Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 13.12.2016 wird zurückgewiesen Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bzw. Hilfe in anderen Lebenslagen nach dem Achten bzw. Neunten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).
Der 1960 geborene Kläger bezog in der Vergangenheit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) von dem Jobcenter E (zuletzt Bescheid vom 21.01.2016). Mit Bescheid vom 18.07.2016 entzog das Jobcenter dem Kläger die Leistungen im Zeitraum vom 01.08.2016 bis 31.01.2017 vollständig mit der Begründung, er sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, indem er wiederholt Aufforderungen zur Untersuchung bei dem ärztlichen Dienst zum Zwecke der Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit nicht nachgekommen sei.
Einen am 01.08.2016 von dem Kläger gestellten Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Hilfe in anderen Lebenslagen) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.08.2016 mit der Begründung ab, dass der Kläger als Erwerbsfähiger leistungsberechtigt nach dem SGB II sei. Diese Leistungen seien gem. § 5 SGB II vorrangig gegenüber Leistungen des SGB XII, was auch bedeute, dass die Leistungen nach dem SGB XII nicht ersatzweise für das Arbeitslosengeld II gewährt werden könnten. Den hiergegen von dem Kläger mit Schreiben vom 16.08.2016 mit der Begründung, Leistungen vonseiten des Jobcenters würden nicht gewährt, weshalb ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII bestünde, eingelegten Widerspruch wies die Beklagte unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2016 als unbegründet zurück. Der Kläger sei gem. § 21 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Im Übrigen habe er auch nach Maßgabe des § 67 SGB XII keinen Anspruch auf die begehrten existenzsichernden Leistungen. Diese dienten der Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, nicht aber der Überwindung sozialer Schwierigkeiten im Sinne des Gesetzes.
Der Kläger hat hiergegen am 15.11.2016 Klage bei dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Er verfüge über kein Einkommen und erhalte keine Leistungen vonseiten des Jobcenters. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, ihm existenzsichernde Leistungen, insbesondere nach den §§ 67 ff. SGB XII, zu gewähren.
Der Kläger hat schriftsätzlich und sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2016 zu verurteilen, ihm Leistungen als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. SGB XII oder als Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 22.11.2016) mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Die Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide beschwerten den Kläger nicht, da sie nicht rechtswidrig seien. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen, die aus § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 67 ff. SGB XII folgen könnten. Der Kläger sei als Erwerbsfähiger dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhielten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt seien, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Bestehe mithin kein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, sei es unzulässig, im Einzelfall auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 SGB XII zurückzugreifen. Denn insoweit erfasse der Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII auch den integrierten Lebensunterhalt der besonderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels des SGB XII.
Gegen diesem ihm am 19.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 02.01.2017 eingelegten Berufung. Er sei kein Arbeitssuchender und habe bereits 2005 seinen Vermittlungswunsch aus Gewissensgründen ausdrücklich zurückgenommen und sich auch nicht als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt registrieren lassen. Liege keine Erwerbsbereitschaft vor, könne auch kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehen. Er habe deshalb Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten beantragt, welche notwendig, aber durch das SGB II nicht erhaltbar seien. Die Verweigerung solcher Leistungen stelle eine Verletzung seiner Grundrechte dar. Deshalb sei die Beklagte ihm gegenüber leistungspflichtig.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat abwesende Kläger beantragt schriftsätzlich und sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 13.12.2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2016 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. SGB XII oder Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach überzeugenden Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide.
Der Kläger hat während des laufenden Berufungsverfahrens wiederholt Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Beklagte, insbesondere hinsichtlich der Übernahme von Mietschulden, gestellt, die in beiden Instanzen erfolglos geblieben sind (s. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 08.03.2017, 13.03.2017 und 19.03.2018 – L 9 SO 89/17 B ER, L 9 SO 130/17 B ER und L 9 SO 151/18 B ER -). Auf die Gründe dieser Beschlüsse wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Die statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 12.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2016 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, weil er rechtmäßig ist. Der Kläger hat gegen den beklagten Sozialhilfeträger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten, Achten oder Neunten Kapitel des SGB XII.
Zur Begründung sowie Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen des Klägers ist in keiner Weise geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Wie der erkennende Senat in seinen bereits erwähnten Beschlüssen, mit denen er Beschwerden des Klägers gegen die erstinstanzliche Ablehnung seiner wiederholten Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen hat, ausgeführt hat, ist der Kläger nach Maßgabe des § 21 Satz 1 SGB XII als Erwerbsfähiger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten, Achten oder Neunten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen. Er ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.
Es ist in diesem Zusammenhang rechtlich irrelevant, dass sich der Kläger nicht als arbeitssuchend ansieht, sich nach wie vor beharrlich weigert, wiederholten Aufforderungen des Jobcenters zur Vorstellung zum Untersuchungstermin beim dortigen ärztlichen Dienst nachzukommen und ihm das Jobcenter daraufhin die Leistungen nach dem SGB II wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht vollständig entzogen hat. Der Kläger kann diese Konsequenzen seines eigenen Verhaltens nicht einfach dadurch umgehen, dass er Leistungen vom Sozialhilfeträger anstelle des für ihn zuständigen Jobcenters begehrt. Dementsprechend ist es auch unzulässig, auf die von dem Kläger begehrten Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67, 68 SGB XII (wobei für das Vorliegen "sozialer" Schwierigkeiten bei dem Kläger nichts ersichtlich ist) oder Hilfen in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 SGB XII (die für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohnehin keine Anwendung finden, weil die Vorschriften des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII insoweit abschließend sind) zurückzugreifen. Denn insoweit erfasst der Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII auch den integrierten Lebensunterhalt der besonderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels des SGB XII (s. jurisPK-SGB XII/Eicher, § 21 Rn. 41).
Schließlich führt auch der Umstand, dass Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Klägers bestehen und die das zuständige Jobcenter E veranlasst haben, diese Frage durch dessen ärztlichen Dienst abzuklären, nicht dazu, dass der Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII auf den Kläger keine Anwendung findet. Wie der erkennende Senat bereits in seinem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 19.03.2018 – L 9 SO 151/18 B ER – ausgeführt hat, werden dem Kläger – auch gegenwärtig – Leistungen nach dem SGB II durch das Jobcenter nicht deswegen versagt, weil dieses von der Erwerbsunfähigkeit des Klägers ausgeht, sondern weil er sich seit Jahren beharrlich und aus nicht nachvollziehbaren Gründen weigert, wiederholten Aufforderungen zur Vorstellung zum Untersuchungstermin beim ärztlichen Dienst nachzukommen, damit überhaupt erst geprüft werden kann, ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit durch die Agentur für Arbeit bedarf jedoch eines besonderen Verfahrens nach § 44a SGB II, welches bislang noch gar nicht eröffnet worden ist. Solange es jedoch an einer Feststellung nach Maßgabe des § 44a Abs. 1 und 2 SGB II fehlt (insbesondere, weil der Kläger durch sein obstruktives Verhalten eine medizinische Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit gerade verhindert), verbleibt es bei der Zugehörigkeit des Klägers zum Rechtskreis des SGB II und damit der Zuständigkeit des Jobcenters. Die Vorstellung des Klägers, dass er Leistungen nach dem SGB XII begehren kann, weil ihm – noch dazu aufgrund seines eigenen, von ihm jederzeit änderbaren Verhaltens – Leistungen nach dem SGB II (zu Recht) nicht gewährt werden, ist rechtsirrig. Auch ist hiermit Verfassungsrecht, insbesondere das Recht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), nicht verletzt. Der Kläger hat es vielmehr selbst in der Hand, die Wiederaufnahme von Leistungen nach dem SGB II zu bewirken, indem er seinen Mitwirkungspflichten gegenüber dem Jobcenter endlich nachkommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 11.09.2018
Zuletzt verändert am: 11.09.2018