Rev. d.Bekl. wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.02.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 i.H.v. 601,02 EUR.
Der 1964 geborene Kläger stand 2015 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Verkäufer in einem S-Supermarkt und war bei der Beklagten krankenversichert. Im April 2015 erlitt er einen Herzinfarkt, wodurch er arbeitsunfähig wurde (stationäre Behandlung vom 24. bis zum 30.04.2015). Ab dem 15.06.2015 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) teil. Ein erster Versuch der Wiedereingliederung scheiterte nach wenigen Tagen am 04.08.2015.
Nach dem Ende der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gewährte die Beklagte dem Kläger vom 05. bis zum 14.06.2015 Krankengeld (42,93 EUR täglich). Im Anschluss daran wurde von der DRV bis zum 04.08.2015 Übergangsgeld gezahlt.
Arbeitsunfähigkeit (AU) aufgrund des Herzinfarktes wurde seit dem 24.04.2015 durchgehend ärztlich bescheinigt – am 04.05. und 12.06.2015 durch seinen Hausarzt, den Allgemeinmediziner und Knappschaftsarzt, N., sowie am 15.07.2015 durch den Allgemeinmediziner Dr. H. bis zum 03.08.2015.
Am 04.08.2015 stellte sich der Kläger wieder bei seinem Hausarzt vor, der ihm unter diesem Datum AU-Bescheinigung bis zum 13.09.2015 ausstellte. Herrn N. standen damals in seiner Praxis Freiumschläge zur Verfügung, die die Beklagte bis 2016 Ärzten zum Zwecke der Übersendung von AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten an sie überließ.
Am 20.08.2015 sprach der Kläger bei der Dienststelle der Beklagten in B vor. Auf Nachfrage wies er die Beklagte auf die von Herrn N. unter dem 04.08.2015 attestierte AU bis zum 13.09.2015 hin. Außerdem legte er eine weitere Bescheinigung des Herrn N. (ebenfalls) vom 04.08.2015 vor, in der die Hintergründe für den Abbruch der Wiedereingliederungsmaßnahme dargelegt wurden. Ferner wurde aufgrund der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten noch am 20.08.2015 von der Praxis des Herrn N. eine (auf den 19.08.2015 datierte) AU-Bescheinigung bis zum 13.09.2015 (Ausfertigung für den Arbeitgeber) per Telefax an die Beklagte gesandt. Diese Bescheinigung enthält den aufgedruckten Hinweis: "Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt."
Durch Bescheid vom 02.09.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Krankengeld (wieder) für die Zeit vom 20. bis zum 31.08.2015 angewiesen habe. In der Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 ruhe der Krankengeldanspruch, da die Attestierung der AU durch Herrn N. erst am 20.08.2015 bekannt geworden und damit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung am 04.08.2015 angezeigt worden sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, Herr N. habe der Beklagten die AU-Bescheinigung fristgemäß unmittelbar zugeleitet. Ob und warum diese bei der Beklagten nicht eingegangen sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80) könne sich ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf ein Ruhen des Krankengeldanspruches berufen, wenn der nicht rechtzeitige Zugang der Meldung auf Umständen beruhe, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen und der Versicherte weder gewusst habe noch habe wissen müssen, dass die Krankenkasse von der AU keine Kenntnis erlangt habe. Ergänzend übersandte er ein Duplikat der am 04.08.2015 ausgestellten zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmten Ausfertigung der AU-Bescheinigung sowie einen PC-Ausdruck seines behandelnden Arztes, wonach diese AU-Bescheinigung für die Zeit bis zum 13.09.2015 am 04.08.2015 ausgestellt worden ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die AU der Krankenkasse nicht gemeldet werde. Dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolge oder das Versäumnis nicht vom Versicherten zu verantworten sei. In der Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 ruhe der Anspruch des Klägers auf Krankengeld, da die erneute Attestierung der AU erst am 20.08.2015 und damit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung am 04.08.2015 angezeigt worden sei. Bei der Meldung der AU handele es sich um eine Obliegenheit des Versicherten, der die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung zu tragen habe. Das Bundessozialgericht habe in ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung selbst dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei vorgelegen hätten und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung treffe.
Am 07.01.2016 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Entweder hätten es seine Ärzte versäumt, der Beklagten die AU-Bescheinigung vom 04.08.2015 zu übermitteln oder sie sei bei der Beklagten verloren gegangen. Jedenfalls aber handele es sich um einen Fehler, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle und den er bis zu seiner Vorsprache am 20.08.2015 nicht erkannt habe und auch nicht habe erkennen können. Dabei werde ein Fehler des Vertragsarztes bei der Ausstellung und Aushändigung der Bescheinigung dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zugeordnet. Ggf. sei aufzuklären, weshalb die AU-Bescheinigung nicht oder zu spät bei der Beklagten eingetroffen sei (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R). Wenn die Beklagte Ärzten Freiumschläge für den Versand von AU-Bescheinigungen zur Verfügung stelle, gebe sie damit den von ihr favorisierten Übermittlungsweg vor, so dass sie sich nicht auf mangelnde Verantwortlichkeit berufen könne, wenn dieser Übermittlungsweg an irgendeiner Stelle versage.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 zu verurteilen, ihm Krankengeld auch für die Zeit vom 05.08.2015 bis zum 19.08.2015 auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei nicht erkennbar, dass die nicht rechtzeitige Meldung der AU auf Umständen beruhe, die in ihren Verantwortungsbereich fielen. Bei den in der Vergangenheit den Ärzten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen handele es sich lediglich um ein freiwilliges Angebot. Auch sei das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig. Zwar sei eine Meldung der AU an die Krankenkasse durch Dritte generell möglich, jedoch habe der Kläger die Folgen der verspäteten Meldung zu tragen. Im Übrigen könne ein vertragsärztliches Fehlverhalten nicht ohne weiteres der Krankenkasse zugerechnet werden (BSG, Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R). Das Risiko einer nicht rechtzeitigen Meldung der AU verbleibe auch dann im Verantwortungsbereich eines Versicherten, wenn die Übermittlung durch eine andere Person (z.B. Mitarbeiter in der Arztpraxis) erfolge. Ggf. bestehe für den Kläger die Möglichkeit, gegenüber dem behandelnden Arzt einen Erstattungsanspruch geltend zu machen.
Das Sozialgericht hat eine schriftliche Auskunft von Herrn N. eingeholt. Der Hausarzt hat mitgeteilt, die AU-Bescheinigung vom 04.08.2015 sei, soweit erinnerlich, durch Praxismitarbeiter an die Beklagte übermittelt worden. Seine Praxis übernehme die Übermittlung der AU-Bescheinigungen an die Krankenkasse nur für Versicherte der Beklagten und der AOK. Hierfür stelle die Beklagte Freiumschläge zur Verfügung. Allen Patienten, die nicht bei der Beklagten oder der AOK versichert seien, werde (auch) der Durchschlag der AU-Bescheinigung für die Krankenkasse ausgehändigt.
Mit Urteil vom 16.02.2017 – der Beklagten zugestellt am 17.03.2017 – hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Wie bei der ärztlichen Feststellung handele es sich auch bei der Meldung der AU grundsätzlich um eine Obliegenheit des Versicherten, der im Regelfall auch die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung zu tragen habe. Sowohl die Ausschlussvorschrift des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V als auch die Regelung zur Meldung der AU in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V seien strikt zu handhaben (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R m.w.N.). Gleichwohl falle die verspätete Meldung des Fortbestehens der AU nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers, sondern sei der Beklagten zuzurechnen. Dies folge sowohl aus § 5 Abs. 1 S. 5 des EFZG als auch aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Herrn N. Freiumschläge zur Übermittlung der AU-Bescheinigungen zur Verfügung gestellt habe und diese nach dem Bekunden des Arztes hier auch zur Verwendung gelangt seien. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG sei der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die AU und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauere die AU länger als drei Tage, habe der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der AU sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen (S. 2). S. 5 dieser Norm bestimme, dass – wenn der Arbeitnehmer, wie vorliegend der Kläger, Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei – die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten müsse, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die AU mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der AU übersandt werde. Aus der Regelung des § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG folge demnach, dass einem Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Verpflichtung abgenommen sei, der Krankenkasse die AU zu melden (BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80). Hinzu komme, dass die Beklagte im vorliegenden Fall und auch in anderen der Kammer bekanntgewordenen Fällen (SG Aachen – S 15 KR 74/16 und – S 13 KR 318/16) im Zusammenwirken mit den jeweils behandelnden Vertragsärzten durch die Überlassung von Freiumschlägen den Anschein erweckt habe, den Versicherten sei die Obliegenheit, der Krankenkasse die AU zu melden, abgenommen worden. Hier habe der Vertragsarzt von der Möglichkeit der Übersendung der AU-Bescheinigungen per Freiumschlag auch Gebrauch gemacht. Der Kläger sei über diese Verfahrensweise informiert gewesen. Er habe daher darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte von seiner weiteren AU ordnungsgemäß und rechtzeitig unterrichtet würde.
Dagegen richtet sich die vom Sozialgericht zugelassene, am 12.04.2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Es deute einiges darauf hin, dass Herr N. die AU erst am 19.08.2015 bescheinigt habe. Im Übrigen gehe der Gesetzgeber davon aus, dass ein in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigter Versicherter selbst die notwendigen Schritte unternehme, um die AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren (BSG, Urteil vom 24.02.1976 – 5 RKn 26/75). Die Notwendigkeit der rechtzeitigen Vorlage der AU-Bescheinigung sei dem Kläger bekannt gewesen. Dass er alles in seiner Macht stehende getan habe, um seine AU rechtzeitig zu melden, sei nicht erkennbar. Das Risiko einer fehlenden oder verspäteten Übermittlung einer AU-Bescheinigung trage der Versicherte (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.12.2004 – L 2 KR 54/04). Mit Blick auf die Argumentation des Sozialgerichts sei schon zweifelhaft, ob § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG gegenüber dem in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ausdrücklich angeordneten Ruhen des Krankengeldes vorrangig sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015 – L 5 KR 5457/13; Revision anhängig unter dem Aktenzeichen B 3 KR 29/15 R). Hinsichtlich der dem Herrn N. zur Verfügung gestellten Freiumschläge existiere keine Vereinbarung, die den Ärzten die grundsätzlich den Versicherten obliegende Versendung von AU-Bescheinigungen an die Krankenkasse auferlege. Das Vertragsarztrecht regele abschließend, welche Leistungen die Ärzte zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen hätten. Hierzu gehöre der Versand der AU-Bescheinigungen nicht. Anders als beispielsweise für das Ausstellen von Attesten oder Rezepten gebe es auch keine Abrechnungsziffer, über die die Versendung von AU-Bescheinigungen durch Ärzte an die Krankenkasse vergütet werden könnte. Die Praxis der Beklagten, Ärzten Freiumschläge für die Übersendung von AU-Bescheinigungen zur Verfügung zu stellen, sei Ende der NeunzigerJahre als Service für die Ärzte eingeführt und 2016 wieder eingestellt worden. Es stelle wiederum eine reine Serviceleistung der Ärzte dar, wenn sie die Übersendung der Bescheinigungen für ihre Patienten übernähmen. Dieser Service erfolge weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten, sondern werde von den Ärzten angeboten und eigenverantwortlich durchgeführt. Ein etwaiges Fehlverhalten von Ärzten durch eine verspätete Übersendung der AU-Bescheinigungen sei der Beklagten nicht anzulasten. Eine entsprechende Zurechnungsnorm existiere im SGB V nicht. Ferner seien Vertragsärzte weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfen der Krankenkassen. Ein etwaiges ärztliches Verschulden könne der Beklagten damit auch über zivilrechtliche Normen nicht zugerechnet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne ärztliches Fehlverhalten zwar Schadensersatzansprüche von Versicherten gegen Ärzte, nicht jedoch gegenüber Krankenkassen auslösen. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, die ihm von der Arztpraxis ausgehändigte Ausfertigung der AU-Bescheinigung ggf. in Kopie an die Beklagte zu übersenden. Wenn er sich für die Meldung der AU eines Dritten bediene, müsse er sich Verzögerungen oder auch den Verlust bei der Übermittlung zurechnen lassen. Dies gelte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts selbst bei rechtzeitigem Versand durch den Arzt (hier Herrn N.) oder auch, wenn es bei einer eigenen Übersendung per Brief zu Verzögerungen auf dem Postweg komme. Der Gesetzgeber habe (in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) bewusst nicht auf den Zeitpunkt des Versandes der AU-Bescheinigung, sondern auf den Zugang bei der Krankenkasse abgestellt und dem Versicherten somit das Übermittlungsrisiko auferlegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.02.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Wenn sich die Beklagte durch die Überlassung der Freiumschläge derart in die betrieblichen Abläufe von Arztpraxen und die Vorgänge aufgrund des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient einmische, könne sie sich im Nachhinein nicht auf ein Versagen dieses Kommunikationsweges berufen. Schließlich habe auch die Regelung des § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG bzw. der dieser Vorschrift entsprechende Aufdruck auf den Bescheinigungen seinen Eindruck verstärkt, dass er mit dem Gang zum Arzt alles Erforderliche getan habe, um seinen Krankengeldanspruch aufrecht zu erhalten.
Der Kläger ist in einem Erörterungstermin am 19.06.2017 persönlich angehört worden. Dort hat er angegeben, aufgrund einer entsprechenden mündlichen Versicherung des Herrn N. sei er damals davon ausgegangen, dass dieser die AU-Bescheinigungen unter Nutzung der ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschläge, (wie immer zuvor und danach) unmittelbar an die Beklagte weiterleiten werde. Vom Mangel des Vorliegens der AU-Bescheinigung bei der Beklagten habe er erst anlässlich seiner dortigen Vorsprache am 20.08.2015 Kenntnis erlangt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Angaben des Klägers in dem Erörterungstermin wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 19.06.2017 Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Gegenstand des (Klage-)Verfahrens ist der Bescheid vom 02.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 (§ 95 SGG), mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger Krankengeld in dem Zeitraum vom 05. bis 19.08.2015 zu gewähren.
II. Die dagegen gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 und Abs. 4, 56 SGG) statthaft sowie im Übrigen zulässig und begründet.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen zwar nicht. Sie sind jedoch materiell rechtswidrig. Der Kläger ist dadurch beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn ihm steht ein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten (auch) für den streitigen Zeitraum vom 05. bis zum 19.08.2015 zu.
1. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus den Regelungen des Zweiten Titels des Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB V (§§ 44 ff. SGB V), die hier in der (ohne Übergangsregelung) mit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (BGBl. I 2015, 1211-1244; BR-Drs. 641/14) zur Anwendung gelangen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R m.w.N.; Sonnhoff in jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 44 Rn. 29 m.w.N.; Knispel NZS 2018 Seite 24) sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Der streitige Bewilligungsabschnitt beginnt (nach vorangegangener Feststellung der AU durch Dr. H. bis zum 03.08.2015) am 05.08.2015 und damit nach dem 22.07.2015.
2. Der Kläger befand sich im streitigen Zeitraum nicht mehr in stationärer Behandlung. Für seinen Anspruch auf Krankengeld kommt es daher zunächst darauf an, ob er arbeitsunfähig und weiterhin gegen das Risiko der AU bei der Beklagten versichert gewesen ist (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Da er am 05.08.2015 immer noch in dem Arbeitsverhältnis bei seinem Arbeitgeber stand, bestand auch die Versicherung bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld noch fort (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis ist Maßstab für die AU die Tätigkeit als Verkäufer (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2001 – B 1 KR 30/00 R). Diese mit nicht unwesentlichen körperlichen Belastungen verbundene Beschäftigung konnte der Kläger auch Monate nach dem akuten Infarktereignis noch nicht wieder ausüben, was durch die AU-Bescheinigungen, die weitere Bescheinigung des Herrn N. vom 04.08.2015 sowie das Scheitern der Wiedereingliederung am 04.08.2015 gut dokumentiert und zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig ist.
3. Die weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 05. bis zum 19.08.2015 war bereits zu Beginn dieses Zeitraumes durch die AU-Bescheinigung des Herrn N. vom 04.08.2015 ärztlich festgestellt (§ 46 S. 1 Nr. 2 SGB V). Aufgrund der Angaben des Herrn N. auf Nachfrage des Sozialgerichts ist der Senat davon überzeugt, dass die AU-Bescheinigung schon am 04.08.2015 und nicht erst – wie die Beklagte zwischenzeitlich geltend gemacht hat – am 19.08.2015 ausgestellt wurde. Das Datum 04.08.2015 ergibt sich schlüssig aus der von Herrn N. vorgelegten Computerdokumentation. Das Datum 19.08.2015 ist dadurch erklären, dass nachträglich eine weitere AU-Bescheinigung bei Herrn N. angefordert wurde.
4. Ein Ruhen des Krankengeldanspruches ist in der Zeit vom 05. bis 19.08.2015 nicht eingetreten.
Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bereits erschöpft war und dem Kläger Übergangsgeld nur bis zum 04.08.2015 gezahlt wurde, kommt ein Ruhen des Krankengeldanspruches nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 SGB V offensichtlich nicht in Betracht.
Der Anspruch hat auch nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V geruht.
Zwar ist das Vorliegen der AU-Meldung des Klägers bei der Beklagten innerhalb einer Woche seit dem 04.08.2015 nicht nachweisbar. Auch scheidet eine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist aus, weil es sich um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 22; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, Stand: 23.02.2016, § 49 Rn. 47 m.w.N.; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. 10/14 X/14, K § 49 Rn. 63).
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat in diesem Zusammenhang (weiterhin) anschließt, ist es der Beklagten hier jedoch verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen.
a) Grundlage dafür ist das in dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wurzelnde Institut der Nachsichtgewährung.
Eine Nachsichtgewährung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 20, 22 m.w.N.) in Betracht, wenn dafür besondere Gründe vorliegen und die vom Gesetzgeber mit der Ausschlussfrist verfolgten Ziele und die dabei zu berücksichtigenden Interessen nicht entgegenstehen. Denn in solchen Fällen kann sich die Berufung des Versicherungsträgers auf die Ausschlussfrist als rechtsmissbräuchlich darstellen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 22). Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist es – ebenso wie des § 46 S. 1 SGB V -, Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung einer AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 14 f., 17).
Davon ausgehend hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 23 ff.) für die Vorgängerregelung zu § 49 Nr. 5 SGB V (§ 216 Abs. 3 RVO) und in nachfolgenden Entscheidungen zu § 49 Nr. 5 SGB V (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 15 ff.) zwar entschieden, dass die Meldeobliegenheit – ebenso wie § 46 S. 1 SGB V – stets strikt auszulegen ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R m.w.N.) und sich Versicherte bei unterbliebener oder verzögerter Meldung auch nicht auf fehlendes (eigenes) Verschulden (etwa wegen unvorhersehbar langer Postlaufzeiten) berufen können (vgl. Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 23 und Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Dem schließt sich der erkennende Senat ausdrücklich an.
Daraus, dass das Gesetz die Meldung der AU grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist, ergibt sich jedoch nicht, dass der Krankenkasse kein eigener Verantwortungsbereich mehr verbleibt. Vielmehr kann der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unter Umständen dem Ruhen des Krankengeldanspruches entgegenstehen. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Versicherter die AU rechtzeitig "gemeldet" hat, der Zugang der Meldung aber durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 24).
b) Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R Rn. 22) folgendermaßen konkretisiert: Hat der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren (dazu aa)), wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (dazu bb)) und macht er seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend (dazu cc)), kann er sich auf die Fehlentscheidung auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen.
Diese Kriterien entsprechen im Wesentlichen auch den Grundsätzen, die in der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R) zu der gleich gelagerten (s.o.) Bestimmung des § 46 S. 1 SGB V aufgestellt worden sind.
aa) Welche Mitwirkungshandlungen zur Wahrung des Krankengeldanspruches möglich bzw. zu erwarten sind, hat sich an den Umständen des jeweiligen Einzelfalles auszurichten. Hier hat sich der Kläger am 04.08.2015 in die Praxis des Herrn N. begeben, wo er von dem Arzt untersucht und weiter bis zum 13.09.2015 arbeitsunfähig geschrieben wurde. Von seinem – insoweit maßgeblichen – Empfängerhorizont aus betrachtet hatte er damit alles getan, um (jedenfalls) ab dem 05.08.2015 wieder einen Anspruch auf Krankengeld zu erlangen. Denn er musste nach den ihm von Herrn N. gegebenen Informationen und der zuvor (etwa am 04.05. und 12.06.2015) geübten Praxis davon ausgehen, dass sich der Arzt unter Nutzung der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschläge um die Weiterleitung der AU-Bescheinigung an die Beklagte kümmern werde.
Da ihm – wie Herr N. auf Anfrage des Sozialgerichts mitgeteilt hat – das für die Beklagte bestimmte Exemplar der AU-Bescheinigung gar nicht erst ausgehändigt wurde, war es ihm kaum möglich – jedenfalls aber nicht zumutbar – zusätzlich persönlich für eine Übermittlung der Bescheinigung an die Beklagte zu sorgen. Denn hierzu hätte er sich von der bisher geübten – und zumindest nach seinem Erkenntnishorizont von der Beklagten gebilligten – Praxis abweichend etwa eine Kopie der AU-Bescheinigung von Herrn N. bzw. dessen Mitarbeitern aushändigen lassen müssen, was zur Überzeugung des erkennenden Senats die Sorgfaltsanforderungen im vorliegenden Fall deutlich überspannen würde.
bb) Eine "Fehlentscheidung" der Beklagten, die den Kläger im vorliegenden Fall daran hinderte, seinen Krankengeldanspruch zu wahren, liegt ebenfalls vor.
(1) Diese kann schon darin gesehen werden, dass sich wie auf der Bescheinigung vom 19.08.2015 auch auf der – nicht aktenkundigen – AU-Bescheinigung vom 04.08.2015 (Ausfertigung für den Arbeitgeber) der Aufdruck mit dem Hinweis auf die unmittelbare Mitteilung an die Krankenkasse (gemäß § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG, früher: § 3 Abs. 1 S. 3 LFZG) befunden haben dürfte.
Insoweit haben das Bundessozialgericht und diesem folgend u.a. der erkennende Senat bereits entschieden, dass es sich dabei auch dann um einen Fehler handelt, der im Verantwortungsbereich der Beklagten liegt, wenn – wie hier – ein Fall der LFZ/EFZ zwar nicht vorliegt, der Vertragsarzt aber dennoch von dem Vordruck Gebrauch macht ((vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 Rn. 24 ff., 28 zu § 3 Abs. 1 LFZG; Urteil des erkennenden Senats vom 25.03.2004 – L 5 KR 149/03 Rn. 20 f. m.w.N.; LSG NRW, Urteile vom 11.12.2003 – L 16 KR 159/02 und vom 26.08.2004 – L 16 KR 324/03; SG Aachen, Urteil vom 31.01.2017 – S 13 KR 318/16 Rn. 20; Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: November 2012, SGB V § 49 Rn. 33 f.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Versicherten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass außerhalb des Zeitraumes der EFZ die Meldung nicht dem Vertragsarzt, sondern ihm obliegt bzw. die Krankenkasse keine Kenntnis erlangt hat (vgl. BSG a.a.O. Rn. 28, 30).
Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg und Teile der Literatur (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2017 – L 5 KR 2067/17 Rn. 28-31; Revision anhängig unter B 3 KR 23/17 und Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: September 2017, § 49 SGB V Rn. 40) inzwischen eine andere Auffassung vertreten, weil systematisch zwischen EFZ und Krankengeld zu unterscheiden sei sowie vertragsärztliches Verhalten nicht ohne weiteres der Krankenkasse zugerechnet werden könne, leuchtet dies nicht ein. Denn Ansatzpunkt für die Argumentation des Bundessozialgerichts ist nicht der Charakter der EFZ, sondern der Umstand, dass durch Mitwirkung der Kassen an den AU-Richtlinien und den sich daraus ergebenden Hinweisen bei Versicherten im Einzelfall eine Fehlvorstellung über deren Meldeobliegenheit erzeugt wird. Außerdem mag zwar eine Zurechnung vertragsärztlichen Verschuldens auf Krankenkassen nicht ohne weiteres möglich sein. Das Bundessozialgericht hat jedoch schon in dem Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 (Rn. 29) hervorgehoben, dass die Krankenkassen in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass die zur Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Vordrucke praktikabel gestaltet und von den Vertragsärzten richtig verwendet werden. Die Feststellung und die Bescheinigung der AU durch den Vertragsarzt seien Tätigkeiten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, für die die Träger der Krankenversicherung eine Mitverantwortung trügen. Eine fehlerhafte Verfahrensweise des Vertragsarztes in diesem Bereich könne nicht ohne weiteres den Versicherten zugerechnet werden."
(2) Letztlich kann diese Frage zur Entscheidung des vorliegenden Falles aber auch offenbleiben. Denn jedenfalls in der Überlassung der Freiumschläge an Herrn N. liegt eine ("Fehl"-) Entscheidung der Beklagten, die den Kläger an der Wahrung seines Krankengeldanspruches hinderte.
Die Beklagte hat mit der Überlassung der Freiumschläge an Vertrags- bzw. Knappschaftsärzte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Erfüllung der Meldeobliegenheit für ihre Versicherten erleichtern wollte, indem sie einen kostenfreien Meldeweg über den Vertrags-/Knappschaftsarzt eröffnete. Ist dies der Fall, erscheint es – unabhängig von zivilrechtlichen Zurechnungsregeln – offenbar treuwidrig, sich darauf zu berufen, wenn auf diesem von ihr (ohne Not) eröffneten besonderen Übermittlungsweg ein Fehler passiert, der zur Versäumung der Meldefrist führt.
Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Risiko einer fehlenden oder verspäteten Übermittlung einer AU-Bescheinigung (grundsätzlich) den Versicherten zur Last fällt. Der maßgebende, eine abweichende Beurteilung rechtfertigende Unterschied liegt darin, dass die Beklagte einen gesonderten Übermittlungsweg für die Versicherten eröffnet hat. Auch wenn dieser nicht verpflichtend war, hat sie damit die Übermittlung und damit auch das Risiko eines Versagens aus der Sphäre der Versicherten in ihre Sphäre überführt.
Den Einwand der Beklagten, die Übersendung der Bescheinigungen für die Versicherten stelle in dem vorliegenden Zusammenhang eine reine Serviceleistung der Ärzte dar, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten erfolge, sondern von den Ärzten eigenverantwortlich angeboten und durchgeführt werde (so auch Schifferdecker a.a.O.), ist kaum noch nachvollziehbar. Es stellt schlichtweg ein gröblich widersprüchliches Verhalten dar, durch die Überlassung von Freiumschlägen einen gesonderten – und damit offenbar gewünschten – Übermittlungsweg zu eröffnen, gleichzeitig aber zu behaupten, dies nicht veranlasst zu haben, wenn dieser Übermittlungsweg dann beschritten wird. Von einer ärztlichen Serviceleistung könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn Herr N. die Übersendung der AU-Bescheinigung eigenständig initiiert und auf eigene Kosten übernommen hätte. So verhält es sich hier jedoch unstreitig gerade nicht.
Ob in der Überlassung der Freiumschläge ein Auftrag im zivilrechtlichen Sinne zu sehen oder Herr N.als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe tätig geworden sein könnte, bedarf keiner Erörterung. Auch um die Zurechnung eines (etwaigen) vertragsärztlichen Fehlverhaltens geht es nicht. Es kommt allein darauf an, dass die Beklagte selbst rein tatsächlich eine Ursache gesetzt hat, die eine Berufung auf die Versäumung der Meldefrist treuwidrig erscheinen lässt.
Klarstellend ist mit Blick auf das von der Beklagten erwähnte Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R, wonach ein vertragsärztliches Fehlverhalten nicht ohne weiteres der Krankenkasse zugerechnet werden kann, darauf hinzuweisen, dass es sich dort um ein von der Krankenkasse nicht veranlasstes vertragsärztliches Fehlverhalten handelte.
Auf (möglicherweise) parallel bestehende, unsichere Regressansprüche gegen Vertragsärzte müssen sich Versicherte – und damit hier der Kläger – grundsätzlich nicht verweisen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R).
cc) Nach seinen nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben in dem Erörterungstermin am 10.06.2017 und in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.01.2018 hat der Kläger die Meldung ohne schuldhaftes Zögern innerhalb der Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nachgeholt, weil ihm erst am 20.08.2015 bekannt wurde, dass die Meldung seiner Arbeitsunfähigkeit vom 04.08.2015 bei der Beklagten nicht eingegangen war. Selbst wenn der Kläger – ausgehend von dem Datum auf der nachgereichten AU-Bescheinigung – nicht erst am 20., sondern schon am 19.08.2015 Kenntnis von dem Mangel der Meldung gehabt hätte, wäre dies unschädlich, weil auch ausgehend von diesem Datum die Wochenfrist zur (Nach-) Meldung noch gewahrt wäre.
5. Andere Gründe, die dem geltend gemachten Anspruch des Klägers entgegenstehen könnten, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Anspruch war noch nicht erschöpft, weil der Kläger in dem streitigen Zeitraum noch nicht für 78 Wochen Krankengeld wegen AU aufgrund des Herzinfarkts bezogen hatte (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB V). Ausschluss-, Versagens- oder Kürzungsgründe nach den §§ 50, 51, 52 SGB V liegen ebenfalls nicht vor.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.
C) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 12.11.2019
Zuletzt verändert am: 12.11.2019