Die Rechtsmittel der Kl. gegen das Urteil des LSG werden als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 7.8.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist (große) Witwenrente.
Die 1942 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und lebt in Marokko. Sie ist die Witwe des im Jahre 1940 geborenen und am 3.4.2000 verstorbenen N I, der von 1964 bis 1984 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, zunächst bis 1973 im deutschen Steinkohlenbergbau, anschließend bei Arbeitgebern außerhalb des Bergbaus.
Im Januar 2004 wandte sich die Klägerin erstmals an die Beklagte mit dem Antrag, ihr die aus der Versicherung ihres Ehemanns zustehenden Rechte zu gewähren. Sie legte ein Schreiben der Bundesknappschaft C vom 31.10.1983 vor (gerichtet an ihren Ehemann – damals wohnhaft in N), das die Mitteilung enthält, das Versicherungsverhältnis sei bis zum 22.11.1982 als geklärt anzusehen. Dem Antrag fügte sie weitere Unterlagen bei, insbesondere Geburtsurkunden der 8 gemeinsamen Kinder.
Die Beklagte entnahm den bei ihr gespeicherten Angaben aus dem Versicherungskonto des Ehemanns der Klägerin, dass diesem die Beiträge für die Zeit vom 22.4.1964 bis zum 29.6.1984 mit Bescheid vom 16.1.1985 erstattet worden seien, und lehnte deshalb ab, der Klägerin Witwen- und den 8 gemeinsamen Kindern Waisenrente zu gewähren (jeweils gleichlautende Bescheide vom 6.2.2004). Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Witwenrente wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.5.2004, zugestellt am 4.6.2004). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Im Jahr 2005 meldete sich der Sohn der Klägerin J I und bat die Beklagte, ihm Informationen hinsichtlich der Aktenlage seines verstorbenen Vaters an die Hand zu geben. Er lebe in einer sehr komplizierten Situation und bitte daher, ihm so schnell wie möglich Auskünfte zu übermitteln. Nachdem sich J I Anfang 2006 erneut in gleicher Angelegenheit gemeldet und in Ablichtung einen "Antrag auf Sparprämie" seines Vaters für 1979 beigefügt hatte, behandelte die Beklagte sein Anliegen als Antrag auf Gewährung einer Rentenleistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Diesen Antrag lehnte sie ab, weil wegen der Erstattung auf die Wartezeit anrechenbare deutsche Versicherungszeiten nicht mehr vorhanden seien (Bescheid vom 16.1.2006).
Im Februar 2006 gingen bei der Beklagten einige Unterlagen ohne Anschreiben ein. Dazu gehörte u.a. eine auf den Sohn J I ausgestellte Vollmacht der Klägerin und ihrer übrigen Kinder, die diesen berechtigte, für sie in allen behördlichen Angelegenheiten zu handeln und finanzielle Ansprüche geltend zu machen, die sich aus dem Nachlass des verstorbenen Vaters ergeben, und alle notwendigen Anträge für die deutschen und marokkanischen Behörden zu formulieren. Außerdem beigefügt war "Blatt 02" eines Erstattungsbescheides vom 16.1.1985, überschrieben mit "Berechnung des Erstattungsbetrages", worin die vom 22.4.1964 bis zum 6.2.1973 zur knappschaftlichen Rentenversicherung und vom 18.9.1973 bis 29.6.1984 zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichteten Versichertenentgelte und die daraus errechneten anteiligen Arbeitnehmerbeiträge zu einem Erstattungsbetrag von insgesamt 36.128,09 DM addiert werden. Die Beklagte bearbeitete diese Unterlagen als "erneute" Anträge auf Gewährung einer Rentenleistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung und lehnte gegenüber der Klägerin die Gewährung einer Witwenrente und gegenüber den 8 gemeinsamen Kindern die Gewährung einer Waisenrente ab (jeweils gleichlautende Bescheide vom 24.3.2006). Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Im November 2009 meldete sich erneut der Sohn J I bei der Beklagten und teilte mit, dass die Ansprüche, die seinem Vater gemäß der deutschen Gesetzgebung zustünden, immer noch nicht erfüllt worden seien. Mit weiterem, im Februar 2010 eingegangenem Schreiben bat er erneut im Namen der Erben, die Ansprüche zu prüfen, insbesondere die Ansprüche der Klägerin auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Die Beklagte wertete die Schreiben von November 2009 und Februar 2010 als Widersprüche gegen die Bescheide vom 24.3.2006 und wies diese zurück (Widerspruchsbescheide vom 12.4.2010). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (S 6 KN 180/10) wurde die Klage zurückgenommen, nachdem sich die Beklagte bereit erklärt hatte, die geltend gemachten Ansprüche nochmals "nach § 44 SGB X" zu überprüfen. Sodann entschied die Beklagte, dass die Bescheide vom 24.3.2006 der Rechtslage entsprechen und nicht zurückzunehmen seien. Die Klägerin und ihre Kinder hätten keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die nicht bereits berücksichtigt worden sind (für alle 9 Personen in einem Bescheid vom 18.5.2011 getroffene Regelung).
Im Juni 2011 ging bei der Beklagten ein "Aufklärungsgesuch (Witwen- und Waisenrente)" ein, mit dem die Klägerin und die 8 gemeinsamem Kinder um eine Aufklärung über ihre Witwen- und Waisenrente baten. Dazu teilte die Beklagte mit, dass die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des N I bereits bindend abgelehnt worden seien. Das Klageverfahren sei mit Rücknahme der Klage beendet worden der Überprüfungsantrag sei mit Bescheid vom 18.5.2011 abgelehnt worden. Rechtsmittel seien dagegen nicht eingelegt worden (Schreiben vom 9.6.2011).
Mit weiterem Schreiben von Oktober 2011 wies wiederum J I darauf hin, dass nach dem Schreiben vom 9.6.2011 keine Antwort eingegangen sei. Man habe der Beklagten alle angeforderten Unterlagen zugesandt und bitte nun um eine günstige Entscheidung. Die Beklagte wies erneut auf die Sachlage hin, insbesondere auf die bereits erfolgte bindende Ablehnung der Ansprüche, und führte aus, falls trotzdem erneut Anträge gestellt werden sollten, bitte sie um Einsendung von Lebensbescheinigungen (Schreiben vom 12.10.2011). In der Folge übersandte J I solche Lebensbescheinigungen. Die Beklagte lehnte danach erneut (originär) ab, Witwen- oder Waisenrente zu gewähren (gleichlautende Bescheide vom 13.12.2011). Mit Schreiben vom 2.1.2012 bat J I um Übersendung eines vom Vater ordnungsgemäß unterschriebenen Nachweises über den Erhalt der Beiträge. Er bitte erneut um Prüfung des Rentenanspruchs der Mutter auf Ehegattenrente und diese Rente zu gewähren. Die Beklagte wertete das mit "Reclamation" überschriebene Schreiben als Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.12.2011 und wies diese mit einheitlichen Widerspruchsbescheiden vom 27.2.2012 zurück.
Am 26.3.2012 übersandte die Beklagte dem SG Dortmund ein an dieses Gericht gerichtetes Schreiben des J I vom 16.3.2012 mit der Überschrift "Réclamation et Information", das das SG als Klage bearbeitet hat. Sein Vater habe die Klägerin ohne Geld und Einkünfte zurückgelassen. Die Familie lebte in großer Not und benötigte daher die Ernten sämtlicher Anstrengungen, die Deutschland gewidmet worden seien. Nach der deutschen Sozialgesetzgebung habe jede Person, die ihr Leben der Entwicklung des deutschen Staates gewidmet hat, Anspruch auf Pensionen. Die Witwenrente stehe der Klägerin nach deutschem Recht zu. Dieser Anspruch sei bisher nicht erfüllt worden. Es sei für ihn eine zusätzliche Belastung, dass er für den Lebensunterhalt der Mutter aufkommen müsse, da er verheiratet und dreifacher Familienvater sei. Der Fall müsse zum Abschluss gebracht werden, um ihn von dem Druck zu befreien, für den Lebensunterhalt seiner Mutter aufkommen zu müssen.
Die Beklagte hat weiter gemeint, sie habe den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente zu Recht wegen nicht erfüllter Wartezeit abgelehnt. Sie hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, dass außer den im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten und Blatt 2 des Bescheides vom 16.1.1985 keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, da die Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen und die Originalunterlagen vernichtet worden seien.
Nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen: Streitig sei nur ein Anspruch auf Witwenrente. Diesen habe die Beklagte zu Recht abgelehnt, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Das Gericht habe keine Zweifel, dass dem Versicherten die Beiträge auf seinen Antrag mit Bescheid vom 16.1.1985 erstattet worden sind. Dies werde bereits durch das vorgelegte Blatt 2 des Beitragserstattungsbescheides hinreichend belegt. Hätte der Ehemann der Klägerin den Erstattungsbetrag nicht erhalten, hätte er sich bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt bei der Beklagten gemeldet und seinen Anspruch auf Erstattung weiter verfolgt. Die Erstattung werde auch durch den von der Beklagten erstellten Gesamtkontospiegel vom 14.12.2011 bestätigt (Gerichtsbescheid vom 7.8.2013).
Dieser Entscheidung hat die Klägerin mit am 23.10.2013 beim SG eingegangenem Schreiben widersprochen. Dem Schreiben in Kopie beigefügt war ein (vom damaligen Arbeitgeber?) ausgefüllter Vordruck "unverbindliche Berechnung" der Gelder (Gesamtbetrag 77.887,79 DM), die ihrem Ehemann im Zeitpunkt des geplanten Ausreisetermins voraussichtlich zustanden (gefertigt in Mülheim/Ruhr am 17.4.1984). Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass neben einer Rückkehrhilfe, einer Abfindung bei Aufhebungsvertrag, eine Abgeltung von Tarifurlaub und Freizeitansprüchen "entsprechend § 20 MTV" und einer Abfindung der Werksrente auch ein Anspruch auf voraussichtliche Beitragsrückerstattung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitnehmeranteil) von (vorläufig etwa) 34.355,57 DM zustand. Außerdem beigefügt war in Kopie nunmehr der vollständige Erstattungsbescheid vom 16.1.1985 über einen Betrag von 36.128,09 DM, mit dem Hinweis, dass die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung ausschließe. Schließlich noch beigefügt war ein Schreiben der Deutschen Botschaft in Rabat vom 7. Februar 1985, gerichtet an den Ehemann der Klägerin an seine marokkanische Adresse, mit dem Hinweis, dass die Bundesknappschaft in Bochum am 16. Januar 1985 entschieden habe, ihm auf seinen Antrag 36.128,09 DM zu erstatten. Die Klägerin hat außerdem eine Vereinbarung zwischen ihrem Ehemann und den N in N vom 29.6.1984 zur Ablösung des Betriebsrentenanspruches vorgelegt, nach der ihm ein Abfindungsanspruch von DM 4.206,00 zustand. Ihr Ehemann habe nach Rückkehr in seine Heimat die entsprechenden Stellen um Rückzahlung der Beiträge gebeten, die er in die Sozialversicherung eingezahlt hat, als er in Deutschland arbeitete. Er habe aber nur 36.128,09 DM erhalten, obwohl er Anspruch auf eine Gesamtsumme von 77.887,79 DM gehabt habe.
Die Klägerin meint, unter Berücksichtigung dieser Unterlagen bestehe zwischen dem Gesamtbetrag von 77.887,79 DM und den erstatteten DM 36.128,09 eine Differenz, und bittet um Zahlung der Differenz. Die 36.128,09 DM, die ihr Ehemann erhalten habe, seien schnell zu Ende gegangen, das meiste sei für seine Rückkehr investiert worden. Später hat sie vorgetragen, tatsächlich habe ihr Ehemann nichts von diesen Summen erhalten. Deshalb bitte sie zu veranlassen, dass sie von der in der Zusammenfassung erwähnten Gesamtsumme profitieren könne.
Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats ausdrücklich erklärt, dass es im Berufungsverfahren nur um den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente gehe.
Sie ist vom Termin zur mündlichen Verhandlung durch Einschreiben mit Rückschein am 26.2.2015 mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten und auf Nachfrage des Senats vorsorglich erklärt, dass sie im Falle des Obsiegens der Klägerin auch über alle Ansprüche auf Waisenrente originär erneut entscheiden werde.
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn die Klägerin ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 SGG, 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Die Berufung ist zulässig.
Bei dem "Widerspruch" der Klägerin handelt es sich in der Sache um eine Berufung, weil dieses Rechtsmittel der einzig statthafte Rechtsbehelf ist, mit dem die Klägerin eine sachliche Prüfung des von ihr erhobenen Anspruchs durch das zuständige (Berufungs – ) Gericht erreichen kann. Die Berufung ist wirksam und fristgerecht eingelegt worden. Es kann nicht genau festgestellt werden, wann der am 10.9.2013 mit Einschreiben und (Auslands-)Rückschein übersandte Gerichtsbescheid vom 7.8.2013 der Klägerin zugestellt worden ist, da ein Rückschein nicht zu den Akten gelangt ist. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 Satz 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete frühestens im Dezember 2013. Die Berufung der Klägerin, mit der sie den Erhalt des Schreibens vom 10.9.2013 bestätigt hat, ist bereits am 23.10.2013, und damit sicher innerhalb der Frist beim SG eingegangen. Die Klägerin durfte das Rechtsmittel auch beim SG einlegen, § 151 Abs 2 SGG.
II. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (große) Witwenrente nach ihrem am 3.4.2000 verstorbenen Ehemann.
1. Gegenstand des Verfahrens ist nur (noch) der Bescheid vom 14.12.2011 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012, § 95 SGG) betreffend die Ablehnung einer Witwenrente. Mag auch zunächst nicht ganz klar gewesen sein, ob mit der Klageschrift vom 16.03.2012 auch die Ansprüche auf Waisenrenten ablehnenden übrigen Bescheide angefochten werden sollten ("[ … im Namen aller Erben …]") so ist doch später (Schreiben vom 10. und 17.8.2012) deutlich geworden, dass es in diesem Verfahren (von vorneherein) lediglich um die Witwenrente der Klägerin ging und ihr Sohn J I aufgrund der bereits früher vorgelegten umfassenden Vollmacht (nur) als ihr Bevollmächtigter auftritt. Davon ist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgegangen und hat folglich auch nur über den Anspruch auf Witwenrente entschieden. Die Klägerin hat diese Auslegung durch die in zweiter Instanz abgegebene Erklärung, dass es in diesem Verfahren nur um den Anspruch auf Witwenrente gehe, nochmals bestätigt. Vorsorglich hat die Beklagte überdies erklärt, dass sie im Falle des Obsiegens der Klägerin auch über die Anträge auf Waisenrente erneut originär entscheiden werde.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente in Form einer (großen) Witwenrente. Ein solcher Anspruch ist hier vollständig zu prüfen, obwohl die Beklagte ihn in der Vergangenheit bereits mehrmals abgelehnt hat. Sie hat sich im angefochtenen Bescheid nämlich erkennbar nicht auf die Bestandskraft der früheren Entscheidungen berufen, sondern über den geltend gemachten Anspruch erneut originär befunden, also erneut eine vollständige Sachprüfung durchgeführt. Folglich hat das Gericht die Rechtmäßigkeit dieser vollständigen Sachprüfung zu beurteilen.
Ein Anspruch auf (große) Witwenrente setzt u.a. voraus, dass der verstorbene Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI. Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre, § 50 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Auf diese Zeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet, §§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI. Der Versicherte hat die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt. Zwar sind nach Art 24 DMSVA ggf. auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig. Voraussetzung ist jedoch, dass der verstorbene Ehemann überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht (mehr) der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen bei ihm für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin (mit Unterbrechungen) von April 1964 bis Juni 1984 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst – eine Rentenanwartschaft begründende – Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann die Klägerin jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil die Beklagte ihrem Ehemann die gezahlten Beiträge im Jahr 1985 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 95 Abs 7 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) (gleichlautend damals: § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) für die damalige Rentenversicherung der Arbeiter) erstattet hat und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: §§ 95 Abs 7 RKG, 1303 Abs 7 RVO). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass – und das galt auch schon früher – eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Ehemann der Klägerin sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte, hier in Höhe von DM 36.128,09) rechtswirksam erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11 und zuletzt vom 16.12.2014, Az L 18 KN 118/12). Das ist hier der Fall. Für den Senat steht jedenfalls unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen und der eigenen Eingaben der Klägerin hierzu mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (vgl LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN; z.Zt. ist beim BSG unter dem Az B 5 R 16/14 R ein Verfahren anhängig, in dem Ausführungen dazu zu erwarten sind), und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei Nichterfüllung nach Treu und Glauben später darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier sind ein wirksamer Antrag und ein dadurch in Gang gebrachtes und ordnungsgemäß abgeschlossenes Erstattungsverfahren erwiesen. Zwar sind die entsprechenden Urkunden (Antragsformular oder -schreiben; Erstattungsbescheid; Überweisungsträger oder Empfangsquittung) nicht mehr in den Akten der Beklagten vorhanden. Der Senat kann vorliegend jedoch unentschieden lassen, ob in einem solchen Fall allein die im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten genügen, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit zu beweisen (verneinend: Urteil des Senats vom 19.8.2014, Az L 18 KN 45/11). Denn die Klägerin hat vorliegend den Erstattungsbescheid vom 16.1.1985 selbst vorgelegt und dazu vorgetragen, dass ihr Ehemann den darin ausgewiesenen Erstattungsbetrag von DM 36.128,09 erhalten habe, das Geld jedoch "schnell zu Ende gegangen" sei, weil er das meiste für seine Rückkehr investiert habe. Daneben ergibt sich aus dem ebenfalls vorgelegten Schreiben der Deutschen Botschaft in Rabat an den Versicherten, dass dieser von dort zeitnah über die Entscheidung der Beklagten (damals als "Bundesknappschaft") zu seinem Erstattungsantrag informiert worden ist. Die Vorlage dieser Unterlagen durch die Klägerin belegt, dass sie dem Versicherten bekannt gegeben worden sind. Das genügt bei Mitberücksichtigung der bei der Beklagten elektronisch gespeicherten inhaltsgleichen Daten für den Nachweis eines vollständig durchgeführten und abgeschlossenen Erstattungsverfahrens.
Soweit Beweisunterlagen (Urkunden) gänzlich fehlen (etwa ein schriftlicher Erstattungsantrag oder die von der Klägerin angemahnte Quittung über den Erhalt des Erstattungsbetrags), leitet der Senat seine Überzeugung aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog prima facie-Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl. 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand Dezember 2014. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand 1. Dezember 2014. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11 und zuletzt vom 16.12.2014, Az L 18 KN 118/12, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Ursache oder Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. aaO. RdNrn 94, 99).
Ein durch nachweislich bekannt gegebenen bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass dem Bescheid ein Erstattungsantrag vorausgegangen und die geschuldete Leistung anschließend bewirkt worden ist.
Hier steht fest, dass der Versicherte einen Erstattungsbescheid über den Betrag von DM 36.128,09 erhalten hat und außerdem noch durch die Deutsche Botschaft in Rabat über die Erstattung informiert worden ist. Die Klägerin hat die (anschließende) Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten, sondern im Gegenteil einräumt, dass der Versicherte den Betrag von DM 36.128,09 erhalten habe. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Leistung nicht zeitnah bewirkt worden ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Die widerspruchslose Entgegennahme des Erstattungsbescheides und des Erstattungsbetrags lassen schließlich prima facie den Schluss zu, dass der Versicherte zuvor einen Erstattungsantrag gestellt, das Verfahren also selbst eingeleitet hatte. Soweit die Klägerin ihre Angaben später dahingehend geändert hat, dass der Versicherte nichts erhalten habe, hält der Senat dies für eine zweckgerichtete, nicht (mehr) glaubhafte Behauptung. Soweit sie meint, dem Kläger habe ein höherer Erstattungsbetrag zugestanden (die Differenz zwischen DM 77.887,79 und DM 36.128,09), ist dies für den allein streitbefangenen Anspruch auf Witwenrente ohne Belang, weil ein solcher Erstattungsanspruch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, in der Sache aber auch nicht zutreffend. Denn in der vorgelegten Übersicht vom 17.4.1984 sind neben dem Anspruch auf Erstattung von in die Sozialversicherung entrichteten Beiträgen weitere Zahlungsansprüche aufgeführt, die sich nicht gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, also hier die Beklagte, sondern gegen andere Schuldner (z.B. den damaligen Arbeitgeber "N AG") richten. Der Anspruch auf Beitragserstattung ist darin (nur) mit "ca." 34.355,57 DM beziffert. Der später erstattete Betrag von DM 36.128,09 liegt sogar über diesem Betrag.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 05.01.2016
Zuletzt verändert am: 05.01.2016