Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 06.10.2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.
Gründe:
Der Kläger wendet sich gegen die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten (nur) zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts. Die Beschwerde ist zulässig (1.) aber unbegründet (2.).
1. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG greift nicht, weil das Sozialgericht nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verneint hat. Die allein gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Sozialgericht eingelegte Beschwerde ist damit nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft (Beschlüsse des Senats vom 11.09.2012 – L 19 AS 1676/12 B, vom 04.06.2012 – L 19 KG 1/12 B und vom 31. 03.2010 – L 19 AS 284/10 B PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.06 2015 – L 8 AY 2/15 B – m.w.N.) Das Rechtsmittel ist nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf unbeschränkte Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Die Beschränkung ist klarstellend auf die Kosten eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts zu formulieren.
a. Nach §§ 73a Abs. 1 S.1 SGG, 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Vorschrift des § 121 Abs. 3 ZPO soll sicherstellen, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht besser gestellt wird als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst tragen muss. Daher ist eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten grundsätzlich möglich (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 – L 7 SO 2285/17 B m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2017 – 10 C 17.1076 – m.w.N.).
Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO entstehen durch eine unbeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes nur dann, wenn die bei diesem anfallenden Reise- und Abwesenheitsgelder die eines im Bezirk des Prozessgerichtes ansässigen Anwaltes übersteigen. Das ist nur insoweit der Fall, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und der Niederlassung des von dem Beteiligten gewählten Rechtsanwaltes größer ist als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem von dort am weitesten entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes (Beschluss des Senats vom 11.09.2012 – L 19 AS 1676/12 B, LSG NRW, Beschluss vom 22.10.2014 – L 20 SO 401/14 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2014 – L 3 U 140/13 B; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9.09.2015 – 13 WF 190/15; OLG Oldenburg Beschluss vom 16.02.2010 – 11 WF 33/10; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl. 2016, Rn. 91 m.w.N.; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 121 ZPO, Rn. 13a m.w.N.). Es hat ein Kostenvergleich stattzufinden bei Ansatz einerseits der Entfernung des Kanzleisitzes des von dem Beteiligten gewählten Rechtsanwalt zum Gerichtsort und andererseits der Entfernung zwischen dem Gerichtsort zum am weitesten entfernten Ort im Gerichtsbezirk (vgl. Beschluss des Senats vom 11.09.2012 – L 19 AS 1676/12 B ; LSG NRW, Beschlüsse vom 22.10.2014 – L 20 SO 401/14 B, vom 30.11.2010 – L 7 AS 1940/10 B – und – L 7 AS 1938/10 B – und vom 25.10.2010 – L 20 AY 93/10 B – ; BayLSG Beschluss vom 31.05.2011 – L 15 SB 67/11 B PKH).
Die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des beigeordneten Rechtsanwalts in T und dem Sitz des Sozialgerichts Münster beträgt (www.falk.de) ca. 265 km (kürzeste Strecke) und überschreitet bei weitem die Entfernung zwischen dem vom Gerichtsort Münster am weitesten entfernten Ort im Gerichtsbezirk (Isselburg im Kreis Borken) und dem Gerichtsort Münster von ca. 100 km. Damit werden bei einer unbeschränkten Beiordnung des Rechtsanwalts des Klägers die nach § 46 RVG i.V.m. Nrn. 7003-7005 VV RVG zu erwartenden Reisekosten diejenigen der im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälte übersteigen und damit Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO anfallen.
b. Übersteigen danach die zusätzlichen Reisekosten die sonst zu erwartenden Kosten, kann die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes nur "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts" erfolgen. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn dem Beteiligten bei Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Sitz im Bezirk des Prozessgerichts aufgrund besonderer Umstände zusätzlich ein Verkehrsanwalt mit Sitz an seinem Wohnort gemäß § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet werden müsste (Beschluss des Senats vom 04.06.2012 – L 19 KG 1/12 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 – L 7 SO 2285/17 B m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2017 – 10 C 17.1076 – m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt , Beschluss vom 15.06.2015 – L 8 AY 2/15 B; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.11.2015 – 6 WF 185/15; Dürbeck/Gottschalk, a.a.O., Rn. 693 m.w.N.). Wenn die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO gerechtfertigt wäre, darf die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts ohne Einschränkung erfolgen, wenn dessen Gesamtkosten (einschließlich Reisekosten) nicht höher liegen als die Kosten eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts zuzüglich der Kosten eines Verkehrsanwalts am Sitz des Beteiligten (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.03.2017- 13 WF 56/17; Dürbeck/Gottschalk, a.a.O., Rn. 693).
Besondere Umstände i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO können darin bestehen, dass der Rechtsstreit besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweist, die eine besonders qualifizierte rechtliche Beratung erfordern oder dass zu einem auswärtigen Anwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 – L 7 SO 2285/17 B m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2017 – 10 C 17.1076 – m.w.N.). Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht dargetan und sie ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Der Kanzleisitz des beigeordneten Rechtsanwalts befindet sich nicht am Wohnsitz des Klägers oder in dessen Nähe (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – V ZB 85/06 – ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.2015 – 11 S 124/15 -, m.w.N.), vielmehr beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Klägers und dem Kanzleisitz des beigeordneten Rechtsanwalts ca. 280 km.
Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Klägers und dem Gerichtsort begründet keinen die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes rechtfertigenden besonderen Umstand i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO. Eine große Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Beteiligten und dem Gerichtsort könnte nur dann einen besonderen Umstand i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO darstellen, wenn es dem Kläger wegen weiter Entfernung seines Wohnortes zum Gerichtsort nicht zumutbar wäre, einen dort ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Führung eines notwendigen persönlichen Beratungsgesprächs aufzusuchen und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts deshalb aufbringen würde (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 – L 7 SO 2285/17 B- m.w.N.). Da die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Klägers in F und dem Gerichtsort Münster nach den Recherchen (www.falk.de) nur ca. 36,70 km beträgt und mit dem öffentlichen Nahverkehr in einer Fahrzeit von ca. 1 Stunde bis 1,5 Stunden zurückgelegt werden kann, ist die Anreise des Klägers zwecks Besprechung mit einem Rechtsanwalt am Gerichtsort zumutbar. Im Arbeitsförderungsrecht sind arbeitslosen Personen tägliche Pendelzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von bis zu insgesamt zweieinhalb Stunden (150 Minuten) bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden zumutbar (§ 140 Abs. 4 S. 2 SGB III). Vor diesem Hintergrunderscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, warum die Zumutbarkeitsgrenze für Fahrzeiten zu singulären Gesprächstermine bei einem Rechtsanwalt niedriger angesetzt werden sollte (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 – L 7 SO 2285/17 B).
3. Die Zurückweisung der Beschwerde erfolgt mit der Maßgabe, dass dem Kläger sein Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet wird. Das Sozialgericht hat Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bewilligt. Nach der Aufgabe des berufsrechtlichen Lokalisationsprinzips (vgl. BT-Drs. 16/513 S. 19) ist für die Beiordnung im Rahmen des § 121 Abs. 3 ZPO an die Niederlassung im Gerichtsbezirk anzuknüpfen. Daher war der Tenor des Beschlusses mit der entsprechenden Maßgabe zu versehen.
Für den Bevollmächtigten des Klägers bedeutet dies, dass sein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung begrenzt ist auf die Fahrtkosten vom entferntesten Ort im Sprengel zum Sitz des Sozialgerichts hat (LSG NRW, Beschluss vom 09.08.2017 – L 6 AS 1024/17 B; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2017 – 10 C 17.1076 – m.w.N.).
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§§ 73a Abs.1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.02.2018
Zuletzt verändert am: 20.02.2018