Auf die Rev. d.Kl. wird das Urteil des LSG aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Neues Az.: = L 9 SO 526/18 ZVW !!!
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.03.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) für den Zeitraum 01.05.2013 bis 22.05.2013 zu erbringen sind.
Die im Jahre 1979 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige (mit Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz [AufenthG]). Im streitigen Zeitraum bezog sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit in Höhe von 216,01 EUR. Erstmals für Juni 2011 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
Mit Bescheid vom 27.03.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den Monat April 2013 i.H.v. 575,99 EUR. Die Klägerin hatte die Beklagte einige Tage zuvor darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr in der Türkei lebender Vater erkrankt sei und sie diesen besuchen wolle. Am 02.04.2013 flog die Klägerin zwecks Besuchs ihres Vaters in die Türkei. Ihre Anträge auf Übernahme der Reisekosten hatte die Beklagte zuvor mündlich abgelehnt. Mit Bescheid vom 29.04.2013 stellte die Beklagte die Leistungen nach dem SGB XII ab Mai 2013 vorläufig ein. Hiergegen legte die Klägerin am 15.05.2013 Widerspruch ein.
Am 22.05.2013 kehrte die Klägerin aus der Türkei zurück. Mit Bescheid vom 27.06.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII i.H.v. 575,99 EUR für "Juli 2013". Ausweislich der aufgeführten Berechnungsabschnitte 5 und 6 bewilligte die Beklagte der Klägerin dabei grundsätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt für Mai 2013 i.H.v. 65,03 EUR und für Juni 2013 i.H.v. 575,99 EUR. In der Begründung führte die Beklagte an, dass sich die Klägerin während des Aufenthalts in der Türkei nicht im Geltungsbereich des SGB XII aufgehalten habe. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2013 half der Kreis M dem Widerspruch insoweit ab, dass er für den Monat Mai 2013 einen Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe in Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten für den gesamten Monat sowie einen Anspruch auf Regelleistung ab dem 22.05.2013 in Höhe von insgesamt 320,78 EUR anerkannte. Im Übrigen wies der Kreis M den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Zeit vom 01.05.2013 bis 21.05.2013 sei der Regelsatz nicht zu gewähren. Gem. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII sei derjenige Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhalte. Tatsächlich habe sich die Klägerin in der Zeit vom 02.04.2013 bis 21.05.2013 in der Türkei aufgehalten. Bei einem vorübergehenden besuchsweisen Aufenthalt außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der im Inland entstehende Bedarf – beispielsweise Kosten der Unterkunft und Heizung, Krankenkassenbeitrag – zu decken sei, nicht jedoch der im Ausland entstehende Bedarf für den Lebensunterhalt. Der Regelsatz könne daher erst ab der Rückkehr gezahlt werden (Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 22.12.1998, Az.: 5 C 21.97).
Die Klägerin hat am 14.11.2013 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Die von der Beklagten vertretene Auffassung führe letztlich dazu, dass ein Sozialleistungsempfänger nicht das Land verlassen könne. Mit Blick auf die von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Klägerin angemerkt, dass es im vorliegenden Fall nicht um eine Urlaubsreise gegangen sei. Vielmehr habe sie von ihrem sterbenskranken Vater Abschied nehmen wollen. Dies dürfe ihr mit Blick auf § 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht genommen werden. Eine Einschränkung des Anspruchs auf Sozialleistungen aufgrund des Territorialprinzips über den Wortlaut des § 30 SGB I hinaus sei nicht zulässig. Dabei stehe es außer Frage, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland behalten habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2013 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis 22.05.2013 weitere Leistungen nach dem SGB XII i.H.v. 254,67 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides verwiesen. Es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, einen im Ausland entstehenden Bedarf zu decken.
Mit Urteil vom 17.03.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der Bescheide verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis 22.05.2013 weitere Leistungen nach dem SGB XII i.H.v. 254,67 EUR zu gewähren und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klägerin habe auch im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung der Regelleistung. Für diese Leistungsgewährung sei die Beklagte nach § 98 SGB XII örtlich zuständig. Bereits in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei davon ausgegangen worden, dass nicht jede auch nur kurzfristige Abwesenheit eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit nach sich ziehe. Die Regelung des § 98 SGB XII sei insbesondere auch im Lichte der Gesetzesänderungen zum 01.01.2005 zu sehen. Zwar überschreite der Auslandsaufenthalt der Klägerin mit einer Dauer von ungefähr sechs Wochen die vom Bundesverwaltungsgericht genannte zeitliche Grenze von einem Monat, jedoch sei zu Überzeugung der Kammer auch hier noch angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Neuregelungen von einer kurzfristigen Ortsabwesenheit auszugehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche im Regelsatz enthaltenen Bedarfe während des Zeitraums der Ortsabwesenheit nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Trägers entstanden wären. Eine Aufklärung im Einzelnen sei kaum möglich und würde dem pauschalen Deckungsprinzip zuwiderlaufen.
Gegen dieses dem Kreis M (als Vertreter) am 24.04.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2015 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe keinen Anspruch über die bereits gewährten Leistungen hinaus. Insofern fehle es an der örtlichen Zuständigkeit. Für den tatsächlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII komme es auf die körperliche, physische Anwesenheit an. Mit Blick auf die im Verwaltungsverfahren bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei von einer kurzfristigen Abwesenheit auszugehen, wenn die Abwesenheit bis zu einem Monat betrage. Um eine solche kurzfristige Abwesenheit habe es sich hier allerdings nicht gehandelt. Soweit das Sozialgericht sich auf die Entscheidung des LSG NRW vom 03.02.2010 beziehe, sei es dort um Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gegangen, bei denen ein "gewöhnlicher Aufenthalt" und nicht ein "tatsächlicher Aufenthalt" vorliegen müsse. Auf den "tatsächlichen Aufenthalt" stelle auch § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII ab, so dass der Anspruch auch unter diesem Gesichtspunkt abzulehnen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.03.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt ergänzend vor, dass § 98 Abs. 1 S. 2 SGB XII dahingehend zu verstehen sei, dass die Zuständigkeit erst mit Aufgabe des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ende. Es könne nicht sein, dass zwar ein Leistungsanspruch bestehe, dieser aber mangels zuständigem Leistungserbringer nicht durchsetzbar sei. Im Übrigen erscheine die Dauer des Türkeiaufenthalts angemessen. Aufgrund ihrer bestehenden Arbeitsunfähigkeit habe sie auch nicht eine etwaige Verpflichtung zur Arbeitssuche vernachlässigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die jedenfalls kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte Berufung der Beklagten ist auch im übrigen zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (hierzu unter "I."), aber unbegründet (hierzu unter "II.").
I.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Bei dem Regelbedarf/Regelsatz handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch, der durch einen selbstständigen Verfügungssatz geregelt wird und dementsprechend auch alleiniger, selbstständiger Gegenstand einer Klage sein kann (vgl. BSG, Urt. v. 09.06.2011 – B 8 SO 1/10 R – juris Rn. 11 f.).
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2013 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da der formell rechtmäßige Bescheid (hierzu unter "1.") auch materiell rechtmäßig ist (hierzu unter "2.").
1.
Die Beklagte ist gem. §§ 3, 97 Abs. 1, 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 3, 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 a) Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW (AG-SGB XII NRW) i.V.m. § 2 Abs. 1 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW (AV-SGB XII NRW) sachlich zuständig und passivlegitimiert.
Eine Anhörung gem. § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) war vor Erlass des (Teil-)Abhilfebescheids vom 27.06.2013, der zur Erledigung des Bescheides vom 29.04.2013 nach § 39 Abs. 2 SGB X geführt hat, nicht durchzuführen. Es ist kein Eingriff in die Rechte der Klägerin erkennbar. Der Klägerin waren zuvor nicht (weitergehende) Sozialhilfeleistungen im streitigen Zeitraum gewährt worden, weder durch den Bescheid vom 27.03.2013 noch konkludent durch eine tatsächliche Zahlung. Selbst für den Fall einer Anhörungspflicht wäre ein Anhörungsmangel aber jedenfalls mit Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X als geheilt anzusehen (vgl. BSG, Urt. v. 22.10.1998 – B 7 AL 106/97 R – juris Rn. 26; BSG, Urt. v. 13.12.2001 – B 13 RJ 67/99 R – juris Rn. 26 ff.; BSG, Urt. v. 11.06.2003 – B 5 RJ 28/02 R – juris Rn. 29; Senat, Urt. v. 16.05.2013 – L 9 SO 212/12 – juris Rn. 34; vgl. auch Senat, 19.12.2014 – L 9 AL 42/14 – unveröffentlicht; umfassend Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 15).
2.
Der Bescheid ist materiell rechtmäßig, da der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung des Regelbedarfs im Zeitraum 01.05.2013 bis 22.05.2013 zusteht. Die Klägerin erfüllt zwar grundsätzlich die Voraussetzungen einer nach § 18 SGB XII von Amts wegen zu erbringenden Leistungsgewährung nach §§ 27, 19 Abs. 1 SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt). Ein Anspruch ist allerdings nach § 23 SGB XII (hierzu unter "c.") ausgeschlossen. Es kann daher dahinstehen, ob ein Anspruchsausschluss auch aus § 98 SGB XII (hierzu unter "a.") oder aus §§ 2, 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII (hierzu unter "b.") folgt.
a.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Demnach ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 – 5 C 21/97 – juris Rn. 10; siehe auch VGH Bayern, Beschl. v. 18.01.2007 – 12 ZB 06.442 – juris Rn. 2) ist bei einem – wie hier – längeren als einmonatigen Auslandsaufenthalt nicht mehr von einem "tatsächlichen Aufenthalt" im Inland auszugehen. Eine andere Auslegung dieses Begriffs würde den Wortlaut sprengen und fügte sich systematisch auch nicht in die regelmäßig für einen Monat bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII ein.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht aus dem tatsächlichen Aufenthalt im Ausland den Schluss, dass "ein zuständiger Träger [im Inland fehlt] mit der Folge, dass dem Hilfebedürftigen eine sozialhilferechtliche Versorgung für einen im Ausland entstehenden Bedarf nicht zusteht. Das bedeutet nicht, dass ein Hilfeempfänger keine Urlaubsreisen ins Ausland machen dürfte, er muss allerdings seinen Bedarf in dieser Zeit selbst decken bzw. von anderen decken lassen" (BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 – 5 C 21/97 – juris Rn. 9; siehe auch LSG Hamburg, Beschl. v. 15.06.2005 – L 4 B 154/05 ER SO – juris Rn. 2). Allerdings kann nach Auffassung des BVerwG "eine Zuständigkeit des für den Inlandsaufenthaltsort zuständigen Trägers für einen mit dem Urlaub verbundenen besonderen Bedarf bestehen, wenn der geltend gemachte Bedarf bereits am Inlandsaufenthaltsort gegenwärtig war [ ]. Entscheidend ist demnach nicht, ob ein Bedarf für die Zeit einer Ortsveränderung – hier für die Zeit eines Auslandsaufenthalts – geltend gemacht wird, sondern ob er seiner Eigenart nach bereits am Ort des Inlandsaufenthalts gegenwärtig war [ ]" (BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 – 5 C 21/97 – juris Rn. 12; siehe auch SG Karlsruhe, Beschl. v. 15.04.2013 – S 1 SO 1033/13 – juris Rn. 4). Zutreffend führt das BVerwG weiter aus, dass die mit den Leistungen nach dem Regelsatz abgedeckten Bestandteile des notwendigen Lebensunterhalts "Lebensbedürfnisse [betreffen], welche jeweils am Ort des tatsächlichen Aufenthalts entstehen. Auch hier lässt sich ein unmittelbarer örtlicher Bezug des Bedarfs zum Zuständigkeitsbereich der Beklagten für die Zeit der Auslandsreise nicht feststellen." (BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 – 5 C 21/97 – juris Rn. 17). Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend fehlt es vorliegend für den im Ausland entstandenen Bedarf (Lebensunterhalt, d.h. insbesondere Ernährung und Körperpflege) an einem zuständigen Träger der Sozialhilfe, so dass – letztlich als Folge des Territorialitätsprinzips gem. § 30 SGB I – ein Anspruch auf Bedarfsdeckung ausscheidet. Auch der von der Klägerin zitierte Programmsatz des § 1 SGB I oder der Hinweis der Klägerin, dass sie im fraglichen Zeitraum keinen Urlaub gemacht habe, ändert nichts daran, dass die mit den Leistungen nach dem Regelsatz abgedeckten Bestandteile des notwendigen Lebensunterhalts Bedürfnisse betreffen, die in der Türkei entstanden sind.
Ausgehend von einer Entscheidung des 12. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Urt. v. 03.02.2010 – L 12 (20) SO 3/09 – juris Rn. 29) könnte aber die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit nicht auf das Sozialhilferecht (SGB XII) übertragbar sein. So trifft der seit 01.01.2004 geltende § 24 SGB XII auch bei gewöhnlichem Aufenthalt eines Deutschen im Ausland (hierzu Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 24 Rn. 18, 21; siehe auch Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 24 Rn. 13 ff.; Berlit, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 24 Rn. 5 unter Hinweis auf BVerwG, 31.08.1995 – 5 C 11.94) konkrete Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit inländischer Sozialhilfeträger, § 24 Abs. 4 S. 2-4 SGB XII. Wenn bei Deutschen, die sich nicht tatsächlich in Deutschland, sondern stattdessen im Ausland tatsächlich und sogar gewöhnlich aufhalten, eine örtliche Zuständigkeit gegeben ist, ist zu fragen, warum eine örtliche Zuständigkeit (mit der Folge eines faktischen Leistungsausschlusses) nicht gegeben sein soll bei jemandem, der sich – ohne sich schon gewöhnlich im Ausland aufzuhalten – allein rein tatsächlich (vorübergehend) nicht im Inland aufhält. Dies könnte einen Wertungswiderspruch darstellen. Diese Frage muss aber mangels Entscheidungserheblichkeit nicht vom Senat beantwortet werden (siehe unter "c.").
b.
Offen bleiben kann auch, ob der geltend gemachte Anspruch auf Regelleistung nach §§ 2, 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII ausgeschlossen ist. § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII lautet: "Im Einzelfall wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht." Es dürfen dabei einzelne von den Regelsätzen grundsätzlich erfasste Bedarfe betrachtet werden. Weiter darf wegen einer fehlenden Einschränkung in der Vorschrift und dem grundsätzlichen Abstellen auf einen Bedarfsmonat auch auf einzelne Monate mit abweichendem Bedarf abgestellt werden (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 27a Rn. 86 m.w.N.), hier also Mai 2013. Vorliegend könnte der Bedarf der Klägerin – insb. Ernährung und Körperpflege – im streitigen Zeitraum anderweitig gedeckt worden sein, nämlich durch die türkische Familie der Klägerin. Die Beweislast liegt allerdings bei der Beklagten (vgl. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 27a Rn. 37; siehe auch BSG, Urt. v. 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R – juris, wonach die Zuwendung Privater eher unter Einkommen nach §§ 82 ff. SGB XII zu subsumieren ist und allein die – hier offenbar nicht erfolgte anderweitige – staatliche Zuwendung unter § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII; kritisch dazu etwa Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 27a Rn. 94 f.; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 27a Rn. 31 f.).
c.
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungsgewährung nach §§ 27, 19 Abs. 1 SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) im fraglichen Zeitraum ist jedenfalls nach § 23 SGB XII ausgeschlossen. Die Klägerin ist als türkische Staatsangehörige Ausländerin nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Ihr ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII daher nur dann zu leisten, wenn sie "sich im Inland tatsächlich" aufhält, § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Der Begriff des tatsächlichen Aufenthalts, der auch im § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII verwendet wird, ist gesetzlich nicht definiert, anders als der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I). Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – ergangen zu dem Begriff des tatsächlichen Aufenthalts im Rahmen der Zuständigkeitsregelung (§ 97 Abs. 1 S. 1 BSHG; heute § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII) – "endet eine durch den tatsächlichen Aufenthalt eines Hilfeempfängers begründete örtliche Zuständigkeit eines Trägers der Sozialhilfe nicht schon bei jeder vorübergehenden Ortsabwesenheit des Hilfeempfängers; vielmehr geht auch die Beklagte entsprechend der üblichen Sozialhilfepraxis davon aus, dass kurzfristige Abwesenheiten während des Bewilligungszeitraums von regelmäßig einem Monat die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers unberührt lassen" (BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 – 5 C 21/97 – juris Rn. 10). Dem folgend (so etwa auch Söhngen, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 98 Rn. 24; siehe auch Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 98 Rn. 8 f.; unklar Schoch, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 98 Rn. 9 ff.; Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 21) und ausgehend von einem Aufenthalt der Klägerin in der Türkei vom 02.04.2013 an hat sich die Klägerin im fraglichen Zeitraum (01.05.2013 bis 22.05.2013) nicht tatsächlich im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, aufgehalten. In der Folge ist ihr grundsätzlich keine Hilfe zum Lebensunterhalt und damit auch kein Regelbedarf zu leisten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII, wonach die "Einschränkungen nach Satz 1" nicht für Ausländer gelten, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Zwar besitzt die Klägerin eine Niederlassungserlaubnis gem. §§ 9, 28 Abs. 2 AufenthG und hält sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet auf. Allerdings beziehen sich die "Einschränkungen nach Satz 1" nicht auf das dort ausgesprochene Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts, sondern auf das nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII eingeschränkte Leistungsangebot. Dafür spricht neben Sinn und Zweck auch der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 5 SGB XII, der allein auf Leistungen der Sozialhilfe abstellt (unklar Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 23 Rn. 37; Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 28).
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass sich die Klägerin gem. § 23 Abs. 1 S. 5 SGB XII auf Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 berufen kann. Demnach ist jeder der Vertragsschließenden – u.a. die BRD und Türkei – verpflichtet, "den Staatsangehörigen der anderen Vertragsschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen" (Voraussetzungen, Art und Umfang) die Leistungen der sozialen und der Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Nach Anhang I, geändert durch Erklärung der BRD vom 15.12.2011, gilt auch das SGB XII als (Fürsorge-)Leistung in diesem Sinne (siehe umfassend Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 31 ff.; siehe auch Greiser, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23 Rn. 84 ff.). Konsequenz daraus ist zwar, dass die Klägerin grds. wie eine deutsche Staatsangehörige zu behandeln ist (siehe hierzu § 24 SGB XII). Allerdings bezieht sich Art. 1 EFA, soweit dort von "aufhalten" die Rede ist, nicht auf den "gewöhnlichen Aufenthalt", der bei der Klägerin im fraglichen Zeitraum – trotz Aufenthalts in der Türkei – in Deutschland gelegen hat. Der gewöhnliche Aufenthalt wird in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I definiert als Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (hierzu auch Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 24 Rn. 18, 21; siehe auch Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 24 Rn. 13 ff.; Berlit, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 24 Rn. 5 unter Hinweis auf BVerwG, 31.08.1995 – 5 C 11.94). Vorliegend hat sich die Klägerin die ganzen letzten Jahre über in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und dort ihre Lebensverhältnisse gefestigt. Der Aufenthalt im Inland war auf Dauer angelegt, was auch die aktenkundigen Mietstreitigkeiten der Klägerin vor und nach ihrem Türkeiaufenthalt mit ihrem Vermieter belegen. Der Zeitrahmen, in dem sich die Klägerin in der Türkei aufgehalten hat, stellt sich deutlich kürzer dar als etwa die Dauer eines Auslandssemesters (zum gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Auslandsaufenthalt von acht Wochen siehe LSG NRW, Urt. v. 03.02.2010 – L 12 (20) SO 3/09 – juris Rn. 24). Die Klägerin hatte zudem offenkundig schon ein Rückflugticket gebucht, was erkennen lässt, dass sie sich nur vorübergehend in der Türkei aufhalten wollte (und dann auch aufgehalten hat). Von Anfang an diente der Aufenthalt in der Türkei allein dem Besuch des kranken Vaters. Allerdings bezieht sich Art. 1 EFA, soweit dort von "aufhalten" die Rede ist, nicht auf den "gewöhnlichen Aufenthalt", wie bereits ausgeführt. Vielmehr wird im Umkehrschluss aus Art. 6, 7, 12, 13, 14 EFA deutlich, dass es sich bei "aufhalten" im Sinne des Art. 1 EFA (siehe auch Art. 11 EFA) um den "tatsächlichen Aufenthalt" handeln muss. Art. 6, 7, 12, 13, 14 EFA stellen nämlich explizit auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" ab. Hätten die Vertragsschließenden des EFA dies auch für die allgemeine Zielbestimmung des Art. 1 EFA gewollt, hätten sie das Erfordernis eines (nur) "gewöhnlichen Aufenthalts" in Art. 1 EFA konkret benannt. Ist nun in Art. 1 EFA auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen, kann sich die Klägerin darauf – und letztlich über § 23 Abs. 1 S. 5 SGB XII auf § 24 SGB XII – nicht berufen: Tatsächlich hielt sich die Klägerin im fraglichen Zeitraum nicht in Deutschland auf.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 2, 193 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG.
IV.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 13.08.2018
Zuletzt verändert am: 13.08.2018