurückzuführen ist, d.h. die Gründe für die behauptete Existenzgefährdung müssen geklärt sein (Senat, Beschlüsse vom 15.05.1996 – L 11 SKa 21/96 – und 27.11.1991 – L 11 SKa 35/91 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.03.2007 – L 10 B 3/07 KA ER -). Macht ein Antragsteller erhebliche Zahlungsverpflichtungen geltend, fehlt es am Anordnungsgrund, wenn diese nicht kausal durch den Betrieb der Arztpraxis entstanden sind (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 16.10.1997 – L 5 Ka 58/97 eR -). Keinesfalls reicht es aus, wenn z.B. ein Vertragsarzt defizitäre Salden ausweisende steuerliche Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen vorlegt. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass steuerrechtliche Regelungen angesichts ihrer spezifischen Zielsetzung eine Vielzahl von disponiblen und manipulativen Gestaltungsmöglichkeiten einräumen, mithin von vornherein ungeeignet sind, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. Beschlüsse vom 28.12.2010 – L 11 KA 60/10 B ER – und 19.03.2009 – L 11 B 20/08 KA ER -; so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.07.2005 – L 10 B 11/05 KA ER -). In der Regel muss hinzu kommen, dass der Antragsteller glaubhaft macht, personelle und organisatorische Effizienzoptimierungsmaßnahmen ausgeschöpft zu haben (Senat, Beschluss vom 24.06.1997 – L 11 SKa 20/97 -), unmittelbar von Insolvenz bedroht zu sein oder die Schließung oder doch nennenswerte Einschränkung seines Praxisbetriebs befürchten zu müssen (Senat, Beschlüsse vom 09.05.2012 – L 11 KA 90/11 B ER -, 05.04.2012 – L 11 KA 92/11 B ER -, 02.04.2012 – L 11 KA 81/11 B ER -, 25.01.2012 – L 11 KA 77/11 B ER -, 18.07.1997 – L 11 SKa 27/97 – und 22.02.1996 – L 11 SKa 55/95 -; im Ergebnis auch LSG Bayern, Beschlüsse vom 21.11.1995 – L 12 B 211/95 – und 28.09.1994 – L 12 B 189/94 Ka-VR -; einschränkend LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.10.1999 – L 4 B 60/99 KA ER -).
Angesichts der aufgezeigten Wechselbeziehung zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch genügt das Vorbringen der Antragstellerin diesen Anforderungen. Sie haben jedenfalls im Anschluss an den Erörterungstermin vom 19.11.2014 glaubhaft gemacht, ohne einstweiligen Rechtsschutz in eine prekäre finanzielle Situation zu geraten.
Soweit der Senat ausgeführt hat, der Vertragsarzt müsse zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit Einschränkungen seines Behandlungsspektrums ebenso hinnehmen wie seine Niederlassungsfreiheit, seine Fallzahlen und seine Vergütung begrenzende Regelungen, das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit habe der Vertragsarzt jedenfalls grundsätzlich selbst zu tragen, die KV sei nicht gehalten, ihm die Sorge um seine Existenz abzunehmen, nötigenfalls werde er umdisponieren und sein Leistungsspektrum verändern müssen (u.a. Beschlüsse vom 09.05.2012 – L 11 KA 90/11 B ER -, 05.04.2012 – L 11 KA 92/11 B ER -, 02.04.2012 – L 11 KA 81/11 B ER -, 25.01.2012 – L 11 KA 77/11 B ER -), ist hieran festzuhalten. Im Gegensatz zu jenen Fällen, in denen es um die Vergütung polysomnographischer Leistungen ging und ein Anordnungsanspruch nicht gegeben war, greift wiederum das Prinzip der funktionalen Wechselbeziehung zwischen Anordnungsgrund und -anspruch. Die Anforderungen an den Anordnungsgrund reduzieren sich nachhaltig, wenn ein Anordnungsanspruch – wie hier – eindeutig gegeben ist. Auch der Antragstellerin wird es aus den vom Senat in den vorgenannten Beschlüssen aufgezeigten Gründen im Ergebnis zuzumuten sein, ihr Leistungsspektrum zu ändern, indessen nicht schon auf der Grundlage einer rechtswidrigen Bescheidung.
III.
Die Streitwertentscheidung ergeht gesondert.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 31.03.2015
Zuletzt verändert am: 31.03.2015