Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 1.12.2016 geändert. Dem Beschwerdeführer sind über die bisher festgesetzten Gebühren und Auslagen weitere Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse i.H.v. 219,85 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung streitig.
Mit Bescheid vom 22.1.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.1.2010 verwerte die Beklagte den fünf Klägern die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1.6.2009. Die Klage hat das Ausgangsgericht mit Urteil vom 18.12.2012 abgewiesen. Dem Leistungsbegehren stünde der bestandskräftige Versagungsbescheid vom 22.1.2010 entgegen. Die fristgerecht im Januar 2013 erhobene Berufung begründen die Kläger schließlich mit einem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17.9.2013, der in 14 Zeilen zur Sache im wesentlichen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren Bezug nimmt. Die Beklagte erwidert ebenfalls mit einer Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Ausführungen und das angefochtene Urteil. Weitere Schriftsätze wurden zur Sache nicht gewechselt. Mit Schriftsatz vom 10.10.2014 haben die Kläger um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ersucht. Dem Ersuchen hat der Senat mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 nach Vergleichsschluss und Erledigung der Angelegenheit für die Zeit ab 10.10.2014 entsprochen.
Unter dem 24.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung für die Prozessvertretung bei dem LSG gegenüber der Landeskasse wie folgt beantragt:
Verfahrensgebühr VV 3204, 310,00 EUR davon ab PKH-Antragstellung 3/8: 116,25 EUR Mehrvertretungsgebühr VV 1008 für vier weitere Auftraggeber, 372,00 EUR dafür ab PKH- Antragstellung entsprechend anteilig 1/3: 139,50 EUR Terminsgebühr VV 3205: 200,00 EUR Einigungsgebühr VV 1000, 1005, 1007: 250,00 EUR Post und Telekommunikationsentgelte VV 7001, 7002: 20,00 EUR Anteilige Geschäftsreisekosten: 79,78 EUR Mehrwertsteuer: 153,05 EUR
Summe: 958,58 EUR.
Dem Antrag wurde mit Festsetzungsbeschluss vom 7.11.2004 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entsprochen.
Am 2.9.2016 beantragte der Beschwerdeführer die Vergütung gegen die Landeskasse ergänzend wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr VV 3204: 310,00 EUR bereits festgesetzt: 116,25 EUR./. Mehrvertretungsgebühr VV 1008: 372,00 EUR bereits festgesetzt: 139,50 EUR./. Mehrwertsteuer für Differenz: 80,99 EUR
Zur Nachfestsetzung beantragte Summe: 507,24 EUR.
Die ergänzende Antragstellung auf Nachfestsetzung erfolge im Hinblick darauf, dass nach der ständigen Rechtsprechung des LSG die Gebühren für die gesamte Tätigkeit im Rechtszug zu vergüten seien und nicht nur anteilig für den ab der PKH-Antragstellung angefallenen Teil der Arbeit.
Mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 18.11.2016 wurden die noch zu erstattenden Gebühren auf 0,00 EUR festgesetzt. Die beantragte weitere Festsetzung von Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfebeiordnung bezüglich der II. Instanz sei nicht möglich, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle an die Prozesskostenhilfebewilligung des Senats gebunden sei. Es könnten daher nur Tätigkeiten ab dem 10.10.2014 bei der Festsetzung Berücksichtigung finden. Im übrigen sei auch dem ursprünglichen Vergütungsantrag aus Oktober 2014 umfänglich entsprochen worden. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers blieb erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 1.12.2016). Dagegen richtet sich die am 8.12.2016 eingelegte Beschwerde.
II. Über die Bescheide entscheidet der Senat durch den Berichterstatter als Einzelrichter, da der Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 33 Abs. 8 S. 1 2. HS RVG).
1. Die Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen eine Erinnerungsentscheidung ist nach § 56 Absatz ein S. 1 RVG gegeben. Die Beschwerde ist auch nach Maßgabe von § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt, denn zur Nachfestsetzung steht hier ein Betrag von mehr als 500,00 EUR im Raum. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG ist gewahrt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 S. 1 RVG).
2. Die Beschwerde ist auch zum Teil begründet.
Dem Beschwerdeführer steht gegenüber der Staatskasse ein Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung von 119,85 EUR zu.
Nach § 45 Abs. 1 S. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig (Hartmann, Kostengesetze, 47. Auflage von 2017, § 48 RVG Rn. 5). Der beigeordnete Rechtsanwalt kann nach § 48 Abs.1 S. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich derjenige Zeitpunkt, der im Beiordnungsbeschluss als Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung festgesetzt ist. Vorliegend ist das der 10.10.2014.
Nach dem Wirksamwerden der Beiordnung zum 10.10.2014 ist spätestens durch das Stellen des Antrags auf Prozesskostenhilfe die hier streitige Verfahrensgebühr entstanden (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., VV 3100 Rn. 37).
Die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nummer 3204 VV RAVG bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 RAVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, der Vermögens und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines betroffenen Haftungsrisikos. Die von einem beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren nach § 55 RAVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs.1 S. 4 RAVG). Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht den Kostenansatz zu übernehmen. Bei Unbilligkeit hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstellestelle bzw. das Gericht im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen.
Vorliegend ist der Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3104 VV RVG für das Berufungsverfahren von 310,00 EUR unbillig. Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist regelmäßig zunächst von der Mittelgebühr im Hauptsacheverfahren auszugehen. Mit der Mittelgebühr wird die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Streitsache als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich um eine Streitsache mit durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichen Einkommens und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers und durchschnittlichem Haftungsrisiko handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Sachen. Die Beurteilung prägen somit sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte, wobei für letztere der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand, den der Beschwerdeführer im Verfahren aufgewendet hat – auch wenn dieser vor dem Zeitpunkt der Beiordnung liegt – mit in die Beurteilung einzubeziehen ist (ausführlich: LSG NRW Beschluss vom 24.9.2008. L 19 B 21/08 AS). Doch selbst unter Beachtung dieser Tätigkeiten kann hier nicht von einer durchschnittlichen Angelegenheit ausgegangen werden, die einen Gebührenansatz nahe der Mittelgebühr von 370,00 EUR rechtfertigen würde. Denn der Aufwand für das Berufungsverfahren war weit unterdurchschnittlich. Das manifestiert sich insbesondere an der nur wenige Zeilen umfassenden auf die vorherigen Schriftsätze verweisenden Berufungsbegründung. Weitere Schriftsätze zur Sache werden nicht gewechselt und auch sonstige Tätigkeiten – wie Beratungsgespräche – werden nicht geschildert. Der Senat hält es daher auch unter Berücksichtigung der weiteren Aspekte für angemessen für den Gebührenansatz lediglich auf die hälftige Mittelgebühr abzustellen. Es ergibt sich somit der folgende ergänzende Gebührenansatz:
Verfahrensgebühr VV 3204: 200,00 EUR Bereits festgesetzt: 116,25 EUR Mehrvertretungsgebühr VV 1008 für vier weitere Auftraggeber: 240,00 EUR Bereits festgesetzt: 139,00 EUR Zwischensumme: 184,75 EUR 19 % MWSt VV 7008: 35,10 EUR Nachfestsetzung: 219,85 EUR
Der Antrag Nachfristsetzung von zu erstattenden Gebühren fast zwei Jahre nach dem Erstantrag ist auch möglich. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Antragsrecht nach § 14 RVG durch den Erstantrag verbraucht war. Hierfür bieten die gesetzlichen Regelungen keinen Anhaltspunkt zumal der Antrag nicht fristgebunden ist. Gleiches gilt für die Erinnerung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 56 RVG Rn. 5).
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Erstellt am: 12.09.2017
Zuletzt verändert am: 12.09.2017