NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.09.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob dem Kläger wegen eines Unfalls Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen.
Der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende, im Jahre 1947 geborene Kläger betreibt einen Holzhandel. Zu seinen Geschäftspartnern zählte u.a. das osteuropäische Holzhandelsunternehmen D, welches u.a. Niederlassungen in Budapest (Ungarn) und O (ehemaliges Jugoslawien, heute Serbien) hatte.
Bis Ende 1994 war der Kläger Mitglied der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (Rh.I.BG). Seit dem 01.01.1995 ist er mit seinem Unternehmen mit dem Gewerbezweig "Holzeinschlag/Holzhandel" ins Unternehmerverzeichnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Holz-Berufsgenossenschaft (im Folgenden: Beklagte) eingetragen.
Am 26.04.1994 erstattete der Kläger eine Anzeige über einen Unfall vom 09.02.1994 in C (Serbien) unter Hinweis darauf, dass er z.Zt. des Unfalls im betrieblichen Interesse, nämlich wegen eines Gerichtstermins in Slowenien, unterwegs gewesen sei.
Nach mehrfachen Befragungen des Klägers, Beiziehung der Niederschrift des Amtsgerichts C vom 09.02.1994 betreffend den Unfall und Einholung eines mund-kiefer-gesichtschirurgischen Gutachtens bewilligte die Rh.I.BG dem Kläger mit Bescheid vom 20.03.1997 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. für die Zeit vom 24.06.1994 bis 29.02.1996 und ab dann auf Dauer nach einer MdE von 30 v.H. Am 16.09.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie der zuständige Leistungsträger für den Unfall von 1994 sei und übernahm ab 01.07.1997 die bis dahin von der Rh.I.BG gezahlten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Im Januar 1999 gelangte die Beklagte in Besitz eines vom Büro für verkehrstechnische Gutachten in O im Juni 1994 für das Bezirksgericht in C erstellten Sachverständigengutachtens, aus dem sich erstmals ergab, dass das vom Kläger genutzte Fahrzeug bei dem Unfall nicht in Fahrtrichtung des vom Kläger angegebenen Geschäftstermins in O, sondern in entgegengesetzter Fahrtrichtung gefahren war.
Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte deshalb mit Bescheid vom 23.02.1999 den Bewilligungsbescheid vom 20.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.1997 und die Feststellung vom 16.09.1997 mit der Begründung zurück, bei dem Unfall habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, und stellte die laufende Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Februar 1999 ein. Außerdem machte sie eine Rückforderung für zu Unrecht erbrachte Rentenaufwendungen in Höhe von 19.764,36 DM, zzgl. 574,27 DM Zinsen, geltend.
Gegen den Bescheid legte der Kläger unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des H vom 12.01.1999 fristgerecht Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.1999 zurückwies.
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) zu dem Az. S 6 U 121/99 endete am 14.11.2002 mit einem klageabweisenden Urteil.
In dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) zu dem Az. L 17 U 42/03, in dem keine weiteren Ermittlungen durchgeführt worden waren, schlossen die Beteiligten am 25.02.2004 zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte gewährt dem Kläger zum Ausgleich aller aus dem Unfall vom 09.02.1994 bestehenden Ansprüche noch Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. bis zum 31.12.2002.
2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Rentenleistung nicht zu verzinsen ist und weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte auf Entschädigungsleistungen für die Folgezeit nicht bestehen.
3. Die Beteiligten sind sich weiter einig, dass Rückforderungsansprüche der Beklagten gegen den Kläger nicht bestehen.
4. Die Beklagte übernimmt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen dem Grunde nach zur Hälfte.
5. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."
Im Januar 2010 bat der Kläger um Anerkennung der anlässlich des Unfallereignisses vom 09.02.1994 erlittenen Verletzungen als Arbeitsunfall und um Gewährung von Verletztenrente. Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Bitte um nähere Begründung seines Antrags kam der Kläger – trotz anwaltlicher Vertretung – nicht nach.
Mit Bescheid vom 13.01.2011 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Ein neues Verwaltungsverfahren werde nicht eingeleitet. Eine Überprüfung des Sachverhalts sei maßgeblich an das Benennen neuer Tatsachen oder Beweismittel gebunden. Nach der Rechtsprechung dürfe eine Verwaltung sich ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung des früheren Bescheides berufen, wenn keinerlei neue Tatsachen vorgebracht werden, die für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen. Der Kläger habe bisher keinerlei neue Tatsachen vorgebracht. Außerdem habe er in der mündlichen Verhandlung am 25.02.2004 vor dem LSG im Rahmen eines Vergleiches zugestimmt, dass "weitergehende Ansprüche” gegen die Beklagte "für die Folgezeit nicht bestehen”. Der Vergleich behalte weiterhin Gültigkeit.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers, der ebenfalls nicht begründet wurde, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, auch nach erneuter Überprüfung hätten sich keine neuen Tatsachen ergeben, die für die Unrichtigkeit des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Sachverhalts oder die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides sprechen würden.
Am 10.09.2012 hat der Kläger, wiederum ohne Begründung, Klage vor dem SG erhoben.
Er hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 07.08.2012, zugestellt am 10.08.2012, den Bescheid vom 23.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen und ihm weiterhin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass eines Arbeitsunfallereignisses vom 09.02.1994 in Serbien auf der I-straße 00 zwischen C und P zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihn neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Mit Urteil vom 08.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und bei der Begründung im Wesentlichen auf die Gründe in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen das ihm am 30.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.10.2015 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, der in dem Vergleich liegende Verzicht auf weitere Ansprüche aus dem Arbeitsunfall sei rechtswidrig und damit unwirksam. Zum gleichen Ergebnis komme man bei Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Vergleichsgrundlage. Vergleichsgrundlage sei die Tatsache gewesen, dass im damaligen Rechtsstreit die unmittelbaren Unfallzeugen und Mitinsassen nicht zur Verfügung gestanden hätten. Inzwischen sei der tatsächliche Sachverhalt jedoch geklärt. Abweichend von seinem bisherigen Vortrag erklärt er nun, an der Fahrt hätte neben den bereits bekannten Personen (Kläger, Bruder des Klägers O C, H) auch der in seinem Betrieb beschäftigte – zuvor vom Kläger nicht als Mitfahrer in seinem Fahrzeug benannte – P C teilgenommen. Positiv für ihn sei auch zu würdigen eine Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Zagreb, Fax-Schreiben vom 20.06.2007 an das LSG zum Aktenzeichen L 17 U 63/06 (betr. O C). Das materielle Recht führe zur Unwirksamkeit des Vergleiches, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit über die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte habe ihm geraten, den Vergleich zu akzeptieren, da die Berufung möglicherweise zurückgewiesen würde wegen des unzutreffenden Sachverhalts gemäß den Ermittlungen im Parallelverfahren seines Bruders. Die Überprüfung des Bescheids vom 23.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 sei nach § 44 SGB X auch trotz des abgeschlossenen Vergleiches möglich. Diesen Weg hätte die Beklagte selbst eröffnet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.09.2015 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 07.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 23.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 gem. § 44 SGB X zurückzunehmen und ihm weiterhin Rente aus Anlass des Arbeitsunfallereignisses vom 09.02.1994 zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihn neu zu bescheiden,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass sich die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes des Vergleiches maßgebenden Verhältnisse so wesentlich geändert haben, dass eine Änderung entsprechend dem ursprünglichen Antrag des Klägers gerechtfertigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Akten LSG, Az.: L 4 U 675/15 (betr. O C) beigezogen. Dieses Verfahren ist ausgesetzt, da der dortige Kläger verstorben und die Erbfolge noch nicht geklärt ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (insbesondere auf die Schriftsätze des Klägers vom 03.08.1994 nebst Unfallbericht vom 20.05.1994 und vom 17.10.1994, die Niederschrift des Amtsgerichts C vom 09.02.1994, die eidesstattliche Versicherung des H vom 12.01.1999, das Gutachten des Büros für verkehrstechnische Gutachten in O, das im Juni 1994 für das Amtsgericht C erstattet wurde, und die Auskunft der Botschaft der Republik Kroatien vom 16.04.1999), die Gerichtsakten (insbesondere auf den Schriftsatz des Klägers vom 26.10.2015 und das Fax-Schreiben der Bundesrepublik Deutschland vom 20.06.2007 an das LSG zum Aktenzeichen L 17 U 63/06), die beigezogenen Vorprozessakten L 17 U 42/03 (insbesondere auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.03.2001, vom 30.05.2001 nebst Anlagen, vom 14.04.2003 und vom 09.07.2001) sowie auf die beigezogene Akte (L 4 U 675/15) Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 13.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 07.08.2012 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen und dem Kläger weiterhin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Unfalls vom 09.02.1994 zu gewähren.
§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht vor, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X zur Durchbrechung der Bestandskraft sind nicht gegeben. Denn der vor dem LSG geschlossene Vergleich vom 25.02.2004 steht einer Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.1999 entgegen.
Grundsätzlich ist zwar die Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nicht ausgeschlossen (BSG, Urteile vom 12.12.2013 – B 4 AS 17/13 R -, 15.10.1985 – 11a RA 58/84 -, 22.5.1975 – 10 RV 153/74 – und 13.10.1959 – 11/8 RV 49/57 -). Denn der Grundsatz der Rechtssicherheit muss auch in den Fällen hinter dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit zurücktreten, in denen sich die Verwaltung von der Unrichtigkeit ihrer – zum Nachteil des Leistungsberechtigten ergangenen – Entscheidung überzeugt bzw. überzeugen muss (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.2013, a.a.O., und vom 15.11.1961 – 9 RV 54/59 -). Etwas anderes gilt aber nach Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.12.2013, a.a.O.), der sich der Senat anschließt, dann, wenn die Beteiligten mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs eine endgültige Erledigung in der Sache treffen und eine erneute Prüfung ausschließen wollten. Denn wenn die Beteiligten eine abschließende Regelung beabsichtigen, bringen sie dadurch zum Ausdruck, dass sie eine Überprüfung gerade ausschließen wollen, weil endgültig Rechtsfrieden herrschen soll. Das Bundessozialgericht hat mit seiner Auffassung in diesen Fällen das Spannungsverhältnis zwischen dem Vertrauen der Beteiligten in die Wirksamkeit einer einmal getroffenen Vereinbarung und dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit überzeugend zugunsten des ersten Grundsatzes gelöst. Es gibt keinen Grund, durch eine Überprüfung der zu Grunde liegenden Bescheide nach dem Maßstab des § 44 SGB X die Regeln zu übergehen, nach deren Maßgabe der Vergleich selbst der Überprüfung unterliegt, wenn der Vergleich abschließend sein soll. Maßgeblich ist insoweit die Auslegung des Vergleichs nach den Umständen des konkreten Einzelfalles. Im vorliegenden Fall ergibt diese Auslegung, dass die Beteiligten mit dem Vergleich vor dem LSG vom 25.02.2004 eine abschließende Regelung treffen wollten. Soweit zwischen den Beteiligten aufgrund der bestehenden Ungewissheit bezüglich der Sach- und Rechtslage umstritten war, ob die Beklagte befugt war, den Bescheid vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.1999 überhaupt zu erlassen, ist diese Ungewissheit durch den Vergleich durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden. Die Beteiligten haben in dem Vergleich alle streitigen Fragen bezüglich dieses Bescheides geregelt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren selbst eingeräumt, er habe den Vergleich geschlossen, da die Berufung möglicherweise zurückgewiesen worden wäre. Dass diese Regelungen abschließend sein und gerade nicht wieder zur Disposition gestellt werden sollten, ergibt sich eindeutig daraus, dass die Rentengewährung bis zum 31.12.2002 "zum Ausgleich aller aus dem Unfall vom 09.02.1994 bestehenden Ansprüche" erfolgte und die Beteiligten sich einig waren, dass "weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte auf Entschädigungsleistungen für die Folgezeit nicht bestehen." Der in dem Vergleich erklärte Verzicht der Beklagten auf Rückforderungen zeigt ein Entgegenkommen der Beklagten – das der Kläger auch nicht in Frage stellen möchte – und auch damit eindeutig, dass der Vergleich nicht durch die Überprüfung eines seiner Elemente im Rahmen des § 44 SGB X der Auflösung unterworfen sein sollte. Im Übrigen haben die Beteiligten explizit erklärt, dass der Rechtsstreit mit diesem Vergleich in vollem Umfang erledigt ist.
Der Vergleich vom 25.02.2004 ist auch weiterhin wirksam.
Der Vergleich selbst kann in einem Verfahren nach § 44 SGB X nicht überprüft werden. Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Prozessvergleichs (§§ 101 SGG, 779 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Der Prozessvergleich ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, für dessen Überprüfung die §§ 53 ff. SGB X anzuwenden sind. Soll der Vergleich seinem Inhalt nach angegriffen werden, kann dies daher nur nach Maßgabe der gesetzlichen Sonderregelungen hierfür erfolgen, nicht nach Maßgabe des § 44 SGB X, der schon nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die Überprüfung von Verwaltungsakten betrifft (siehe LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2011 – L 10 R 3494/08 -; SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 12.12.2016 – S 1 U 2521/16 -).
Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Vergleichs aus prozessrechtlichen Gründen sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Vergleich auch nicht aus materiellrechtlichen Gründen gem. § 779 BGB unwirksam. Danach ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs. 1 BGB), wobei es der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis gleichsteht, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist (§ 779 Abs. 2 BGB). Ein derartiger Irrtum über die Vergleichsgrundlage lag bei Abschluss des Vergleichs vor dem LSG aber nicht vor. Denn die Beteiligten haben den Vergleich gerade nicht aufgrund eines als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalts, sondern ersichtlich vielmehr wegen der zahlreichen Unklarheiten durch einander widersprechende Aussagen und Dokumente und der vielen Unwägbarkeiten bezüglich der Sach- und Rechtslage geschlossen. Dementsprechend beinhaltet der Vergleich auch keinerlei Ausführungen zu einem von den Beteiligten zugrunde gelegten Sachverhalt. Die Beteiligten sind bei Abschluss des Vergleichs eben nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie haben den Vergleich vielmehr bewusst als Risikovergleich geschlossen.
Der Vergleich ist auch bisher nicht angefochten worden. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung explizit erklärt, dass eine Anfechtung des Vergleichs für ihn nicht in Betracht kommt.
Da kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.1999 besteht, besteht auch kein Anspruch auf Gewährung von Rente über den in dem Vergleich geregelten Zeitpunkt (Rente bis zum 31.12.2002) hinaus. Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung, wie hilfsweise beantragt.
Ein Rentenanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus § 46 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach ein Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann. Denn in dem Vergleich vom 25.02.2004 ist kein Verzicht auf Sozialleistungen i.S. des § 46 Abs. 1 SGB I enthalten. § 46 SGB I regelt nämlich ausschließlich den Verzicht auf Sozialleistungen, für die ansonsten alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und die ohne Verzicht ohne Weiteres zu gewähren bzw. zu zahlen wären. Diese Voraussetzungen lagen bei Abschluss des Vergleichs nicht vor, da aufgrund des Bescheids vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 31.05.1999 eben kein Anspruch auf Leistungen mehr bestand. Dementsprechend hat der Kläger nicht auf einen ihm zustehenden Anspruch verzichtet, sondern die Beteiligten haben in dem Vergleich übereinstimmend klargestellt, dass weitergehende Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Entschädigungsleistungen nicht bestehen. Abgesehen davon wäre § 46 SGB I auch nach herrschender Literaturauffassung auf einen außergerichtlichen oder einen Prozessvergleich nicht anwendbar, da hierfür allein die Regelungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 53 ff. SGB X) Anwendung finden. Das bedeutet, dass im Rahmen eines Vergleichs auch mit Wirkung für die Zukunft auf Ansprüche verzichtet werden könnte, ohne dass insoweit eine Widerrufsmöglichkeit bestünde (siehe hierzu Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 46 SGB I, juris, Rn 52/53 m.w.N.).
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, "dass sich die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes des Vergleiches maßgebenden Verhältnisse so wesentlich geändert haben, dass eine Änderung entsprechend dem ursprünglichen Antrag des Klägers gerechtfertigt ist", ist unzulässig. Hierbei handelt es sich um ein Anpassungsverlangen nach § 59 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach kann derjenige eine Anpassung des öffentlich-rechtlichen Vertrages verlangen, für den sich das Festhalten am Vertrag wegen einer so wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, als unzumutbar darstellt. Das Anpassungsverlangen ist gegenüber dem Vertragspartner, hier also gegenüber der Beklagten, geltend zu machen, woran es bisher fehlt. Scheitert eine Vertragsanpassung, kann sie gerichtlich im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden. Eine ohne vorangehenden außergerichtlichen Anpassungsversuch erhobene Klage ist unzulässig, da es sich bei dem vorherigen Anpassungsverlangen um eine durch das Gericht von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung handelt (siehe Hissnauer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 59 SGB X, juris Rn. 32). Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich an der bei Abschluss des Vergleichs vorliegenden Ungewissheit keine Änderung ergeben hat, die es für den Kläger als unzumutbar erscheinen lässt, ihn an dem Vergleich festzuhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 17.10.2018
Zuletzt verändert am: 17.10.2018