Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.01.2015 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig ab dem 04.12.2014 bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 14.11.2014, längstens bis 03.06.2015 Regelleistungen für die Zeit vom 04.12.2014 bis zum 30.12.2014 in Höhe von insgesamt 613,02 EUR, für Januar 2015 von insgesamt 670,80 EUR und für die Zeit ab dem 01.02.2015 in Höhe von 370,80 EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren und die Hälfte der Kosten im Beschwerdeverfahren. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M, F, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen seine einstweilige Verpflichtung zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Der am 00.00.1960 geborene Antragsteller zu 1) und die mit ihm verheiratete, am 00.00.1971 geborene Antragstellerin zu 2) sind griechische Staatsbürger. Sie halten sich seit September 2012 (Antragsteller zu 1)) bzw. seit August 2013 (Antragstellerin zu 2)) wieder in der Bundesrepublik auf.
Am 19.08.2014 beantragten sie die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie gaben an, dass der Antragsteller zu 1), gelernter Konditor, im September 2012 ein Gewerbe angemeldet und, ohne dies ausgeübt zu haben, im Februar 2014 wieder abgemeldet habe. Die Antragstellerin zu 2) übe ab dem 06.06.2014 eine Beschäftigung im Umfang von 4,75 Stunden wöchentlich bei einem monatlichen Entgelt von 161,50 EUR aus. Bis Dezember 2013 seien ihnen keine Mietaufwendungen entstanden, da sie bei einem Bruder der Antragstellerin zu 2) gewohnt hätten. Ihren Lebensunterhalt hätten sie aus ihren Ersparnissen finanziert. Diese Ersparnisse seien nunmehr verbraucht. Die Antragsteller legten einen Mietvertrag über die Anmietung einer 35 qm großen Wohnung mit einer Kaltmiete von 350,00 EUR, einem Nebenkostenabschlag von 50,00 EUR und einer Heizkostenvorauszahlung von 15,00 EUR für die Zeit ab dem 01.01.2014 vor. Mit Bescheid vom 14.11.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein.
Am 04.12.2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen i.H.v. 656,80 EUR monatlich ab Stellung des Antrags begehrt. Sie seien bedürftig. Im Hinblick auf die abhängige Tätigkeit der Antragstellerin zu 2) bestehe eine mehr als geringfügige Verbindung zum Arbeitsmarkt und daher ein Aufenthaltsgrund, der über den alleinigen Zweck der Arbeitsuche hinausgehe.
Der Antragsgegner ist der Auffassung gewesen, die Tätigkeit der Antragstellerin zu 2) sei weder ihrem Umfang noch dem Ertrag nach geeignet, eine Arbeitnehmereigenschaft zu begründen.
Mit Beschluss vom 13.01.2015 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kosten der Unterkunft ab dem 04.12.2014 zu gewähren. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 15.01.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 28.01.2015. Er sieht die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller nach dem Inhalt der vorgelegten Kontoauszüge als nicht belegt an. Deshalb sowie im Hinblick auf die klärende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Leistungsausschluss bei Aufenthalt alleine zur Arbeitsuche in der Rechtssache Dano – C-333/13 könne im einstweiligen Rechtsschutz nicht im Wege der Folgenabwägung entschieden werden, anderenfalls werde der Wille des Gesetzgebers, im Ergebnis daher der Grundsatz der Gewaltenteilung, missachtet.
Auf Aufforderung des Senats haben die Antragsteller weitere Kontoauszüge, eidesstattliche Versicherungen betreffend ihrer Mittellosigkeit, einen ab dem 01.02.2015 laufenden Arbeitsvertrag über die Einstellung des Antragstellers zu 1) als Konditor/Betriebsleiter in der Konditorei seiner Söhne zu 600,00 EUR brutto monatlich bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von rund 15 Stunden wöchentlich, sowie eine Quittung über die Auszahlung eines Nettolohnes von 600,00 EUR am 28.02.015 vorgelegt.
Der Antragsgegner sieht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller im Zeitraum vor Antragstellung beim Sozialgericht als weiterhin unaufgeklärt und aufklärungsbedürftig an. Die Entlohnung des Antragstellers zu 1) entspreche nicht den tariflichen Bestimmungen des Konditorenhandwerks.
Mit Beschluss vom 20.02.2015 hat die Vorsitzende des Senats den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts betreffend den Zeitraum ab dem 01.04.2015 ausgesetzt. Der Antragsgegner zahlte daraufhin den Antragstellern eine Regelleistung für die Zeit vom 04.12.2014 bis zum 30.12.2014 in Höhe von insgesamt 613,02 EUR, für Januar 2015 von insgesamt 670,80 EUR und für die Zeit ab dem 01.02.2015 bis zum 31.03.2015 in Höhe von 392,40 EUR monatlich aus.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung glaubhaft gemacht (A). Die Regelungsanordnung ist auf die Dauer von sechs Monaten zu begrenzen (B). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung ist hinsichtlich der Leistungshöhe zu konkretisieren (C).
A.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
1. Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie verfügen nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung ihrer Existenz. Ihr Erwerbseinkommen deckt nur teilweise ihren nach § 20 Abs. 4 SGB II maßgeblichen Regelbedarf. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens ist ihnen nicht zumutbar.
2. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auf Bewilligung der Regelleistung nach §§ 19, 20 SGB II bejaht.
Anders als im Hauptsacheverfahren, auf dessen Beweismaßstab – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung abhebt, gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der (reduzierte) Beweismaßstab der Glaubhaftmachung. Glaubhaftmachung erfordert die Darlegung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II vorliegen und kein Leistungsausschluss eingreift, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Beschlüsse vom 07.04.2011 – B 9 VG 15/10 B und vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ein Anordnungsanspruch ist damit gegeben, wenn den Antragstellern der zu sichernde Hauptsacheanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung des Widerspruchs in der Hauptsache nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen der Antragsteller überwiegend wahrscheinlich ist.
Vorliegend haben die Antragsteller für die Zeit ab dem 01.02.2015 einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (a). Betreffend den Zeitraum vom 04.12.2014 bis zum 31.01.2015 entscheidet der Senat im Wege der Folgenabwägung (b).
a. Die Antragsteller haben das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II im streitbefangenen Zeitraum, d. h. ab dem 04.12.2014 glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und sind erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit liegen nicht vor. Als Unionsbürger haben die Antragsteller einen genehmigungsfreien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist auch die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II glaubhaft gemacht. Nach der Gesamtwürdigung aller Umstände ist am wahrscheinlichsten, dass die Antragsteller in dem Zeitraum ab dem 04.12.2015 nicht über Einkommen oder Vermögen verfügt haben, um ihren Lebensunterhalt vollständig zu sichern. Das von der Antragstellerin zu 2) erzielte monatliche Erwerbseinkommen von 161,50 EUR netto sowie das monatliche Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1) von 500,00 EUR netto decken nur teilweise den Hilfebedarf ab. Allein die Tatsache, dass auch ohne Leistungen durch den Träger der Grundsicherung jedenfalls das Lebensnotwendige offenbar gesichert war, lässt eine Hilfebedürftigkeit nicht entfallen. Entscheidend ist, ob Einkommen in Geld oder Geldeswert im jeweils zu beurteilenden Zeitraum in einer Höhe konkret zur Verfügung steht, das den Gesamtbedarf (vorliegend zumindest der Regelbedarf für Partner von jeweils 353,00 EUR bzw. ab dem 01.01.2015 von 360,00 EUR) vollständig deckt (vgl. BSG Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 32/08 R – SozR 4-4200 § 9 Nr. 9). Leistungsträger dürfen existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen. Die schlichte Behauptung, es müssten weitere finanzielle Mittel vorhanden sein, ist für eine Leistungsverweigerung nicht ausreichend (LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 01.04.2014 – L 19 AS 345 /14 B ER und 20.01.2010 – L 12 B 97/09 AS ER).
Für den Senat ist nachvollziehbar, dass das Lebensnotwendigste ab Antragstellung bei Gericht am 04.12.2014 durch das Erwerbseinkommen der Antragsteller und Darlehen eines Bekannten gedeckt worden ist. Es ergeben sich nach Auffassung des Senats keine gravierenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller ab Antragstellung bei Gericht über unbekanntes Einkommen/Vermögen verfügt haben. Insoweit stützt sich der Senat auf die Angaben der Antragsteller in der – strafbewehrten, vgl. § 156 StGB – eidesstattlichen Versicherung beider Antragsteller, wonach sie bis auf das Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2) ab Antragstellung bei Gericht über kein weiteres Einkommen oder Vermögen verfügten und ihnen ein Bekannter im November 2014, Dezember 2014 und Januar 2015 darlehensweise Geldbeträge (1.000,00 EUR bzw. 700,00 EUR) zur Verfügung gestellt hat. Eine eidesstattliche Versicherung stellt ein geeignetes Beweismittel in Verfahren nach § 86b SGG dar. Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch aus den vorgelegten Kontoauszügen ergeben sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine solche gravierenden Zweifel. Soweit der Antragsgegner moniert, dass auf Kontoauszügen weder Barabhebungen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlich seien, dokumentiert seien noch die Herkunft der aus den Kontoauszügen ergebenden Bareinzahlungen geklärt sei, haben den Antragstellern ab November 2014 zur Bestreitung des Lebensunterhalts neben den Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2), das nicht auf das Konto überwiesen wurde, darlehensweise gewährte Geldbeträge (700,00 EUR bis 1.000,00 EUR) als Barmittel zur Verfügung gestanden. Insoweit sind dem Senat die Kontobewegungen ab November 2014 nachvollziehbar. Auch aus den Lebensumständen der Antragsteller vor November 2014 ergeben sich keine gravierenden Zweifel. Bis zur Antragstellung beim Antragsgegner haben die Antragsteller nach ihren eigenen Angaben ihren Lebensunterhalt aus ihren Ersparnissen bestritten. Des Weiteren hat die Mutter der Antragstellerin zu 2) unter Zugrundelegung der Angaben der Antragsteller in der eidesstattlichen Versicherung zunächst substituierend Barmittel zur Verfügung gestellt. Soweit der Antragsgegner seine Zweifel auf die Abbuchung am 10.10.2014 " Abweisung zu Gunsten meines Kreditkartenkontos … Lymperakaki, Evangelina" stützt, und u.a. einen substantiierten Vortrag seitens der Antragsteller fordert, wer Frau Evangelina Lymperakaki sei und in welcher Beziehung die Antragsteller zu Frau Evangelina Lymperakaki ständen, ist anzumerken, dass es sich bei Frau Evangelina Lymperakaki um die Antragstellerin zu 2) handelt, die anscheinend zeitweise eine Kreditkarte benutzt hat.
Dem Antragsgegner steht es frei, seinen insbesondere die Zeit vor Antragstellung beim Sozialgericht betreffenden Zweifeln im Hauptsacheverfahren nachgehen. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens und den existenzsichernden Charakter der begehrten Leistungen nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt (vgl. zur Abgrenzung des Umfangs der Ermittlungspflichten im Verfahren nach § 86b SGG und einem Hauptsachverfahren LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 01.04.2014 – L 19 AS 345 /14 B ER, vom 06.06.2013 – L 6 AS 170/13 B ER/L 6 AS 171/13 B und 16.05.2013 – L 6 AS 531713 B ER; vgl. auch zu Prüfungsdichte von tatsächlichen Fragen in Verfahren nach § 86b SGG: BVerfG, Beschlüsse vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, SGb 2015, 175 m.w.N. und vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12 – BVerfGK 20, 196).
Die Antragsteller haben auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I). Sie halten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, durchgehend in Düsseldorf auf. Bis zu einer Entscheidung der Ausländerbehörde nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU über den Verlust des Rechts zur Einreise und auf Aufenthalt besteht für einen Unionsbürger grundsätzlich ein zukunftsoffener Aufenthalt i.S.v. § 30 SGB I unabhängig davon, ob ein materielles Aufenthaltsrecht gegeben ist (BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – BSGE 113, 60; vgl. auch LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12, wonach das Nichtabstellen auf die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Ausländers bei der Auslegung des Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, 30 SGB I kongruent mit dem in Art. 11 VO (EG) 987/2009 konkretisierten Begriff des Wohnorts ist). Das FreizügG/EU geht von einer Vermutung der Freizügigkeit aus, die einem Unionsbürger bis zur Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit durch die Ausländerbehörde einen formell rechtmäßigen Aufenthalt vermittelt (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10 Aufl., § 7 Rn. 10). Erst nach einer Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU ist ein Unionsbürger nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU ausreisepflichtig. Der Verlust des Rechts der Antragsteller zur Einreise und auf Aufenthalt nach den Bestimmungen des FreizügG/EU wurde von der zuständigen Ausländerbehörde bislang nicht festgestellt. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II normierten Leistungsvoraussetzungen um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines (materiellen) Aufenthaltsrechts zu erweitern sei (so das LSG Hessen, Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER), folgt der Senat dem nicht. Allein die Tatsache, dass bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Ausländers abgestellt wird (siehe BSG Urteil vom 30.01.2013 a.a.O.), rechtfertigt nicht die Annahme einer unbeabsichtigten Regelungslücke (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20.03.2015 – L 19 AS 116/15 B ER).
Jedenfalls für die Zeit ab dem 01.02.2015 haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht eingreift. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer und Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II fordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG; vgl. BSG, Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R m.w.N). Es muss positiv festgestellt werden, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik zusteht (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – BSGE 113, 60, m.w.N.).
Mit der Aufnahme der Beschäftigung zum 01.02.2015 im Betrieb seiner Söhne sieht der Senat es als glaubhaft gemacht an, dass der Antragsteller zu 1) Arbeitnehmer ist und damit nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Abzustellen ist dabei auf den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 45 AEUV. Dieser darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche, anhand objektiver Kriterien zu bestimmende Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei bleiben (nur) Tätigkeiten außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Ob der Betreffende Arbeitnehmer ist, bedarf einer Gesamtbeurteilung, die anhand aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist (vgl. zum gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66; BVerwG, Urteil vom 19.04.2012 – 1 C 10/11 – BVerwGE 143, 38; EuGH, Urteil vom 04.02.2010 Genc C-14/09). Vorliegend ist unter Würdigung der Ausgestaltung des schriftlichen Arbeitsvertrages, der wöchentlichen Arbeitszeit – 15 Stunden -, der Höhe des Entgelts – 600,00 EUR brutto – und der Anmeldung des Antragsstellers zu 1) zur Sozialversicherung überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller zu 1) Arbeitnehmer ist. Zwar entspricht das vereinbarte Entgelt – wie der Antragsgegner zutreffend ausgeführt hat – nicht den tariflichen Vorgaben im Konditorenhandwerk für die Entlohnung eines Betriebsleiters. Dieser Tarifvertrag ist jedoch nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden (vgl. hierzu aktuelles Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, Stand 01.01.2015, zugänglich unter www.bmas.de. Allein die Unterschreitung eines tariflichen Arbeitsentgelts bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen lässt aber dessen Arbeitnehmereigenschaft nicht entfallen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.12.2002 – B 7 AL 34/02 R). Die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und (nicht versicherungspflichtigen) familienhafter Mithilfe hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab, wobei die Höhe eines Entgelts lediglich eine Indizwirkung hat (vgl. zu den Kriterien der Abgrenzung: BSG Urteile vom 17.12.2002, a.a.O. und vom 27.06.2000 – B 2 U 21/99 R – SozR 3-2200 § 548 Nr. 7; LSG Berlin Urteil vom 31.03.2004 – L 9 KR 82/02). Die Antragstellerin zu 2) hat als Familienangehörige eines Arbeitnehmers ein Aufenthaltsrecht nach § 3 FreizügG/EU.
Damit ist ein Anordnungsanspruch der beiden Antragsteller für die Zeit ab dem 01.02.2015 glaubhaft gemacht.
b. Betreffend den Zeitraum vom 04.12.2014 bis zum 31.01.2015 entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sachstand ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache offen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.08.2014 a.a.O. und vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12 – BVerfGK 20, 196) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 – 1 BvR 216/07 – BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte von rechtlichen Fragen: BVerfG, Beschluss vom 27.05.1998 – 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn den Antragstellern eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in ihren Grundrechten droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen.
Ob die Antragsteller für die Zeit vor dem 01.02.2015 vom Leistungsbezug nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sind, kann der Senat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilen.
Offen ist, ob für die Zeit vor dem 01.02.2015 die von der Antragstellerin zu 2) ausgeübte geringfügige Beschäftigung einen Arbeitnehmerstatus begründet. Insoweit bestehen im Hinblick auf die Höhe des monatlichen Entgelts – 161,50 EUR – und der geringen wöchentlichen Arbeitszeit – 4,75 Stunden – Bedenken. Auch bei "geringfügig Beschäftigten" ist zu prüfen, ob die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung – trotz der geringen Arbeitszeiten bzw. des geringen Entgelts – als "tatsächlich und echt" angesehen werden kann (Arbeitnehmereigenschaft bejahend bei einer Arbeitsleistung von 5,5 Stunden wöchentlich und einem Verdienst von 175,00 EUR monatlich EuGH, Urteil vom 04.02.2010 Genc C-14/09; zu einem Fall ohne vertragliche Mindestarbeitsleistung EuGH Urteil vom 26.02.1992, Raulin C 357/89; siehe auch BSG, Urteil vom 19.10.2010, a.a.O., wonach bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und monatlichen Entgelt von 100,00 EUR ohne nähere Begründung die Arbeitnehmereigenschaft bejaht wurde). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (Zusammenfassung der Rechtsprechung bei VGH Baden-Württemberg Urteil vom 29.10.2012 – 11 S 24/12 – DVBl 2013, 187). Insoweit wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob im Hinblick auf die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit der Antragstellerin zu 2) als tatsächliche und echte Arbeitnehmertätigkeit zu beurteilen ist.
Zweifelhaft ist auch, ob die Antragsteller in der Zeit vor dem 01.02.2015 noch ein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche innegehabt haben. Der Senat folgt insoweit nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verwandte Begriff "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" nicht auf das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche abstellt, sondern dahingehend auszulegen ist, dass der Zweck der Arbeitsuche die einzige Möglichkeit ist, aus der sich ein Aufenthaltsrecht ergeben kann und das Bestehen dieses Aufenthaltsrechts vor Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vermutet wird (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20.03.2015 – L 19 AS 116/15 B ER mit der Zusammenfassung der Rechtsprechung).
Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche ist in § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 09.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I 1922 – n.F.) konkretisiert worden. Danach haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, bis zu sechs Monaten und darüber hinaus solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, ein Aufenthaltsrecht. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist besteht ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche damit nur dann, wenn ein Unionsbürger nachweisen kann, dass er ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei dies objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.2004 – C-138/02 – Collins, vom 20.02.1997 – C-344/95; und vom 26.02.1991 – C-292/89 – Antonissen; OVG Sachsen, Beschluss vom 07.08.2014 – 3 B 507/13 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 – 4 LB 22/13; VGH Bayern, Beschluss vom 11.02.2014 – 10 C 13.2241). Vorliegend ist ein Vortrag der Antragsteller hinsichtlich der Art und Weise ihrer Arbeitsuche im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht erfolgt. Eine ernsthafte Arbeitsuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg kann aber nicht unterstellt werden.
Auch wenn den Antragstellern kein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zusteht und Aufenthaltsrechte aus anderen Gründen nicht in Betracht kommen (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2013, a.a.O. – B 4 AS 37/12 R zu einem solchen Fall), ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano – C 333/13 höchstrichterlich keineswegs geklärt, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in einem solchen Fall eingreift. Zwar ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Fall von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht nicht gegen unionsrechtrechtliche Vorschriften verstößt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss des Senats vom 20.03.2015 – L 19 AS 116/15 B ER; Urteile vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13 (Revision anhängig B 14 AS 33/14 R) und vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 (Revision anhängig B 4 AS 64/13 R); Beschlüsse vom 22.08.2013 – L 19 AS 766/13 B ER – und vom 19.07.2013 – L 19 AS 942/13 B ER) ist aber auf diesen Personenkreis der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht anwendbar. Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass diese Vorschrift im Wege teleologischer Auslegung neben Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche auch Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst (so aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B ER; LSG NRW, Beschlüsse vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER, vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER). Der Wortlaut der Vorschrift stellt nur auf das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ab und ist wegen des Ausnahmecharakters des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einer erweiternden Auslegung im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zugängig (so auch LSG Hessen, Beschluss vom 05.02.2015 – L 6 AS 883/14 B ER; LSG NRW, Beschluss vom.03.2015 – L 7 AS 2376/14 B ER; LSG Thüringen, Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13; LSG Hessen, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12 (Revision anhängig B 14 AS 15/14 R)).
Selbst wenn den Antragstellern allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hätten und damit dem Wortlaut nach der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gegeben wäre, läge Klärungsbedürfnis vor. Eine Entscheidung betreffend die Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für Unionsbürger mit materiellem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hat der Europäische Gerichtshof bislang nicht getroffen. Vielmehr ist zu dieser Frage noch eine Vorlageverfahren (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R) anhängig. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs- namentlich im Urteil vom 11.11.2014 Dano – C-333/13 nicht geklärt in dem Sinne, dass er nicht zu beanstanden sei. Nach dieser Entscheidung ist es zwar Mitgliedstaaten gestattet, nicht erwerbstätige Unionsbürger, denen im Aufenthaltsmitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen i.S.v. Art. 24 der RL 2004/38/EG auszuschließen, wenn der Zugang zum nationalen Sozialhilfesystem nicht von der materiellen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts abhängt und die Unionsbürger von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen. Welche Schlussfolgerungen aus diesem Urteil hinsichtlich des Leistungsausschlusses betreffend Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu ziehen sind, ist umstritten (vgl. hierzu Schreiber in info also 2015, S. 3 f. m.w.N.). Insbesondere ist noch nicht geklärt, ob Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche als Arbeitnehmer oder nichterwerbstätige Unionsbürger i.S.der RL 2004/38 EG zu qualifizieren sind. Falls es sich um Arbeitnehmer i.S. der RL 2004/38 EG handelt, sind die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung vom 11.11.2014 Dano – C-333/13 nicht einschlägig. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist auch derjenige Unionsbürger zumindest als Arbeitnehmer i.S.v. Art. 45 AUEV zu qualifizieren, der zwar keine Erwerbstätigkeit ausübt, aber tatsächlich Arbeit sucht (Urteil vom 19.06.2014 – C-507/12). Auch die Stellungnahme des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Alimanovic – C-67/14 bringt insoweit keine Klärung. Zum einen hat diese keine präjudizielle Wirkung. Zum anderen ist auch nach Auffassung des Generalanwalts der Leistungsausschluss nicht europarechtskonform, wenn eine tatsächliche Verbindung des Unionsbürgers mit dem Aufnahmemitgliedstaat, die sich auch aus familiärem Kontext ergeben kann, besteht. Insoweit sprechen Indizien – Geburt der Antragstellerin zu 2) in der Bundesrepublik, Heirat der Antragsteller 1990 in der Bundesrepublik, Aufenthalt der erwachsenen Kinder in der Bundesrepublik, Zuteilung einer Versicherungsnummer an den Antragssteller zu 1) vom deutschen Rentenversicherungsträger 1992 – für eine tatsächliche Verbindung der Antragsteller mit der Bundesrepublik.
Darüber hinaus ist umstritten, ob das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Fall der Antragsteller ausschließt. Die Antragsteller unterfallen als griechische Staatsangehörige dem Europäischen Fürsorgeabkommen, da Griechenland dieses Abkommen ratifiziert hat (vgl. zum Ratifizierungstand:http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=014&CM=8&DF=9/17/2006&CL=GER). Bei dem SGB II handelt es sich auch um ein Fürsorgegesetz i.S.d. EFA, so dass aufgrund der in diesem Abkommen angeordneten Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten mit Inländern die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf Staatsangehörige der Vertragsstaaten keine Anwendung findet, solange seitens der Bundesrepublik kein wirksamer Vorbehalt nach Art. 16 lit. b) EFA erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66). Die Bundesrepublik Deutschland hat zwar am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA notifiziert, wonach die Bundesrepublik keine Verpflichtung übernimmt, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden (Übersetzung des im Original englischsprachigen Vorbehalts in der Geschäftsanweisung SGB II Nr. 8 der Bundesagentur für Arbeit vom 23.03.2012). Die Wirksamkeit dieser Vorbehaltserklärung ist aber umstritten (verneinend: LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 24.11.2014 – L 20 AS 2761/14 B ER und vom 09.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013 – L 2 AS 903/12 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.08.2012 – L 3 AS 250/12 B ER -; bejahend LSG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.03.2013 – L 31 AS 318/13 B ER -, vom 09.11.2012 – 29 AS 1782/12 B ER – und vom 05.08.2012 – L 5 AS 1749/12 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2012 – L 9 AS 563/12 B ER; BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R (allerdings ohne nähere Begründung); vgl. auch Stellungnahme des Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Ausschussdrucksache 17(11) 881 und Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins aus Juni 2012 zum Vorbehalt der Bundesregierung gegen die Anwendung des Europäischen Fürsorgeabkommens auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende; vgl. zum Streitstand Matthias Reuß, Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Sachstand: Zur Zulässigkeit von Vorbehalten zum Europäischen Fürsorgeabkommen – WD2 – 3000 – 035/12).
Im Hinblick auf die vorstehend skizzierten, in der Rechtsprechung vielfältig vertretenen und kontrovers diskutierten Auffassungen über die Anwendung und Auslegung des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sowie dessen Vereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorschriften und der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – BVerfGE 125, 175 und vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – BVerfGE 132, 134; siehe auch Kirchhof, Die Entwicklung des Sozialverfassungsrechts, NZS 2015, 1, 4) sieht der Senat den Ausgang des Hauptsacheverfahrens für die Zeit vor Aufnahme der Beschäftigung des Antragstellers zu 1) als offen an. Es besteht die gute Möglichkeit, dass die Antragsteller im Hauptsachverfahren obsiegen werden. Im Hinblick auf die Bedeutung der durch den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betroffenen grundrechtlichen Belange – Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums – hält der Senat es deshalb für gerechtfertigt, im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Bei dieser Abwägung tritt das Interesse des Antragsgegners, bei ungeklärter Rechtslage keine finanziellen Aufwendungen zu erbringen, hinter dem Interesse der Antragssteller an der Sicherung ihrer Existenzgrundlage zurück. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass es sich um eine faktische Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Jedoch dienen existenzsichernde Leistungen – wie die des SGB II – nach ihrer Konzeption dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen. Die nachträgliche Erbringung von existenzsichernden Leistungen verfehlt insoweit deren Zweck. In die Abwägung hat der Senat auch die Überlegung mit eingestellt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im nationalen einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen ist, dass bis zur Klärung einer europarechtlichen Frage im Vorabentscheidungsverfahren die betroffenen europarechtlichen Normen vorrangig gelten, wenn "unter Umständen" innerstaatliche Vorschriften entgegenstehen (EuGH, Urteil vom 19.06.1990 – C-213/89), also der Vollzug eines nationalen Gesetzes ausgesetzt wird (vgl. zu den Anforderungen an eine Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend die Nichtanwendung eines Gesetzes: BVerfG Beschluss vom 17.02.2009 – 1 BvR 2492/08 – BVerfGE 122, 342). Das BSG hat als letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV den EuGH um eine Vorabentscheidung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ersucht (Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R, Verfahren des EuGH C-67/14 – Alimanovic). Dies ist bei der Folgenabwägung mit zu berücksichtigen. Dem Schlussantrag des Generalanwalts in der Rechtssache C-67/14 kommt insoweit keine präjudizielle Wirkung zu.
Zudem hat der Senat bei der Abwägung auch berücksichtigt, dass der Antragsgegner seine finanziellen Belange durch die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X beim örtlichen Sozialhilfeträger wahren kann. Denn bei einem Eingreifen des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II kommen Ansprüche der Antragsteller auf Leistungen nach dem dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. § 21 S. 1 SGB XII greift bei Hilfebedürftigen, die von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, nicht ein (Beschlüsse des Senats vom 29.06.2012 – L 19 AS 973/12 B ER m.w.N. und vom 02.10.2012 – L 19 AS 1393/12 B ER m.w.N.; LSG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER m.w.N.; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 – L 8 SO 129/14 B ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes in Rechtsprechung und Literatur; so wohl auch BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 24/12 R – SozR 4-3500 § 67 Nr. 1; siehe ferner BSG, Urteil vom 16.05.2011 – B 4 AS 105/11 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 30; ablehnend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER; kritisch auch LSG NRW, Beschluss vom 15.05.2013 – L 9 AS 466/13 B ER). § 23 SGB XII greift zu Ungunsten der Antragsteller nicht ein, da sie sich als Staatsangehörige eines Staates, der das Europäische Fürsorgeabkommen ratifiziert hat, bei Leistungen nach dem SGB XII auf den Inländergleichbehandlungsgrundsatz berufen können (vgl. zu Ansprüchen von erwerbsfähigen, vom SGB II ausgeschlossenen Staatsangehörigen der sog. EFA-Staaten nach dem Dritten Kapitel des SGB XII: Beschluss des Senats vom 29.06.2012 – L 19 AS 973/12 B ER; siehe auch LSG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER und LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 – L 8 SO 129/14 B ER).
Des Weiteren sieht der Senat sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner – wenn er sich nicht für die Leistungserbringung zuständig hält – gehalten ist, entsprechende Anträge nach § 16 Abs. 2 SGB I unverzüglich an den örtlichen Sozialhilfeträger weiterzuleiten. Denn mit einem Antrag nach SGB II erklären die Antragsteller, dass Hilfebedürftigkeit besteht und ein Anspruch nach dem SGB XII kommt in Betracht (s.o.). Dies hat der Antragsgegner bisher unterlassen (siehe zur Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers durch die Antragstellung beim Grundsicherungsträger auch BSG Beschluss vom 13.02.2014 – B 8 SO 58/13 B)
B.
Der Senat hat die Regelungsanordnung auf den Zeitraum vom 04.12.2014 bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 14.11.2014 längstens bis 03.06.2015, begrenzt. Bei der Begrenzung der Leistungsverpflichtung auf sechs Monate hat der Senat sich an § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II orientiert (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 35b m.w.N.). Danach sollen Leistungen für jeweils sechs Monate im Voraus erbracht werden. Da der Antragsgegner die Leistungen ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat, ist über den Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einem evtl. Hauptsacheverfahren für die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit zu befinden.
C.
Die im Tenor des angefochtenen Beschlusses ausgeworfenen Regeleistungen sind hinsichtlich der Höhe zu konkretisieren. Unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs für einen Partner nach § 20 Abs. 4 SGB II von 353,00 EUR bzw. ab dem 01.01.2015 von 360,00 EUR monatlich sind im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens das den Antragstellern zufließende Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2) sowie ab dem 01.02.2015 zusätzlich das Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 2) nach Abzug eines Abzugsbetrages von jeweils 100,00 EUR nach §§ 11b Abs. 2 S. 1 SGB II sowie eines Erwerbstätigenfrei-betrages nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II von 12,30 EUR bzw. von 100,00 EUR auf die Regelbedarfe anzurechnen. Insoweit ist von den Regelbedarfen der Antragsteller von insgesamt 706,00 EUR bzw. ab dem 01.01.2015 von insgesamt 720,00 EUR ein Betrag von 49,20 EUR (161,50 EUR – 112,30 EUR) bzw. ab dem 01.02.2015 von 349,20 EUR (49,20 EUR + 300,00 EUR (500,00 EUR – 200,00 EUR) abzuziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
Nach Vorstehendem lagen auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 73 Abs. 1 S. 1 SGG, 114 f. ZPO vor.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, (§ 177 SGG).
Erstellt am: 22.04.2015
Zuletzt verändert am: 22.04.2015