Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 09.08.2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 09.08.2017 ist nicht begründet.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Keiner dieser enumerativen Zulassungsgründe liegt hier vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Diese liegt nach § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten. Das kann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist bzw. wenn von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist. Die Weiterentwicklung des Rechts wird dabei gefördert, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesvorschriften aufzustellen oder Lücken zu füllen oder wenn die Entscheidung Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähger Sachverhalte geben kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 144 Rn. 28 und § 160 Rn. 6 ff.). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass es sich bei der aufgeworfenen Rechtsfrage um eine Zweifelsfrage handelt und mithin Rechtsunsicherheit besteht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 28, § 160 Rn. 8 ff.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die von der Klägerin formulierte Frage ("Begründet § 275 Abs. 1c SGB V für Zeiträume vor dem 01.01.2016 ein Vertrauen des Krankenhauses auf das Behaltendürfen der Aufwandspauschale und die Nichtberechtigung einer Rückforderung für die Krankenkasse innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist, wenn die Krankenkasse den MDK mit der Prüfung der Krankenhausabrechnung beauftragt, der MDK den Prüfauftrag im Hinblick auf seine Benachrichtigungspflicht angezeigt, das Prüfergebnis zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrags geführt und die Krankenkasse infolge dessen zunächst vorbehaltslos die Aufwandspauschale gezahlt hat?") wirft die Rechtssache nicht auf. Das SG führt an keiner Stelle aus, dass sich aus § 275 Abs. 1c Fünftes Buch Sozialgerichtsgesetz (SGB V) ein vertrauensbegründender Tatbestand für das Krankenhaus herleite. Vielmehr sieht es das Rückforderungsbegehren der Klägerin als treuwidrig an. Die Treuwidrigkeit sieht es zum einen darin begründet, dass die Zahlung der Aufwandspauschale im Jahr 2012 nach der zum damaligen Zeitpunkt gegebenen Rechtsprechung des (damals auch zuständigen) 3. Senats des BSG mit Rechtsgrund erfolgt war. Lediglich die spätere Rechtsprechung des nunmehr allein zuständigen 1. Senats führt zu der heutigen Bewertung, dass die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt sein könnte. Aus dieser Änderung der Rechtsprechung(szuständigkeit) einen Erstattungsanspruch herleiten zu wollen, wertet das SG als Verstoß gegen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Darüber hinaus stützt es die Entscheidung auf die zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen bestehende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Diese schließe nach Ablauf des laufenden und eines weiteren vollen Haushaltsjahrs eine Nachforderung durch ein Krankenhaus aus. Gleiches müsse auch umgekehrt jedenfalls für eine Rückforderung wegen geänderter Rechtsprechung für Zeiträume gelten, die zu einem so späten Zeitpunkt erfolgten, dass die Kalkulationsgrundlagen der Krankenhäuser beeinträchtigt seien.
Zudem ist das Prüfverfahren nach Änderung des § 275 Abs. 1c SGB V (Gesetz vom 10.12.2015, BGBl. I S. 2229) und Inkrafttreten der (neuen) PrüfV vom 03.02.3016 am 01.01.2017 auf teilweise veränderte Grundlagen gestellt worden. Die Fälle, in denen die Aufwandspauschale nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ohne Rechtsgrund gezahlt wurden und nun von den Krankenkassen zurückgefordert werden, dürften daher – insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften – endlich sein. Dass dennoch eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist, hat die Klägerin nicht näher dargelegt.
Das Urteil des SG beruht auch nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des GmS-OGB oder des BVerfG.
Eine Divergenz i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf Würdigung des Einzelfalles bezogenen rechtlichen Aussage vor (vgl. nur Leitherer a.a.O., § 160 Rn. 13 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BSG). Für die Annahme einer Divergenz genügt es mithin nicht, dass die angefochtene Entscheidung deshalb unrichtig ist, weil sie nicht den Kriterien entspricht, die das LSG, das BSG, der GmS-OBG oder das BVerfG aufgestellt haben (Fichte in Breitkreutz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 160 Rn. 39 f.; Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage 2012, § 144 Rn. 18, jeweils m.w.N.) oder das Sozialgericht eine Rechtsfrage übersehen hat (Leitherer a.a.O., § 160 Rn. 14 m.w.N.).
Das SG hat keinen im vorstehenden Sinne abweichenden Rechtssatz formuliert. Es führt vielmehr aus, dass dahinstehen könne, ob der geänderten Rechtsprechung des BSG zur Aufwandspauschale im Fall einer sachlich-rechnerischen Prüfung gefolgt werde. Es stellt also keinen davon abweichenden Rechtssatz auf.
Ein Verfahrensfehler ist nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Zulassung wird das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Erstellt am: 16.05.2018
Zuletzt verändert am: 16.05.2018