Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.02.2015 abgeändert. Die weitergehende Klage auf Erstattung von 10.221,79 EUR wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/10. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Streitig ist im Berufungsverfahren nach teilweiser Klagerücknahme und einem angenommenen Teilanerkenntnis nur noch ein Betrag von 10.221,79 EUR.
Die Klägerin betreibt als Anstalt des öffentlichen Rechts das Universitätsklinikum.
Der am 00.00.1979 geborene polnische Staatsbürger N K (im Folgenden: Hilfebedürftiger oder Patient) wurde am Samstag, den 22.10.2011, um 7:22 Uhr mit schweren Brandverletzungen, einem Inhalationstrauma sowie einer Alkoholintoxikation notfallmäßig in der Klinik für Intensivmedizin der Klägerin stationär aufgenommen. Wegen einer im weiteren Behandlungsverlauf erlittenen Pneumonie und Sepsis dauerte die stationäre Behandlung in der Klinik für Intensivmedizin bis 07.11.2011 an. An diesem Tag erfolgte eine Verlegung des Hilfebedürftigen in die Klinik für plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, wo die stationäre Behandlung bis zur Entlassung am 10.11.2011 fortdauerte. Nach Angaben des Hilfebedürftigen gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin im weiteren Verlauf der stationären Behandlung verfügte dieser über keinen festen Wohnsitz und war mittellos. Auch gab er an, weder eine Meldeadresse noch eine Krankenversicherung zu besitzen und nicht über ein festes Einkommen zu verfügen.
Am 25.10.2011, einem Dienstag, erfolgte eine Mitteilung der Klägerin gegenüber der Beklagten über die stationäre Aufnahme des Hilfebedürftigen, verbunden mit einem Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten, die nach Behandlungsende auf 97.107,20 EUR beziffert wurden (Endrechnung vom 16.11.2011).
Nachdem zwischenzeitliche Ermittlungen der Klägerin bei der polnischen gesetzlichen Krankenversicherung betreffend einen Krankenversicherungsschutz des Hilfebedürftigen ergebnislos verlaufen waren, nahm sie am 02.11.2011 einen Antrag auf Sozialhilfe auf und übersandte diesen der Beklagten.
Nach Entlassung aus der stationären Behandlung (10.11.2011) hielt sich der Hilfebedürftige vorübergehend, bis 05.12.2011, im D, einer von der Caritas B getragenen Sozialeinrichtung, auf. Vom 07.12.2011 bis 13.12.2011 verbüßte er sodann eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA B. Von dort wurde er am 13.12.2011 in die JVA L und am 19.12.2011 weiter in die JVA T verlegt. Am 03.04.2012 wurde er aus der JVA T nach Polen entlassen.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 lehnte die Beklagte die beantragte Übernahme der Behandlungskosten ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Mittellosigkeit des Hilfebedürftigen nicht nachgewiesen sei.
Die Klägerin legte hiergegen am 04.01.2012 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Patient unstreitig hilfebedürftig gewesen sei. Er sei ohne festen Wohnsitz gewesen, habe keine Krankenversicherung und kein festes Einkommen besessen.
Die Städteregion B wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013 unter Vertiefung der bisherigen Ausführungen als unbegründet zurück. Ergänzend verwies sie auf eine schriftliche Befragung der vorübergehenden gesetzlichen Vertreterin des Hilfebedürftigen (Frau H) sowie schriftliche Anfragen bei den JVA´en B, L und T sowie des Jobcenters L zu Einkommen, Vermögen und Aufenthaltsort des Hilfebedürftigen, die ergebnislos verlaufen seien. Insbesondere sei ein von ihr veranlasstes Schreiben an die von der JVA T mitgeteilte Entlassadresse des Hilfebedürftigen in Polen ohne Antwort geblieben. Da somit eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich sei, trage die Klägerin als Nothelfer das Risiko der Unaufklärbarkeit.
Hiergegen hat die Klägerin am 30.04.2013 Klage bei dem Sozialgericht Aachen erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der stationären Behandlung des Hilfebedürftigen unstreitig um einen Not- bzw. Eilfall gehandelt habe. Ein vorrangig leistungspflichtiger Kostenträger liege nicht vor; insbesondere habe der Hilfebedürftige über keinen Krankenversicherungsschutz verfügt. So habe der polnische Krankenversicherungsträger in einem Schreiben vom 23.03.2012 angegeben, dass der Patient in Polen nicht krankenversichert sei. Ferner bestünden hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit des Patienten zum Behandlungszeitpunkt, namentlich die Umstände, unter denen der Patient aufgefunden worden sei (um Hilfe schreiend auf der Straße nach einer Nacht in einem leer stehenden Haus) sowie dessen offenkundige Mittellosigkeit (kein fester Wohnsitz, Aufenthalt in der Obdachloseneinrichtung D nach Entlassung aus der stationären Behandlung).
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 zu verurteilen, an sie 97.107,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten. Insbesondere sei Hilfebedürftigkeit des Patienten nicht nachgewiesen, was zu Lasten der Klägerin gehe.
Das Sozialgericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.02.2015 die Sozialarbeiterin I als Zeugin vernommen, die im D beschäftigt ist. Für die Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 83 ff. der Gerichtsakte).
Mit Urteil vom 06.02.2015 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an die Klägerin 97.107,20 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der vollständigen Behandlungskosten auf der Grundlage von § 25 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Danach seien jemandem, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht habe, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen habe. Diese Voraussetzungen lägen vor. Es sei sowohl das bedarfsbezogene als auch sozialhilferechtliche Moment des Eilfalls gegeben. So bestünden angesichts der schweren Verletzungen des Hilfebedürftigen keine Zweifel an der Notwendigkeit einer sofortigen stationären Behandlung durch die Klägerin. Weiter habe zum Zeitpunkt der Aufnahme des Hilfebedürftigen das sozialhilferechtliche Moment bestanden. Denn am 22.10.2011 – einem Samstag – sei eine rechtzeitige Leistung der Beklagten nicht zu erlangen gewesen. Dass die Klägerin bereits am Montag, den 24.10.2011 und damit zu Beginn der Dienstzeit der Beklagten den Hilfefall bei dieser hätte anzeigen können und spätestens mit Anzeige des Hilfefalls bei der Beklagten am Dienstag, den 25.10.2011, eine Zäsur eingetreten sei, lasse das bei Aufnahme gegebene sozialhilferechtliche Moment nicht rückwirkend wieder entfallen.
Ferner wären die dem Hilfebedürftigen erbrachten stationären Behandlungsleistungen bei rechtzeitigem Eingreifen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen. Denn zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass ein Sozialhilfeanspruch des Hilfebedürftigen in Form von Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII bestanden habe. Insbesondere sei ein solcher Anspruch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Hilfebedürftige die Leistungen der Krankenbehandlung von einem Träger anderer Sozialleistungen hätte erhalten können. So habe die Zeugin I im Rahmen ihrer Vernehmung glaubhaft ausgeführt, es hätten jegliche Anhaltspunkte dafür gefehlt, dass der Hilfebedürftige über eine anderweitige Versicherung gegen Krankheit verfügt habe. Es habe auch keine Versicherungspflicht des Hilfebedürftigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. b des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestanden. Dieser Versicherungstatbestand komme vorliegend nicht zur Anwendung, weil nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V eine Ausnahme von der Versicherungspflicht bestehe. Nach dieser Vorschrift würden Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union nicht von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfasst, wenn die Voraussetzung für eine Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – (FreizügG/EU) sei. Der Hilfebedürftige sei polnischer Staatsbürger und somit Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates der EU, und für ihn habe die Pflicht eines Krankenversicherungsschutzes als nicht Erwerbstätiger nach § 4 Satz 1 FreizügG/EU bestanden. Demgegenüber sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Hilfebedürftige als Arbeitnehmer oder Arbeitssuchender nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt gewesen sei, zumal die Zeugin I im Rahmen der Beweisaufnahme erklärt habe, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich gewesen, dass er irgendwo gearbeitet habe.
Ferner stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Hilfebedürftige nicht über eigenes Einkommen oder Vermögen i.S.d. § 19 Abs. 3 SGB XII verfügt habe. Dies ergebe sich aus der Vernehmung der Zeugin I sowie aus der von der Klägerin eingeholten Auskunft der JVA T. So habe die Zeugin nachvollziehbar ausgeführt, dass es für Menschen mit Einkommen oder Vermögen eine Hemmschwelle gebe, sich im D anzumelden bzw. dort um Unterkunft nachzusuchen. Bereits daraus lasse sich schließen, dass der Hilfebedürftige das Café als Anlaufstelle gewählt habe, weil er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügt habe, in einem Hotel oder in einer Jugendherberge o.ä. unterzukommen. Für Mittellosigkeit des Hilfebedürftigen spreche zudem, dass dieser im weiteren Verlauf der stationären Behandlung gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin angegeben habe, über keinen festen Wohnsitz zu verfügen und mittellos zu sein.
Auch habe die Klägerin ihre Erstattungsforderung im Rahmen einer angemessenen Frist bei der Beklagten, nämlich am 25.10.2011 und damit wenige Tage nach der Aufnahme des Hilfebedürftigen, geltend gemacht.
Die Beklagte sei der Klägerin gegenüber nicht lediglich zur Erstattung ihrer Aufwendungen anteilig vom Tag der stationären Aufnahme bis zum Tag der Dienstbereitschaft der Beklagten am Montag, den 24.10.2011 verpflichtet, sondern zur Übernahme der vollständigen Kosten. Diese Leistungen richteten sich nach Maßgabe der §§ 48, 52 SGB XII nach den für zugelassene Krankenhäuser geltenden Vergütungsregelungen des SGB V. Abzustellen sei deshalb auf die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen, die sich für das Jahr 2011 aus der Fallpauschalenvereinbarung 2011 ergebe. Daraus folge, dass die Verweildauer des Hilfebedürftigen die obere Grenzverweildauer nicht überschritten habe. Auch sei aus der von der Klägerin erstellten Aufstellung ersichtlich, dass die DRG Y01Z für Beatmungen bei schweren Verbrennungen von mehr als 95 Stunden in Höhe von 96.991,25 EUR berücksichtigungsfähig sei. Überdies seien auch die weiteren in Ansatz gebrachten Zuschläge berücksichtigungsfähig, so dass insgesamt keine Zweifel bestünden, dass die Gesamtaufwendungssumme von 97.107,20 EUR zu berücksichtigen sei.
Das Gericht halte eine zeitanteilige Beschränkung des Anspruchs der Klägerin auf Behandlungskosten (pro rata temporis) nicht für sachgerecht. Zwar sei durch die mögliche Information der Beklagten am Montag, den 24.10.2011, die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen eingetreten. Gleichwohl seien die Behandlungskosten im Wesentlichen durch die am Tag der Aufnahme eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen angefallen. Dem lasse sich auch nicht entgegenhalten, dass der Hilfebedürftige im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung eine Sepsis und eine Lungenentzündung erlitten habe. Denn nach den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei die nach dem Fallpauschalensystem gegebene Codierung für schwere Verbrennungsverletzungen derart hoch, dass die erlittene Sepsis und Lungenentzündung jedenfalls abrechnungstechnisch daneben keine Rolle gespielt habe. Seien damit aber die geltend gemachten Kosten im Wesentlichen schon bei Aufnahme des Hilfebedürftigen am 22.10.2011 absehbar gewesen bzw. angefallen, erscheine es nicht opportun, die Klägerin lediglich auf einen anteiligen Ersatz in Höhe von 2/20 zu verweisen.
Gegen dieses der Beklagten am 20.03.2015 zugestellte Urteil richtet sich die von ihr am 14.04.2015 eingelegte Berufung, die sie zunächst wie folgt begründet hat:
Das Sozialgericht habe verkannt, dass das BSG als Aufwendungen im gebotenen Umfang nach § 25 SGB XII mittlerweile nur noch eine tagesbezogene anteilige Vergütung nach der maßgeblichen Fallpauschale (pro rata temporis) ansehe und sich hierbei im Gegensatz zu älterer, noch von dem Sozialgericht zitierter Rechtsprechung eindeutig positioniere (Hinweis auf Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -). Dementsprechend habe die Beklagte nur die ersten beiden Behandlungstage (22.10.2011 und 23.10.2011) vor Eintritt der Zäsur zu erstatten.
Die Klägerin hat daraufhin vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des BSG die Klage in Höhe der ab Kenntnisnahme der Beklagten vom Eilfall entstandenen Behandlungskosten zurückgenommen und "allein die bis zur Kenntnis der Beklagten angefallenen tageweisen Kosten" in Höhe von 20.443,60 EUR beansprucht. Zu diesem Zweck hat sie eine neue Endrechnung vom 02.12.2016 eingereicht. Die Beklagte habe der Klägerin den Zeitraum der stationären Behandlung bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme am Vormittag des 25.10.2011 zu erstatten, so dass auch die Zeit ab 0:00 Uhr für diesen Tag bis zum Beginn der normalen Dienstbereitschaft der Beklagten in den Nothelferanspruch mit einzubeziehen sei.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer reduzierten Forderung als Multiplikator vier Behandlungstage, hier also vom 22.10.2011 bis einschließlich 25.10.2011, dem Tag der tatsächlichen Kenntnisverschaffung der Beklagten vom Nothelferfall, angesetzt habe. Allerdings bilde nicht nur die Kenntnis des Sozialhilfeträgers, sondern auch die Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen. Dies sei hier Montag, der 24.10.2011 gewesen, an dem die Beklagte wieder dienstbereit gewesen sei. Folglich seien keineswegs vier Tage als Multiplikator anzusetzen. Ferner sei auch der Tag, an welchem die Zäsur eintrete, nicht mehr dem Leistungszeitraum des Nothelfers, sondern dem des Hilfebedürftigen zuzurechnen. Folglich habe der Eilfall hier mit dem Ablauf desjenigen Tages geendet, welcher dem Tag der Kenntnis der Beklagten vom Hilfefall bzw. der Obliegenheitsverletzung der Klägerin vorausgegangen sei, hier also am 23.10.2011 um 24 Uhr. Daraus ergebe sich ein Multiplikator von zwei. Da entsprechend § 1 Abs. 7 Satz 1 der Fallpauschalenverordnung – (FPV) als Verweildauer die Zahl der Belegungstage ohne den Entlassungstag gelte und damit hier – entsprechend der neuen Endrechnung der Klägerin – 19 Tage als Divisor der für den gesamten Behandlungszeitraum angefallenen Kosten in Höhe von 97.107,20 EUR zu berücksichtigen seien, sehe die Beklagte einen Anspruch der Klägerin in Höhe von 10.221,81 EUR (97.107,20 EUR: 19 Tage x 2 Tage) als gegeben an.
Im Verhandlungstermin vor dem Senat hat die Beklagte ein entsprechendes Teilanerkenntnis in Höhe von 10.221,81 EUR für die Behandlungstage 22.10.2011 und 23.10.2011 abgegeben, das die Klägerin angenommen hat.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.02.2015 abzuändern und die weitergehende Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, soweit die Klägerin von der Beklagten einen Aufwendungsersatz als Nothelferin von mehr als 10.221,81 EUR gefordert hat. Nur hinsichtlich dieses Betrages besteht der – von der Beklagten auch anerkannte – Zahlungsanspruch der Klägerin und erweist sich der ursprünglich ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013 als rechtswidrig. Im Übrigen ist die nach teilweiser Rücknahme und Annahme des Teilanerkenntnisses von der Klägerin nur noch im Umfang vom 10.221,79 EUR aufrechterhaltene Klage unbegründet.
1.) Streitgegenstand ist der ursprüngliche – ablehnende – Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2013, gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) wendet. Die Klägerin hat die Klage im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 06.12.2016 insoweit zurückgenommen (§ 102 Abs. 1 SGG), als sie statt des ursprünglich begehrten Erstattungsbetrages in Höhe von 97.107,20 EUR nur noch Kostenerstattung in Höhe von 20.443,60 EUR gefordert hat (teilweise Klagerücknahme, die auch im Berufungsverfahren zulässig ist, s. BSG, Urt. v. 23.02.2017 – B 11 AL 2/16 R – Terminbericht Nr. 4/17). Die (dem ursprünglichen Begehren der Klägerin vollständig stattgebende) erstinstanzliche Entscheidung ist insoweit wirkungslos geworden (vgl. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO), während der Rechtsstreit im Übrigen anhängig bleibt (s. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 102 Rn. 9, 10a). Da die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Senat zudem ein Teilanerkenntnis in Höhe von 10.221,81 EUR abgegeben und die Klägerin dieses angenommen hat, ist nur noch der weitere Betrag von 10.221,79 EUR Gegenstand des Berufungsverfahrens.
2.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 10.221,79 EUR als Aufwendungsersatz aus dem Gesichtspunkt der Nothilfe.
Ein Anspruch der Klägerin als Nothelfer – andere Anspruchsgrundlagen scheiden aus – kann sich nur aus § 25 SGB XII ergeben. Danach sind demjenigen, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (Satz 1) und wenn er die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt (Satz 2).
a) Der Anspruch der Klägerin als Nothelfer richtet sich gegen die Beklagte als sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe am Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfebedürftigen (§§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 SGB XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 und der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004; vgl. zur örtlichen Zuständigkeit in Nothilfefällen BSG, Urt. vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 11). Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten richtet sich nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Der Hilfebedürftige hielt sich bei der Aufnahme im Universitätsklinikum der Klägerin am 22.10.2011 tatsächlich in B auf, weil er auf der dortigen Trierer Straße aufgefunden wurde.
b) In materiell-rechtlicher Hinsicht setzt ein Anspruch nach § 25 SGB XII zunächst voraus, dass ein beim Nothilfeempfänger bestehender unabwendbarer Bedarf nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII unmittelbar durch den Dritten gedeckt wird. Dieses sog. bedarfsbezogene Moment beschreibt die Eilbedürftigkeit des Eingreifens selbst (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R -, juris Rn. 16). Das Sozialgericht hat das Vorliegen dieses bedarfsbezogenen Moments im Zeitpunkt der stationären Aufnahme des Hilfebedürftigen am Samstag, den 22.10.2011 zutreffend bejaht. Der Hilfebedürftige wurde mit schweren Brandverletzungen und einem Inhalationstrauma notfallmäßig in die Klinik für Intensivmedizin aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt bestand folglich eine unaufschiebbare Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit, die die Beklagte als Hilfe bei Krankheit (§§ 19 Abs. 3, 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und §§ 48, 52 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und § 39 SGB V) sofort decken musste. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen und wird auch von der Beklagten nicht ernsthaft in Abrede gestellt.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat jedoch das sog. sozialhilferechtliche Moment des Eilfalls und damit der Eilfall i.S.d. § 25 Satz 1 SGB XII selbst nur am 22.10.2011 und 23.10.2011 bestanden. Er endete folglich am Montag, den 24.10.2011. Letzterer Tag wird auch nicht dem Nothelfer, sondern ausschließlich dem Hilfebedürftigen zugerechnet.
aa) Der Anspruch des Nothelfers besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur, solange der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Ein Eilfall liegt damit nicht vor, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt (vgl. BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Dieses sozialhilferechtliche Moment des Eilfalls hat hier am 22.10.2011 und 23.10.2011 (Samstag und Sonntag) bestanden, weil es der Klägerin objektiv unmöglich gewesen ist, den zuständigen Sozialhilfeträger an diesen Tagen über den Hilfefall zu unterrichten, weil die Aufnahme an einem Samstag und damit außerhalb der Dienstzeiten der Beklagten erfolgt ist.
bb) Der Eilfall ist jedoch am Montag, den 24.10.2011 wieder entfallen und nicht erst – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – am 25.10.2011 mit der tatsächlichen Kenntnisverschaffung der Beklagten vom Nothelferfall, womit sie lediglich (frühestens) die Frist des § 25 Satz 2 SGB XII gewahrt hat. Denn die Klägerin hat der an diesem Tag wieder dienstbereiten Beklagten keine Kenntnis vom Hilfefall verschafft und auf diese Weise ihre Obliegenheiten verletzt. Die Obliegenheit eines Krankenhauses, den Sozialhilfeträger zu unterrichten, wird regelmäßig dann ausgelöst, wenn der Patient – wie hier – einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch Vorlage einer Versichertenkarte (vgl. § 15 Abs. 6 SGB V) nachweisen kann und sich auch ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (s. BSG, Urt. v. 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R -, juris Rn. 19; BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 16).
Nach Aktenlage konnten sich aus Sicht der Klägerin bereits am Tag der notfallmäßigen Aufnahme des Hilfebedürftigen in ihrer Klinik keinerlei Umstände ergeben, die auf eine Kostensicherheit für das Krankenhaus hinsichtlich des Bestehens einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung hätten hindeuten können. Dass die Kostensituation unklar war, ergab sich bereits aus der der Klägerin bei Aufnahme des Patienten bekannten Auffindesituation unter Berücksichtigung der Befragung des Hilfebedürftigen durch die hinzugezogenen Polizeibeamten kurz nach Eintreffen in der Notaufnahme der Klägerin. Hierbei gab der Patient nach den Ausführungen der Klägerin an, keinen festen Wohnsitz zu haben und sich nachts in das alte Zollhaus am Kennedy-Park, ein leer stehendes Haus, begeben zu haben, um dort zu schlafen. Folglich war die Mittellosigkeit und Obdachlosigkeit des Patienten schon bei dessen Aufnahme derart offenkundig, dass es für die Klägerin keinen ersichtlichen Grund gegeben hat, der Beklagten nicht bereits am Montag, den 24.10.2011, Kenntnis vom Hilfefall zu verschaffen. Einen solchen hat die Klägerin im Übrigen auch nicht benannt. Darauf, dass der Patient am 25.10.2011 nicht ansprechbar gewesen und beatmet worden ist, kommt es angesichts des dargestellten Geschehensablaufes nicht an, zumal sich die Klägerin trotz dieses Umstandes am gleichen Tage nicht gehindert gesehen hat, die Beklagte vom Eilfall zu unterrichten und vorsorglich Kostenübernahme für die Behandlung des Patienten zu beantragen.
cc) Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist auch der Tag der Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. der Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus, also im vorliegenden Fall der 24.10.2011, nicht dem Zeitraum des § 25 SGB XII zuzurechnen, sondern dem Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Anspruchs des Hilfebedürftigen gegen den beklagten Sozialhilfeträger. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus den vom BSG formulierten und auch von dem erkennenden Senat zu Grunde gelegten Voraussetzungen für das Vorliegen eines Eilfalls, insbesondere seines Entfallens. Danach bildet die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. die Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen. Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, steht dem Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall i.S.d. § 25 SGB XII vorlag (so eindeutig BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 32). Dass der Tag der (möglichen) Kenntnisverschaffung nicht mehr dem Eilfall i.S.d. § 25 SGB XII zuzurechnen ist, ergibt sich auch aus seinem systematischen Verhältnis zu § 18 SGB XII, wonach Sozialhilfe überhaupt erst bei entsprechender Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom noch ungedeckten Hilfebedarf einsetzt und § 25 SGB XII in Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung von Sozialhilfe (dies betonend BSG, a.a.O. -, juris Rn. 17) diesen Anspruch in einer Ausnahmesituation zu Gunsten des Nothelfers quasi vorverlagert (vgl. auch Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 25 Rn. 3). Damit ist der Tag, an dem der Eilfall endet, nicht von dem Nothelferanspruch erfasst. Auch greift die Argumentation der Klägerin – wenn auch bezogen auf den ohnehin nicht maßgeblichen Tag der tatsächlichen Kenntnisverschaffung am 25.10.2011 – nicht, dass ein Eilfall jedenfalls im Zeitraum von 0:00 Uhr bis zur regelmäßigen Aufnahme der Dienstbereitschaft des Sozialhilfeträgers noch gegeben ist. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, wird Sozialhilfe tageweise gewährt, so dass der kleinste Zeitraum eines Sozialhilfebezuges der Tag und gerade nicht die Stunde ist. Da sich die Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen aber gegenseitig ausschließen, setzt die Leistung für den Hilfebedürftigen (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) am Tag der Kenntnis um 0:00 Uhr ein. Hierauf kommt es jedoch, wie bereits ausgeführt, gar nicht an, da das Ende des Eilfalls hier mit der Verletzung der Obliegenheitspflicht der Klägerin (s.o.) bereits am 24.10.2011 eingetreten ist.
d) Das Sozialgericht hat auf der Grundlage der aktenkundigen Unterlagen sowie der Aussagen der im Termin vernommenen Zeugin I zutreffend die für den Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers erforderliche Hilfebedürftigkeit des Patienten im maßgeblichen Zeitpunkt der stationären Aufnahme bejaht. Auch der Senat ist davon überzeugt, dass der Patient über keinerlei anrechenbares Einkommen oder verwertbares und einzusetzendes Vermögen verfügte und damit in der Lage gewesen ist, die Kosten für die notwendige Krankenhausbehandlung auch nur anteilig selbst aufzubringen. Insoweit nimmt der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
e) Einem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 25 SGB XII steht auch der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nicht entgehen. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, bestand für den Patienten kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), so dass keine Krankenkasse vorrangig für die Erbringung der Leistung zuständig war und diese Leistung (ggf. im Kontext des § 25 SGB XII) als Sachleistung – ohne Rücksicht auf die Kenntnis davon – bereits erbracht wäre (hierzu BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 20 m.w.N.). Der hier allein denkbaren Versicherungspflicht des Patienten nach dem Auffangversicherungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stand bereits die Vorschrift des § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V entgegen. Danach werden Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht erfasst, wenn die Voraussetzungen für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 FreizügG/EU ist. Diese in Bezug genommene Regelung bestimmt wiederum u.a., dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 FreizügG/EU) nur haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Für den Personenkreis der Unionsbürger, der nur unter der Voraussetzung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat, besteht keine Auffangversicherung in der GKV. Allein die entsprechende Verpflichtung nach § 4 FreizügG/EU schließt dabei die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus; auf eine tatsächliche Absicherung für den Krankheitsfall kommt es nicht an (BSG, a.a.O. -, juris Rn. 21). Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, bestehen nach Aktenlage sowie unter Würdigung der Aussage der Zeugin I keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Hilfebedürftige, der polnischer Staatsbürger und damit Unionsbürger ist, dem Personenkreis der Arbeitnehmer, Arbeitssuchenden oder Selbständigen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 1a oder 2 FreizügG/EU) im Zeitpunkt der stationären Behandlung zuzuordnen war.
Ob für den Hilfebedürftigen eine Krankenversicherung in Polen bestand, was angesichts des Schreibens des polnischen Krankenversicherungsträger vom 23.03.2012 äußerst zweifelhaft ist, ist unerheblich, da insoweit der Nachrang der Sozialhilfe von vornherein nicht eingreift. Da es sich bei § 2 Abs. 1 SGB XII nicht um eine isolierte Ausschlussnorm handelt, ist für den Nachrang nicht das Bestehen anderer Leistungsansprüche, sondern erst der Erhalt dieser anderen Leistungen maßgeblich (BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 23). Eine Krankenversicherung im Ausland böte aber keinen dem Recht der GKV vergleichbaren unmittelbaren Schutz durch die Inanspruchnahme von Sachleistungen im Inland. Ein Kostenersatzanspruch, der aber erst noch durchgesetzt werden müsste, reicht für die Anwendung des § 2 Abs. 1 SGB XII nicht aus. Auch bestehen für die Aushändigung einer Versicherungskarte an den Hilfebedürftigen über das Vorliegen eines Versicherungsschutzes im Wege der Sachleistungshilfe, die entsprechend Art. 17 ff. der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 einen Sachleistungsanspruch vermittelt, keinerlei Anhaltspunkte (hierzu BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 23).
Sollten ferner die Brandverletzungen des Hilfebedürftigen aus einer Straftat herrühren, was nach Einstellung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ungeklärt geblieben ist, könnten auch mögliche Ansprüche gegen potentielle Schädiger oder Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) nicht zu einem Ausschluss der Sozialhilfe unter dem Gesichtspunkt des Nachrangs führen; auf – erst recht völlig unsichere – Ausgleichsansprüche kann der Leistungsberechtigte nicht verwiesen werden (s. näher BSG, a.a.O. -, juris Rn. 24).
f) Schließlich war der Anspruch des Patienten als Ausländer auch nicht nach § 23 Abs. 3 SGB XII a.F. ausgeschlossen. Ungeachtet dessen, ob der Hilfebedürftige einen dieser Ausschlusstatbestände erfüllt hat (Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen oder Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche), was nach Aktenlage zweifelhaft ist, wäre ihm bei der hier vorliegenden Notwendigkeit einer unaufschiebbaren Krankenbehandlung Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a.F. zu gewähren gewesen. Auch dem Ausländer, der dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII a.F. unterfällt, kann der Träger der Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen Sozialhilfe gewähren, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (so bereits BVerwG, Urt. v. 10.12.1987 – 5 C 32/85 -, juris Rn. 18); dies gilt gleichermaßen für den (möglichen) Leistungsausschluss für Ausländer nach § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt SGB XII. a.F. Insbesondere wenn – wie hier – wegen der Notwendigkeit von unaufschiebbaren Krankenbehandlungsmaßnahmen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG berührt ist, muss die Erbringung von entsprechenden Leistungen bei Mittellosigkeit gewährleistet sein; das Ermessen ist dann auf Null reduziert (BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 28; Senat, Urt. v. 18.08.2016 – L 9 SO 328/14 -, juris Rn. 51).
g) Endlich begrenzt § 25 SGB XII den Anspruch der Klägerin als Nothelfer der Höhe nach auf die Erstattung von Aufwendungen "in gebotenem Umfang". Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen sind (im Grundsatz) die Kosten, die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis ihrerseits hätte aufwenden müssen (BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 29); soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage von der Beklagten Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) entsprechend (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich das Kostenerstattungsbegehren nach den Vorschriften des SGB V (BSG, a.a.O.). Um "Aufwendungen in gebotenem Umfang" i.S.d. § 25 SGB XII handelt es sich jedenfalls dann, wenn die geltend gemachte Vergütung der nach dem SGB V und den sonstigen Normen und Verträgen entspricht. Der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses nach dem SGB V bestimmt sich nach einer Fallpauschale, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt (vgl. § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Normfassung des Fallpauschalengesetzes vom 23.04.2002 i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, jeweils in den Normfassungen des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 15.12.2004 – BGBl. I 3429 -; vgl. dazu nur BSG, Urt. v. 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R -, juris).
Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hat die Beklagte ausgehend von der maßgeblichen Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten. Eine solche Abrechnung gewährleistet einerseits den Zweck der Nothilfe, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, ohne dass andererseits eine vom Gesetzgeber unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe gefördert würde. Für den Nothelfer verbleibt so der Anreiz, seiner Obliegenheit entsprechend den Sozialhilfeträger möglichst schnell vom Eilfall zu unterrichten; hierfür bestünde aus Sicht des Nothelfers bei einer Erstattung der gesamten Fallpauschale als "Aufwendung in gebotenem Umfang" für den ersten Tag des Eilfalls keine Notwendigkeit mehr. Ein Krankenhaus als Nothelfer, das sich seinen Obliegenheiten entsprechend verhält, erlangt auch bei einer Abrechnung "pro rata temporis" einen umfassenden Kostenerstattungsanspruch für die gesamte Behandlung. Soweit Hilfebedürftigkeit des Patienten tatsächlich besteht und das Krankenhaus rechtzeitig Kenntnis vom Eilfall gegeben hat, trägt der Sozialhilfeträger auch die Kosten der Behandlung im Anschluss daran (s. ausf. BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 31 ff.). Für die von dem Sozialgericht vertretene Ausnahme für den Fall, dass eine tagesbezogene anteilige Vergütung dann nicht sachgerecht sei, wenn die wesentlichen Behandlungskosten durch die am Tag der Aufnahme eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen angefallen sind, gibt es nach der nunmehr verfestigten Rechtsprechung des BSG, der der Senat uneingeschränkt folgt (s. Urt. v. 18.08.2016 – L 9 SO 328/14 -, juris Rn. 55; Urt. v. 20.10.2016 – L 9 SO 317/16 -, juris Rn. 32), schon aus gesamtsystematischer Sicht im Verhältnis zur GKV, insbesondere dem Einsetzen der sog. Quasiversicherung für die Zeit nach Kenntniserlangung durch den Sozialhilfeträger (§ 264 Abs. 2 bis 7 SGB V, s. BSG, Urt. v. 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R -, juris Rn. 32), keine Grundlage mehr. Dem hat die Klägerin durch die teilweise Klagerücknahme im Berufungsverfahren Rechnung getragen. Dementsprechend steht der Klägerin als Nothelfer von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Einfall i.S.d. § 25 SGB XII vorlag (s. BSG, a.a.O. -, juris Rn. 32 a.E.).
h) Aus alledem folgt, dass – ausgehend von dem Eilfall am 22.10.2011 und 23.10.2011 (s.o.) – der Klägerin 2 Belegtage zu erstatten sind. Da entsprechend § 1 Abs. 7 Satz 1 der Fallpauschalenverordnung – (FPV) als Verweildauer die Zahl der Belegungstage ohne den Entlassungstag gilt und damit hier – entsprechend der neuen Endrechnung der Klägerin vom 02.12.2016 – 19 Tage als Divisor der für den gesamten Behandlungszeitraum angefallenen Kosten in Höhe von 97.107,20 EUR zu berücksichtigen sind, hat die Klägerin gegen die Beklagte einen (von dieser auch anerkannten) Anspruch in Höhe von 10.221,81 EUR (97.107,20 EUR: 19 Tage x 2 Tage), nicht aber für die hier allein noch streitigen Tage 24.10.2011 und 25.10.2011, so dass die weitergehende Klage in Höhe von 10.221,79 EUR abzuweisen war.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Klägerin gehört in ihrer Eigenschaft als Nothelfer nach § 25 SGB XII zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG (vgl. BSG, Beschl. v. 11.06.2008 – B 8 SO 45/07 B -, juris Rn. 9; BSG, Urt. v. 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R -, juris Rn. 23).
4.) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 19.04.2018
Zuletzt verändert am: 19.04.2018