Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2017 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2013 verurteilt, den Bescheid vom 12.10.2005 zu ändern und das Ereignis vom 09.09.2004 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte trägt die dem Kläger in beiden Rechtszügen entstandenen Kosten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Zugunstenwege nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Der 1975 geborene Kläger, der als Auslieferungsfahrer beschäftigt war, erlitt am 09.09.2004, einem Donnerstag, auf der A 46 in Fahrtrichtung Neuss einen schweren Verkehrsunfall, als er mit seinem Pkw auf ein Stauende auffuhr. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg von der Wohnung seiner damaligen Freundin bzw Partnerin F.T. (FT), Q.-weg 1 in N., zu seiner Arbeitsstätte, der Fa Getränke T1. in E. G.-str. 00. Bei dem Unfall zog er sich zahlreiche Verletzungen zu. Der erste Durchgangsarztbericht von PD Dr. L., Ärztlicher Direktor der BG-Unfallklinik E, vom Unfalltag führt die Erstdiagnosen Polytrauma mit Commotio cerebri, etc (ua Hüftluxation links) auf.
Zum Unfallzeitpunkt war der Kläger einwohnermelderechtlich unter der Anschrift S.-weg 00 in E. gemeldet. Hierbei handelte es sich um die Wohnung seiner Eltern. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers war diese Meldeadresse als Anschrift des Klägers genannt. Der Kläger selbst gab im Wegeunfallfragebogen der Beklagten an, dass er am Unfalltag von seiner Freundin FT gegen 7.10 Uhr los und – "wie immer" – über die Autobahnen A 61 und A 46 gefahren sei. Die Wegstrecke zwischen der Meldeadresse des Klägers in E. und der Arbeitsstelle beträgt nach internetgestützten Routenplanern (z B http://routenplaner.marcopolo.de) rund 2 km, diejenige von FT zur Arbeitsstelle rund 44 km.
Im Rahmen einer schriftlichen Befragung durch die Beklagte gab der Kläger an, sein gewöhnliches Ziel nach Arbeitsende sei die Wohnung seiner Freundin. Dort sei er seit Dezember 2003 regelmäßig an fünf Tagen in der Woche. In N. erledige er auch die Dinge des täglichen Lebens und seine Freizeitaktivitäten. Seine Freundin beabsichtige, nach E. zu ziehen. FT gab im Rahmen einer schriftlichen Befragung an, der Kläger habe sich seit ca Dezember 2003 von montags bis freitags nach der Arbeit bei ihr in N. aufgehalten. Er wohne bei seinen Eltern in E. Sie selbst wohne nach wie vor in N., weil ihre Tochter dort in den Kindergarten gehe. Verrichtungen des täglichen Lebens habe der Kläger teils in N., teils in E. erledigt. Die Beklagte hörte FT im Juli 2005 persönlich an. Anlässlich dieser Anhörung gab FT an, der Kläger habe sich nur die Woche über bei ihr aufgehalten, sei allerdings nach der Arbeit zunächst nach Hause, nach E., gefahren, habe sich dort umgezogen und ggf etwas gegessen, bevor er gegen 18.00 bzw 19:00 Uhr zu ihr nach N. gekommen sei. Gelegentlich habe er zuvor in E. noch einige Besorgungen gemacht. Freitags und samstags seien beide von ca 22.00 bis ca 5.00 Uhr in einer Diskothek in N. beschäftigt gewesen. Freitags sei der Kläger überwiegend direkt von E. zur Diskothek gefahren. Nach Arbeitsende habe er sie nach Hause gebracht und sei dann weiter zu sich nach E. gefahren, wo er den Rest des Wochenendes verbracht habe. Von einem DVD-Player, einer Zahnbürste, einer Tube Haargel, Rasierschaum und einem Unterhemd abgesehen, habe der Kläger keine persönlichen Dinge in ihrer Wohnung in N. gehabt. Seine anderen Sachen seien in der Wohnung seiner Eltern in E. gewesen. Vor dem Unfall sei geplant gewesen, eine gemeinsame Wohnung in E. zu beziehen.
Mit Schreiben vom 07.07.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihre Entschädigungspflicht aus Anlass des Unfalls vom 09.09.2004 für nicht gegeben erachte, da als Lebensmittelpunkt bzw Hauptwohnsitz des Klägers die Wohnung seiner Eltern in E. anzusehen sei und die Fahrt am Unfalltag von einem anderen Ort, der Wohnung der FT, aus angetreten worden sei. Die Zahlung von Verletztengeld sei mit dem 16.06.2005 eingestellt worden. Der Kläger erhalte Gelegenheit, sich bis zum 28.07.2005 hierzu zu äußern. Den gegen dieses Schreiben erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2005 zurück und führte zur Begründung insbesondere aus, da der Kläger sich ausschließlich aus privaten Motiven bei FT aufgehalten habe und die Fahrtstrecke von dort zur Arbeitsstelle ein vielfaches länger sei als von der Wohnung in E. aus, komme Versicherungsschutz unter den Kriterien der Wege von und nach dem sogenannten "dritten Ort" nicht in Betracht.
Mit "Beschluss des Rentenausschusses gemäß § 36a SGB IV" vom 12.10.2005 entschied die Beklagte, dass der Unfall des Klägers vom 09.09.2004 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde.
Ein auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall gerichtetes Klage- und Berufungsverfahren (S 16 U 235/05, Sozialgericht – SG – Düsseldorf/L 17 U 107/08, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – LSG NRW -) blieb erfolglos, nachdem das LSG NRW mit Urteil vom 01.10.2008 das zusprechende Urteil des SG Düsseldorf vom 08.04.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen hatte und die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.01.2009 als unzulässig verworfen (B 2 U 309/08 B, BSG) wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte das SG den Kläger persönlich angehört. Dieser hatte angegeben, vor dem Unfall sei er ca ein halbes Jahr mit FT zusammen gewesen und zu 95 Prozent von ihr aus zur Arbeit gefahren. Man habe seinerzeit eine gemeinsame Wohnung, auch in L, gesucht. Nach dem Unfall hätten FT und er sich getrennt. Des Weiteren hatte das SG FT als Zeugin vernommen. FT hatte ausgesagt, vor dem Unfall ca 3 Monate mit dem Kläger zusammen gewesen zu sein. In den letzten Wochen vor dem Unfall sei der Kläger fast jeden Tag bei ihr gewesen und von dort zur Arbeit gefahren. Ab und zu habe er zu Hause geschlafen oder sei am Wochenende schon mal nach Hause gefahren, habe Sachen mitgebracht und sei am Montag dann von ihrer Wohnung aus zur Arbeit gefahren. Sein Lebensmittelpunkt sei bei seinen Eltern in E. gewesen.
Einen erster Antrag des Klägers auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide und Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall nach den Vorschriften des § 44 SGB X lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.02.2009/Widerspruchsbescheid vom 08.04.2009 ab. Die hiergegen gerichtete Klage/Berufung (S 16 U 104/09, SG Düsseldorf/L 15 U 477/11, LSG NRW) blieb erfolglos.
Einen erneuten Antrag des Klägers auf Neufeststellung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2013/Widerspruchsbescheid vom 21.03.2013 ab, weil des Vorbringen des Klägers keinen Anlass gebe, in eine erneute Sachprüfung einzutreten.
Hiergegen hat der Kläger am 08.04.2013 Klage vor dem SG Düsseldorf erhoben und vorgetragen, die Beklagte ignoriere, dass er tatsächlich am 09.09.2004 auf seinem üblichen Weg zur Arbeit gewesen sei. Bei der Wohnung der FT habe es sich auch um seinen häuslichen Bereich gehandelt, so dass der Weg von dort zur Arbeit versichert gewesen sei.
Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B. B1 und J. Q1 sowie durch schriftliche Anhörung der FT. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 08.01.2016 sowie die schriftliche Einlassung der FT vom 26.08.2016.
Mit Urteil vom 25.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Wohnung der FT habe es sich nicht um den eigenen häuslichen Bereich des Klägers gehandelt. Das SG hat auf das Urteil des LSG NRW vom 01.10.2008 (L 17 U 107/08, LSG NRW) Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass auch unter Beachtung der Aussagen der Zeugen Q1 und B1 keine neuen Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger in der Wohnung der FT einen eigenen häuslichen Bereich gehabt habe. Liege wie im Fall des Klägers die Situation vor, dass eine neue Lebenssituation – hier Freundschaft – in der Entstehung begriffen sei, führe dies nicht zwangsläufig dazu, dass der von der Wohnung angetretene Weg zur Arbeit auch versichert sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 18.05.2017 zugestellte am 16.06.2017 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Entgegen der Auffassung des SG müsse der Versicherte auch nicht an dem Ort zu Hause gewesen sein, von dem er als drittem Ort zur Arbeit aufgebrochen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2017 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2013 die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 12.10.2005 mit der Maßgabe abzuändern, dass festgestellt wird, dass der Unfall vom 09.09.2004 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt im Übrigen auf die rechtskräftigen Urteile des 17. und des 15. Senats Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Vorprozessakten (L 17 U 107/08, LSG NRW; L 15 U 477/11, LSG NRW) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet, denn das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Kläger von ihr die Rücknahme des Bescheides vom 12.10.2005 und die Anerkennung des Ereignisses vom 09.09.2004 als Arbeitsunfall beanspruchen.
I. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nur die Rücknahme des "Bescheides" vom 07.07.2005 abgelehnt und nicht ausdrücklich über die Rücknahme des Bescheides vom 12.10.2005 entschieden hat. Die Beklagte hat sich dabei von der in den Vorprozessen vertretenen Ansicht leiten lassen, mit ihrem Schreiben vom 07.07.2005 sei die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalles erfolgt. Dies trifft nicht zu, denn dieses Schreiben stellt keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar.
Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hinsichtlich des Schreibens vom 07.07.2005 ist das Tatbestandsmerkmal der Regelung nicht gegeben, denn eine Regelung erfolgt nur, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat (vgl KassKomm/Mutschler, SGB X, § 31 Rn 14; Engelmann in von Wulf-fen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 31 Rn 23). Die Behörde muss nach dem objektiven Sinngehalt ihrer Erklärung den Willen haben, ein Recht verbindlich festzustellen (BSG Urteil vom 29.01.2003, B 11 AL 47/02 R).
Dem Schreiben vom 07.07.2005 kann aber nicht entnommen werden, dass schon verbindlich über die Anerkennung des Ereignisses vom 09.09.2004 als Arbeitsunfall entschieden werden sollte. Die Beklagte teilte dem Kläger lediglich ihre Ansicht mit, dass wegen des erlittenen Unfalles keine Entschädigungspflicht bestehe, weil sich der Unfall nicht auf einem versicherten Weg ereignet habe und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Insbesondere die Einräumung einer Äußerungsfrist macht deutlich, dass in dem Schreiben noch nicht verbindlich über die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall entschieden, sondern der Kläger lediglich zu der beabsichtigten Entscheidung angehört werden sollte. Im Urteil des 17. Senats vom 01.10.2008 wird auch eingeräumt, dass das Schreiben "ursprünglich" als Anhörung "konzipiert" gewesen sei. Soweit dann gleichwohl dem Schreiben die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts zugesprochen wird, weil doch verbindliche Regelungen zum Abbruch der Heilbehandlung und der Einstellung der Verletztengeldzahlung getroffen worden seien, kann dem nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, dass sich die Frage stellt, weshalb wegen dieser Regelungen nun doch (auch) eine Feststellung zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls getroffen worden sein soll, wird der Kläger lediglich über die – bereits veranlasste – Einstellung der Verletztengeldzahlung und den Abbruch des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens informiert. Es wird unverändert auf die Möglichkeit einer Stellungnahme hingewiesen wurde, was eindeutig belegt, dass die Beklagte keineswegs den Willen aufgegeben hatte, nur ein Anhörungsschreiben zu verfassen. Im Übrigen spricht auch die fehlende Mitwirkung des Rentenausschusses gegen einen Regelungswillen der Beklagten (vgl dazu BSG Urteil vom 22.11.1984, 2 RU 24/83). Der Umstand, dass die Beklagte eine Entscheidung des Rentenausschusses nach Klagerhebung "nachgeholt" und mit Beschluss/Bescheid vom 12.10.2005 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall abgelehnt hat, zeigt, dass mit dem Schreiben vom 07.07.2005 noch keine – dem Rentenausschuss vorbehaltene – abschließende Entscheidung ergehen sollte.
Die somit falsche Bezeichnung des Bescheides ist aber unschädlich, denn maßgebend ist, dass die Beklagte eine Korrektur der früher ergangenen Entscheidung in der Sache abgelehnt hat. Der Kläger hat in dem zuletzt gestellten Antrag zu Recht allein die Rücknahme des Bescheides vom 12.10. 2005.beantragt.
II. Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid vom 12.10.2005 zurückzunehmen, weil sie zu Unrecht die Anerkennung des Ereignisses vom 09.09.2004 als Arbeitsunfall abgelehnt und deshalb keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erbracht hat.
1. Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Rücknahme des Bescheides vom 12.10.2005 ist § 44 Abs 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist auch ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Beklagte hat zwar in dem Bescheid vom 12.10.2005 nur die Anerkennung des Unfalls vom 09.09.2004 als Arbeitsunfall abgelehnt und nicht über konkrete Leistungsansprüche entschieden. Allerdings ist die Anerkennung eines Unfallereignisses als Versicherungsfall Grundlage und Voraussetzung jeder Leistungsgewährung, so dass mit der Ablehnung der Anerkennung als Arbeitsunfall mittelbar auch alle Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt werden. Zu Recht weist das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.09.2014 – L 10 U 1507/12 – juris Rn 12) darauf hin, dass die Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X nicht davon abhängig sein darf, ob der Unfallversicherungsträger schon zugleich auch Leistungsansprüche abgelehnt hatte, da andernfalls der die Feststellung eines Versicherungsfalles begehrende potentielle Leistungsempfänger uU schlechter gestellt wäre. Dies gilt umso mehr, als nach den Erfahrungen des Senats es eher zufällig ist, ob ein Unfallversicherungsträger bei Ablehnung eines Ereignisses als Arbeitsunfall zugleich auch jegliche Leistungsansprüche verneint (wie wohl im Fall des BSG-Urteils vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R -, wo ohne Begründung von der Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X ausgegangen wird) oder ob sogar nur pauschal Leistungsansprüche abgelehnt werden, weil der Versicherte keinen Arbeitsunfall erlitten habe.
2. Der Kläger hat am 09.09.2004 einen Arbeitsunfall erlitten. Arbeitsunfälle im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist es danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl ua BSG Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 19/14 R -; BSG Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R -).
Der Kläger hat am 09.09.2004 einen Unfall und dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten. Durch das Auffahren auf ein anderes Fahrzeug am Stauende war er einer zeitlich begrenzten, von außen kommenden Einwirkung auf seinen Körper ausgesetzt, die zu einem Gesundheitserstschaden (ua Polytrauma) führte. Der Kläger war als Auslieferungsfahrer als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Er hat den Unfall entgegen der Ansicht der Beklagten auch bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, nämlich dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges zu seiner Arbeitsstätte, erlitten. Der Kläger befand sich am Unfalltag auf dem direkten Weg von der Wohnung seiner damaligen Partnerin in N., wo er übernachtet hatte, zu der Betriebsstätte in E., um dort seine Tätigkeit aufzunehmen. Anders als in den Vorprozessen angenommen bestand ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen dieses Weges und der betrieblichen Tätigkeit.
3. Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit, im Rahmen der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII also die Wege von und nach der Betriebsstätte. Das Gesetz legt nur fest, dass der Ort der versicherten Tätigkeit End- oder Ausgangspunkt des versicherten Weges sein muss. Dagegen ist der andere Grenzpunkt des Weges gesetzlich nicht geregelt, so dass grundsätzlich der Versicherungsschutz für die Wege nach und von der Arbeitsstätte nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt ist und auch ein anderer Ort (sog "dritter Ort") als Ausgangs- oder Endpunkt in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Weg zur Arbeitsstätte wesentlich von dem Vorhaben geprägt ist, die versicherte Tätigkeit dort aufzunehmen (BSG Urteil vom 18.10.1994 – 2 RU 31/93 -, juris Rn 18; Wagner in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 8 Rn 189).
a) Soweit die eigene Wohnung Ausgangs- oder Zielpunkt des Weges ist, kann grundsätzlich der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit angenommen werden (KassKomm/Ricke, SGB VII, § 8 Rn 208: "natürlicher Bezugsort"). Der Kläger hatte im vorliegenden Fall allerdings seine Wohnung im Sinne des häuslichen Bereiches nicht in N., sondern in E., wie bereits in den Vorprozessen vom 17. und des 15. Senat zu Recht angenommen wurde. In der dortigen Wohnung seiner Eltern verfügte er nicht nur über ein Zimmer und war dort auch polizeilich gemeldet, vor allem befand sich dort seine gesamte Habe. Außer einigen Toilettenartikeln und etwas Unterwäsche sowie einem DVD-Player hatte er keine persönlichen Gegenstände in der Wohnung von FT. Der Kläger pflegte in E. auch Bekanntschaften und suchte dort im Bedarfsfall Ärzte auf. Auch der Umstand, dass er nach der Arbeit häufig erst die Wohnung in E. aufsuchte und dort eine Mahlzeit zu sich nahm und erst am späten Nachmittag/frühen Abend in N. eintraf, zeigt, dass er – wie auch von der Zeugin T. bei der Vernehmung am 8.4.2008 durch das SG Düsseldorf (S 16 U 235/05) bekundet – seinen Lebensmittelpunkt noch in E. hatte. Ergänzend wird auf die Ausführungen im Urteil des 17. Senats vom 01.10.2008 verwiesen.
b) Allerdings hatte der Kläger am Unfalltag nicht nur einmalig oder gelegentlich in der Wohnung seiner Partnerin übernachtet, sondern sich schon über einen längeren Zeitraum dort unter der Woche aufgehalten und den Weg zur Betriebsstätte zum ganz überwiegenden Teil von N. aus angetreten. Nach den von der Beklagten im früheren Verwaltungsverfahren sowie im Vorprozess vorgenommenen Ermittlungen suchte der Kläger seit mindestens drei Monaten vor dem Unfall regelmäßig Montags bis Donnerstags nach Feierabend seine frühere Partnerin auf und übernachtete in ihrer Wohnung, um dann am Folgetag von dort aus zu seiner Arbeitsstätte in E. zu fahren. Die Abende verbrachte er mit seiner Partnerin in N., wo sie gemeinsame Aktivitäten unternahmen. Einem Einzug bei der Ex-Partnerin stand nach der Einlassung des Klägers der Umstand entgegen, dass die Eltern deren früheren Partners und Vaters ihres Kindes in unmittelbarer Nähe wohnten und sogar über einen Wohnungsschlüssel verfügten. Gleichzeitig war ein Aufenthalt der Partnerin in der Wohnung in E. nicht möglich, da die streng gläubigen Eltern des Klägers dies nicht duldeten. Das Paar plante allerdings den Umzug in eine gemeinsame Wohnung und hatte auch schon erste Schritte hierzu unternommen.
Der Kläger hatte damit vor dem Unfall schon über einen längeren Zeitraum zwei Wohnbereiche genutzt und bewegte sich während der Werktage zwischen beiden, ohne dass allerdings insoweit von einem so genannten gespaltenen häuslichen Bereich (s dazu BSG, Urteil vom 12.05.2009 – B 2 U 11/08 R -, juris Rn 21) auszugehen ist. Da er aber ganz überwiegend den Weg zur Arbeit von einem anderen Ort als seinem häuslichen Bereich angetreten hatte, könnten beide Ausgangspunkte einem erweiterten häuslichen Bereich zuzurechnen sein, so dass für jeden dieser Ausgangspunkte Versicherungsschutz zu bejahen wäre (vgl BSG Urteil vom 18.10.1994 – 2 RU 31/93 -). Im Falle des BSG hat dieses einen solchen erweiterten häuslichen Bereich allerdings in einem Sonderfall bejaht, in dem die dortige Versicherte wegen zerrütteter familiärer Verhältnisse faktisch nicht mehr über einen festen häuslichen Bereich verfügte. So liegt es hier zwar nicht, denn beim Kläger bestand ein stabiles familiäres Umfeld, wie schon der Umstand zeigt, dass er nach dem Unfall wieder bei seinen Eltern wohnte, dort versorgt wurde und die Ex-Partnerin nur noch gelegentlich besuchte. Die familiären Umstände spielten freilich für die Aufspaltung der Aufenthaltsorte auch im vorliegenden Falle eine nicht unwesentliche Rolle.
Grundsätzlich wird es der heutigen gesellschaftlichen Realität aber eher gerecht, wenn ein erweiterter häuslicher Bereich in Fallgestaltungen der vorliegenden Art angenommen wird. Der Senat hält es für allgemeinkundig, dass, vor allem bei Beginn einer (neuen) Partnerschaft die Betroffenen zwar noch die jeweiligen bisherigen Wohnungen beibehalten, ein Zusammensein aber in beiden Wohnungen erfolgt, so dass die Wege von und zur Arbeit generell an beiden Orten beginnen oder enden können. In solchen Fällen überzeugt es nicht, anzunehmen, dass nur die Wege von und zur Wohnung, in der der Versicherte noch gemeldet ist und seinen Lebensmittelpunkt hat, generell vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, wenn gleichzeitig über einen längeren Zeitraum trotz Beibehaltung der bisherigen Wohnung nicht nur gelegentlich die Wohnung des Partners Ausgangs-oder Endpunkt des Arbeitsweges ist.
Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn, wie hier, beide Wegstrecken nicht außerhalb des Bereichs liegen, den üblicherweise Arbeitnehmer werktäglich zurücklegen, ohne dass es auf Entfernungsunterschiede zwischen beiden Wegstrecken ankommt (anders insoweit Ricke, aaO: "nicht bei unangemessenen Entfernungsunterschieden"). In einem solchen Fall handelt es sich bei beiden Wegstrecken um die "üblichen" Wege zur Arbeit, für die daher grundsätzlich der wesentliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu bejahen ist (für die Annahme eines erweiterten häuslichen Bereichs in einer vergleichbaren Konstellation: LSG Baden Württemberg, Urteil vom 16.10.1997- L 10 U 85/97 -; zustimmend Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn 209; s auch Bayerisches LSG, Urteil vom 08.03.2017 – L 2 U 26/16 -).
c) Selbst dann, wenn man entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung vorliegend einen erweiterten häuslichen Bereich verneinen würde, wären aber gleichwohl die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz für den Weg von der Wohnung in N. zur Betriebsstätte zu bejahen.
aa) Das BSG verlangt, ein nicht vom häuslichen Bereich aus angetretener Weg zur Betriebsstätte müsse unter Berücksichtigung aller Umstände in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten zu dem Ort der versicherten Tätigkeit stehen. Diese Forderung hat es damit begründet, dass andernfalls die Prägung des Weges durch den Zweck der Tätigkeit am dritten Ort so überwiegen würde, dass der innere Zu-sammenhang mit der Betriebstätigkeit entfiele (BSG, Urteil vom 11.10.1973 – 2 RU 1/73 -, juris Rn 17; BSG Urteil vom 24.01.1992 – 2 RU 30/91 -, juris Rn 25). Während das BSG für die Prüfung des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit zunächst eher auf den Vergleich beider Wegstrecken abgestellt hat (s etwa BSG Urteil vom 11.10.1973 – 2 RU 1/73 -, juris Rn 10), hat es in seiner weiteren Rechtsprechung betont, dass die Länge des Weges zwar zu berücksichtigen sei, jedoch eine Begrenzung allein nach einem bestimmten Vielfachen der regelmäßig vom häuslichen Bereich zum Ort der Tätigkeit zurückgelegten Wegstrecke kein geeignetes Kriterium sei. Damit würden nahe zum Ort der Tätigkeit wohnende und daher schon ein geringes Wegeunfallrisiko tragende Versicherte gegenüber den weit vom Ort der Tätigkeit wohnenden Versicherten, die deshalb bereits ein höheres Wegeunfallrisiko tragen und zudem einen um ein Vielfaches weiter entfernt liegenden Ort als Grenzpunkt des Weges von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit wählen dürften, benachteiligt würden (BSG Urteil vom 27.08.1987 – 2 RU 70/85 -, juris Rn 19). Im Urteil vom 27.07.1989 (2 RU 10/89) hat das BSG daher ausdrücklich im Falle einer ganz in der Nähe der Betriebsstätte wohnenden Versicherten den Umstand, dass der vom dritten Ort zurückgelegte Weg das Dreißigfache der üblichen Wegstrecke betrug, für unerheblich bezeichnet und es als maßgeblich erachtet, ob der längere Weg nach den herrschenden Verkehrsverhältnissen für einen Autofahrer als ungewöhnlich lang einzu-schätzen sei (juris Rn 21). Zusätzlich ist auch das Motiv für den Aufenthalt am dritten Ort, nämlich eine ärztliche Behandlung in einer Spezialklinik, als mittelbar betriebsdienlich anerkannt worden. Das BSG hat die Grundsätze für die Voraussetzungen von Versicherungsschutz im Urteil vom 02.05.2001 (B 2 U 33/00 R) so zusammengefasst, dass zu berücksichtigen sei, ob die am dritten Ort beabsichtigte oder durchgeführte Verrichtung zumindest mittelbar auch dem Betrieb zu Gute kommen solle, wobei solche betriebsbezoge-nen Umstände zwar nicht die Angemessenheit des Weges vom dritten Ort beeinflussen, jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen könnten. Für Wege zum Ort der versicherten Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, bestehe nur Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg stehe. Sei der Weg unangemessen länger als der von der Wohnung, werde die erheblich längere Wegstrecke "grundsätzlich" nicht durch die beabsichtigte Tätigkeit geprägt (juris Rn 20 f). Soweit bei der Gesamtbetrachtung auch die mögliche Betriebsbezogenheit der Verrichtung am dritten Ort zu berücksichtigen sein soll, hat das BSG klargestellt, dass von vornherein solche Verrichtungen ausscheiden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit dienen soll (BSG Urteil vom 3.12.2002 – B 2 U 18/02 R -, juris Rn. 23). Eine weitere Konkretisierung der Kriterien hat das BSG bislang abgelehnt (s Beschluss vom 6.1.2006 – B 2 U 3 372/05 B -, juris Rn 5: "keine mathematische Angemessenheitsformel angezeigt"; dagegen Keller, aaO, Rn 208: "konkretere Anhaltspunkte wünschenswert").
bb) Die Kriterien des BSG führen zu einer nicht vorhersehbaren Kasuistik. Eine inhaltliche Begründung für die Forderung, ein nicht von oder nach dem häuslichen Bereich angetretener Weg müsse in einem "angemessenen" Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit stehen, lässt sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen, so dass es keine fassbaren Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit gibt. Die Behauptung, bei einem unangemessenen Verhältnis werde der Weg durch den Zweck der Tätigkeit am dritten Ort so geprägt, dass dahinter der Zweck, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen oder zu verlassen, zurücktrete, zeigt nicht auf, welcher Sachgrund diese Annahme trägt. In der Instanzrechtsprechung wird insoweit die Steigerung der mit dem Zurücklegen der längeren Wegstrecke verbundenen Unfallgefahr genannt (s etwa LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.02.2016 – L 6 KR 46/12 -, juris Rn 45). Allein die Verlängerung der Wegstrecke und die damit verbundene Erhöhung des Wegeunfallrisikos kann aber angesichts des Umstandes, dass der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich nicht von der Entfernung der Wohnung von der Betriebsstätte abhängig gemacht wird, kein entscheidendes Kriterium sein (Krasney, SGb 2013, 313, 317) und begründet vor allem nicht, warum allein die Erhöhung des Wegeunfallrisikos den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit entfallen lassen sollte. In diesem Zusammenhang nimmt das BSG an, nur die Wahl der Wohnung sei mit Blick auf Art 11 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hinzunehmen, während der Entscheidung, den Weg zum Ort der Tätigkeit von einem anderen Ort als der Wohnung aus anzutreten, nicht die gleiche rechtliche Relevanz wie der Wohnsitzname zukomme (BSG Urteil vom 2.5.2001 – B 2 U 33/00 R -, juris Rn 18). Dem ist entgegenzuhalten, dass – was auch das BSG anerkennt – auch diese Entscheidung des Versicherten durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) geschützt ist. Es ist nicht überzeugend, dass der Unfallversicherungsschutz eines Versicherten, der aus rein eigenwirtschaftlichen Gründen den Weg zur Arbeitsstätte von einem anderen Ort als der Wohnung antritt, davon abhängig sein soll, ob die Wegstrecke und die Fahrzeit in diesem Fall "unangemessen" länger sind als der Weg von der Wohnung zur Betriebsstätte, solange es sich nicht um eine außergewöhnlich lange Wegstrecke handelt. Wenn sich die zurückzulegende Wegstrecke noch in dem Bereich bewegt, die Arbeitnehmer üblicherweise täglich zurückzulegen, kann auch die einmalige Erhöhung des Wegeunfallrisikos nicht dazu führen, dass der Versicherungsschutz für einen Weg verneint wird, den ein anderer Arbeitnehmer werktäglich zurücklegt. Es ist unverständlich, warum eine einmalige Erhöhung des Unfallrisikos den Verlust des Versicherungsschutzes nach sich ziehen soll, während Versicherte, die werktäglich dem gleichen Risiko ausgesetzt sind, Versicherungsschutz genießen. Wenn man die Erhöhung des Wegeunfallrisikos für ausschlaggebend halten würde, müsste man konsequenterweise statt auf die Angemessenheit der Wegstrecke darauf abstellen, ob die Wegstrecke vom dritten Ort im Vergleich zum direkten Weg zwischen Wohnung und Ort der Arbeit vom Wegeunfallrisiko her als annähernd gleichwertig anzusehen ist (so Benz, WzS 2003, 71, 77). Diese Forderung nach "annähernder Gleichwertigkeit" des Wegeunfallrisikos dürfte aber unrealistisch sein, weil sich die Frage der Risikoerhöhung kaum beantworten lässt, da die zu berücksichtigenden objektiven Faktoren (Wegstrecke, Art des Verkehrsmittels, Beschaffenheit der Wegstrecke) und die zusätzlich zu berücksichtigenden subjektiven Faktoren in ihrer Gesamtheit einer objektiven Bewertung kaum zugänglich sind (Ziegler in LPK-SGB VII, 4. Aufl. § 8 Rn 221).
Auch soweit das BSG bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigen will, ob die am dritten Ort beabsichtigten oder verrichteten Tätigkeiten zumindest einen mittelbaren Bezug zur betrieblichen Tätigkeit haben, so dass der Weg dann durch solche betriebsbezogenen Umstände geprägt sein könne, kann dieser Gesichtspunkt nicht überzeugen. Faktisch kommt ein solcher mittelbarer Bezug allein bei Arztbesuchen zur Aufrechterhaltung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder seelischen Leistungsfähigkeit in Betracht (zu weitgehend jedenfalls LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2017 – L 8 U 2034/14 -, juris Rn 43, das eine mittelbar betriebsdienliche Pflege einer Versicherten durch ihre Eltern während ihrer Aufenthalte am Wochenende in der Wohnung der Eltern annimmt). Wenn aber ein Arztbesuch allein dem privaten, nicht versicherten Bereich zuzurechnen ist (so zuletzt wieder BSG, Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 16/14 R -, juris Rn 21), erscheint es gekünstelt, auf der anderen Seite darin ein für das Zurücklegen der Wegstrecke relevantes Motiv zu sehen, das geeignet sei, einen inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit herzustellen. Zu Recht wird daher in der Literatur abgelehnt, die Art der am dritten Ort ausgeübten Tätigkeit als Abgrenzungskriterium heranzuziehen (Ziegler aaO, Rn 220; Ricke, aaO, Rn 210).
cc) Für sachgerecht hält der Senat demgegenüber eine Abgrenzung allein danach, ob der versicherte Risikobereich der gesetzlichen Unfallversicherung für Wegeunfälle durch den Antritt des Wegs von bzw zur Arbeitsstätte von einem dritten Ort aus in unangemessener Weise gegenüber dem Antritt von der Wohnung bzw dem häuslichen Bereich aus ausgedehnt wird. Dies dürfte insbesondere dann zu bejahen sein, wenn ungewöhnliche Entfernungen in Frage stehen (s BSG Urteil vom 31.05.1996 – 2 RU 28/95 -, juris Rn 28: 350 km; BSG Urteil vom 03.12.2002 – B 2 U 18/02 R -, juris Rn 23: 140 km; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 15.02.2012 – L6 U 90/09 -, Rn 36: 435 km). Ebenso kann der erforderliche innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit dann verneint werden, wenn nach den gesamten Umständen eindeutig das Zurücklegen der Wegstrecke durch andere Gründe als die betriebliche Tätigkeit geprägt wird, was bei einer Rückreise aus dem Urlaub (wie im Fall BSG Urteil vom 03.12.2002 – B 2 U 18/02 R -, juris Rn 3) oder der Rückfahrt zusammen mit dem Ehemann nach einem Verwandtenbesuch (BSG Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 33/00 R -, juris Rn 22) der Fall ist. Hingegen ist – entsprechend den vom BSG im Urteil vom 27.07.1989, 2 RU 10/89 herangezogenen Kriterien (juris Rn 21) – bei Wegstrecken, die sich noch in dem Bereich bewegen, die üblicherweise Versicherte zum Erreichen der Arbeitsstätte zurücklegen, grundsätzlich Versicherungsschutz zu bejahen, wobei nach den tatsächlichen gesellschaftlichen Lebensumständen und der heute von Arbeitnehmern verlangten Mobilität ein eher großzügiger Maßstab anzulegen ist (Ziegler, aaO, Rn 222; nicht eindeutig Keller, aaO, der zwar einerseits einen großzügigen Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit der Wegstreckendifferenz befürwortet, andererseits aber eine Verlängerung der Wegstrecke um 50 km als versicherungsunschädlich ablehnt). Im vorliegenden Fall entsprach die vom Kläger von der Wohnung seiner Ex-Partnerin zum Arbeitsort zurückzulegende Wegstrecke von ca 44 km noch den von Arbeitnehmern verbreitet werktäglich zurückgelegten Arbeitswegen, zumal der Weg zum großen Teil über Bundesautobahnen führte, so dass hier Versicherungsschutz zu bejahen ist.
dd) Schließlich wäre im vorliegenden Fall bei der vom BSG geforderten Gesamtbetrachtung selbst bei der Differenz der Wegstrecken zwischen der Wohnung in N. und der Wohnung in E. zur Betriebsstätte Versicherungsschutz anzunehmen. Zwar war diese erheblich (ca 44 km gegenüber knapp 2 km) und der Kläger verfolgte mit dem Besuch auch rein eigenwirtschaftliche Interessen.
Sowohl die Beklagte als auch die bisherigen gerichtlichen Entscheidungen haben aber nicht berücksichtigt, dass der Kläger vor dem Unfall schon über längere Zeit jedenfalls den Weg zur Arbeit von der Wohnung in N. aus angetreten hatte. Zumindest über einen Zeitraum von drei Monaten vor dem Unfall hatte der Kläger während der Woche fast regelmäßig bei seiner Ex-Partnerin übernachtet und war von dort aus zur Arbeit gefahren. Be-zeichnenderweise hatte er im Fragebogen zum Unfall die am Unfalltag zurückgelegte Wegstrecke als seinen "üblichen" Weg zur Arbeit bezeichnet. Die Forderung, der Weg vom dritten Ort müsse zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg in einem angemessenen Verhältnis stehen, impliziert aber, dass nur einmalig oder nur gelegentlich der Weg zur Betriebsstätte statt von der Wohnung von einem anderen Ort angetreten wird. In einem solchen Fall mag eher angenommen werden können, dass das Zurücklegen des Weges vom dritten Ort maßgeblich von dem Motiv geprägt wird, eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit an diesem Ort zu beenden oder zu beginnen. Wenn ein Versicherter dagegen schon über einen längeren Zeitraum einen anderen Ort als seine Wohnung als Ausgangs- oder Endpunkt für den Weg zur und von der Arbeit gewählt hat, gibt er objektiv zu erkennen, dass er seine betriebliche Tätigkeit sowohl von seiner Wohnung als auch von diesem Ort beginnen oder beenden möchte, mit anderen Worten auch die Fahrten von und zum dritten Ort, wie diejenigen von und zur Wohnung, zu und von der Betriebsstätte von dem betrieblichen Zusammenhang geprägt sind. Sachlich gibt es auch keinen Grund, in diesem Fall von einer nicht schützenswerten Erhöhung des Unfallrisikos auszugehen. Es liegt im Rahmen der grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) eines Versicherten, möglichst viel (Frei-) Zeit mit einer Partnerin zu verbringen, ohne sofort seine Wohnung dort zu nehmen. Halten sich Wegstrecke und Fahrzeit noch im Rahmen der üblicherweise von Pendlern zurückgelegten Wegstrecken, ist in einem solchen Fall Versicherungsschutz zu bejahen (ähnlich LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 09.12.2014 – L 2 U 87/14 -, juris Rn 49; in der Sache auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.10.1997 – L 10 U 851/97 -; s auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.06.2017 – L 8 U 2034/14, juris Rn 43, das davon ausgeht, dass bei regelmäßigen Aufenthalten einer Versicherten am Wochenende bei ihren Eltern deren Wohnung funktional an die Stelle des sonst üblichen häuslichen Aufenthaltsorts der Versicherten am Wohnort tritt).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hält eine höchstrichterliche Konkretisierung und Klärung sowohl der Kriterien für die Annahme eines erweiterten häuslichen Bereichs als auch für den Versicherungsschutz für Wege vom und zum dritten Ort für erforderlich und hat daher die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfragen zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Erstellt am: 23.06.2020
Zuletzt verändert am: 23.06.2020