Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 wird zurückgewiesen. Kosten des Verfahrens sind in Änderung des Urteils des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 insgesamt nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) über die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Kläger war in der Zeit vom 15.09.2010 bis 31.07.2011 als Arbeitnehmer bei der Firma F GmbH (und zuvor seit 1988) freiwillig krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Weitere Arbeitnehmer dieser Firma waren bei der Beklagten nicht freiwillig krankenversichert. Infolge einer Vereinbarung des Klägers mit seiner Arbeitgeberin wurden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammen mit den Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen vom Nettoarbeitsentgelt des Klägers abgezogen und aufgrund einer von der Arbeitgeberin der Beklagten erteilten Einzugsermächtigung eingezogen.
Zwischen Januar 2010 und Mai 2011 kam es insgesamt elfmal zu Rückbuchungen von Beiträgen, die die Beklagte vom Konto der F GmbH eingezogen hatte. Am 28.04.2011 buchte die Beklagte vom Konto der F GmbH einen Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR ab. Als Verwendungszweck wurde dabei "Beiträge 03/2011 bis 04/2011" angegeben.
Mit Beschluss vom 07.10.2011 eröffnete das Amtsgericht I auf Antrag der F GmbH (Schreiben vom 17.06.2011) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) und bestellte Rechtsanwalt T zum Insolvenzverwalter.
Die Beiträge für den Monat März und April 2011 hatte die Insolvenzschuldnerin an die Beklagte abgeführt; derjenige für den Monat April wurde von ihr zurückgebucht. Für die Monate Mai bis Juli 2011 zahlte der Kläger die Beiträge direkt an die Beklagte.
Mit Schreiben vom 15.12.2014 focht der Insolvenzverwalter die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte vom 28.04.2011 in Höhe von 13.756,38 EUR an und forderte die Rückzahlung dieses Betrages gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO). Zur Begründung führte er aus, dass die Beklagte angesichts der zahlreichen Lastschriftrückgaben durch die Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt haben müsse. Die Rückgabe von Lastschriften stelle ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (Hinweis auf Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 01.07.2010 – IX ZR 70/08, juris).
Die Beklagte erstattete dem Insolvenzverwalter am 19.12.2014 den Betrag in Höhe 13.756,38 EUR nebst Zinsen.
Am 13.01.2015 meldete die Beklagte nach erfolgter Anfechtung eine Forderung in Höhe von 12.460,72 EUR zur Insolvenztabelle an.
Mit Bescheid vom 29.12.2014 forderte die Beklagte vom Kläger die Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum von März bis Juli 2011 in Höhe von 3.285,60 EUR.
Zur Begründung seines dagegen gerichteten Widerspruchs führte der Kläger aus, dass er die Beiträge für den Juni und Juli 2011 bereits beglichen habe. Ihm sei telefonisch auch schon gesagt worden, dass es um diese Monate nicht mehr gehe. Unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.02.2014 (S 25 KR 485/12, juris) vertrat er die Ansicht, dass die Beitragsschuld für den Zeitraum von März bis Mai 2011 als erfüllt gelte. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter berühre die Erfüllungswirkung nicht mehr.
Die Beklagte zog die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den März und April 2011 in Höhe von 1.295,66 EUR vom Kläger ein.
Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2015 stellte die Beklagte fest, dass die Beitragsschuld für den März und April 2011 nicht als erfüllt gelte. Der BGH habe in einem Urteil vom 22.11.2012 (IX ZR 22/12, juris) entschieden, dass bei einer erfolgreichen Anfechtung der Beitragszahlung die Forderung gegen das Mitglied unmittelbar wieder auflebe. Nach dieser Rechtsprechung gehe der freiwillig versicherte Arbeitnehmer ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko ein, wenn er die Abführung der von ihm geschuldeten Beiträge den Rechtshandlungen des Arbeitgebers überlasse. Die Rückforderung in Höhe von 1.295,66 EUR sei daher berechtigt.
Dagegen legte der Kläger am 30.01.2015 Widerspruch ein. Die Rechtsprechung des BGH sei auf seinen Fall nicht übertragbar. Er reichte Lohnabrechnungen vom März und April 2011 ein, wonach die Insolvenzschuldnerin die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für diese beiden Monate beglichen haben soll.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück. Der Insolvenzverwalter habe die Beitragszahlung für den März 2011 erfolgreich angefochten. Dadurch sei die entsprechende Beitragsschuld des Klägers wieder aufgelebt. Auf das vom Kläger zitierte Urteil des SG Dresden komme es nicht an, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Für den April 2011 habe die Insolvenzschuldnerin keine Zahlungen vorgenommen. Notwendige Aufwendungen im Widerspruchsverfahren würden nicht erstattet.
Der Kläger hat am 18.05.2015 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Die Beitragsforderungen seien erfüllt und nicht durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters wieder aufgelebt. Der Anfechtungsgrund des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO greife nicht, weil durch die von der Beklagten vom Konto der Insolvenzschuldnerin eingezogenen Beiträge keine Schuld der Insolvenzschuldnerin, sondern seine Schuld getilgt worden sei. Insoweit habe der Insolvenzverwalter die Anfechtung gegenüber dem falschen Anfechtungsgegner erklärt. Auch § 133 InsO sei nicht anwendbar. Die Zahlung der Beiträge sei zwar rein tatsächlich durch die Insolvenzschuldnerin infolge der der Beklagten erteilten Einzugsermächtigung erfolgt. Die Leistung sei jedoch aus seinem Vermögen erbracht worden. Er habe mit der Insolvenzschuldnerin vereinbart, dass sie die Beiträge aus dem Nettoarbeitsentgelt bezahle. Die erste Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sei daher eine Zahlung von ihm an die Beklagte gewesen. Er verweise erneut auf das Urteil des SG Dresden vom 12.02.2014. Aus den Lohn- und Gehaltsabrechnungen ergebe sich, dass die Beiträge aus dem Nettoarbeitsentgelt erbracht worden seien.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 zu verurteilen, ihm 1.295,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit (18.05.2015) zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen. Insbesondere habe der Insolvenzverwalter nur den Beitrag für den März 2011 angefochten. Nach erfolgter Anfechtung habe sie insgesamt 13.756,38 EUR an den Insolvenzverwalter gezahlt. Dies resultiere aus zwei Einzügen, die sie am 28.04.2011 durchgeführt habe: 7.068,61 EUR im Beitragsmonat März 2011 und 6.687,77 EUR im Beitragsmonat April 2011.
Der Beitrag des Klägers sei nur in dem Einzug für den März 2011 enthalten gewesen. Der Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR habe sich zusammengesetzt aus Pflichtbeiträgen für März 2011 in Höhe von 6.351,28 EUR, dem freiwilligen Beitrag für den Kläger für März 2011 in Höhe von 647,83 EUR, Säumniszuschlägen in Höhe von 63,50 EUR und Retourkosten in Höhe von 6,- EUR für März 2011 sowie aus den Pflichtbeiträgen für April 2011 in Höhe von 6.687,77 EUR. Für den Kläger sei dann am 16.05.2011 der Beitrag für April 2011 in Höhe von 647,83 EUR gesondert abgebucht worden, der jedoch retourniert worden sei. Bei der Bearbeitung der Anfechtung sei der Betrag von 7.068,61 EUR aus März 2011 in den Monat April umgebucht und der Gesamtbetrag in einer Zahlung im April ausgezahlt worden. Aus diesem Grund sei in der übersandten Belegauskunft April 2011 und nicht März 2011 angegeben.
Das Sozialgericht hat eine schriftliche Auskunft des Insolvenzverwalters T eingeholt. Dieser hat u.a. angegeben, die zahlreichen Lastschriftrückgaben seien seinem Schreiben vom 15.12.2014 zu entnehmen. Auch darüber hinaus habe es in großem Umfang weitere Lastschriftrückgaben gegeben. Es sei allerdings im Rahmen der Anfechtung lediglich auf solche Bezug genommen worden, die der Beklagten nachgewiesenermaßen bekannt gewesen seien. Die Beklagte habe neben der Hauptforderung von 13.756,38 EUR Zinsen i.H.v. 2.099,04 EUR erstattet. Zur Insolvenztabelle habe die Beklagte einen Betrag von 12.460,72 EUR angemeldet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 28.04.2016 verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 20.07.2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Beitragsmonate März und April 2011; vielmehr habe die Beklagte die streitigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger für die Monate März und April 2011 zu Recht eingezogen. Der Anspruch auf die Beiträge für diese Monate sei (unstreitig) entstanden, aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht durch Erfüllung erloschen. Die Insolvenzschuldnerin habe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Monat April 2011 keine Zahlung an die Beklagte vorgenommen, so dass die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter diesen Beitrag nicht tangiere. Die Zahlung des Monatsbeitrags für März 2011 an den Insolvenzverwalter sei rechtens gewesen. Die durch die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte eingetretene Erfüllungswirkung sei durch die von dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 15.12.2014 erklärte Anfechtung mit nachfolgender Zahlung des entsprechenden Betrages der Beklagten an den Insolvenzverwalter erloschen. Die Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung lebe wieder auf, wenn er das Erlangte – wie hier – zurückgewähre (§ 144 Abs. 1 InsO). Der von dem Insolvenzverwalter angegebene Anfechtungsgrund gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO liege vor. Am 28.04.2011 – und damit weniger als drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags (17.06.2011) – habe die Beklagte eine u.a. den Beitrag für März 2011 betreffende Beitragsabbuchung vom Konto der Insolvenzschuldnerin vorgenommen. Wegen der zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin vereinbarten Einzugsermächtigung sei dies eine Rechtshandlung, die eine Befriedigung auf Seiten der Beklagten bedinge. Zu dieser Zeit sei die Insolvenzschuldnerin zahlungsunfähig gewesen. Durch die zahlreichen Lastschriftrückgaben habe es für die Beklagte deutliche Beweisanzeichen gegeben, dass die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gedroht habe. In der Zivilrechtsprechung sei anerkannt, dass die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit darstelle. Zudem sei die Höhe der Rückbuchungen (zwischen Januar 2010 und April 2011 zehn Beträge zwischen 4.840,65 EUR und 8.284,51 EUR) insoweit relevant. Aus diesen Umständen sei für die Beklagte zu folgern gewesen, dass die Insolvenzschuldnerin nicht in der Lage gewesen sei, alle laufenden Verbindlichkeiten zu erfüllen und für eine ausreichende Deckung ihres Geschäftskontos zu sorgen, etwa durch Umschichtungen ihres Vermögens oder die Aufnahme von Krediten. Damit habe die Beklagte Kenntnis von Umständen gehabt, die den sicheren Rückschluss zuließen, dass es einen nicht geschlossenen Liquiditätsengpass gegeben habe und damit zumindest die Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Die vom Kläger für seine Rechtsauffassung herangezogene Entscheidung des Sozialgerichts Dresden überzeuge nicht. Zwar sei in der Vereinbarung des Arbeitnehmers mit der Arbeitgeberin eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers zu sehen. Die Vereinbarung beruhe aber gleichwohl auch auf einer Rechtshandlung der Arbeitgeberin, genau wie die tatsächliche Zahlung der Arbeitgeberin bzw. die Erteilung der Einzugsermächtigung eine Rechtshandlung der Arbeitgeberin darstelle, die dann auch seitens des Insolvenzverwalters jedenfalls konkludent angefochten worden sei. Es sei gerade Aufgabe des Insolvenzverwalters, im Falle mehrerer Rechtshandlungen diejenige anzufechten, die konkret ursächlich für die spätere Gläubigerbenachteiligung sei. Der Insolvenzverwalter habe daher zu Recht auf die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Krankenkasse als maßgebliche Rechtshandlung abgestellt. Diese Zahlung sei – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Dresden – auch aus dem Vermögen der Arbeitgeberin erbracht worden. Entscheidend sei insoweit, dass der Arbeitnehmer die streitgegenständliche Beträge nie erhalten habe, sie also unmittelbar vom Vermögen der Arbeitgeberin in das Vermögen der Krankenkasse übergegangen seien. Zu Recht gehe der BGH davon aus, es liege die anfechtbare Tilgung einer fremden Schuld vor. Durch die erfolgreiche Anfechtung gegen den Gläubiger (Krankenkasse) lebe dessen Forderung gegen den Leistungsschuldner (Arbeitnehmer) wieder auf, auch wenn dieser im Drei-Personen-Verhältnis mit dem Insolvenzschuldner nicht identisch ist. Es lägen auch die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO vor. In der Zivilrechtsprechung werde vertreten, dass die Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 InsO im Einzelfall angenommen werden könne, wenn im Abstand von einem Monat zwei Lastschriften wegen fehlender Deckung des Geschäftskontos zurückgegeben würden. Gleiches müsse nach Ansicht der Kammer auch in diesem Fall gelten, weil die Beklagte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums fast ein Dutzend Rückbuchungen in nicht unwesentlicher Höhe feststellen musste. Von ihrer Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz sei daher auszugehen.
Gegen das dem Kläger am 02.08.2017 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 07.08.2017. Der Sachverhalt sei im Wesentlichen unstreitig. Es werde nunmehr ebenfalls davon ausgegangen, dass der Beitrag für den Monat April dem Insolvenzverwalter nicht von der Beklagten erstattet worden, sondern schon seitens der früheren Arbeitgeberin und Insolvenzschuldners wieder zurückgebucht worden sei. Es gehe allein um die Klärung der bislang nicht höchstrichterlich durch das Bundessozialgericht (BSG) geklärten Rechtsfrage, ob im Falle einer Insolvenz die Ungleichbehandlung Pflichtversicherter und freiwillig Versicherter gerechtfertigt sei oder nicht. Es werde weiterhin die Auffassung des Sozialgerichts Dresden mit Urteil vom 12.02.2014 geteilt. Die gegenteilige Auffassung des Sozialgerichts überzeuge wegen der sich daraus ergebenden Benachteiligung freiwillig Versicherter gegenüber den Pflichtversicherten nicht. Eine solche rechtliche Behandlung werde den tatsächlichen Gegebenheiten der Praxis nicht gerecht. In vielen Fällen wüssten Arbeitnehmer überhaupt nicht, ob sie pflichtversichert oder freiwillig versichert seien. Dies hänge wegen der sich jährlich ändernden Beitragsbemessungsgrenzen auch ein Stück weit vom Zufall ab. In den meisten Fällen werde ein Arbeitnehmer gar nicht mitbekommen, ob er von der Pflichtversicherung in die freiwillige Versicherung wechsle. Dem freiwillig versicherten Arbeitnehmer dann aber das volle Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers aufzuerlegen, stelle eine unangemessene Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Zudem sei es in der Praxis so, dass die gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig darauf bestünden, dass die Beitragsschuld auch bei den freiwillig Versicherten unmittelbar vom Arbeitgeber abgeführt werde. Die Insolvenzschuldnerin habe hier einzig eine Schuld des Klägers gegenüber der Beklagten erfüllt. Die Leistung sei auch nicht aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin erbracht worden. Die Anfechtung des Insolvenzverwalters sei ins Leere gegangen. Die Beklagte sei nicht zur Zahlung an den Insolvenzverwalter verpflichtet gewesen.
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit durch Teilunterwerfungsvergleich auf die Überprüfung des hier streitigen Krankenversicherungsbeitrages beschränkt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, einem rechtskräftigen Obsiegen des Klägers auch bezüglich der Pflegeversicherungsbeiträge entsprechend Rechnung zu tragen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Änderung des Bescheides vom 27.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 zu verurteilen, dem Kläger 575,44 EUR an Krankenversicherungsbeiträgen zu erstatten.
Die Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerechte Berufung des Klägers vom 07.08.2017 gegen das ihm am 02.08.2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 ist auch im Übrigen zulässig und statthaft.
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zuletzt lediglich noch die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge für den Monat März 2011 in Höhe von 575,44 EUR begehrt. Dass nunmehr der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mindestens 750,01 EUR nicht (mehr) erreicht wird (und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG von vornherein ausscheiden), ist unbeachtlich. Denn maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Einlegung der Berufung. Ein späteres Sinken des Beschwerdewertes etwa durch Beschränkung der Berufung macht die Berufung nicht unstatthaft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 19 m. Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Der Kläger hat zunächst uneingeschränkt Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 eingelegt, die Erstattung von 1.295,66 EUR begehrt und schriftsätzlich einen entsprechenden Antrag formuliert. Es fehlen Anhaltspunkte für eine insoweit willkürliche (spätere) Beschränkung des Berufungsantrags, die ggf. Anlass gegeben hätte, den Verdacht auf ein Erschleichen der Zulässigkeit zu begründen (siehe dazu Leitherer a.a.O.).
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 (§ 95 SGG) mangels Rechtswidrigkeit nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleichs lediglich noch die Krankenversicherungsbeiträge für den Monat März 2011.
Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Senat macht sich insoweit nach eigener Überprüfung die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge für den Monat März 2011 in Höhe von 575,44 EUR. Die Voraussetzungen der insoweit allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 26 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB IV liegen auch zur Überzeugung des Senats nicht vor, weil die Beklagte diese Beiträge nicht zu Unrecht eingezogen hat.
Vielmehr war der Kläger im Verhältnis zur Beklagten und zur Beigeladenen Schuldner der streitigen Beitragsforderungen, nicht aber seine Arbeitgeberin, die Insolvenzschuldnerin. Aufgrund der im streitigen Zeitraum freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten (und der zugleich bestehenden Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung bei der Beigeladenen) bestand nach § 223 Abs. 1 SGB V bzw. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI für jeden Tag der Mitgliedschaft eine Verpflichtung zur Beitragszahlung durch den Kläger, die dieser nach § 250 Abs. 2 SGB V bzw. § 59 Abs. 4 Satz 1 SGB XI selbst zu tragen und nach § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI auch zu zahlen hatte. Die Beiträge mussten an die Beklagte abgeführt werden (vgl. § 252 Abs. 2 Satz 2 SGB V bzw. § 60 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XI).
Daran ändert die Vereinbarung des Klägers mit seiner Arbeitgeberin hinsichtlich der Zahlung seiner Beiträge des Klägers durch die Arbeitgeberin an die Beklagte nichts. Insbesondere ist Letztere nicht anstelle des Klägers in die Schuldnerstellung eingetreten (BSG, Urteil vom 23.05.2017 – B 12 KR 2/15 R = SozR 4-2500 § 252 Nr. 1, Rn. 16). Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin eine Schuldübernahme (§ 414 BGB) vereinbart und durch die Beklagte sowie Beigeladene genehmigt (§ 415 BGB) worden ist, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Zwar sind die Krankenversicherungsbeiträge für den Monat März 2011 zunächst mit Erfüllungswirkung (§§ 362, 267 BGB bzw. – vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2012 – IX ZR 22/12, Rn. 12, juris) von der Arbeitgeberin des Klägers (und Insolvenzschuldnerin) an die Beklagte gezahlt worden (vgl. zur Anwendbarkeit von § 362 BGB im Sozialrecht etwa BSG, Urteil vom 23.05.2017 a.a.O. Rn. 17). Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der Beitragsanspruch ist jedoch, wovon das Sozialgericht ebenfalls zu Recht ausgegangen ist, nach Auskehrung der Beitragszahlung an den Insolvenzverwalter infolge dessen Anfechtung mit Schreiben vom 15.12.2014 wieder aufgelebt (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 22.11.2012 a.a.O. Rn. 14).
Die Anfechtung konnte nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgen. Danach ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie – wie hier – in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit u.a. die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Die Beklagte hatte Kenntnis von zahlreichen Rückbuchungen bzw. Rückgaben von Lastschriften im Zeitraum Januar 2010 bis April 2011. Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit nicht allein auf die Vielzahl, sondern auch die Höhe der erfolgten Rückbuchungen abgestellt. Ebenso teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass mit der Zahlung der Beiträge durch die Insolvenzschuldnerin eine nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung vorlag. Der Begriff der Rechtshandlung ist angesichts der auf Gläubigerschutz gerichteten Zielsetzung der InsO ohnehin weit zu verstehen. Rechtshandlung ist insoweit jedes von einem Willen getragene Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Insolvenzschuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (vgl. nur Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2016, § 129 Rn. 12). Soweit der Kläger meint, die Zahlung sei nicht aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin erfolgt, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen. Eine (Vorab-)Aussonderung (vgl. § 47 InsO; insoweit wäre erforderlich, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung ein "fremder" Vermögensgegenstand in der Insolvenzmasse vorliegt, in Bezug auf den dingliche oder schuldrechtliche Herausgabeansprüche bestehen; allein ein schuldrechtlicher Anspruch reicht nicht aus; BAG, Urteil vom 21.03.2017 – 3 AZR 718/15 = BAGE 158, 244-255, Rn. 37) aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin in Höhe der für den Kläger zu zahlenden Beiträge ist gerade nicht erfolgt; die Zahlung erfolgte zweifelsfrei aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin mit der Folge dessen unmittelbarer Minderung zum Nachteil der Insolvenzgläubiger.
Dies alles verkennt die Auffassung des Sozialgerichts Dresden (a.a.O.), die – im Ergebnis wohl allein Billigkeitserwägungen folgend – davon ausgeht, die Zahlung der freiwilligen Beiträge stelle sich in einer Konstellation wie der vorliegenden als zweiter Teil einer Leistungskette dar, was zur Konsequenz habe, dass auch die höchstrichterliche zivilgerichtliche Rechtsprechung nicht von einer Anfechtbarkeit nach der InsO ausgehe (SG Dresden, a.a.O. Rn. 18). Der Senat teilt vielmehr die Auffassung des BGH, dass durch ein und dieselbe Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin sowohl die Beitragsschuld ihrer freiwillig versicherten Beschäftigten erfüllt worden ist als auch die Verpflichtung im Deckungsverhältnis zu diesem (BGH, Urteil vom 22.11.2012 a.a.O. Rn. 9). Der freiwillig versicherte Arbeitnehmer geht insoweit in der Tat (wenn auch zumeist nicht bewusst) ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko ein, wenn er die Abführung der von ihm geschuldeten Beiträge als freiwillig Versicherter in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung den Rechtshandlungen des Arbeitgebers überlässt (BGH, Urteil vom 22.11.2012 a.a.O. Rn. 14). Das Sozialgericht Dresden ist bereits eine tragfähige Begründung schuldig geblieben, worin sich der von ihm entschiedene Sachverhalt von dem der Entscheidung des BGH zu Grunde liegenden maßgeblich unterscheidet.
Auch die vom Sozialgericht ebenfalls bejahten Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach anfechtbar eine Rechtshandlung ist, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, liegen – was nach dem Vorstehenden auch dahinstehen könnte – zur Überzeugung des Senats vor. Denn nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Die Zahlungsunfähigkeit droht, wenn Anzeichen vorliegen, die den Schluss zulassen, dass der Schuldner zahlungsunfähig werden könnte, z.B. wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner über längere Zeit ständig in nicht geringem Umfang nicht ausgeglichen wurden und dieser wusste, dass auch Ansprüche anderer Gläubiger ungedeckt blieben. Nicht notwendig ist, dass die Zahlungsunfähigkeit mit Sicherheit zu erwarten war. Steht fest, dass der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die zwingend auf die drohende Zahlungsunfähigkeit hinweisen, ist regelmäßig anzunehmen, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Benachteiligung der Gläubiger kannte (Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2008, § 133 Rn. 51). Maßgeblich ist auch hier das der Beklagten bekannte und weiter oben zu § 130 InsO gewürdigte Zahlungsverhalten der Insolvenzschuldnerin und die damit bekannte Kenntnis der Beklagten von der Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin.
Die Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen begründet infolge ihrer Strafbewehrtheit (§ 266a StGB) ein Beweisanzeichen, das den Schluss auf eine Zahlungseinstellung gestatten kann (BGH, Urteil vom 30.06.2011 – IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 15 m.w.N.; BGH vom 25.10.2012 – IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30). Die Anzahl der erfolgten Rückbuchungen, der Zeitraum fortlaufender Probleme bei der Zahlungsabwicklung und die Höhe der jeweils betroffenen Beitragszahlungen rechtfertigt im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Gewichtung aller Beweisanzeichen (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172ff. Rn. 75, das im Übrigen – hier nicht einschlägige – Lohnzahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage betrifft) nicht nur die Annahme der Kenntnis von der Zahlungsfähigkeit, sondern darauf beruhend auch auf den notwendigen Benachteiligungsvorsatz. Die Beklagte hat bezeichnenderweise Gegenteiliges auch nach erfolgter Insolvenzanfechtung nicht geltend machte.
Unmittelbare Folge der erfolgreichen Anfechtung der Beitragszahlung für den Monat März 2011 und der Rückgewähr der entsprechenden Zahlung ist das Wiederaufleben der Forderung (§ 144 InsO).
Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung des freiwillig Versicherten gegenüber einem Pflichtversicherten liegt insoweit nicht vor. Das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers trägt der freiwillig Versicherte deshalb, weil das Gesetz ihn zur Begleichung der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge gegenüber der Einzugsstelle verpflichtet. Diese Regelung wiederum ist eingedenk des insoweit bestehenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums auch deshalb nicht zu beanstanden, weil insoweit der Heterogenität der potentiellen Regelungsadressaten Rechnung zu tragen ist. Denn zu den freiwillig gesetzlich Krankenversicherten zählt insbesondere auch der große Kreis derer, die – mangels Arbeitsverhältnis – ein Insolvenzrisiko von vornherein nicht tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenbelastung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht wegen eines vermeintlichen Erfolgs des rechtsanwaltlich eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.12.2014 angezeigt. Gegenstand bereits des Klageverfahrens war allein der Bescheid vom 27.01.2015 in der Gestalt des nachfolgenden Widerspruchsbescheides. Diese enthalten weder eine Teilabhilfe des gegen den Bescheid vom 29.12.2014 eingelegten Widerspruchs noch eine ggf. anfechtbare Entscheidung über Kosten des insoweit anhängig gewesenen Vorverfahrens. Die Beklagte hatte im Übrigen zum Zeitpunkt des anwaltlichen Tätigwerdens den Beitragsrückstand längst korrigiert.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 SGG) zuzulassen.
Erstellt am: 14.01.2021
Zuletzt verändert am: 14.01.2021