Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.12.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller den Regelbedarf für Partner entsprechend § 20 Abs. 4 SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.11.2015, längstens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, zu gewähren. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen hat der Antragsgegner zu erstatten. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin T aus L beigeordnet.
Gründe:
I.
Der am 00.00.1968 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er wohnt mit der bulgarischen Staatsangehörigen B., geboren am 00.00.1976, und deren drei Kindern (geboren 1997, 2000, 2002) zusammen. Der Antragsteller hat die Vaterschaft für die drei Kinder anerkannt.
Der Antragsteller war in der Bundesrepublik bereits in der Zeit vom 27.02.2004 bis zum 29.03.2006, vom 27.09.2010 bis zum 14.02.2011 und vom 16.07.2011 bis zum 01.06.2013 und ist erneut seit dem 10.02.2014 gemeldet.
Frau B. übte in der Zeit vom 29.11.2011 bis zum 23.06.2013 eine abhängige Beschäftigung aus. Anschließend bezog sie in der Zeit vom 06.07.2013 bis zum 27.02.2014 ALG I und Wohngeld. Frau B. bezieht für die drei Kinder Kindergeld i.H.v. insgesamt 552,00 EUR monatlich. Seit dem 24.10.2014 ist Frau B. als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 12 Stunden und einem Stundenlohn von 8,50 EUR geringfügig beschäftigt. Der Arbeitsvertrag ist bis zum 30.04.2015 befristet.
Der Antragsgegner bewilligte Frau B. und ihren drei Kindern für die Zeit ab dem 01.01.2014 bis zum 30.11.2014 durchgehend vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zuletzt i.H.v. 1.102,72 EUR monatlich. Den Antragsteller schloss der Antragsgegner von den Leistungen aus, da dieser weder über ein Daueraufenthaltsrecht noch über einen Arbeitnehmerstatus verfüge.
Mit Bescheid vom 11.12.2014 bewilligte der Antragsgegner Frau B. und den drei Kindern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 823,93 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.11.2015. Bei der Ermittlung des Bedarfs berücksichtigte er 4/5 der Bruttowarmmiete und rechnete neben dem Kindergeld ein Erwerbseinkommen von 280,00 EUR an. Die Gewährung von Leistungen an den Antragsteller lehnte der Antragsgegner erneut ab, da dieser weder über ein Daueraufenthaltsrecht noch über einen Arbeitnehmerstatus verfüge.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheiden vom 28.01.2015 und vom 12.03.2015 erhöhte der Antragsgegner die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an Frau B. und ihre drei Kinder.
Am 27.11.2014 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften in Höhe des Regelbedarfs einschließlich der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Er hat vorgetragen, dass er im Februar 2014 zu Frau B. und seinen Kindern in die Bundesrepublik nachgezogen sei. Er sei mittellos. Er halte sich zur Arbeitsuche und aus familiären Gründen in der Bundesrepublik auf. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife nicht ein. Er sei Vater freizügigkeitsberechtigter und verbleibberechtigter Kinder. Seine Kinder leiteten ihr Freizügigkeitsrecht von ihrer Mutter, seiner Lebensgefährtin, ab. Er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Ein solcher Anspruch werde aber erst seitens der Behörden geprüft, wenn ein Verfahren zur Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU eingeleitet sei. Auch komme ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in Betracht. Der Leistungsausschluss sei weder mit dem Unionsrecht noch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass es nach der Entscheidung des LSG NRW vom 21.01.2013 – L 19 AS 2363/12 nicht darauf ankomme, welchen Aufenthaltstitel eine Person möglicherweise erhalten könne, sondern welchen Aufenthaltstitel eine Person tatsächlich besitze (Tatbestandswirkung). Ihm komme hinsichtlich eines möglichen Aufenthaltstitels mangels Zuständigkeit kein eigenes Prüfungsrecht zu. Eine vorläufige Bewilligung im Rahmen des SGB II komme nicht in Betracht. Ein Abstellen auf eine Folgenabwägung habe nicht zu erfolgen, da ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach Prüfung der Erfolgsaussichten nicht bestehe. Der Antragsteller würde bei vorläufiger Bewilligung mit drohenden Erstattungsforderungen belastet werden. Er nehme Bezug auf den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER.
Durch Beschluss vom 12.12.2014 hat das Sozialgericht Köln den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den seiner Bevollmächtigten am 15.12.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 14.01.2015 Beschwerde eingelegt.
Er trägt vor, dass er erkrankungsbedingt auf Dauer erwerbsunfähig sei. Soweit das Sozialgericht unterstelle, dass eine Rückkehr seiner Lebensgefährtin mit den gemeinsamen Kindern zur Herstellung der familiären Gemeinschaft in das Heimatland zumutbar sei, seien die Ausübung einer Erwerbstätigkeit seiner Lebensgefährtin in Deutschland, die Aufenthaltsdauer seiner Lebensgefährtin und seiner Kinder in der Bundesrepublik sowie die Tatsache, dass seine Kinder zur Schule gingen und integriert seien, zu berücksichtigen. Er versorge die Kinder, während seine Lebensgefährtin eine Erwerbstätigkeit ausübe. Aufgrund der familiären Verhältnisse habe er eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt hergestellt. Er übe mit seiner Lebensgefährtin die elterliche Sorge aus. Eine Sorgerechtserklärung sei nicht abgegeben worden. Er habe sich durchgehend in der Bundesrepublik aufgehalten. Die registrierten Meldetermine seien unzutreffend.
Der Antragsgegner hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Er verweist auf die Entscheidungen des LSG NRW vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER, des LSG Hessen vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER und des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER.
II.
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend den Regelbedarf für die Zeit ab dem 01.12.2014 zu Unrecht abgelehnt (1). Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet (2).
1) Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
a) Der Anordnungsgrund betreffend den Regelbedarf ergibt sich aus dem glaubhaft gemachten Fehlen von ausreichenden Eigenmitteln. Zwar verfügt die Lebensgefährtin des Antragstellers über Einkommen aus einer geringfügigen abhängigen Beschäftigung. Dieses aber reicht aber nicht aus, um auch den Lebensunterhalt des Antragstellers sicher zu stellen.
b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf einen Regelbedarf als Partner nach § 20 Abs. 4 SGB II dem Grunde nach glaubhaft gemacht. Er bildet mit Frau B. eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff. SGB II nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II sind vorliegend nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte gegeben. Der Antragsteller hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Er ist hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Er verfügt nach eigenen Angaben weder über eigenes Einkommen noch Vermögen. Zweifel an diesen Angaben bestehen nicht. Für den Senat ist im Hinblick auf die familiären Verhältnisse nachvollziehbar, dass seine Lebensgefährtin – trotz ihrer angespannten finanziellen Situation – ihn bei der Bestreitung des Lebensunterhalts (substituierend) unterstützt hat. Der Hilfebedarf des Antragstellers in Höhe des Regelbedarfs von 360,00 EUR wird auch nur teilweise durch das Einkommen seiner Lebensgefährtin nach §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 SGB II gedeckt. Das Einkommen seiner Lebensgefährtin ist nach der horizontalen Berechnungsmethode auf den Hilfebedarf von fünf Personen zu verteilen.
Der Antragsteller gilt auch als erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II. Zwar ergeben sich aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung erhebliche Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers wird jedoch nach § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II fingiert. Danach erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger bis zu der Entscheidung über den Widerspruch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II unterstellt das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung eines Anspruches nach dem SGB II (BSG Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 R -; BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – BverfGK 5, 237).
Der Antragsteller hat auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I. Der Antragsteller hält sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, durchgehend in L auf. Bis zu einer Entscheidung der Ausländerbehörde nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU über den Verlust des Rechts zur Einreise und auf Aufenthalt besteht für einen Unionsbürger grundsätzlich ein zukunftsoffener Aufenthalt i.S.v. § 30 SGB I, unabhängig davon, ob ein materielles Aufenthaltsrecht gegeben ist (BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – BSGE 113, 60; vgl. auch LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12, wonach das Nichtabstellen auf die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Ausländers bei der Auslegung des Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, 30 SGB I kongruent mit dem in Art. 11 VO (EG) 987/2009 konkretisierten Begriff des Wohnorts ist). Das FreizügG/EU geht von einer Vermutung der Freizügigkeit aus, die einem Unionsbürger bis zur Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit durch die Ausländerbehörde einen formellen rechtmäßigen Aufenthalt vermittelt (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10 Aufl., § 7 Rn. 10). Ein Unionsbürger ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU erst nach einer Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU ausreisepflichtig. Der Verlust des Rechts des Antragstellers zur Einreise und auf Aufenthalt nach den Bestimmungen des FreizügG/EU wurde von der zuständigen Ausländerbehörde bislang nicht festgestellt.
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II normierten Leistungsvoraussetzungen um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines (materiellen) Aufenthaltsrechts zu erweitern sei (so das LSG Hessen, Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER), folgt der Senat dem nicht. Allein die Tatsache, dass bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Ausländers abgestellt wird (siehe BSG Urteil vom 30.01.2013 a.a.O.), rechtfertigt nicht die Annahme einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Dagegen spricht schon allein die Konzeption der Leistungsausschlüsse in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II sind Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Nach § 1 AsylbLG sind u.a. Ausländer leistungsberechtigt, deren materielles Aufenthaltsrecht noch nicht geklärt ist oder die trotz des Fehlens eines materiellen Aufenthaltsrechts sich in der Bundesrepublik aufhalten. Hierzu zählen u.a. vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), also auch vollziehbar nach § 7 FreizügG/EU ausreisepflichtige Unionsbürger. Die Kodifizierung eines solchen Leistungsausschlusses wäre nicht erforderlich, wenn das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wäre. Auch haben die Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Dano – C-333/13 – vorgetragen, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Unionsbürgers und die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung formal nicht miteinander verknüpft seien (siehe hierzu Schlussantrag des Generalanwalts X in der Rechtssache Dano – C-333/13 Rn. 125).
Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht erfüllt. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer und Ausländerinnen und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen sind, steht einem Anordnungsanspruch nicht entgegen. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II fordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des FreizügG/EU (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ZFSH/SGB 2014, 58 m.w.N.), welches die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach dem AUEV i.V.m. der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 (RL 2004/38/EG) in nationales Recht umsetzt. Es muss positiv festgestellt werden, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik zusteht (BSG Urteil vom 30.01.2013 a.a.O., m.w.N.). Soweit Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. den Vorschriften des AufenthG zu prüfen sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.01.2013, a.a.O.) unerheblich, ob dem Unionsbürger ein Aufenthaltstitel nach dem AufenthG erteilt worden ist, entscheidend ist, ob ihm ein solcher Titel zu erteilen wäre.
Der Antragsteller hat kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II inne. Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche ist in § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 09.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I, 1922 – n.F.) konkretisiert worden. Danach haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist besteht ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche damit nur dann, wenn ein Unionsbürger nachweisen kann, dass er ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei dies objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.2004 – C-138/02 – Collins, vom 20.02.1997 – C-344/95 und vom 26.02.1991 – C-292/89 – Antonissen; OVG Sachsen, Beschluss vom 07.08.2014 – 3 B 507/13 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 – 4 LB 22/13; VGH Bayern, Beschluss vom 11.02.2014 – 10 C 13.2241). Zur Glaubhaftmachung eines solchen Aufenthaltsrechts genügt damit nicht allein, dass ein Unionsbürger erklärt, dass er sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhalte; vielmehr sind ernsthafte Bewerbungsbemühungen über eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger hinausgehend sowie eine begründete Erfolgsaussicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu belegen bzw. zu konkretisieren. Weder aus den Verwaltungsakten noch aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich Anhaltspunkte, dass er konkrete Bewerbungsbemühungen unternimmt. Selbst wenn eine frühere Arbeitsuche unterstellt wird, spricht schon allein die Dauer der fehlgeschlagenen Arbeitsuche gegen eine begründete Erfolgsaussicht.
Der Senat folgt nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verwandte Begriff "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" nicht auf das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche abstellt, sondern dahingehend auszulegen ist, dass der Zweck der Arbeitsuche die einzige Möglichkeit ist, aus der sich ein Aufenthaltsrecht ergeben kann und das Bestehen dieses Aufenthaltsrechts vor Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vermutet wird (LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 (Revision anhängig B 4 AS 24/14 R); LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER; Greiser in jurisPK-SGB XII , Anhang zu § 23 SGB XII Rn 15.5). Danach ist derjenige als arbeitsuchend i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II anzusehen, der einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellt, unabhängig davon, ob er die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung tatsächlich beabsichtigt. Mit der Beantragung der Leistungen nach dem SGB II sei ein Antragsteller gesetzlich verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitzuwirken. Gegen eine solche Auslegung spricht schon, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Indikativ und nicht im Konjunktiv gefasst ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13; siehe auch LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12). Auch handelt es sich bei dem Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU um einen qualifizierten Tatbestand mit objektivierbaren Kriterien (LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12), so dass der Beginn und der Zeitpunkt des Entfallens dieses Aufenthaltsrechts bestimmbar sind.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte spricht vieles dafür, dass es sich beim Antragsteller um einen Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht handelt, der sich aber wegen der fehlenden Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU (formell) rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält (siehe hierzu Dienelt, a.a.O., § 11 Rn. 13, § 7 Rn. 10). Der Antragsteller übt keine (abhängige oder selbständige) Tätigkeit aus (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FreizügG/EU). § 2 Abs. 3 FreizügG/EU greift nicht zu seinen Gunsten ein. Gleichfalls sind die Tatbestände der §§ 4, 4a FreizügG/EU nicht gegeben. Ebenfalls handelt es sich um keinen Familienangehörigen i.S.v. § 3 Abs. 1 bis Abs. 3 FreizügG/EU. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht sorgeberechtigt ist, spricht vieles dafür, dass er auch kein Familienangehöriger i.S.v. § 3 Abs. 4 FreizügG/EU ist (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 16.03.2015 – L 19 AS 275/15 B ER). Offen ist auch, ob dem Antragsteller ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 1FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 AufenthG zusteht. Gemäß § 11 FreizügG/EU findet das AufenthG vorrangig vor dem FreizügG/EU Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 AufenthG kann dem nicht personensorgeberechtigten ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen unter Verzicht auf den Nachweis einer Existenzsicherung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes des Art. 18 AEUV, der jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet und auf das nationale Aufenthaltsrecht Anwendung findet, dürfte § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 AufenthG auf einen minderjährigen Unionsbürger, der sich – wie im vorliegenden Fall – materiell rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, entsprechend anwendbar sein, denn ein minderjähriger Unionsbürger mit rechtmäßigem Aufenthalt kann verlangen, so gestellt zu werden wie ein deutsches Kind (vgl. Dienelt, a.a.O., § 11 FreizügG/EU Rn. 38f; a.A. Kösel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand Dezember 2013, § 11 FreizügG/EU Rn. 107). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 28 Abs. 1 S. 3 AufenthG um eine Ermessenvorschrift handelt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13 (Revision anhängig B 14 AS 33/14 R) und vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 (Revision anhängig B 4 AS 64/13 R); Beschlüsse vom 22.08.2013 – L 19 AS 766/13 B ER – und vom 19.07.2013 – L 19 AS 942/13 B ER) findet der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht vor einer Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs.7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU keine Anwendung. Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Wege teleologischer Auslegung neben Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche auch Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B ER; LSG NRW Beschlüsse vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER, vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER, LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER). Gegen eine erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung spricht schon der Ausnahmecharakter des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (zum Gebot, Ausnahmevorschriften jedenfalls nur in engen Grenzen analog anzuwenden, vgl. BSG Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 32/12 R – SozR 4-3´4200 § 22 Nr. 61) unter besonderer Gewichtung der verfassungsrechtlichen Garantie der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II stellt den leistungsrechtlichen Grundsatz auf, wonach Personen innerhalb der Altersgrenzen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben sowie erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. Dieser Grundsatz entspricht der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 und vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – BVerfGE 132, 134). Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG umfasst bei Ausländern die Sicherstellung des Existenzminimums auch bei kurzer Aufenthaltsdauer oder kurzer Aufenthaltsperspektive in Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit (vgl. hierzu BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 90 f, 120). Dieser Anspruch kann weder aufgrund migrationspolitischer Erwägungen – zur Minimierung von Anreizen sozialleistungsmotivierter Wanderbewegungen – verringert noch pauschal nach Aufenthaltstiteln differenziert werden. Die Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB II sind ausdrücklich als Ausnahmen von diesem Grundsatz konzipiert ("ausgenommen sind."). Ausnahmeregelungen sind insbesondere dann eng auszulegen, wenn sie bestimmte Personengruppen von verfassungsrechtlich geschuldeten Mindeststandards ausschließen (so ausdrücklich BSG Urteil vom 30.01.2013, a.a.O., Rn. 26). Die Voraussetzungen für einen "erst recht"-Schluss" sind nicht erfüllt, da eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage nicht vorliegen. Für die Ergreifung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wegen Nichtbestehens eines materiellen Aufenthaltsrechts ist ausschließlich die Ausländerbehörde zuständig.
Hiergegen wird eingewandt, dass Wortlaut und Aufbau von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II darauf hindeuteten, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift alle Unionsbürger vom Leistungsbezug habe ausschließen wollen, die nicht über zusätzliche Aufenthaltsrechte als die des bis zu dreimonatigen Aufenthaltes oder des Aufenthalts zur Arbeitsuche verfügen und deshalb dieser Leistungsausschluss in allen Fällen gelte, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU festgestellt werden könne. Es erscheine sinnwidrig, wenn Unionsbürger, die kein anderes Aufenthaltsrecht geltend machen könnten, gerade dann Leistungen nach dem SGB II beziehen könnten, wenn sie eine Arbeitsuche nicht einmal beginnen, sie ihre ursprüngliche Absicht, Arbeit zu suchen, aufgeben oder sich ihre Arbeitsuche als gescheitert herausstelle. Die leistungsrechtliche Besserstellung von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht im Vergleich zu arbeitsuchenden Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht verfügten, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Auch gebiete Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II – Verhinderung der unangemessenen Belastung der sozialen Sicherungssysteme -, Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht in den Leistungsausschluss mit einzubeziehen. Die Anwendung des SGB II auf diese Unionsbürger sei vor dem Hintergrund, dass diese Leistung nicht nur zur Unterhaltssicherung, sondern auch zur Integration in den Arbeitsmarkt diene, systemwidrig. Das bis zur Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU bestehende formale Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers könne keine Rechtsposition begründen, die über diejenige eines aufenthaltsberechtigten Unionsbürgers hinausgehe. Allein die Möglichkeit, einer unangemessenen Beanspruchung der Leistungen durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu begegnen, lasse die Erforderlichkeit einer Anwendung des Leistungsausschlusses bis zur tatsächlichen Durchsetzung dieser Maßnahmen nicht zwingend entfallen (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B ER; LSG NRW Beschlüsse vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER, vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER-; LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER; siehe auch Greiser, a.a.O., Rn. 15.1ff).
Diese Ausführungen hält der Senat insoweit für nicht überzeugend, als der Gesetzgeber das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts nicht als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorgesehen hat. Diese Möglichkeit der Anspruchsbegrenzung hat der Gesetzgeber im SGB II nicht wahrgenommen (siehe hierzu Schlussantrag des Generalanwalts X in der Rechtssache Dano C-333/13 Rn 125). Dabei ist auch in die Überlegung mit einzubeziehen, dass der Gesetzgeber im System des SGB XII im Gegensatz zum System des SGB II neben dem Leistungsausschluss bei einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche (§ 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB XII ) auch einen Leistungsausschluss im Fall der Einreise zum Zweck des Bezuges von Sozialhilfe (§ 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB XII ) vorgesehen hat. Von einer unbewussten Regelungslücke auszugehen, hält der Senat insoweit – auch unter Berücksichtigung der neueren Gesetzgebungsentwicklung (vgl. hierzu LSG Hessen Beschluss vom 05.02.2015 – L 6 AS 883/14 B ER) – für nicht gerechtfertigt. Ein Wertungswiderspruch zur Rechtsstellung von Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche kann sich allenfalls ergeben, wenn die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betreffend dieses Personenkreises als europarechtskonform bzw. verfassungsgemäß angesehen wird (bejahend LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 17.02.2015 – L 31 AS 3100/14 B ER und vom 29.01.2015 – L 29 AS 3339/14 B ER; LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER; LSG NRW Beschlüsse vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER, offengelassen LSG NRW Beschluss vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER; siehe auch Greiser, a.a.O., Rn 44ff zur europarechtskonformen einschränkenden Auslegung des inhaltlich identischen Leistungsausschlusses des § 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB XII; Europarechtskonformität verneinend: LSG Hessen Beschluss vom 07.01.2015 – L 6 AS 815/14 B ER – m.w.N.; Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R, Verfahren des EuGH C-67/14 – Alimanovic). Insoweit sieht der Senat durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano – C 333/13 diese Rechtsfrage nicht schon als geklärt an (so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 06.03.2015 – L 28 AS 354/15 B ER). Nach dieser Entscheidung ist es zwar Mitgliedstaaten gestattet, nicht erwerbstätige Unionsbürger, denen im Aufenthaltsmitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) zusteht, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen i.S.v. Art. 24 der RL 2004/38/EG auszuschließen, wenn der Zugang zum nationalen Sozialhilfesystem nicht von der materiellen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts abhängt und die Unionsbürger von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen. Welche Schlussfolgerungen aus diesem Urteil hinsichtlich des Leistungsausschlusses betreffend Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu ziehen sind, ist indes auch nach diesem Urteil ungeklärt und vor dem Hintergrund kaum mehr überschaubarer Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. hierzu Schreiber in info also 2015, S. 3 f. m.w.N.). Insbesondere ist die Frage offen, ob ein Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche als Arbeitnehmer oder nichterwerbstätiger Unionsbürger i.S.der RL 2004/38 EG zu qualifizieren ist. Falls es sich um einen Arbeitnehmer im Sinne der RL 2004/38 EG handelt, sind die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung vom 11.11.2014 – C-333/13 nicht einschlägig. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Unionsbürger, der zwar keine Erwerbstätigkeit ausübt, aber tatsächlich Arbeit sucht, zumindest als Arbeitnehmer i.S.v. Art. 45 AUEV zu qualifizieren (Urteil vom 19.06.2014 – C-507/12 – Saint Prix).
Auch unter der Annahme, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für arbeitsuchende Unionsbürger europarechtskonform ist, ist die Gesamtregelung des § 7 Abs. 1 SGB II in sich stimmig und ohne Regelungslücke. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bezweckt bei materiell-rechtlich legalem Aufenthalt zur Arbeitsuche, der nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig ist, gesetzlich zu begrenzen, und im Fall des Wegfalls der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts die aufenthaltsrechtliche Steuerung durch die Herstellung der Ausreisepflicht zu eröffnen. Bei einer vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 7 FreizügG/EU wird zum einen ggfl. der gewöhnliche Aufenthalt eines Unionsbürgers als Leistungsvoraussetzung beendet (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 11.03.2015 – L 19 AS 141/15 B ER) und zum anderen dieser vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II mit einer entsprechenden Überleitung ins Leistungssystem des AsylbLG (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) erfasst (vgl. hierzu LSG Hessen Beschluss vom 05.02.2015 – L 6 AS 883/14 B ER). Aus welchem Grund Unionsbürger, die sich aufgrund der Freizügigkeitsvermutung im FreizügG/EU formal rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, der Zugang zu einem existenzsichernden System versperrt sein soll, während Unionsbürger, deren Aufenthalt materiell rechtswidrig ist und die ausreisepflichtig sind, ein Zugang zu einem existenzsichernden System – nämlich des AsylbLG – eröffnet sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Zugang zu den Leistungssystemen des SGB II bzw. des SGB XII wird nicht durch die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, sondern durch den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. den tatsächlichen Aufenthalt geregelt. Auch ist die subjektive Verfügbarkeit im Sinne der Arbeitsbereitschaft nicht Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II. Das Fehlen der subjektiven Arbeitsbereitschaft im SGB II wird ausschließlich durch Sanktionen (§ 30 ff SGB II) sanktioniert (LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13 m.w.N.). Das System des SGB II erfasst alle erwerbsfähigen Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Durch das Konzept des "Forderns und Förderns" soll die Integration einer erwerbsfähigen Person in den Arbeitsmarkt gefördert werden, insbesondere sollen subjektive und objektive Vermittlungshemmnisse überwunden werden. Die Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU verbunden mit einer Ausreisepflicht des Unionsbürgers stellt auch ein geeignetes Instrument dar, eine unangemessene Belastung der sozialen Sicherungssysteme zu verhindern. Für diese Feststellung sind ausschließlich die Ausländerbehörden zuständig, wobei es sich nicht um eine gebundene Entscheidung, sondern um eine einzelfallbezogene Ermessenentscheidung handelt (BVerwG Urteil vom 03.08.2004 – 1 C 30/02). Es sind die eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigenden öffentlichen Belange gegen die privaten Belange des Unionsbürgers abzuwägen, wobei das unionsrechtlich begründete Verhältnismäßigkeitsgebot sowie die Abschiebungshindernisse nach §§ 55 ff. AufenthG zu berücksichtigen sind. Es sind u.a. die Dauer des Aufenthalts, das Alter und der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage sowie die soziale und kulturelle Integration in die Abwägung mit einzubeziehen. Damit sieht das FreizügG/EU vor, dass ein Unionsbürger trotz Nichtbestehens eines materiellen Aufenthaltsrechts sich dauerhaft formell rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten kann, also nicht grundsätzlich unterstellt werden kann, dass einem solchen Unionsbürger die Ausreise in seinen Heimatstaat verbunden mit der Inanspruchnahme der existenzsichernden Systeme seines Heimatstaates zumutbar ist. Im Fall des Antragstellers wären entsprechend § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG insbesondere die Folgen seiner Ausweisung für die Familienangehörigen – Kinder – oder seiner Lebenspartnerin, die sich materiell rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben, zu würdigen.
Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano – C-333/13 stützt nicht eine erweiternde Auslegung des Leistungsausschlusses. Hiernach ist es Mitgliedstaaten gestattet, nicht erwerbstätige Unionsbürger, denen im Aufenthaltsmitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen i.S.v. Art. 24 der RL 2004/38/EG auszuschließen, wenn der Zugang zum nationalen Sozialhilfesystem nicht von der materiellen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts abhängt und die Unionsbürger von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen. Aus diesen Ausführungen ist weder zu entnehmen, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nach nationalem Recht einen solchen Ausschluss regelt noch dass bei sämtlichen Unionsbürgern, die sich nur formell rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, eine solche Zielsetzung – wie sie z.B. § 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB XII voraussetzt – unterstellt werden kann (vgl. hierzu auch LSG Bayern Beschluss vom 14.01.2015 – L 11 AS 836/14 B ER).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsgegner seine finanziellen Belange durch die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X beim örtlichen Sozialhilfeträger wahren kann. Denn bei einem Eingreifen des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II kommt ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. § 21 S. 1 SGB XII greift bei Hilfebedürftigen, die von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, nicht ein (Beschlüsse des Senats vom 29.06.2012 – L 19 AS 973/12 B ER m.w.N. und 02.10.2012 – L 19 AS 1393/12 B ER m.w.N.; LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER m.w.N.; LSG Niedersachen-Bremen Beschluss vom 23.05.2014 – L 8 SO 129/14 B ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes in Rechtsprechung und Literatur; so wohl auch BSG Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 24/12 R, siehe auch BSG, Urteil vom 16.05.2011 – B 4 AS 105/11 R; ablehnend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER; kritisch auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.05.2013 – L 9 AS 466/13 B ER). Zwar kann § 23 SGB XII einen Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausschließen, jedoch besteht auch bei Eingreifen des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 SGB XII ein Anspruch auf Sozialhilfe im Ermessenswege, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (Coseriu in juris LPK-SGB XII, § 23 Rn. 75 ff; Greiser in juris LPK-SGB XII Anhang zu § 23 Rn. 119 ff; Armborst in LPK-SGB II, 5 Aufl., § 8 Rn. 30; Birk in LPK-SGB XII, 9. Aufl., § 23 Rn. 21; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand VII/12, § 23 Rn 50; vgl. auch OVG Berlin Beschluss von 22.04.2003 – 6 S 9.03; BVerwG Urteil vom 10.12.1987 – 5 C 32/85 zur Vorgängervorschrift des § 120 BSHG; vgl. auch LSG NRW Beschlüsse vom 18.11.2011 – L 7 AS 614/11 B ER und vom 28.11.2012 – L 7 AS 2109/11 B ER). Bei Ermessensleistungen sind bei Art und Umfang der Leistungen Einschnitte möglich, die ihre Grenze bei dem zum Lebensunterhalt Unerlässlichen haben dürften (Coseriu, a.a.O., § 23 Rn. 76). Insoweit ist auch der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in die Erwägungen einzubeziehen, wonach das Existenzminimum eines Ausländers auch bei kurzer Aufenthaltsdauer oder kurzer Aufenthaltsperspektive in Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss (BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – BVerfGE 132, 134; siehe auch Kirchhoff, Die Entwicklung des Sozialverfassungsrechts, NZS 2015, 1, 4).
Des Weiteren sieht der Senat sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner – wenn er sich nicht für die Leistungserbringung zuständig hält – gehalten ist, entsprechende Anträge nach § 16 Abs. 2 SGB I unverzüglich an den örtlichen Sozialhilfeträger weiterzuleiten. Denn mit einem Antrag nach dem SGB II erklärt der Antragsteller, dass Hilfebedürftigkeit besteht und es kommt ein Anspruch nach dem SGB XII in Betracht (s.o.). Dies hat der Antragsgegner nach bisherigem Kenntnisstand unterlassen (siehe zur Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers durch die Antragstellung beim Grundsicherungsträger auch BSG Beschluss vom 13.02.2014 – B 8 SO 58/13 B)
c) Der Senat hat abweichend von § 41 Abs. 1 S. 3 SGB II den Leistungszeitraum auf die Dauer von längstens 12 Monaten festgelegt. Dabei hat er sich davon leiten lassen, dass Regelungsgegenstand des im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheides – der Bescheid vom 11.12.2014 – der Zeitraum vom 01.12.2014 bis zum 30.11.2015 ist. Die Höhe des Regelbedarfs des Antragstellers nach § 20 Abs. 4 SGB II wird der Antragsgegner bei Ausführung des Beschlusses durch die Verteilung des Einkommens seiner Lebensgefährtin entsprechend der horizontalen Berechnungsmethode nach § 9 Abs. 2 SGB II zu ermitteln haben. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass wenn der Antragsgegner seinen Rechtsstandpunkt aufrechterhält, wonach der Antragsteller vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist, Bedenken gegen die Anwendung des Kopfteilprinzips bei der Ermittlung der übernahmefähigen Kosten für Unterkunft und Heizung bei Frau B. und ihren drei Kindern besteht. Durch die Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen besteht eine ständige Bedarfsunterdeckung, die ein Abweichen vom Kopfteilprinzip rechtfertigen kann (vgl. zu dieser Problematik: BSG Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 67/12 R -; zur Nichtanwendbarkeit des Kopfteilprinzips bei Vorliegen der Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 4 und Abs. 4a SGB II: BSG Urteile vom 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R – und 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R).
2) Einen Anordnungsanspruch für die Zeit vom 27.11.2014, dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht, bis zum 30.11.2014 hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Mit Bescheid vom 13.06.2014 hat der Antragsgegner konkludent einen Leistungsanspruch des Antragsstellers für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 30.11.2014 abgelehnt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig und damit für die Beteiligten nach § 77 SGG bindend geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist begründet. Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen ist.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 16.04.2015
Zuletzt verändert am: 16.04.2015