Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 17.12.2014 geändert. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwältin S, N, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger betreibt seit dem 01.06.2011 einen Online-Handel. Er ist privat kranken- und pflegeversichert. Zum 01.11.2011 zog der Kläger um. Die Miete beläuft sich auf insgesamt 490,00 EUR. Laut Mietvertrag sind Heizkosten nicht in der Miete enthalten.
Der Kläger bezieht vom Beklagten aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bis zum 30.04.2012 zahlte der Beklagte u.a. einen Zuschuss nach § 26 SGB II zu den Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung. Mit Bescheid vom 09.05.20112 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 SGB III für die Zeit vom 01.05.2012 bis 30.10.2012 in Höhe von 666,85 EUR monatlich. Er rechnete auf den Bedarf von 802,85 EUR (374,00 EUR Regelleistung + 428,85 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) einen voraussichtlichen durchschnittlichen Gewinn von 270,00 EUR monatlich an. Zusätzlich bewilligte er nach § 26 Abs. 1 SGB II einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung i.H.v. 296,44 EUR, den er direkt an die Krankenversicherung überwies.
Mit Schreiben vom 09.05.2012 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 18.05.2012 und unter Hinweis auf §§ 60 ff. SGB I auf, ihm Unterlagen betreffend den Basistarif der Pflegeversicherung zu übersenden. Der Kläger reagierte auf das Schreiben nicht.
Nachdem der Kläger eine Anlage EKS mit Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2011 bis zum 01.11.2011 vorgelegt hatte, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 06.06.2012 in Abänderung des Bescheides vom 09.05.2012 für die Zeit ab dem 01.07.2012 höhere vorläufige Leistungen i.H.v. 802,85 EUR monatlich. Er rechnete kein Einkommen auf den Bedarf an.
Mit Schreiben vom 28.06.2012 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 09.05.2012 und 06.06.2012 Widerspruch ein. Er rügte, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie seine Krankenversicherungsbeiträge nicht voll übernommen würden. Mit Schreiben vom 18.09.2012 wies der Beklagte darauf hin, dass der Kläger trotz Aufforderung bislang einen Nachweis über die Höhe der Heizkosten für die neue Wohnung, eine Vermieterbescheinigung sowie einen Nachweis über den zu zahlenden Basistarif für seine Krankenversicherung nicht vorgelegt habe. Der Kläger wurde unter Fristsetzung bis zum 04.10.2012 aufgefordert, eine Mietbescheinigung des Vermieters, einen Nachweis über die Höhe der tatsächlichen Heizkosten, eine Beitragsrechnung über den Basistarif zur Pflegeversicherung und eine Beitragsrechnung über den tatsächlichen Basistarif zur Krankenversicherung vorzulegen. In einem internen Vermerk vom 23.10.2012 hielt der Beklagte fest, dass aus einer nunmehr vorgelegten Mietbescheinigung hervorgehe, dass die Miete von 490,00 EUR Heizkosten i.H.v. 60,00 EUR enthalte, so dass die Miete nach der neuen Mietobergrenze knapp angemessen sei. Es sei auch ein Beleg für die Kosten der Pflegeversicherung eingereicht worden, auch wenn es sich nicht um einen Versicherungsschein oder eine offizielle Beitragsrechnung handele. Im Hinblick auf das Auslaufen des Bewilligungszeitraums zum 31.10.2012 und der Tatsache, dass dem Kläger schon ein Vordruck für die abschließende EKS ausgehändigt worden sei, solle keine Änderung der Berechnung vorgenommen werden, sondern diese in die endgültige Festsetzung eingepflegt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Bei der Bedarfsberechnung für den Bewilligungszeitraum ab dem 01.12.2012 berücksichtigte der Beklagte eine Miete von 490,00 EUR und gewährte einen Zuschuss zur Kranken/Pflegeversicherung i.H.v. insgesamt 314,97 EUR.
Am 16.11.2012 ging beim Beklagten der vom Kläger ausgefüllte Vordruck "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft nach Ablauf des Bewilligungszeitraums" für die Zeit von April 2012 bis Oktober 2012 ein. Mit Schreiben vom 25.04.2014 forderte der Beklagte zur Bearbeitung der endgültigen Festsetzung der Monate Mai 2012 bis Oktober 2012 vom Kläger die Vorlage weiterer Unterlagen. Die Vorlage der Unterlagen erfolgte nicht.
Am 29.11.2012 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2012 mit dem Begehren erhoben, ihm für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 31.10.2012 höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Er hat vorgetragen, dass die vollen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie die Beiträge zur Pflegeversicherung vom Beklagten nicht berücksichtigt worden seien. Auch sei eine Nachzahlung aufgrund des Bescheides vom 06.06.2012 nicht erfolgt.
Durch Beschluss vom 17.12.2014 hat das Sozialgericht Münster den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Die Vorschrift des § 172 Abs. 3 Nr. 2b) SGG greift nicht ein. Zwar hat der Kläger sein im Klageverfahren verfolgtes Begehren nicht konkret beziffert. Aus der Klagebegründung ist jedoch zu entnehmen, dass er die Übernahme von weiteren Kosten für Unterkunft und Heizung von 61,15 EUR (490,00 EUR tatsächliche Miete – 428,85 EUR bewilligte Miete), einen Zuschuss zu dem Pflegeversicherungsbeitrag von 23,98 EUR sowie einen um 104,25 EUR (400,69 EUR tatsächlicher Beitrag – 296,44 EUR Zuschuss) höheren Zuschuss zu dem Krankenversicherungsbeitrag für die Dauer von 4 Monaten begehrt. Mithin beträgt die Beschwer 757,52 EUR (4 x 189,38 EUR). Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben.
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auf. § 73a Rn. 7a m.w.N.); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei einer Klagehäufung in Betracht.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage richtet sich gegen den Bescheid vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2012, mit dem der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 31.10.2012 bewilligt hat. Eine solche vorläufige Entscheidung ist, da sie eine selbstständige behördliche Entscheidung darstellt, als solche gerichtlich überprüfbar. Da der Behörde bei der vorläufigen Entscheidung Ermessen zusteht, ist im Klageverfahren regelmäßig die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) statthaft (BSG Urteile vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/ 10 R SozR 4-4200 § 11 Nr. 38 und vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R – BSGE 108, 86). Das gilt grundsätzlich auch in den Fällen des § 328 Abs. 1 S. 3 i. V. m. S. 1 Nr. 3 SGB III, da der Behörde auch in diesem Falle Ermessen hinsichtlich der Höhe zusteht. Allerdings ist denkbar, dass das Ermessen auf Null reduziert ist, weil bei existenzsichernden Leistungen regelmäßig ein vorsorglicher Abschlag nur wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung ausscheidet (BSG Urteil vom 06.04.2011, a.a.O.). In diesem Falle ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) statthaft.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist auch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im Hinblick auf den bei Klageerhebung abgelaufenen Bewilligungsabschnitt und der Möglichkeit des Antrags auf endgültige Festsetzung der Leistungshöhe nicht entfallen. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn ein Kläger mit seiner Anfechtungs- und Leistungsklage ein "berechtigtes Interesse" geltend macht und dieses nicht auf einfachere und schnellere Art und Weise zu erreichen ist (vgl. BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 75/10 R). Ein berechtigtes Interesse des Klägers am Erhalt der ihm zustehenden existenzsichernden Leistungen besteht. Ebenfalls stellt die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens auf endgültige Festsetzung der Leistungshöhe keine Möglichkeit für den Kläger dar, sein Ziel – Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vorläufig bewilligten Leistungshöhe – auf einfachere und schnellere Art und Weise zu erreichen. Denn in dem Verfahren auf endgültige Festsetzung der Leistungshöhe wird die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Bewilligung nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 S. 1 SGB III nicht überprüft. Die vorläufige Bewilligung stellt gegenüber der endgültigen Leistung ein aliud dar (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, a.a.O., m.w.N.) und hat Vorwirkungen für die Entscheidung über die endgültige Leistung und der darauf fußenden Entscheidung über zuviel gezahlte Leistungen nach § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III. Ist eine vorläufige Bewilligung bestandskräftig geworden, ist sie im Rahmen eines endgültigen Leistungsbescheides bzw. Erstattungsbescheides hinsichtlich der Vorläufigkeit nicht mehr überprüfbar (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 328 SGB III: BSG Urteil vom 15.08.2002 – B 7 AL 24/01 R – SozR 3-4100 § 147 Nr. 1). Mithin kann es einem Leistungsberechtigten – auch unter Berücksichtigung der Gewährung des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG – nicht verwehrt werden, auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Bewilligung im Hinblick auf die Leistungshöhe gerichtlich überprüfen zu lassen, zumal die Dauer eines Verwaltungsverfahrens betreffend einer endgültigen Festsetzung – wie der vorliegende Fall zeigt – nicht absehbar ist. Auch im Hinblick auf die Besonderheiten der hier vorliegenden Fallgestaltung – vorläufige Bewilligung mit dem Ansatz eines Einkommens von 0,00 EUR – rechtfertigt nicht die Annahme des Entfalls eines Rechtsschutzbedürfnisses. Hiergegen spricht allein schon die Tatsache, dass die ab dem 01.05.2012 unterbliebene Bewilligung eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Pflegeversicherung nach § 26 SGB II für den Kläger zu nachteiligen Folgen – nämlich der Verhängung einer Geldbuße – geführt hat.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Der Beklagte hat – wie aus der Begründung des Widerspruchsbescheides hervorgeht – zum einen bei der Bedarfsermittlung nicht die vollständigen, aber zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 490,00 EUR angesetzt und zum anderen bei der Bemessung des Zuschusses nach § 26 SGB II nicht den Beitrag zur privaten Pflegeversicherung i.H.v. 23,98 EUR berücksichtigt. Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsverfahrens der maßgebliche Bewilligungszeitraum fast abgelaufen gewesen ist, die fehlerhafte Bedarfsermittlung im Ausgangsbescheid auf eine ungenügende Mitwirkung des Klägers zurückzuführen ist und das Verfahren der endgültigen Festsetzung der Leistungshöhe eine Korrektur der Bedarfsermittlung ermöglicht, ist der Beklagten nicht zu einer solchen Verfahrensweise berechtigt. Hinsichtlich der Ermittlung des Bedarfes steht einer Behörde auch im Rahmen einer Entscheidung nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 SGB III kein Ermessen zu. Diese Vorschriften räumen einer Behörde zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen, ein. Dabei verbleibt einer Behörde aber im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 06.04.2011, a.a.O.) nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. Die Behörde hat zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar, der gerichtlich gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG überprüft werden kann. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts ist jedoch dabei auch zu beachten, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht. Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen der §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird.
Die Prozessführung ist auch nicht mutwillig (vgl. hierzu BSG Beschluss vom 24.05.2000 – B 1 KR 4/99 BH).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, (§ 177 SGG).
Erstellt am: 28.04.2015
Zuletzt verändert am: 28.04.2015