Der Streitwert für das Verfahren L 11 KA 31/17 B ER wird auf 25.800,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. In der vor dem Sozialgericht (SG) anhängigen Hauptsache verfolgt er das Ziel, im Wege des Sonderbedarfs mit hälftiger Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen zu werden. Der bei dem Zulassungsausschusses für Ärzte L – Kammer Psychotherapie – gestellte Antrag war erfolgreich (Beschluss vom 08.12.2014). Den Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein wies der Berufungsausschuss zurück. Überdies ordnete er die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses an (Beschluss vom 21.09.2016). Das von der KV angerufene SG Köln hob den Sofortvollzug auf (Beschluss vom 02.05.2017 – S 26 KA 15/16 ER -). Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hat der Senat den Beschluss des SG abgeändert und den Antrag der KV auf Aufhebung des im Beschluss des Antragsgegners vom 21.09.2016 angeordneten Sofortvollzugs abgelehnt (Beschluss vom 21.08.2017). Nunmehr ist noch über den Streitwert zu entscheiden.
II.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ist nach § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG festzusetzen. Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung kann das Interesse im Rahmen einer Schätzung bemessen werden, wenn dafür genügende Angaben oder Anhaltspunkte vorliegen (z.B. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 16.01.2012 – B 11 SF 1/10 R -; Landessozialgericht (LSG) Sachsen, Beschluss vom 30.05.2016 – L 1 KA 3/15 B -). Sind solche Angaben oder Anhaltspunkte nicht vorhanden, ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen.
1. Die Anwendung des § 52 Abs. 2 GKG scheidet aus. Der Beschwerdeführer verfolgt seine eigene Zulassung. Das wirtschaftliche Interesse eines offensiven Vorgehens ist bestimmbar (s. unten). Lediglich bei einer defensiven Konkurrentenklage ist das wirtschaftliche Interesse des gegen eine Zulassung vorgehenden Dritten kaum fassbar. Infolgedessen ist es dort gerechtfertigt, den Streitwert für einstweilige Rechtsschutzverfahren grundsätzlich auf 20.000,00 EUR festzustehen (hierzu Senat, Beschluss vom 19.05.2014 – L 11 KA 99/13 B ER -).
2. Ist das Rechtsschutzbegehren hingegen dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger eine von ihm erkannte Rechtsposition offensiv durchsetzen will, greift § 52 Abs. 1 GKG.
Nach § 52 Abs. 1 GKG in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl I 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens.
Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Sonderbedarfszulassung) wird das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum (dazu nachfolgend a)) zu erzielenden Einnahmen (dazu nachfolgend b)) bestimmt.
a) Soweit es ein Hauptsacheverfahren auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung anlangt, beläuft sich der Berechnungsfaktor "Zeitraum" auf drei Jahre (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B -; Urteil vom 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R -). Für den einstweiligen Rechtsschutz ist dieser Ansatz zu modifizieren.
Für die Wertberechnung ist ein fiktives Hauptsacheverfahren zu Grunde zu legen. Insoweit ist die Länge des Zeitraums zu schätzen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist (Senat, Beschluss vom 16.11.2015 – L 11 KA 42/15 B ER -; Beschluss vom 15.06.2009 – L 11 B 2/09 KA ER -; LSG Bayern, Beschluss vom 25.04.2005 – L 12 B 203/04 KA -; Beschluss vom 09.12.2004 – L 12 B 202/04 KA -). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wird das Ziel verfolgt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vertragsärztlich tätig sein zu können. Dabei orientiert sich das wirtschaftliche Interesse an der wahrscheinlichen Dauer dieses Zeitraums, so dass auf die in dieser Zeit erzielbaren Einnahmen abzustellen ist. Hinsichtlich der Verfahrensdauer des Hauptsacheverfahrens ist dabei weder auf die höchstmögliche Verfahrensdauer bis zur Entscheidung durch das Bundessozialgericht noch auf die tatsächliche Verfahrensdauer, soweit dies schon bekannt ist, sondern auf die bei Antragstellung typischerweise zu erwartende Verfahrensdauer abzustellen (hierzu LSG Bayern, Beschluss vom 25.04.2005 – L 12 B 203/04 KA -; Beschluss vom 09.12.2004 – L 12 B 202/04 KA -; vgl. auch Wenner/Bernhardt, NZS 2001, 57, 59). Diese ist im vorliegenden Fall mit zwei Jahren zu veranschlagen.
Geht es – wie hier – um einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungssachen, wird teilweise die Auffassung vertreten, dass von dem fiktiven Wert des solchermaßen in zeitlicher Hinsicht fixierten Hauptsacheverfahrens wegen des besonderen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzes ein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.05.2017 – L 5 KR 40/17 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2017 – L 8 R 263/16 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2015 – L 5 KA 3675/14 ER-B -; LSG Thüringen, Beschluss vom 12.03.2004 – L 4 B 15/01 KA -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.11.2003 – L 11 B 28/00 KA -). Dem vermag der Senat für Zulassungsverfahren nicht zu folgen. Dies beruht darauf, dass der vorläufig zugelassene Arzt und der Arzt, der wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Zulassungsentziehung weiter vertragsärztlich tätig sein darf, unter dem Gesichtspunkt der Vergütung ihrer Leistungen keinen anderen Status als "regulär" zugelassene Ärzte haben (Senat, Beschluss vom 16.11.2015 – L 11 KA 42/15 B ER -; Beschluss vom 28.07.2010 – L 11 KA 44/10 B -; Beschluss vom 15.06.2009 – L 11 B 2/09 KA ER -; Wenner/Bernard, NZS 2006, 1, 4). Insoweit ist das wirtschaftliche Interesse des antragstellenden Arztes an einer einstweiligen Regelung seinem wirtschaftlichen Interesse an einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren deckungsgleich (so im Ergebnis auch LSG Hessen, Beschluss vom 27.05.2011 – L 4 KA 38/11 B ER -). Da für ein solches Hauptsacheverfahren – typisierend – grundsätzlich ein Zeitraum in der zu erwartenden Länge des Hauptsacheverfahrens anzusetzen ist, müsste auch der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu berücksichtigende Zeitfaktor hiernach bemessen werden. Das damit verbundene Kostenrisiko erachtet der Senat wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz als nicht mehr vertretbar (hierzu u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.03.2014 – 1 BvR 2169/13 -; Beschluss vom 03.01.2007 – 1 BvR 737/04 -; Beschluss vom 06.12.2006 – 1 BvR 2085/03 -; Beschluss vom 12.02.1992 – 1 BvL 1/89 -). Aus diesem Grunde kann für ein ER-Beschwerdeverfahren in Zulassungssachen grundsätzlich nur ein Zeitraum von einem Jahr angesetzt werden. Anderes mag dann gelten, wenn eine befristete Teilnahmeform im Streit steht (vgl. Senat, Beschluss vom 27.05.2009 – L 11 KA 2/09 ER -; Beschluss vom 19.05.2009 – L 11 B 10/09 KA ER -). Darum geht es hier nicht. Zeitlicher Bemessungsfaktor für den Streitwert im Beschwerdeverfahren ist mithin "ein Jahr" (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.12.2016 – L 3 KA 83/16 B ER -).
b) In Zulassungsangelegenheiten ist der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes anzusetzen, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils (vgl. BSG, Beschluss vom 12.09.2006 – B 6 KA 70/05 B -; Beschluss vom 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R -; LSG Sachsen, Beschluss vom 30.5.2016 – L 1 KA 3/15 B -). Für die Umsätze ist in dem Regelfall einer Klage auf Zulassung – da insoweit keine individuellen Umsätze des Vertragsarztes vorliegen, die herangezogen werden könnten – auf die Beträge abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt für die Arztgruppe ausgewiesen sind, welcher der Arzt angehört. Sofern Daten des jeweiligen KV-Bezirks vorliegen, in welchem der betroffene Vertragsarzt tätig war bzw. tätig werden möchte, können auch diese Umsätze zu Grunde gelegt werden (BSG, Beschluss vom 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R -). Soweit nicht auf individuelle Umsätze zurückgegriffen werden kann und eine Arztgruppe betroffen ist, für die keine Daten des Gruppendurchschnitts vorliegen, kann es in Betracht kommen, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu schätzen oder auf den Durchschnitt der Umsätze aller Arztgruppen abzustellen. Vom Zeitpunkt her sind die Verhältnisse desjenigen Jahres zu Grunde zu legen, in dem der jeweilige Rechtszug eingeleitet worden ist. Soweit die Werte dieses Jahres noch nicht ermittelt worden oder jedenfalls noch nicht bekannt sind, ist auf die zeitnächsten verfügbaren Daten zurückzugreifen (BSG, Beschluss vom 26.09.2005 – B 6 KA 69/04 B -). Für die Praxiskostenanteile ist pauschalierend auf die Kostenquote abzustellen, die im Gesamtbundesdurchschnitt nach Maßgabe der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) veröffentlichten Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland für die Arztgruppe ausgewiesen ist, welcher der betroffene Arzt angehört. Ist eine Arztgruppe betroffen, für die keine Daten vorliegen, kann es in Betracht kommen, entweder auf die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen oder auf einen pauschal gegriffenen Kostensatz von z.B. 50 v.H. abzustellen (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B -).
Da die KBV die Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung seit 2011 nicht mehr fortschreibt, verlieren diese mit zunehmendem Zeitablauf jegliche Aussagekraft. Statt dessen bietet es sich nunmehr an, die von der KBV vierteljährlich veröffentlichten Daten zur Entwicklung des Honorarumsatzes und des Überschusses aus vertragsärztlicher Tätigkeit heranzuziehen.
Der letztveröffentlichte Honorarbericht betrifft das Quartal IV/2015 und weist in Tabelle 33 (S. 68) für Psychotherapie (ärztlich/psychologisch) einen generierten Umsatz (Nordrhein) von 25.800,00 EUR aus (http://www.kbv.de/html/honorarbericht.php). Bezogen auf drei Jahre entspricht dies 25.800,00 EUR x 12 Quartale = 309.600,00 EUR. Bei einer geschätzten Kostenquote von 50 % resultieren hieraus 154.800,00 EUR. Dieses Interesse ist in einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf ein Jahr zu begrenzen. Der so ermittelte Betrag von 51.600,00 EUR ist auf 25.800,00 EUR zu reduzieren, da eine hälftige Zulassung streitbefangen ist (Senat, Beschluss vom 19.05.2014 – L 11 KA 99/13 B ER -).
Nach alldem ist der Streitwert auf 25.800,00 EUR festzusetzen.
3. Soweit die Antragstellerin meint, der Streitwert sei in Anlehnung an den Beschluss des Senats vom 25.01.2017 – L 11 KA 33/16 B ER – auf 10.000,00 EUR festzusetzen, ist dies erwägenswert. Der Senat hat dort auf § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen. Vorliegend hat der Beschwerdeführer hingegen Daten in das Verfahren eingebracht, die es näherungsweise ermöglichen, das wirtschaftliche Interesse zu präzisieren.
4. Soweit der Beschwerdeführer auf den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (abgedruckt für 2009 z.B. bei Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, S. 1627 ff.) Bezug nimmt, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass dieses von den Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte verantwortete und als "Empfehlung" titulierte Werk mit Art. 97 Abs. 1 GG i.V.m. § 25, 26 Deutsches Richtergesetz kollidiert und insoweit rechtswidrig sein dürfte (hierzu Senat, Beschluss vom 13.09.2016 – L 11 KA 78/15 -; Beschluss vom 27.07.2010 – L 11 B 16/09 KA ER -; vertiefend Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch für das Vertragsarztrecht, 3. Auflage, 2017, § 21 Rn. 170 m.w.N.). Der Streitwertkatalog hat somit lediglich informativen Charakter. Der Katalog ist ohnehin unvollständig und damit wenig brauchbar, wenn lediglich punktuelle Entscheidungen zu einzelnen Komplexen aufgegriffen werden (so schon LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2006 – L 10 B 34/06 KA -). Hieraus folgt, dass der Streitwert von vornherein nicht mit einem schlichten Hinweis auf im Katalog gelistete tabellarische Werte festgesetzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als die auf eine Streitwertbeschwerde ergehende gerichtliche Entscheidung nachvollziehbar zu begründen ist (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, 2014, GKG, § 68 Rn. 21).
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.
Erstellt am: 07.03.2018
Zuletzt verändert am: 07.03.2018