Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Er macht eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 32 AS 2694/15 Sozialgericht (SG) Duisburg geltend und begehrt Entschädigungszahlungen (Schriftsatz vom 17.11.2015). Im Ursprungsverfahren vor dem SG Duisburg hat der Antragsteller am 03.07.2015 Untätigkeitsklage gegen die Stadt F erhoben und die Bescheidung seines nicht unterschriebenen, unbezifferten und nicht begründeten Antrags vom 01.01.2015 "auf Erstattung von Bewerbungs- und Fahrtkosten zu" nicht näher bezeichneten "Bewerbungsgesprächen gem. § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III" und "Gleichstellung gem. § 2 Abs. 3 SGB IX" begehrt. Das SG hat unter dem 24.08.2015 wegen der zahlreichen zwischen dem Antragsteller und der Stadt F anhängigen Rechtsstreitigkeiten und grundsätzlicher Probleme des Umgangs miteinander die Durchführung eines Güteverfahrens angeregt. Der Antragsteller hat hierzu nicht Stellung genommen und stattdessen am 17.11.2015 die Dauer des Verfahrens gegenüber dem SG gerügt sowie am selben Tag beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens beantragt.
II.
1.
Der Senat ist gemäß § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG für die beabsichtigte Entschädigungsklage und damit auch für das damit verbundene Prozesskostenhilfeverfahren zuständig, da das zugrundeliegende Klageverfahren S 32 AS 2694/15 SG Duisburg im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde.
2.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.
Prozesskostenhilfe ist nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung nur zu bewilligen, wenn u.a. die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht ist dabei regelmäßig ohne vollständig abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen, da die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Hauptsache treten zu lassen. Daraus folgt, dass an die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern überhaupt erst zugänglich machen. Prozesskostenhilfe ist allerdings zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 03.09.2013 – 1 BvR 1419/13 – und vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 -).
Letzteres ist hier der Fall. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Senat das beklagte Land Nordrhein-Westfalen zur Zahlung einer Entschädigung an den Antragsteller verurteilen wird. Der Antragsteller hat die Entschädigungsklage und die Verzögerungsrüge verfrüht erhoben. Damit fehlt es an einer Sachurteils- und einer Anspruchsvoraussetzung.
a)
Gegen einen Klageerfolg spricht zunächst, dass der Antragsteller die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht gewahrt hat. Nach dieser Vorschrift kann eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird auch nicht durch späteren Fristablauf zulässig, eine Heilung findet nicht statt; diese Sachurteilsvoraussetzung ist jederzeit von Amts wegen zu beachten (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R ; Beschluss des Senats vom 24.03.2014 – L 11 SF 327/13 EK AS -).
Der Antragsteller hat am selben Tag Verzögerungsrüge und Klage erhoben bzw. Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt; er hat damit die vorgenannte Frist nicht eingehalten. Unerheblich ist, dass der Antragsteller ausdrücklich zunächst eine Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag begehrt hat, bevor sein diesem Antrag beigefügter Entwurf einer Entschädigungsklage dem beklagten Land zugestellt wird, und inzwischen, d.h. seit Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs, sechs Monate vergangen sind, so dass nunmehr die Klagefrist gewahrt wäre. Der Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ("eine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden.") spricht dafür, dass allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung und nicht auf den der Beantragung von Prozesskostenhilfe abzustellen ist. Nach § 90 SGG ist eine Klage nämlich erst erhoben, wenn dies ohne Bedingung, d.h. ohne Abhängigkeit von der Gewährung der Prozesskostenhilfe, geschieht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 90 Rdn. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2010 – L 5 AS 1949/09 B PKH -). Allerdings hat das BSG hervorgehoben, dass § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht speziell auf das sozialgerichtliche Verfahren abgestimmt sei, sondern einheitlich für alle Verfahrensordnungen gelte und entsprechend einheitlich zu interpretieren sei (BSG, Urteil vom 03.09.2014, – B 10 ÜG 2/14 R -). Dabei ist der Gesetzeszweck zu beachten. Der Sinn der Wartefrist besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden. Zugleich sollen die Entschädigungsgerichte vor verfrühten Entschädigungsklagen geschützt werden (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R -; Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 21.05.2014 – III ZR 355/13 – und vom 17.07.2014 – III ZR 228/13 -; Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 12.03.2013 – X S 12/13 (PKH) -). Beide Ziele würden verfehlt, wenn von der Formulierung "Erhebung der Klage" i.S.d. § 198 Abs. 5 Satz 1 SGB V nicht auch das einer solchen Klage gegebenenfalls vorausgehende und die Klage einleitende Prozesskostenhilfeverfahren als mitumfasst angesehen würde. Sonst würde nämlich bereits mit Erhebung der Verzögerungsrüge regelhaft ein Prozesskostenhilfeantrag für eine Entschädigungsklage gestellt werden können und würde das Gesetzesziel, das Ausgangsgericht zunächst zu einer Verfahrensbeschleunigung anzuhalten, konterkariert. Es käme vielmehr durch das weitere, auf Prozesskostenhilfe für die Entschädigungsklage gerichtete Verfahren zu einer zusätzlichen Belastung des Ausgangsgerichts und zu einer Verzögerung des Ausgangsverfahrens (z.B. infolge Aktenanforderung durch das für die Entschädigungsklage zuständige Gericht, Sachstandsanfragen, etc.). Zudem würde das Entschädigungsgericht nicht vor verfrühter Beschäftigung mit der Entschädigungsklage geschützt, sondern müsste sich bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verzögerungsrüge im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung umfassend mit der Entscheidungslage befassen.
b)
Einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Entschädigungsklage steht entgegen, dass der Antragsteller die Verzögerungsrüge deutlich verfrüht erhoben hat und diese damit unwirksam ist.
Die Verzögerungsrüge hat eine Doppelnatur. Sie ist materielle Anspruchsvoraussetzung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -; BSG, Beschluss vom 27.06.2013 – B 10 ÜG 9/13 B -; LSG Thüringen, Urteil vom 26.11.2013 – L 3 SF 1135/12 EK -; LSG Bayern, Urteil vom 20.06.2013 – L 8 SF 134/12 EK -), kombiniert mit Elementen einer Prozesshandlung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 -; Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Urteil vom 04.09.2014 – 21 F 1/13 -; vom Stein/Brand, NZS 2014, 113, 116; Horn, rv 2015, 148, 149). Ohne wirksame Verzögerungsrüge entsteht der Entschädigungsanspruch nicht (Senat, Urteil vom 22.04.2015 – L 11 SF 667/14 EK R -; Beschluss vom 17.12.2014 – L 11 SF 832/14 EK AS PKH -). Wird die Rüge zur Unzeit erhoben, ist der Anspruch nicht begründet und die Klage abzuweisen (BGH, Urteil vom 17.07.2014 – III ZR 228/13 -). Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" geht (BT-Drucks. 17/3802, 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn später tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 04.12.2013 – L 11 SF 398/13 EK AS -).
Nach § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird. Hier hat der Antragsteller bereits vier Monate nach Klageerhebung bei dem SG die Dauer des Verfahrens gerügt und damit erheblich verfrüht.
Im Rahmen der Prüfung, ob eine unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten hat und ob deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt ist. Dem Ausgangsgericht ist insofern eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Kalendermonaten je Instanz zuzubilligen, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R, B 10 ÜG 12/13 R, B 10 ÜG 2/14 R und B 10 ÜG 9/13 R -). Dass eine solche, selbst ggf. auch etwas kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit vom SG nicht eingehalten werden würde, dafür bestand bei Erhebung der Verzögerungsrüge vier Monate nach Klageerhebung kein Anhaltspunkt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das SG den Rechtsstreit bis dahin durchgängig ohne jede ihm zuzuordnende Verzögerung betrieben hat. Dass der beklagten Stadt F nach Zustellung der Klage hinreichend Gelegenheit zur Prüfung des Sachverhalts und Stellungnahme gewährt wird, ist für ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren zwingend. Dass der Antragsteller nach Bestreiten der Stadt, den Antrag vom 01.01.2015 erhalten zu haben, den Zugangsnachweis selber erst am 28.10.2015 vorlegt, ist dem Gericht ebenfalls nicht zuzurechnen.
3.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.06.2016
Zuletzt verändert am: 29.06.2016