NZB als unzulässig verworfen
Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 2 AS 2035/16 durch Rücknahme der Klage beendet ist. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Rechtsstreit durch Rücknahmefiktion in der Berufungsinstanz beendet worden ist.
In dem zu Grunde liegenden Verfahren wandten sich die Kläger gegen Aufhebung- und Erstattungsbescheide (Bescheide vom 17.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2013), mit denen die zuvor erfolgte Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.09.2012 vollumfänglich wegen der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit aufgehoben worden war. Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 19.07.2016 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger am 30.09.2016 Berufung (Az. L 2 AS 2035/16) eingelegt und eine Begründung derselben nebst Antragstellung binnen eines Monats angekündigt. Mit Verfügung vom 19.10.2016 sind die Kläger vom Senat aufgefordert worden, die Berufung binnen einer Frist von vier Wochen zu begründen. Mit Verfügung vom 28.11.2016 wurde an die Begründung der Berufung erinnert. Mit weiterer Verfügung vom 16.01.2017 wurden die Kläger unter Hinweis auf die noch nicht vorliegende Berufungsbegründung aufgefordert, das Verfahren zu betreiben. Weiterhin erfolgte der Hinweis, dass gemäß § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Klage als zurückgenommen gilt, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zugang der Aufforderung nicht betrieben wird. Die Verfügung vom 16.01.2017 ist vom Richter mit vollem Nachnamen unterzeichnet worden. Die Betreibensaufforderung ist den Klägern am 25.01.2017 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis vom gleichen Tag).
Nachdem eine Reaktion der Kläger nicht erfolgte, hat der Senat mit Verfügung vom 26.04.2017 das Verfahren als durch Rücknahme der Klage beendet ausgetragen.
Dagegen wenden sich die Kläger. Sie sind der Auffassung, das Verfahren sei nicht durch die Fiktion einer Klagerücknahme beendet worden; die Berufung sei mithin weiterhin anhängig. Bereits die Aufforderung sei nicht formwirksam ergangen, so dass schon keine wirksame Fristsetzung vorliege. Es hätte ein Beschluss ergehen müssen, der vom Senat in seiner gesamten Besetzung zu unterzeichnen gewesen wäre. Im Übrigen sehe die Verfahrensordnung nicht zwingend eine Begründung des Rechtsmittels vor. Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen könne im Übrigen geschlossen werden, weshalb sich die Kläger durch die angefochtenen Bescheide beschwert fühlten.
Der Senat hat das Verfahren unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens fortgesetzt.
Nach Lage der Akten beantragen die Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.07.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2013 aufzuheben.
Der Beklagte hat im Berufungsverfahren keinen Verfahrensantrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Eine Sachentscheidung darüber, ob die angefochtenen Verwaltungsakte des Beklagten rechtmäßig sind oder die Kläger in ihren Rechten verletzen, konnte nicht ergehen, weil das Gerichtsverfahren durch Klagerücknahme beendet ist.
Von den Klägern ist zwar eine Klagerücknahme nicht erklärt worden, die von ihnen erhobene Klage gilt aber als zurückgenommen. Gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Mit der Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens ist der Kläger auf die Folgen des Nichtbetreibens einer Klage hinzuweisen (§ 102 Abs. 2 S. 3 SGG). Die Voraussetzungen dafür, dass die von den Klägern hier erhobene Klage als zurückgenommen gilt, liegen vor.
Die Kläger sind wirksam unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Folgen des Nichtbetreibens aufgefordert worden, das Verfahren zu betreiben. Formelle Bedenken bestehen insoweit nicht. Die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.07.2010 zum Az. B 13 R 58/09 R zu Rn. 48 ff. der Wiedergabe bei juris, sowie Urteil vom 04.04.2017, Az. B 4 AS 2/16 R zu Rn. 23 der Wiedergabe bei juris) herausgearbeiteten Voraussetzungen für eine wirksame Aufforderung sind erfüllt. Die Betreibensaufforderung ist vom Richter verfügt und mit dem Namen (und nicht lediglich mit einer Paraphe) unterzeichnet worden. In dem daraufhin erstellten und dem Bevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis übersandten Anschreiben wird der Richter (ebenfalls mit vollem Namen) als Urheber des Schreibens ausgewiesen. Damit musste dem Empfänger des Schreibens deutlich sein, dass es sich bei dem unterzeichneten Text nicht lediglich um einen Entwurf oder um ein Routine- bzw. Formschreiben der Geschäftsstelle des Gerichts handelt und deshalb von einer Wichtigkeit für das Verfahren auszugehen ist. Die Betreibensaufforderung ist eine prozessleitende Verfügung und ergeht nicht in Form eines Beschlusses. Die Klägerseite geht deshalb fehl in der Annahme, die Aufforderung müsse von sämtlichen Mitgliedern des Senats unterzeichnet werden. Innerhalb des Spruchkörpers ist dafür der Vorsitzende oder, sofern ein Berichterstatter bestellt ist, dieser für prozessleitende Verfügungen zuständig (§ 155 i.V.m. § 106 SGG).
Die Betreibensaufforderung hat die Fiktion einer Klagerücknahme ausgelöst, weil das Verfahren innerhalb der genannten Frist von den Klägern nicht betrieben worden ist. Es bestanden im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Fortführung des Verfahrens. Nachdem von den Klägern bei Einlegung der Berufung eine Begründung nebst Antragstellung in einem gesonderten Schriftsatz angekündigt worden war, musste davon ausgegangen werden, dass auch von ihnen ihr erstinstanzliches Vorbringen angesichts dessen Würdigung im angefochtenen Urteil nicht als ausreichend für einen Berufungserfolg angesehen wurde. Unterbleibt im Folgenden aber trotz wiederholter Aufforderung unter Fristsetzung weiterer Vortrag, ist dies ein wichtiges Indiz für den Wegfall des Interesses an der Fortsetzung des Verfahrens. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Sozialgerichtsgesetz sehe nicht zwingend die Begründung einer Berufung vor. Dies ist zwar zutreffend (siehe § 151 Abs. 3 SGG), es führt hier aber schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil dem Richter im Einzelfall die Entscheidung darüber obliegt, mit welchen Maßnahmen im Sinne von § 106 SGG das Verfahren gefördert werden soll. Im vorliegenden Verfahren ist diesbezüglich insbesondere zu beachten, dass von den Klägern bei Berufungseinlegung ausdrücklich um einen gerichtlichen Hinweis gebeten worden ist, wenn weitere Darlegungen oder Beweisantritte vom Gericht für erforderlich angesehen würden. Damit ist von den Klägern zunächst eine Mitwirkungsbereitschaft signalisiert worden. Wenn sodann trotz wiederholter Aufforderungen unter Fristsetzung Mitwirkungen am Verfahren unterbleiben, bestätigt sich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte der Fortfall des Rechtsschutzinteresses. Innerhalb der gesetzten Frist haben sich die Kläger im Übrigen in keiner Weise zum Verfahren geäußert; auch ein Hinweis, dass zur Begründung der Berufung nunmehr allein auf das erstinstanzliche Vorbringen Bezug genommen werde, erfolgte nicht.
Die Fiktion einer Klagerücknahme im Sinne von § 102 Abs. 2 S. 1 SGG kann auch noch im Berufungsverfahren eintreten. Dies folgt aus § 102 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 102 Abs. 1 S. 1 SGG. Ist eine Klagerücknahme noch im Berufungsverfahren möglich, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Fiktion der Rücknahme der Klage bei Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht auch im Berufungsverfahren eingreifen könnte (so auch das Bundessozialgericht im bereits benannten Urteil vom 01.07.2010 zu den Rn. 35 ff. der Wiedergabe bei juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Erstellt am: 24.06.2019
Zuletzt verändert am: 24.06.2019