Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens und Beiordnung von Rechtsanwalt I, C, wird abgelehnt.
Gründe:
I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 11.10.2017 hat keinen Erfolg.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens – auch im Sinne eines Teilerfolges – besteht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. (2014), § 73a Rn. 7 ff., m.w.N.).
Die statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung bietet bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im vorgenannten Sinne. Die angefochtene Entscheidung erweist sich danach als rechtmäßig. Die kein neues Vorbringen enthaltende Berufung ist nicht geeignet, eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen.
1. Der Kläger vermag sich nicht auf § 59 Abs. 2 SGB III berufen, da er im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht zur Gruppe der geduldeten Ausländer i.S.v. § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zählte. Eine entsprechende Anwendung scheidet schon deshalb aus, weil er erst im Frühjahr 2013 nach Deutschland eingereist ist und sich daher im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (04.10.2016) noch nicht mindestens vier Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat.
2. Die Beklagte hat im Rahmen des § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III eine Prognose darüber anzustellen, ob es sich bei dem Berufsausbildungsbeihilfe beantragenden Ausländer um eine Person handelt, bei der ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Es ist nicht evident ersichtlich, dass sie bei dieser Prognose von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen wäre oder sich von sachwidrigen Gründen hätte leiten lassen.
Die Einführung des § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III berücksichtigte, dass der Lebensunterhalt von Gestatteten in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts auch während einer Berufsausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme durch Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) gesichert wird. Danach wechseln die Leistungsberechtigten in den Bezug von Leistungen entsprechend dem SGB XII (sog. "Analogleistungen", vgl. § 2 Abs. 1 AsylbLG). Damit unterfallen sie grundsätzlich während einer Berufsausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme der Regelung in § 22 Abs. 1 SGB XII, die einen Leistungsausschluss für Personen vorsieht, die eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolvieren. Ziel des § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist es mithin, Gestatteten mit guter Bleibeperspektive zu ermöglichen, eine Ausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme über die ersten 15 Monate ihres Aufenthaltes hinaus fortzuführen oder danach aufzunehmen und durch Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Der Gesetzgeber hat in seinem Entwurf des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes die gute Bleibeperspektive im Rahmen der Neufassung des § 44 Abs. 4 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), der die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs u.a. für Ausländer, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen und bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, definiert. Erfasst sind Asylbewerber, die aus einem Land mit einer hohen Anerkennungsquote kommen oder bei denen eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag besteht (BT-Drs.18/6185, S. 48). Der Entwurf des Integrationsgesetzes, mit dem § 132 SGB III eingeführt worden ist, spricht von dem Begriff der guten Bleibeperspektive als guter Perspektive, als Asylberechtigter anerkannt zu werden (BT-Drs. 18/8615, S 31 f.).
Der Senat vermag diese Perspektive im Fall des Klägers nicht anzunehmen.
a) Der Senat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt i.S.v. § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III einzelfallunabhängig zu erwarten ist, wenn der Asylsuchende aus einem Herkunftsland stammt, bei dem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass eine Schutzberechtigung erteilt wird (BT-Drs. 18/13329, S. 18). Bei dieser lediglich abstrakten Prognoseentscheidung ist maßgeblich, dass die Gesamtschutzquote über 50 Prozent liegt und ihr eine hinreichende Aussagekraft zukommt, was eine relevante Anzahl von Antragsstellern voraussetzt. Die sogenannte Gesamtschutzquote berechnet sich aus den verschiedenen Schutzformen. Sie besteht aus der Anzahl der Asylanerkennungen, der Gewährungen von Flüchtlingsschutz und der Feststellungen eines Abschiebeverbotes bezogen auf die Gesamtzahl der Entscheidungen im betreffenden Zeitraum.
Im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2016 verfügte die Beklagte über folgende Erkenntnisse: Sie wusste, dass der Kläger über eine Gestattung i.S.v. § 55 AsylbLG verfügte, aus Mali stammte und dass die Gesamtschutzquote nach der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für das 1. Halbjahr 2016 für dieses Land unter 50 % lag.
Die – hier mangels ergangener Asylentscheidung relevante (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.05.2017 – L 14 AL 52/17 B ER -, juris Rn. 29, Beschluss vom 12.06.2017 – L 18 AL 78/17 B ER -, juris Rn. 4; SG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2018 – S AL 3795/17 -, juris; zum Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen: BayVGH, Beschluss vom 10.10.2018 – 19 BV 17.1968 -, juris Rn. 17, Beschluss vom 14.11.2017 – 19 C 17.1903 -, juris Rn. 4, Beschluss vom 21.02.2017 – 19 C 16.2204 -, juris Rn. 20) – Gesamtschutzquote betrug nach der jeweiligen Antrags-, Entscheidungs- und Bestandsstatistik des BAMF für 2014 1,6 %, für 2015 4,2 %, für 2016 5,8 % und für 2017 7,1 %. Es kann hier dahin stehen, ob diese zu bereinigen ist (vgl. zur Relevanz Siefert in: ZESAR 2016, 401, 405). Denn selbst dann lag die maßgebliche Gesamtschutzquote deutlich unter 50 %: Unter Außerachtlassung der sonstigen Verfahrenserledigungen (2014: 362, 2015: 264, 2016: 379, 2017: 739) verbleiben für 2014 4,6 % (9), für 2015 19,4 % (14), für 2016 12,9 % (40) und für 2017 11,5 % (169) erfolgreiche Verfahren gegenüber 2014 95,4 % (188), 2015 80,6 % (58), 2016 87, 1 % (269) und 2017 88,5 % (1034) Ablehnungen. Die Steigerung der Asylanträge von malischen Staatsangehörigen korrespondiert erkennbar mit der Verhängung des Ausnahmezustandes im November 2015 (vgl. Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, Stand: 05.02.2018). Eine signifikante Veränderung der Gesamtschutzquote geht damit allerdings nicht einher.
Der Beklagten standen im Entscheidungszeitpunkt die Antrags-, Entscheidungs- und Bestandsstatistiken des BAMF bis 2015 sowie die Monatsstatistiken für Januar bis August 2016 zur Verfügung. Auf dieser Basis hat sie angenommen, dass eine gute Bleibeperspektive für den Kläger in Anbetracht der geringen Gesamtschutzquote nicht bestand. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden. Andere Mittel zur Einschätzung der Bleibeperspektive standen ihr nicht zu Gebote. Es ist auch nicht erkennbar, aus welcher Quelle sie sich diese hätte beschaffen können. Der Senat hält insbesondere die Zahl der in die Bildung der Gesamtschutzquote bis August 2016 eingeflossenen Verfahrensabschlüsse für ausreichend, um ihr Aussagekraft für die Bewertung der Bleibeperspektive beimessen zu können.
b) Soweit die Bundesregierung die Auffassung vertreten hat, ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt sei "grundsätzlich" zu erwarten, wenn ein Asylbewerber aus einem Herkunftsland stamme, das eine Schutzquote von über 50 Prozent aufweise (BT-Drs. 18/6403, S. 31), könnte im Einzelfall fraglich sein, ob Ausnahmen in Betracht kommen. Es handelte sich hier jedoch nicht um eine knappe Unterschreitung der erforderlichen Quote. Sonstige Anhaltspunkte für die Annahme einer Ausnahme bot der Fall im Prognose- bzw. Entscheidungszeitpunkt nicht.
c) In Anlehnung an die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, wäre es denkbar, die Annahme eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts alternativ zur Gesamtschutzquote an eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag zu knüpfen (vgl. BT-Drs.18/6185, S. 48). Aber selbst wenn dies auch im Rahmen des § 132 SGB III anzunehmen wäre, bestand im Fall des Klägers kein Raum für die überwiegend wahrscheinliche Annahme des Erfolgs eines solchen Antrages. Insbesondere musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt gemäß § 60a und § 18a AufenthG zu erwarten war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2017 – 1 BvR 1510/17 -, juris Rn. 22).
§ 18a AufenthG betrifft Fälle der Beschäftigung von geduldeten und bereits qualifizierten Ausländern, ist hier mithin nicht einschlägig. § 60a Abs. 2 AufenthG regelt, dass einem Ausländer eine Duldung erteilt werden kann, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe i.S.v. Satz 3 ist zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen (Satz 4). Eine Duldung nach Satz 4 wird nicht erteilt und eine nach Satz 4 erteilte Duldung erlischt, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem AufenthG oder dem AsylG nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben (Satz 6). § 60a Abs. 6 wiederum regelt, dass einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden darf, wenn er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen (Nr. 1), aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können (Nr. 2) oder er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des AsylG ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde (Nr. 3).
Die Beklagte vermag grundsätzlich lediglich festzustellen, dass ein Antragsteller eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf anstrebt, nicht jedoch, ob die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegen, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen und ob relevante Straftaten im o.g. Sinne vorliegen. Von ihr kann nicht erwartet werden, die Einzelheiten des Ausländer- und Asylrechts zu prüfen. Vielmehr ist es Sache des jeweiligen Leistungsbegehrenden durch entsprechende Antragstellung bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Duldung i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erlangen.
Im Übrigen spricht gegen die Zuerkennung eines Anspruches nach § 132 Abs. 1 Nr. 2 SGB III unter der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen einer Duldung, dass dies zu einer Besserstellung gegenüber denjenigen Ausländern führen würde, die bereits im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG sind. Denn nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 SGB III gehören diese erst dann zum u.a. durch Berufsausbildungsbeihilfe förderungsfähigen Personenkreis, wenn sie sich seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen rechtmäßig gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und für sie kein Beschäftigungsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG besteht. Diese zeitliche Komponente hätte der Kläger im Entscheidungs- und Prognosezeitpunkt nicht erfüllt, wenn er im Besitz einer Duldung gewesen wäre.
3. Auch aus dem deutlich nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides gefassten Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 26.06.2017 zum Az. 10 L 771/17.A lässt sich nichts für den geltend gemachten Anspruch herleiten. Zum einen handelt es sich dabei – selbst zu diesem Zeitpunkt noch – nur um die vorläufige Anordnung von Abschiebungsschutz, der lediglich eine vorübergehend gesicherte Bleibeperspektive bewirkt. Zum anderen hatte das Verwaltungsgericht lediglich über eine Ausreiseanordnung mit Abschiebungsandrohung zu entscheiden. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit derselben in Anbetracht eines noch im Hauptsacheverfahren aufklärungsbedürftigen Anspruchs des Klägers auf internationalen Schutz i.S.v. §§ 3, 4 Asylverfahrensgesetz (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Subsidiärer Schutz) sind nicht gleichbedeutend mit der Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthaltes im oben beschriebenen Sinne.
II. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 17.05.2018
Zuletzt verändert am: 17.05.2018