NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Die am 00.00.1967 geborene transsexuelle Klägerin ist gelernte Schlossermeisterin. Nach hormoneller Therapie ab 2006 wurde 2009 und 2010 operativ eine Geschlechtsangleichung Mann zu Frau durchgeführt.
Am 20.04.2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Erstantrag auf Feststellung eines GdB. Die Beklagte zog Befundberichte des Orthopäden Dr. C, des Allgemeinmediziners Dr. I, der Psychiaterin und Psychotherapeutin T und der Neurologen Dr. L et al. sowie Entlassberichte des B Krankenhauses in L und der T Klinik X bei. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme bewertete Dr. T2 ein psychisches Leiden mit einem Einzel-GdB von 20 und ein Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 10, den GdB insgesamt mit 20. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 13.09.2010 einen GdB von 20 fest. Die Klägerin legte am 04.10.2010 Widerspruch ein. Sämtliche Leiden seien höher zu bewerten. Die Wirbelsäule sei in drei Abschnitten betroffen. Es bestünde ein erhebliches Knieleiden sowie eine teilweise Zwerchfelllähmung. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme bewertete Dr. B das Wirbelsäulenleiden nun mit einem Einzel-GdB von 20 und zusätzlich ein Knieleiden mit einem Einzel-GdB von 10, den GdB insgesamt mit 30. Die Beklagte stellte mit Abhilfebescheid vom 22.12.2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2010 einen GdB von 30 fest. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2011 zurück.
Die Klägerin hat am 02.03.2011 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen Befundberichte des Orthopäden Dr. C, des Allgemeinmediziners Dr. I, der Psychiaterin und Psychotherapeutin T, der Neurologen Dr. L et al. sowie des HNO-Arztes Dr. T1 und Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S, des Orthopäden Dr. L sowie des Internisten und Allgemeinmediziners Dr. P eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht außerdem Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L1, des Orthopäden Prof. Dr. T3 sowie des Internisten Dr. C1 eingeholt.
Dr. S hat auf Grundlage seiner Begutachtung im Januar 2012 eine rezidivierende depressive Störung, aktuell leichtgradig beschrieben und mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dr. L1 hat auf Grundlage seiner Begutachtung im Januar 2013 eine aktuell mittelgradige Depressivität beschrieben und mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Dr. S hat in einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, bei mittelgradiger Depressivität sei eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzunehmen, weswegen der Einzel-GdB ab Januar 2013 mit 30 angesetzt werden könne. Dr. L hat ausgeführt, das Wirbelsäulenleiden sei bei weitgehend freier Beweglichkeit allenfalls mit mittelgradigen Funktionseinschränkungen in einem Abschnitt vergleichbar. Der Einzel-GdB betrage schwach 20. Das Leiden der Hüfte und der Knie sei bei ebenfalls weitgehend uneingeschränkter Beweglichkeit zusammenfassend mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Prof. Dr. T3 hat das Hüftleiden wegen deutlicher arthrotischer Veränderungen mit einem Einzel-GdB von 20, das Knieleiden wegen erheblichem Knorpelverlust und anhaltenden Reizerscheinungen ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 und die Leiden der unteren Extremitäten insgesamt mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Dr. L hat in einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, die klinischen Beeinträchtigungen rechtfertigten nicht die von Prof. Dr. T3 angenommenen Werte, ein Einzel-GdB von 30 werde keinesfalls erreicht. Prof. Dr. T3 hat in einer ergänzenden Stellungnahme erwidert, angesichts der bildgebenden Befunde seien die von Dr. L erhobenen Bewegungsmaße nicht plausibel. Die behandelnden Ärzte hätten eine rechtsseitig deutlichere Bewegungseinschränkung der Hüfte dokumentiert. Dr. P hat einen gut eingestellten Bluthochdruck ohne Folgeschäden und trotz der rechtsseitigen Zwerchfelllähmung eine unbeeinträchtigte Lungenfunktion beschrieben und diese Leiden sowie ein Refluxleiden mit Einzel-GdB von 10 bewertet. Dr. C1 hat Zwerchfell- und Refluxleiden mangels daraus resultierender Störungen mit Einzel-GdB von 0 bewertet. Es liege jedoch eine Störung des Harnstrahls vor, die eine erhöhte Intimhygiene erfordere und analog zu den Vorgaben zur Harninkontinenz mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei. Dr. S hat den GdB auf Grundlage der von Amts wegen eingeholten Gutachten zunächst mit 20 und dann ab Untersuchung durch Dr. L1 mit 30 angesetzt. Die Störung des Harnstrahls könne lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden. Das Wirbelsäulenleiden führe nicht zur Erhöhung des GdB. Dr. L1 hat den GdB auf Grundlage der nach § 109 SGG eingeholten Gutachten mit 50 bewertet.
Für die Beklagte hat die Allgemein- und Sozialmedizinerin Dr. C2 ausgeführt, nach weitgehend abgeschlossener Geschlechtsumwandlung sei von einer Besserung des psychischen Leidens auszugehen. Die orthopädischen Beschwerden lägen nur intermittierend vor. Eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion bestehe nicht. Bei Dr. P sei eine unauffällige Miktion angegeben worden. Ein erhöhter hygienischer Aufwand sei nicht plausibel. Ein Einzel-GdB von 20 bedeute bereits unwillkürlichen Harnabgang. Die Beweglichkeit der unteren Extremitäten sei weitgehend unauffällig. Prof. Dr. T3 habe seine Bewertung zu sehr auf die bildgebenden Befunde gestützt. Ab November 2012 könne für die unteren Extremitäten ein Einzel-GdB von 20 und insgesamt ein GdB von 40 angenommen werden.
Die Klägerin hat auf die nach § 109 SGG eingeholten Gutachten Bezug genommen und einen GdB von 40 für nicht ausreichend gehalten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Wege eines Teilanerkenntnisses einen GdB von 40 ab November 2012 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen ihr Klagebegehren weiter verfolgt. Die Beklagte hat das Teilanerkenntnis mit Bescheid vom 09.10.2014 umgesetzt.
Das Sozialgericht hat die weitergehende Klage mit Urteil vom 31.07.2014 abgewiesen. Das psychische Leiden könne ab Januar 2013 mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet haben. Dieser Einzel-GdB sei wegen des Leidens der unteren Extremitäten um 10 zu erhöhen. Dabei sei das Knieleiden selbst nur mit einem Einzel-GdB von 10, das Hüftleiden wie von der Beklagten nun anerkannt ab November 2012 mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Eine frühere Anerkennung sei nicht möglich. Im Antragsverfahren sei ein Hüftleiden nicht einmal erwähnt worden. Das Wirbelsäulenleiden sei allenfalls mit einem schwachen Einzel-GdB von 20 zu bewerten und erhöhe den GdB nicht. Die gestörte Miktion könne nicht mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 17.09.2014 zugestellte Urteil am 13.10.2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Knieleiden bedinge wegen der Knorpelschäden einen Einzel-GdB von 20, der zur Anhebung des GdB insgesamt auf 50 führe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2014 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 03.02.2011 und des Bescheides vom 09.10.2014 zu verurteilen, bei ihr ab dem 20.04.2010 einen GdB von 50 festzustellen,
hilfsweise Prof. Dr. T3 und Dr. L1 ergänzend zu hören sowie von Amts wegen orthopädische und neurologisch/psychiatrische Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.07.2014 angenommenen Teilanerkenntnis die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 30 bis Oktober 2012 und von mehr als 40 ab November 2012. Dem Anspruch auf Feststellung eines GdB von 40 ab November 2012 hat die Beklagte dem Teilanerkenntnis entsprechend durch Bescheid vom 09.10.2014 Rechnung getragen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG (seit 01.07.2011 § 30 Abs. 16 BVG) erlassenen Rechtsverordnung (VersMedV vom 10.12.2008) und insbesondere ihrer Anlage 2 (VMG) entsprechend. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B, juris Rn 5 m.w.N.). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R, juris Rn 18 m.w.N.). Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (BSG, Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R, juris Rn 25; vgl. zum Ganzen auch LSG NRW, Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11, juris Rn 42 ff und daran anschließend BSG, Beschluss vom 17.04.2013 – B 9 SB 69/12 B, juris Rn 8 ff).
Führend ist das psychische Leiden. Dessen Bewertung richtet sich nach Teil B Nr. 3.7 VMG. Danach bedingen erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einen GdB von 30 (bis 40), während leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20 rechtfertigen. Die Klägerin schildert insofern Probleme auf der Arbeit, als sie dort mitunter gehänselt und noch als Mann behandelt werde. Dies wirke sich u.a. auf ihre Konzentrationsfähigkeit aus. Dass sie in ihrer Arbeitsfähigkeit wesentlich eingeschränkt und ihre Arbeitsstelle gefährdet wäre, ist dagegen nicht ersichtlich. Im privaten Bereich fällt es ihr schwer sich zu motivieren und aus dem Bett zu kommen. Eine partnerschaftliche Beziehung hatte sie bislang nicht. Gleichwohl ist sie im Übrigen in der Lage, ihren Alltag zu strukturieren und familiäre Bindungen aufrechtzuerhalten. Dr. S sah bei seiner Begutachtung eine nur leichtgradige Depressivität. Für diesen Zeitpunkt kann eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis-und Gestaltungsfähigkeit nicht angenommen werden. Dr. L1 beschreibt ein Jahr später eine mittelgradige Depressivität und präsuizidale Gedanken. Dr. S meint, der von Dr. L1 beschriebene Befund einer mittelgradigen Depressivität rechtfertige bereits die Annahme eines Einzel-GdB von 30. Ob dieser Schluss als solcher zutreffend ist, kann dahinstehen. Immerhin ist eine Verschlimmerung insofern plausibel, als auch die behandelnde Therapeutin trotz der operativen Geschlechtsangleichung eine kontinuierliche Verschlimmerung angegeben hat. Anhaltspunkte für einen höheren GdB bestehen jedoch nicht. Die Behauptung eines Einzel-GdB von 50 durch die Therapeutin T ist nicht belegt und insofern unschlüssig, als sie (nur) eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angibt. Soweit die gestörte Geschlechtsidentität bzw. der Transsexualismus als Erkrankung bzw. Behinderung aufgefasst werden, führt dies zu keiner höheren Bewertung. Denn es sind gerade die psychischen Folgen der gestörten Geschlechtsidentität bzw. des Transsexualismus, die erst zu dem mit einem Einzel-GdB von 30 bewerteten psychischen Leiden führen.
Die Leiden der unteren Extremitäten bedingen zusammengefasst allenfalls einen Einzel-GdB von 30, Hüft- und Knieleiden jeweils allenfalls einen Einzel-GdB von 20. Wesentliche Bewegungseinschränkungen ergaben sich bei beiden Sachverständigen nicht. Die VMG sehen für die Hüftgelenke unter Teil B Nr. 18.14 VMG als relevante Bewegungseinschränkung eine Einschränkung der Beugefähigkeit auf 90 Grad vor. Bei Dr. L lag die Beugung der Hüftgelenke beidseits bei 110-120 Grad, bei Prof. Dr. T3 selbst rechts noch bei 100 Grad. Lediglich im Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. C wird eine rechtsseitige Einschränkung auf 85 Grad angenommen. Die VMG sehen eine Einschränkung der Streckung/Beugung auf 0/10/90 Grad mit entsprechend eingeschränkter Dreh- und Spreizfähigkeit noch als geringgradig an, die bei einseitiger Betroffenheit einen GdB von 10-20 bedingt. Da im Querschnitt der erhobenen Befunde die hierfür erforderliche Einschränkung der Beugefähigkeit kaum erreicht wird, führt auch die – zumindest bei Prof. Dr. T3 beschriebene – stärkere Beeinträchtigung der Innendrehfähigkeit rechts allenfalls zu einem Einzel-GdB von 20. Für den Bereich der Kniegelenke sehen die VMG in Teil B Nr. 18.14 VMG im Fall ausgeprägter Knorpelschäden mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung einseitig einen GdB von 10-30 vor. Bei einer Beugefähigkeit von rechts 130 und links 120 Grad bei beiden Sachverständigen besteht keine relevante Bewegungseinschränkung. Im linken Kniegelenk werden an einigen Stellen dritt- bis viertgradige Knorpelschäden angegeben. Dr. L weist allerdings darauf hin, dass der Knorpelverlust noch nicht großflächig sei. Prof. Dr. T3 bejaht anhaltende Reizerscheinungen, wobei die Begründung dieser Annahme nicht ganz klar ist, zumal die Klägerin selbst eher belastungsabhängige Beschwerden angibt. Auch hier wird allenfalls ein Einzel-GdB von 20 erreicht.
Das Wirbelsäulenleiden ist allenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, was nach Teil B Nr. 18.9 VMG bereits mittelgradige Beschwerden in einem Abschnitt voraussetzt. Die Befunde sind abgesehen von der Bildgebung und anamnestisch rezidivierenden Beschwerden unauffällig. Selbst der behandelnde Orthopäde Dr. C gab an, die Wirbelsäulenbeweglichkeit sei frei. Neurologische Ausfallerscheinungen sind weder von den orthopädischen noch von den neurologischen Sachverständigen dokumentiert und werden auch von Dr. C ausdrücklich verneint. Soweit die Klägerin gegenüber Prof. Dr. T3 ein gelegentliches Einschlafen der Hände angab, ist dies nicht objektiviert. Angesichts dessen fällt die Annahme von Leiden, die auf Dauer (vgl. hierzu Teil A Nr. 2f Satz 3 VMG) mittelgradigen Beschwerden in einem Abschnitt entsprechen, bereits schwer.
Die Störung der Miktion im Sinne eines fehlenden Harnstrahls bedingt einen Einzel-GdB von nicht mehr als 10. Die Bewertung ist in Analogie zur Harninkontinenz nach Teil B Nr. 12.2.4 VMG vorzunehmen. Danach bedingt ein leichter Harnabgang bei Belastung einen GdB von 0-10 und erst ein Harnabgang tags und nachts (zB Stressinkontinenz Grad II-III) einen GdB von mindestens 20. Mit letzterem Beschwerdebild ist das der Klägerin nicht zu vergleichen. Der unwillkürliche Harnabgang ist schon grundsätzlich belastender als Hygieneprobleme bei willkürlichem Harnabgang. Allein die behauptete ständige Notwendigkeit erhöhter Intimhygiene ist geeignet, eine Vergleichbarkeit mit leichterem unwillkürlichem Harnabgang zu begründen.
Das Refluxleiden, der Bluthochdruck und der Zwerchfellhochstand bzw. die teilweise Zwerchfelllähmung bedingen jeweils ebenfalls keinen höheren GdB als 10. Refluxleiden und Bluthochdruck werden adäquat behandelt und führen zu keinerlei Einschränkungen. Entgegen dem klägerischen Vortrag haben beide internistischen Sachverständigen keinerlei dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt, der nach § 109 SGG beauftragte Dr. C1 setzte den Einzel-GdB hierfür sogar mit Null an. Dr. P wies darauf hin, dass die von der Klägerin angegebenen Probleme beim Treppensteigen eher durch die erhebliche Adipositas zu erklären seien. Soweit die Stimme der Klägerin weiterhin eine eher männliche ist, bedeutet dies unmittelbar keine Behinderung. Die sich aus der Stimmlage im Zusammenhang mit dem Transsexualismus ergebenden psychischen Probleme sind bereits vom Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche abgedeckt.
Der GdB insgesamt beträgt entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten frühestens ab November 2012 40, davor 30. Der Einzel-GdB für das führende psychische Leiden, der erst ab der Begutachtung durch Dr. L1 im Januar 2013 mit 30 angesetzt werden kann, ist wegen der Probleme der unteren Extremität um 10 auf 40 zu erhöhen. Die übrigen Leiden sind jeweils nicht geeignet, den GdB zu erhöhen. In der Gesamtschau ist die Klägerin nicht beeinträchtigt wie im Fall einer schweren psychischen Störung, der Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, der Versteifung eins Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung oder einer beidseitigen Bewegungseinschränkung der Knie stärkeren Grades.
Der Anregung, weitere Gutachten von Amts wegen einzuholen, braucht nicht gefolgt zu werden. Denn der Sachverhalt ist durch die schriftlich erstatteten Gutachten und die ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen hinsichtlich geklärt. Die Klägerin hat auch keine Aspekte aufgezeigt, die durch die Einholung weiterer Gutachten klärungsbedürftig wären. Gleiches gilt für die Anträge auf ergänzende Befragung der nach § 109 SGG beauftragten Gutachter Dr. L1 und Prof. Dr. T3. Die wiederholte Anhörung desselben Gutachters bzw. die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme ist nicht schon deswegen geboten, weil zwischenzeitlich ein Gutachten von Amts wegen eingeholt worden ist. Sie ist etwa dann geboten, wenn der Gutachter sich zu bestimmten wesentlichen Fragen noch nicht geäußert hat oder neue Gesundheitsstörungen aufgetreten sind (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rn 10b). Das ist hier nicht der Fall. Dr S hat die Bewertung von Dr. L1 (zumindest ab dessen Untersuchung) übernommen. Prof. Dr. T3 hat – sogar als letzter Sachverständiger – bereits ergänzend Stellung genommen. Es ist zudem offen geblieben, wozu genau die genannten Gutachter befragt werden sollen, weswegen auch kein förmlicher Beweisantrag vorliegt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn 18a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 25.08.2015
Zuletzt verändert am: 25.08.2015