Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Versagung von Leistungen nach dem SGB II.
Der am 00.00.1966 geborene Kläger war als Energieberater (BAFA) und Energieeffizienz-Experte (dena) selbständig tätig. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe durch unterlassene Leistungsgewährung die Einstellung seiner Geschäftstätigkeit verursacht. Zuletzt wurden ihm für die Bewilligungszeiträume vom 01.09.2011 bis 29.02.2012 und vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig bewilligt. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, weil der Kläger Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielte, deren Höhe bei Antragstellung noch nicht feststand. Mit Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2013 versagte der Beklagte Leistungen ab dem 01.09.2012, weil der Kläger seine Einkünfte für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.08.2012 nicht nachgewiesen habe und daher nicht geprüft werden könne, ob seine Prognose für die Zeit ab September 2012 plausibel sei. Die hiergegen beim Sozialgericht Münster Klage (S 8 AS 49/13) wurde mit Urteil vom 11.11.2015 abgewiesen. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung ist noch rechtshängig (L 7 AS 2255/15). Im weiteren Berufungsverfahren L 7 AS 620/16 ist die Versagung von Leistungen für den Zeitraum 01.03.2013 bis 30.06.2013 streitig.
Der Kläger beantragte am 01.07.2013 erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen der Antragstellung gab er an, er sei seit der nach seiner Auffassung rechtswidrigen Leistungsversagung ab dem 01.09.2012 von seinen Eltern verpflegt worden, obwohl diese dazu finanziell nicht in der Lage gewesen seien. Der Kläger fügte dem Antrag eine ausgefüllte Anlage EKS bei. Er machte Angaben über sein voraussichtliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit von Juli 2013 bis Dezember 2013. Als Betriebseinnahmen gab er für die Monate Juli, September, Oktober, November und Dezember 2013 jeweils 400,00 EUR an. Als Betriebsausgaben bezifferte er im Juli 2013 415,00 EUR, in den Monaten August und November 2013 jeweils 50,00 EUR, im September 2013 30,00 EUR, im Oktober 2013 40,00 EUR und im Dezember 2013 180,00 EUR (insgesamt 765,00 EUR). Als Gewinn prognostizierte der Kläger insgesamt 1.235,00 EUR.
Mit Schreiben vom 03.07.2013 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, bis zum 17.07.2013 abschließende Gewinn- und Verlusterklärungen für die Zeiträume 01.09.2011 bis 28.02.2012, 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 30.06.2013 inklusive sämtlicher Belege beizubringen. Hierzu könne er die dem Schreiben beiliegenden Formulare (endgültige EKS) verwenden. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, erst nach Eingang dieser Unterlagen könne der Antrag abschließend bearbeitet werden. Es liege daher in seinem Interesse, die Nachweise bis zu dem Termin beizubringen. Sollte er seiner Mitwirkungspflicht nach §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht fristgerecht nachkomme, könne der Antrag nach § 66 Abs. 1 und 3 SGB I abgelehnt werden. Er sei zur Angabe von allen Tatsachen und der Vorlage von Beweismitteln verpflichtet, die für die Gewährung von Leistungen erheblich seien.
Mit Schreiben vom 10.07.2013 erwiderte der Kläger, im Zeitraum 01.09.2012 bis 30.06.2013 habe er nicht im Leistungsbezug gestanden. Bereits aus dem Text der übersandten Vordrucke ergäbe sich, dass diese nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszufüllen sei. Ein von ihm erbrachter Nachweis über Bewilligungszeiträume, die es nicht gegeben habe, wäre eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Er werde keine Nachweise für Bewilligungszeiträume erbringen, die es nicht gegeben habe.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2013 nochmals dazu auf, die abschließenden Gewinn- und Verlusterklärungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2013 inklusive der Belege beizubringen. Das öffentliche Interesse, feststellen zu können, in welcher Höhe die vorläufig gewährten Leistungen endgültig festzusetzen seien und ob dem Kläger laufend Leistungen zustehen, sei höher zu bewerten als das Interesse des Klägers, die gemachten Angaben nicht in geeigneter Weise zu erbringen. Um seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen, müsse er auch für Zeiten, für die er bisher keine Leistungen nach dem SGB II erhalten habe, entsprechende Belege einreichen. Eine weitere Bewilligung von Leistungen sei nur dann möglich, wenn die zuvor genannten Unterlagen vorliegen. Der Kläger wurde gebeten, die noch fehlenden Unterlagen bis zum 05.08.2013 nachzureichen.
Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2013 mit, er sei nicht bereit, die geforderten Unterlagen hinsichtlich des Zeitraumes 01.09.2011 bis 30.06.2013 beizubringen.
Mit Schreiben vom 31.07.2013 wies die Beklagte den Kläger nochmals auf seine Mitwirkungspflichten und die Folgen der fehlenden Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 SGB I hin. Der Staat müsse sich davor schützen, Grundsicherungsleistungen an Nichtbedürftige zu gewähren. Diesem Schutzzweck stehe in den Aufforderungen, abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu machen und hierfür Belege vorzulegen, ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber. Der Kläger solle die Unterlagen bis spätestens zum 21.08.2013 vorlegen.
Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 01.08.2013 und verwies auf seine Ausführungen in den Schreiben vom 10.07.2013 und 27.07.2013.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 29.08.2013 zu der beabsichtigten Ablehnung von Leistungen an. Für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 seien noch die abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit inklusive entsprechender Belege einzureichen. Diese Angaben würden benötigt, um zu überprüfen, ob die von dem Kläger eingereichte Prognose realistisch sei. Des Weiteren würden noch Belege bezüglich der Wärmekostenabrechnung 2012 sowie die Erklärung der Eltern bezüglich der früheren Zahlung bzw. der Stundung der Unterkunftskosten fehlen. Auf die Mitwirkungspflichten sei er bereits hingewiesen worden. Die Beklagte räumte dem Kläger die Möglichkeit ein, bis spätestens zum 12.09.2013 die geforderten Unterlagen einzureichen. Die Entscheidung stehe im pflichtgemäßen Ermessen. Damit alle entscheidungserheblichen Tatsachen in die Überlegungen mit einbezogen werden können, werde dem Kläger die Möglichkeit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Als Folge der Ablehnung würde der Kläger keine Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt bekommen.
Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 28.09.2013, er sei nicht bereit, die Unterlagen bezüglich des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit einzureichen. Es seien keine Bewilligungszeiträume abschließend zu bewerten, da er keine Leistungen bekommen habe. Daher brauche er auch nicht abschließend nachzuweisen, dass ihm die bewilligten Leistungen auch zugestanden hätten.
Mit Bescheid vom 04.10.2013 versagte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund des Antrags vom 01.07.2013. Die Aufklärung des Sachverhalts werde durch die Weigerung des Klägers, die geforderten Unterlagen einzureichen, erschwert. Anhand der geforderten Unterlagen lasse sich das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit berechnen bzw. abschätzen. Die Unterlagen seien daher für die Leistungsgewährung ab dem 01.07.2013 erheblich. Zwar bleibe der vorherige Bewilligungszeitraum für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit im darauf folgenden Bewilligungszeitraum ohne Belang. Allerdings werde eine Berechnungsgrundlage zur vorläufigen Abschätzung des zukünftigen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit benötigt. Daher sei die Abgabe von endgültigen Abrechnungen zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit – wie von dem Kläger gefordert – unerlässlich, da sich dadurch der Umfang und die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hinreichend genau beurteilen ließen. Der Kläger beantrage staatliche Fürsorgeleistungen, die ohne Gegenleistung allein aufgrund von Hilfebedürftigkeit gewährt würden. Der Staat dürfe sich davor schützen, dass Grundsicherungsleistungen Nichtbedürftigen gewährt würden. Diesem Schutzzweck stehe in den Aufforderungen, abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu machen und hierfür Belege vorzulegen, ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber. Es sei nicht möglich, gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I durch einen geringeren Aufwand die erforderlichen Kenntnisse selbst zu beschaffen. Allein der Kläger verfüge über die Unterlagen. Der Kläger sei mit Schreiben vom 03.07.2013 und 31.07.2013 auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung hingewiesen worden. Das Gesetz räume der Beklagten in § 66 Abs. 1 SGB I Ermessen ein. Das öffentliche Interesse, feststellen zu können, ob dem Kläger laufende Leistungen zustehen, sei höher zu bewerten, als das Interesse daran, die gemachten Angaben nicht in geeigneter Weise vorzulegen. Durch das Verhalten des Klägers werde die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Es könne aufgrund der Weigerung nicht festgestellt werden, ob dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zukunft zustehen, da die Prognose des Klägers über die Einnahmen aus dem Gewerbe nicht überprüft werden könne.
Den am 25.10.2013 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2013 als unbegründet zurück.
Am 06.12.2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Münster Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe allein schon aus den Kontoauszügen ersehen können, dass er über keinerlei Einnahmen als Energieberater verfüge. Lediglich im Februar 2013 seien Einnahmen in Höhe von 800,00 EUR brutto erzielt worden. Auch für die Zukunft würden die Einnahmen nur sporadisch fließen. Es bedürfe daher keiner EKS. Seine Einnahmen seien nicht prognostizierbar.
Das Sozialgericht hat angenommen, dass der Kläger sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die Erbringung von Leistungen gerichtet ist, im Übrigen unbegründet. Im Falle der Versagung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I könne dieser Verwaltungsakt grundsätzlich nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG angefochten werden. Streitgegenstand sei nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten im Verwaltungsverfahren. Die Anfechtungsklage sei unbegründet, da die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht zu Recht versagt habe. Um zu prüfen, ob ein Leistungsanspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist und um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der prognostischen Höhe etwaiger Leistungen zu schaffen, sei die Beklagte nicht nur ermächtigt, sondern auch verpflichtet, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln. Im Rahmen dieser Ermittlungen sei auch die Heranziehung des Leistungsberechtigten im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I möglich. Diese Regelung habe vor allem die Funktion, den Leistungsträger überhaupt in die Lage zu versetzen, seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts, nachkommen zu können. Die Aufforderung der Beklagten, eine Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben sowie diesbezügliche Nachweise für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 vorzulegen, sei vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt. Der Kläger sei im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten nach § 60 SGB I dazu verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen. Diese Verpflichtung bezieht sich auch auf die Auskünfte über den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.06.2013. Diese Angaben seien erforderlich, um entsprechend der Vorgaben des § 3 Alg ll-V das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu berechnen. Diese Mitwirkungsobliegenheit beziehe sich auch auf in der Vergangenheit liegende Verhältnisse. Aufgrund der in der Vergangenheit erzielten Geschäftsergebnisse sei eine Prognose möglich, wie das voraussichtliche Einkommen im aktuell streitigen Zeitraum sein wird. Das im letzten Jahr erzielte Betriebsergebnis lasse auch eine zuverlässige Prognoseentscheidung möglich erscheinen. Außerdem habe die Beklagte nachvollziehbar darauf abgestellt, dass eine Beurteilung der Plausibilität der Angaben des Klägers hinsichtlich seines nach Antragstellung zu erwartenden Einkommens erfordert, die Einkommensverhältnisse in einem vor Antragstellung abgeschlossenen Zeitraum zu kennen. Der Kläger habe aber auch jederzeit die Möglichkeit, anhand einer sachgerechten Begründung darzulegen, dass ein anderer Vergleichszeitraum besser geeignet sei, die Prognoseentscheidung zu treffen. Hierzu habe der Kläger jedoch keine Angaben gemacht. Auch durch die Vorlage von Kontoauszügen habe der Kläger seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt. Es seien vielmehr Angaben über die konkreten Einnahmen und Ausnahmen erforderlich. Diese konkreten Angaben seien beispielsweise nötig, um die Betriebsbezogenheit der Einnahmen und Ausgaben nachzuweisen. Außerdem seien nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg ll-V tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende entsprächen. Zur Beurteilung dieser Frage seien konkrete Angaben erforderlich. Die vom Kläger geforderte Mitwirkung überschreite auch die Grenzen der Mitwirkungspflicht nicht. Die geforderte Mitwirkungshandlung stehe in einem angemessenen Verhältnis zur beantragten Leistung. Eine Unzumutbarkeit der Mitwirkungshandlung sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Beklagten sei es ebenfalls nicht möglich, sich die erforderlichen Kenntnisse durch einen geringeren Aufwand als für den Kläger selbst zu beschaffen. Durch die mangelnde Mitwirkung habe der Kläger die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, denn ohne die Mitwirkung des Klägers sei die Sachverhaltsaufklärung unmöglich. Die Beklagte habe auch die Hinweispflicht nach § 66 Abs. 3 SGB I beachtet, indem sie den Kläger mit Schreiben vom 03.07.2013 auf die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen und eine angemessene Frist bis zum 17.07.2013 gesetzt habe. Ermessensfehler seien ebenfalls nicht erkennbar.
Gegen die am 20.04.2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 26.04.2016 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit könnten bereits aus den vorgelegten Kontoauszügen festgestellt werden. Er erziele aus seiner Tätigkeit als selbständiger Energieberater lediglich Einnahmen, die unbar gezahlt würden und aus Fördergeldern des BAFA resultieren. Insoweit hätte die Beklagte beim BAFA eine – auch fernmündliche – Anfrage vornehmen können. Aus der Gesetzgebung und höchstrichterlichen Rechtsprechung ergäbe sich, dass bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit ausschließlich auf die tatsächlich zufließenden Betriebseinnahmen im voraussichtlichen Bewilligungszeitraum abzustellen sei und einer konservativen Vorgehensweise bei der Schätzung der Vorzug zu geben sei. Betriebseinnahmen und -ausgaben seien im abgeschlossen vorangegangen sechsmonatigen Zeitraum, für den die Leistungsbewilligung ebenfalls versagt wurde, lückenlos durch die Kontoauszüge zum Geschäftskonto belegt. Somit sei auch der Betriebsbezug feststellbar. Ebenso sei seine Hilfebedürftigkeit feststellbar.
Die Kläger beantragt ausdrücklich,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2016 zum Verfahren S 8 AS 824/13 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 04.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die vom Kläger beantragten Leistungen rückwirkend zu erstatten und mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.
3. Die Feststellung, dass die Beklagte ihren Amtsermittlungspflichten gem. § 20 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 57 SGB II nicht nachgekommen ist, indem diese sich nicht telefonisch beim BAFA erkundigt hat und nicht die lückenlos vorliegenden Kontoauszüge des Privat- und separaten Geschäftskontos des letzten vorangegangen Zeitraumes (Versagungszeitraum) ausgewertet hat.
4. Die Feststellung, dass es sich bei dem SGB II-Antrag des Klägers vom 01.07.2013 um einen "Erstantrag" handelt.
5. Die Feststellung, dass dieses Verfahren auf die zwei vorangehenden Verfahren ("Versagungszeiträume") aufbaut.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Berufung unzulässig sei, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 18.04.2016 beim Sozialgericht mündliche Verhandlung beantragt hat.
Der Kläger hat nach der Terminsladung die Verlegung der mündlichen Verhandlung beantragt, da nach seiner Ansicht die Entscheidung über die Berufungen L 7 AS 2255/15 und L 7 AS 620/16 vorgreiflich sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Berufungen L 7 AS 2255/15 und L 7 AS 620/16 noch aussteht, weil diese nicht vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit sind.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1,143, 144 Abs. 1 SGG unbeschränkt statthaft, sodass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt werden kann (vgl § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 04.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben (BSG, Urteile vom 17.2.2004 – B 1 KR 4/02 R und vom 01.07.2009 – B 4 AS 78/08 R; Beschluss vom 25.02.2013, B 14 AS 133/12 B). Die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist bei Versagungsbescheiden nach § 66 SGB I grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme von den vorstehenden Grundsätzen erwägt das BSG bei Streitigkeiten um existenzsichernde Leistungen für den Fall, dass sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde (vgl BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 78/08 R). Vorliegend erfolgte die Versagung im Hinblick auf die fehlende Mitwirkung des Klägers zur Bekanntgabe von Informationen aus seiner Sphäre. Im Falle der Nachholung könnte die Beklagte eine Sachprüfung vornehmen und die Höhe eines Leistungsanspruchs feststellen. Sie könnte somit nicht mit der gleichen Begründung die Leistungsbewilligung in der Sache ablehnen.
Die Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid vom 04.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist entgegen der Ansicht des Klägers berechtigt gewesen, aufgrund der Nichtvorlage der geforderten Unterlagen die Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB I vollständig zu versagen. Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, § 66 Abs. 1 SGB I. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist, § 66 Abs. 3 SGB I.
Die Beklagte war berechtigt, die Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 zu verlangen. Zwar sollen nach einer Entscheidung des BVerfG Umstände der Vergangenheit nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen. Dies gelte sowohl für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit selbst als auch für die Überprüfung einer Obliegenheitsverletzung nach §§ 60, 66 SGB I, wenn über den Anspruch anhand eines dieser Kriterien entschieden werden soll. Aus diesen Gründen dürfen existenzsichernde Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass Einkommen aus selbständiger Tätigkeit kein statisch feststehender Betrag ist, sodass eine realistische Prognose für zukünftige Zeiträume nur auf der Grundlage der Feststellungen für zurückliegende Zeiträume möglich ist. Die vollständigen Übersichten zu den Einnahmen und Ausgaben sind nicht für die Bestimmung der Leistungshöhe in dem jeweiligen Leistungszeitraum, sondern auch für die prognostische Einschätzung des Einkommens im Folgezeitraum mit heranzuziehen. Daneben sind auch bereits bekannte Umstände, die eine Veränderung der Ein- und/oder Ausgaben im Prognosezeitraum erwarten lassen, mit zu berücksichtigen.
Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I hat derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Diese Regelung hat vor allem die Funktion, den Leistungsträger überhaupt in die Lage zu versetzen, seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nachkommen zu können. Nur der Kläger kennt die näheren Umstände, die ihn zur Antragstellung veranlasst haben. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 SGB III hat der Leistungsträger eine vorläufige Entscheidung über einen Leistungsantrag zu treffen, wenn zur Feststellung des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Betroffene die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Leistungen besteht ein (im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter von SGB II-Leistungen enger) Ermessensspielraum im Sinne eines Auswahlermessens. Das Auswahlermessen ist dabei zweckentsprechend auf die Frage begrenzt, welche voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Prognoseentscheidung zugrunde zu legen sind, weil vorläufige Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden sollen, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen auch endgültig zu leisten sein werden (vgl auch BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R). Um zum einen zu prüfen, ob ein Leistungsanspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist und um zum anderen eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der prognostischen Höhe etwaiger Leistungen zu schaffen, ist der Beklagte nicht nur ermächtigt, sondern auch verpflichtet, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln, dh die maßgebenden Tatsachen festzustellen.
Fordert das Jobcenter den Antragsteller auf, eine Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten Zeitraum sowie diesbezüglich Nachweise vorzulegen, so ist diese Aufforderung, die den Vorgaben des § 3 Alg II-V zur Berechnung der Leistungen Selbständiger entspricht, vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt (vgl auch § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und der Leistungsempfänger aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I dazu verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen. Diese Obliegenheit erstreckt sich – jedenfalls im vorliegenden Fall – auch auf in der Vergangenheit liegende Verhältnisse. Der Beklagte stellt nachvollziehbar darauf ab, dass eine Beurteilung der Plausibilität der Angaben des Klägers hinsichtlich seines nach Antragstellung zu erwartenden Einkommens erfordert, die Einkommensverhältnisse in einem vor Antragstellung abgeschlossenen Zeitraum zu kennen. Dies gilt umso mehr, weil vorliegend in jeder Hinsicht unklar ist, wovon der Kläger seit September 2012 seinen Lebensunterhalt bestreitet und er bereits eine endgültige Feststellung der vorläufig bewilligten Leistungen nicht ermöglicht hat. Gründe dafür, dass dem Kläger die verlangte Mitwirkungshandlung nicht zumutbar sein könnte, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 65 SGB I nicht ersichtlich. Die begehrte Mitwirkungshandlung steht in einem iSv § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I angemessenen Verhältnis zur beantragten Leistung, da der Zweck der Mitwirkungsaufforderung – vorliegend die Ermittlung des prognostischen Einkommens für den folgenden Leistungszeitraum zur Bestimmung der Höhe eines Leistungsanspruchs des Klägers – in ausgewogenem Verhältnis zum Mittel – vorliegend der Angabe der im Kenntnisbereich des Klägers liegenden finanziellen Vorgänge bezüglich seiner selbständigen Tätigkeit – steht und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte dem Kläger zur Erleichterung seiner Mitwirkung das hierzu entwickelte Formular übersandt hat (vgl § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I und auch § 60 Abs. 2 SGB I) und der geringe Aufwand der Ausfüllung von Formularen kaum jemals als unangemessen angesehen werden kann. Auch eine Unzumutbarkeit aus wichtigem Grund iSv § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I ist für den Senat nicht ersichtlich und vom Kläger im Übrigen auch nicht angegeben worden. Ebenfalls war es der Beklagten nicht möglich, sich die erforderlichen Kenntnisse iSv § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I durch einen geringeren Aufwand zu beschaffen, als ihn der Kläger zu betreiben hätte (vgl zu dem vorstehenden ausführlich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.02.2013 – L 2 AS 2430/12 B ER, L 2 AS 2431/12 mwN; sowie die Ausführungen des Senats im PKH-Beschwerdeverfahren). Der Auffassung des Klägers, die Beklagte hätte durch eine – fernmündliche – Anfrage beim BAFA die erforderlichen Informationen zu seinen Einnahmen selbst einholen können, teilt der Senat nicht. Unabhängig davon, dass der Erfolg einer solchen Anfrage aus datenschutzrechtlichen Gründen zweifelhaft ist, könnte die BAFA aus eigener Sachkenntnis keine Angabe hinsichtlich der Vollständigkeit der erzielten Einkünfte des Klägers machen. Denn das BAFA hat nur Kenntnis über die dem Kläger von dort gezahlten Beträge. Etwaige andere Einkünfte des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit können dem BAFA nicht bekannt sein.
Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung steht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I im Ermessen der Behörde. Die Beklagte kann die beantragte Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Das Gericht darf gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Die vollständige Versagung der Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB I ist nicht ermessenfehlerhaft. Weder hinsichtlich der Frage des "ob", also der Entscheidung über eine Versagung an sich, noch hinsichtlich der Frage des "wie", nämlich in Bezug auf eine völlige oder nur teilweise Versagung, lagen Gründe vor, die in der Abwägungsentscheidung anders gewichtet werden müssten. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift angegeben, dass sich sämtliche Einnahmen aus den Kontoauszügen ergeben würden und er habe lediglich im Februar 2013 Einnahmen in Höhe von 800,00 EUR brutto erzielt. Dem steht aber die vom Kläger in seinem Antrag auf Leistungen vom 01.07.2013 für die Zeit ab Juli 2013 bis Dezember 2013 abgegebene Prognose gegenüber, dass er monatlich Einnahmen in Höhe von 400,00 EUR erwarte. Dieses Auseinanderfallen von behauptetem tatsächlichen Einkommen und zu erwartenden Einkommen führt dazu, dass es der Beklagten aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht möglich ist, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Klägers und damit seine – zukünftige – Hilfebedürftigkeit realistisch zu beurteilen. Der nicht unerhebliche Eingriff durch die Versagung in ein subjektiv-öffentliches Recht wird zudem durch den Umstand relativiert, dass nach Nachholung der Mitwirkungshandlung gemäß § 67 SGB I nachträglich die – tatsächlich zustehenden – Leistungen erbracht werden können.
Der Kläger wurde von der Beklagten auf die Möglichkeit der Versagung der Leistungen für den Fall, dass er Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, mit den Schreiben vom 03.07.2013 und 31.07.2013 hingewiesen.
Da der Kläger keine Nachzahlung von Leistungen beanspruchen kann, geht der Berufungsantrag zu 2) ins Leere. Die Feststellungsanträge sind unzulässig, da die begehrten Feststellungen nicht zulässiger Gegenstand von Feststellungsklagen sein können (§ 55 SGG). Es handelt sich weder um Rechtsverhältnisse noch besteht ein Feststellungsinteresse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 16.07.2018
Zuletzt verändert am: 16.07.2018