Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Er macht die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 30 SB 989/13 Sozialgericht (SG) Duisburg geltend.
Der Verlauf dieses Rechtsstreits gestaltet sich wie folgt:
03.06.2013 Klage gerichtet auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40
28.06.2013 Klageerwiderung
09.09.2013 Anforderung von zwei Befundberichten
24.09.2013 1. Befundbericht
11.11.2013 2. Befundbericht (nach Erinnerung)
05.12.2013 Stellungnahme Beklagte
13.12.2013 Stellungnahme Kläger
09.01.2014 Stellungnahme Beklagte
18.02.2014 Beweisanordnung
17.04.2014 Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. E
23.04.2014 Stellungnahme Kläger
08.06.2014 Stellungnahme Beklagte
24.07.2014 Beweisanordnung
30.12.2014 Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Priv.-Doz. Q
21.01.2015 Stellungnahme Kläger
26.01.2015 Stellungnahme Beklagte
05./07.02.2015 Stellungnahme Kläger
04.02.2015 Anforderung Stellungnahme Priv.-Doz. Dr. Q
14.03.2015 Verzögerungsrüge Kläger
07.04.2015 gutachtliche Stellungnahme Priv.-Doz. Q
21.04.2015 Stellungnahme Kläger
04.05.2015 Stellungnahme Beklagte
20.07.2015 Anforderung Akten S 29 R 264/14 (dort Beweisanordnung vom 29.06.2015 (Gutachten Dr. H)
20.08.2015 Gutachten Dr. H
21.09.2015 Stellungnahme Beklagte
Am 23.09.2015 hat der Kläger auf Gewährung einer Entschädigung i.H.v. 1.200,00 EUR gerichtete Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt.
II.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.
Prozesskostenhilfe ist nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur zu bewilligen, wenn u.a. die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO ist regelmäßig ohne vollständig abschließende tatsachliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen, da die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Hauptsache treten zu lassen. Daraus folgt, dass an die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern überhaupt erst zugänglich machen. Prozesskostenhilfe darf allerdings verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 03.09.2013 – 1 BvR 1419/13 – und vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 -).
Vorliegend besteht keine Erfolgschance. Einem Klageerfolg steht entgegen, dass das vor dem Sozialgericht Duisburg geführte Verfahren keine unangemessene Dauer aufweist (§ 198 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Im Übrigen bestand am 14.03.2015 auch kein Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird (§ 198 Abs. 3 GVG).
Für eine Entschädigungsklage wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind § 198 Abs. 1 GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG in der ab 03.12.2011 geltenden Fassung durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I 2554), maßgebend.
Davon ausgehend gilt:
1. Für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zuständig.
Nach § 200 Satz 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen das Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht (OLG) zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 Satz 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198 – 201 GVG) u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des OLG das LSG und an die Stelle der ZPO das SGG tritt.
Daraus folgt die Zuständigkeit des LSG Nordrhein-Westfalen; das streitgegenständliche Verfahren wurde im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen geführt.
2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft (hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R -; Urteil vom 21.02.2013 – B 10 ÜG 1/12 KL -; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.12.2014 – L 10 SF 11/14 EK -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.05.2014 – L 2 SF 3228/13 EK -).
3. Die Klage ist aber nicht begründet.
Haftungsauslösend ist eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 SGG).
Haftungsgrund ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) sowie Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 14.11.2013 – III ZR 376/12 -; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 27/12 D -; BSG, Urteil vom 21.02.2013 – B 10 ÜG 1/12 KL -) infolge Versagens des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner Funktion als Justizgewährungsgarant und Haftungsschuldner (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG(, Beschluss vom 29.11.2005 – 2 BVR 1737/05-). Auf die Frage, ob der zuständige Richter pflichtwidrig oder schuldhaft gehandelt hat, kommt es – anders als bei der Amtshaftung – nicht an (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 19). Gleichermaßen unerheblich ist, ob sonstige Justizgewährungsgaranten wie Angehörige der Exekutive (Justizverwaltung, Gerichtsleitung, Landesregierung) oder der Landtag Nordrhein-Westfalen als zuständiges Legislativorgan es pflichtwidrig oder schuldhaft unterlassen haben, dem SG personelle Kapazitäten in einem Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK gerecht werdenden Umfang zuzuweisen.
a) Die Dauer des Ausgangsverfahrens ist nicht unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.
Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten des Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Feste Zeitvorgaben sind mit § 198 GVG nicht vereinbar. Die Vorschrift verbietet es nachgerade, die Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Hilfe von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit gerichtlicher Verfahren zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme, Erfahrungswerten oder auf statistisch basierten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (Senat, Urteil vom 27.08.2014 – L 11 SF 155/13 EK SO -; so auch BGH, Urteil vom 13.03.2014 – III ZR 91/13 -; Urteil vom 05.12.2013 – II ZR 73/13 -; BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -; BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 27/12 D -; Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 23/12 D -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2013 – L 37 SF 82/12 EK R -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2013 – 23 SchH 2/13 EntV -; LSG Thüringen, Urteil vom 18.06.2013 – L 3 SF 1149/12 EK -; Urteil vom 18.06.2013 – L 3 SF 1759/12 EK -; Urteil vom 18.06.2013 – L 3 SF 1147/12 EK -). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, nach dem sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer "nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter" richtet, folgt überdies aus der Gesetzesbegründung, derzufolge eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (BT-Drucks. 17/3802, S. 18; insoweit abweichend BSG, Urteil vom 21.02.2013 – B 10 ÜG 1/12 KL -, wonach statistischen Daten eine Indizwirkung zukommen soll; abgrenzend hierzu BSG, Beschluss vom 16.12.2013 – B 10 ÜG 13/13 B -). Auch die als Auslegungshilfe mit Orientierungsfunktion heranzuziehende Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK (hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 -) lässt nicht ansatzweise den Schluss zu, der Gerichtshof habe feste Vorgaben entwickelt. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder Sachverhalt wird auf der Grundlage der immer wiederkehrenden Eingangsformel
"Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer im Lichte der Umstände der Rechtssache sowie unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu beurteilen ist: Komplexität der Rechtssache, Verhalten des Beschwerdeführers sowie der zuständigen Behörden und Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer (siehe u.v.a. Frydlender./. Frankreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 30979/96, Rdnr. 43, ECHR 2000-VII)."
einer individuellen Betrachtung unterzogen (z.B. EGMR, Urteil vom 13.10.2011 – 37264/06 – (Mianowicz/Deutschland); Urteil vom 22.09.2011 – 28348/09 – (Otto/Deutschland); Urteil vom 21.07.2011 – 21965/09 – (Bellut/Deutschland); Urteil vom 07.06.2011 – 277/05 – (S.T.S./Niederlande)). Es gibt weder eine feste zeitliche Grenze noch hat der EGMR eine allgemeine Höchstdauer für Verfahren einer bestimmten Art definiert (vgl. Mayer-Ladewig, EMRK, 3. Auflage, 2011, Art 6. Rdn. 199; Meyer, in Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Auflage, 2015, Art. 6 Rdn. 76). So hat der EGMR eine Verfahrensdauer von zwölf Jahren und sieben Monaten durch mehrere Instanzen einschließlich des Kosten- und Vollstreckungsverfahrens unter Berücksichtigung der Komplexität der Sach- und Rechtslage und des Verhaltens des Beschwerdeführers als angemessen bewertet (EGMR, Urteil vom 04.02.2010 – 13791/06 – (Gromzig/Deutschland)). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt deshalb nur beispielhaft ("insbesondere") solche Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind (BT-Drucks. 17/3802, S. 18), nämlich die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen als verantwortlicher Justizgewährungsträger und Haftungssubjekt ist zwar verpflichtet, die Justiz so zu organisieren und mit Personal und sächlichen Mitteln auszustatten, dass die Gerichte in der Lage sind, Rechtsschutz in einer den Vorgaben von Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK inhaltlich richtig und zeitnah zu gewähren. Versäumt das Land, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, haftet es nach den Maßgaben des § 198 GVG für dem jeweiligen Beteiligten entstandene materielle und/oder immaterielle Nachteile. Andererseits ist das Land nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängige Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit folgt kein Recht auf sofortige Befassung des Gerichts mit jedem Rechtsschutzbegehren und dessen unverzügliche Erledigung. Bereits aus nachvollziehbaren Gründen der öffentlichen Personalwirtschaft ist es gerichtsorganisatorisch mitunter unvermeidbar, Richtern oder Spruchkörpern einen relativ großen Bestand an Verfahren zuzuweisen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R -; BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -). Hingegen vermag eine hohe Belastung des zuständigen Gerichts eine lange Verfahrensdauer nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.08.2010 – 1 BvR 331/10 -). Um einer Überlastung der Gerichte vorzubeugen und ihr dort, wo sie eintritt, rechtzeitig abzuhelfen, haben Landesregierung und Haushaltsgesetzgeber vielmehr die dafür erforderlichen – personellen wie sächlichen – Mittel aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1973 – 2 BvR 558/73 -; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17.12.2009 – VfGBbg 30/09 – und Beschluss vom 13.04.2012 – VfGBbg 54/11 – zu Art. 52 Abs. 4 der Landesverfassung).
Die Verfahrensdauer ist unangemessen i.S.v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 -). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 -).
Von diesen rechtlichen Maßstäben ausgehend ergibt sich bei einer Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens vom 03.06.2013 bis zum 23.09.2015 (Eingang der Entschädigungsklage) eine Inaktivität des Gerichts von (gerundet) sechs Monaten, und zwar
– in der Zeit vom 28.06.2013 (Eingang der Klageerwiderung der Beklagten) bis zum 09.09.2013 (Anforderung von Befundberichten),
– in der Zeit vom 09.01.2014 (Eingang der Stellungnahme der Beklagten) bis zum 18.02.2014 (Fertigung der Beweisanordnung),
– in der Zeit vom 08.06.2014 (Eingang der Stellungnahme der Beklagten) bis zum 24.07.2014 (Fertigung der Beweisanordnung)
– in der Zeit vom 04.05.2015 (Eingang der Stellungnahme der Beklagten) bis zum 20.07.2015 (Anforderung der Akte S 29 R 264/14).
Diese sechs Monate sind jedoch nicht gleichzusetzen mit der Feststellung, dass die Verfahrensdauer entsprechend unangemessen lang war.
Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Spruchkörper bzw. Richter zugewiesen sind, ist schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 -; Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 -; BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R -; BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -). Gerichte sind überdies wegen des Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) berechtigt, unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt (BSG, Urteil vom 03.09. 2014 – B 10 ÜG 2/13 R -). Je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels und abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits sowie vom Verhalten des Rechtsschutzsuchenden sind ihm gewisse Wartezeiten zuzumuten. Grundsätzlich muss jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen (BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 -, Urteil vom 13.03.2014 – III ZR 91/13 -; BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R -; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.01.2015 – 4 EK 3/14 -). Inhaltliche Richtigkeit geht wegen Art. 20 Abs. 3 GG vor Schnelligkeit.
Unerheblich ist in diesem Kontext, ob das SG das Verfahren aus Sicht ex-post (hierzu BT-Drucks.17/3802, S. 18) optimal gefördert hat. Es ist nicht die Aufgabe des Entschädigungsgerichts, jede richterliche Verfahrenshandlung darauf zu überprüfen, ob und inwieweit sie sich ex-post als verfahrensfördernd oder -hemmend darstellt. Anspruchsauslösend sind vom Haftungssubjekt zu vertretenes Systemversagen und/oder strukturelle Defizite (zutreffend LSG Hessen, Urteil vom 06.02.2013 – L 6 SF 6/12 EK U -; hierzu auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.07.2014 – L 12 SF 47/13 EK U WA – zu strukturellen Defiziten der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern), nicht aber etwaige richterliche Pflichtwidrigkeiten (hierzu BT- Drucks. 17/3802, S. 19). Schon im Ansatz verfehlt sind daher Überlegungen danach, richterliche Verfahrensgestaltung auf "Vertretbarkeit" mit der Folge zu prüfen ist, dass eine nicht vertretbare Maßnahme entschädigungsrelevant ist. Abgesehen davon, dass sich insoweit eine Kollisionslage mit Art. 97 Abs. 1 GG und § 26 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ergeben kann (hierzu mit Blick auf die Untätigkeitsbeschwerde Bäcker, EuGRZ 2011, 222, 224 und Kroppenberg, ZZP 119 (2006), 177, 196 f.; zum weiten richterlichen Gestaltungsspielraum siehe auch BGH, Urteil vom 13.03.2014 – III ZR 91/13 -), verkennen die eine schlichte Vertretbarkeitsprüfung präferierenden Entscheidungen (z.B. OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.12.2013 – 11 EK 4/13 (PKH) -; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2013 – 4 EntV 3/13 -, nachgehend BGH, Urteil vom 10.04.2014 – III ZR 335/13 -) Sinn- und Zweck der §§ 198 ff. GVG. Im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB knüpft der Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht an Handlungs- sondern an Erfolgs"unrecht" an. Damit verbietet sich jede Prüfung richterlicher Verfahrensgestaltung dahin, ob sie (noch) vertretbar ist. Im Übrigen werden die vom BGH entwickelten Vertretbarkeitsmaßstäbe verkannt. Mitnichten prüft der BGH richterliche Verfahrenshandlungen auf "schlichte" Vertretbarkeit. Die vom BGH verwendete Formel lautet vielmehr:
"Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ( …). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar 2014 – III ZR 311/13, juris Rn. 30)."
Diese qualifizierte Vertretbarkeitskontrolle ("nicht mehr verständlich") ist ein offenkundiges aliud zur gelegentlich vorausgesetzten, Sinn und Zweck des Entschädigungssystems der §§ 198 ff. GVG allerdings verkennenden schlichten Vertretbarkeitsprüfung (Senat, Urteil vom 27.08.2014 – L 11 SF 155/13 EK SO -). Ein "nicht mehr verständliches Verhalten" des SG hat der Kläger nicht aufgezeigt (zur Substantiierung des Klagevorbringens siehe auch OLG Köln, Urteil vom 21.03.2013 – 7 SchH 5/12 -); es liegt auch – offenkundig – nicht vor. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht daher ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Erst wenn die Verfahrenslaufzeit in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 23/12 D -; BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 -) bzw. "nicht mehr verständlich" ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor. Das BSG hat dies für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit dahin gehend konkretisiert, dass dem Ausgangsgericht bei Verfahren mit etwa durchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten eingeräumt werden könne, sodass insoweit inaktive Zeiten unschädlich seien und nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer beitragen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden könnten (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R -; LSG Hamburg, Urteil vom 30.10.2014 – L 1 SF 15/13 ESV -). Hiernach ist bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen:
(1) Der Streitstoff des Ausgangsverfahrens ist nicht umfangreich; es sind aber medizinische Unterlagen, darunter zwei Gutachten, auszuwerten.
(2) Das Ausgangsverfahren weist annährend mittelgradige Schwierigkeiten auf; es bestehen im Wesentlichen medizinische Fragestellungen, die der Unterstützung sachverständiger Dritter bedürfen.
(3) Es steht kein eilbedürftiger, z.B. auf Existenzsicherung gerichteter Anspruch in Streit. Es handelt sich um eine GdB-Feststellung, mithin gemessen an den übrigen der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Streitverfahren um eine Angelegenheit von eher unterdurchschnittlicher Bedeutung.
Davon ausgehend besteht kein Anhaltspunkt dafür, von der vom BSG (Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R -) als regelmäßig akzeptierten Zeitspanne von zwölf Monaten abzuweichen. Allein die unter (1) aufgeführten Gesichtspunkte deuten allenfalls ansatzweise darauf hin, dass auch eine geringfügig unter zwölf Monaten liegende Vorbereitungs- und Bedenkzeit hinreichend sein könnte. Das kann jedoch dahinstehen, weil aufgrund der Überlegungen zu (3) eine Reduzierung der pauschalierten Vorbereitungs- und Bedenkzeit auf jeden Fall nicht angemessen wäre.
Im Ergebnis weist das Verfahren mithin keine unangemessene Verfahrensdauer auf. Soweit der Kläger längere Zeiten der Inaktivität angibt, beruht dies darauf, dass er nicht alle Aktivitäten des Gerichts erfasst (z.B. die Anforderung der Befundunterrichte oder die Anforderung der Akten S 29 R 264/14) und dass er dem Gericht nicht zuzurechnende notwendige Wartezeiten (z.B. bis zum Eingang der Befundberichte, der angeforderten Akten oder der Gutachten) zugeordnet hat oder gar meint, die Ermittlungstätigkeiten des Gerichts seien seiner Auffassung anzupassen und deshalb nicht bzw. nicht in dem getätigten Umfang erforderlich gewesen. Nicht zu erkennen ist, dass vorgenannte Wartezeiten aufgrund Inaktivität des Gerichts unangemessen gewesen wären. Auch Gutachten bzw. wie der Kläger es selber formuliert "umfangreiche medizinische Beweisermittlungen" erfordern Wartezeit aller Beteiligten. So ist dann auch die Zeit für das auf zwei Untersuchungen des Klägers beruhende Gutachten des Priv.-Doz. Dr. Q von ca. fünf Monaten nicht zu beanstanden oder gar dem Sozialgericht zuzurechnen, zumal das Gericht diese Zeit entgegen der Behauptung des Klägers keineswegs "hingenommen", sondern den Sachverständigen an die Erstellung des Gutachtens erinnert hat. Darauf, dass der Kläger selber zu der Gutachtensdauer durch eigenen Urlaub und sonstige Verhinderung der Teilnahme an einem Untersuchungstermin beigetragen hat, kommt es dabei schon gar nicht mehr an.
b) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 2 Satz 1 GVG). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG). Andernfalls werden diese Umstände von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat, bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Abs. 2 Satz 5 GVG).
Die Verzögerungsrüge hat eine Doppelnatur. Sie ist materielle Anspruchsvoraussetzung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -; BSG, Beschluss vom 27.06.2013 – B 10 ÜG 9/13 B -; LSG Thüringen, Urteil vom 26.11.2013 – L 3 SF 1135/12 EK -; LSG Bayern, Urteil vom 20.06.2013 – L 8 SF 134/12 EK -), kombiniert mit Elementen einer Prozesshandlung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -). Ohne wirksame Verzögerungsrüge entsteht der Entschädigungsanspruch nicht (Senat, Beschluss vom 17.12.2014 – L 11 SF 832/14 EK AS PKH -).
So liegt es hier. Der Kläger hat die Rüge nämlich zur Unzeit erhoben. Schon deshalb ist der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht begründet und ist die Klage abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2014 – III ZR 228/13 -). Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" geht (BT-Drucks. 17/3802, S. 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 04.12.2013 – L 11 SF 398/13 EK AS – und Urteil vom 27.08.2014 – L 11 SF 155/13 EK SO -).
In dem sozialgerichtlichen Verfahren ist bis zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge am 14.03.2015 lediglich eine, an der vorgenannten Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten gemessen lediglich unbedeutende Inaktivität von (gerundet) ca. vier Monaten (28.06.2013 bis 09.09.2013, 09.01.2014 bis 18.02.2014 und 08.06.2014 bis 24.07.2014) festzustellen. Ansonsten wurde das Verfahren vom Sozialgericht durchgängig und ohne jede ihm zuzurechnende Verzögerung betrieben. Zuletzt wurde unter dem 05.02.2015 gerade im Hinblick auf die vielfältigen Einwendungen des Klägers gegen das ihm ungünstige Gutachten des Priv.-Doz. Dr. Q eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme angefordert, so dass insgesamt für eine am 14.03.2015 erhobenen Verzögerungsrüge eine rechtsrelevante Grundlage fehlt, die Rüge also mithin "ins Leere geht".
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.03.2016
Zuletzt verändert am: 09.03.2016