Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.05.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.12.2016.
Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist promovierter Zahnarzt und bezog in Bedarfsgemeinschaft mit seiner am 00.00.1975 geborenen Ehefrau und zwei am 00.00.1999 sowie am 00.00.2016 geborenen Kindern lebend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Zum Wintersemester 2016/2017 nahm der Kläger ein Studium der medizinischen Informatik mit angestrebtem Bachelor-Abschluss an der Fachhochschule E in Vollzeit auf.
Auf den Fortbewilligungsantrag vom 08.11.2016 bewilligte der Beklagte der Ehefrau des Klägers und den beiden Kindern mit Bescheid vom 09.11.2016 Grundsicherungsleistungen und lehnte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, er sei wegen seines Studiums von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, das Studium der medizinischen Informatik ermögliche ihm eine berufliche Zukunft. Denn er könne nach erfolgreichem Studienabschluss gegen ihn betreffende negative Internetanträge vorgehen. Dies sei durch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu fördern. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und sah den Kläger weiterhin als nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II (über Leistungen nach § 27 SGB II hinaus) ausgeschlossen an.
Der Kläger hat am 14.12.2016 Klage erhoben und seine Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren vertieft.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 22.05.2017 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23.06.2017 zugestellte Urteil am 23.07.2017 Berufung eingelegt, mit der die Wichtigkeit des Studiums für sein berufliches Weiterkommen darlegt und Forschungsgegenstände beschreibt, denen er sich zu widmen gedenkt. Dies sei durch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu fördern.
Mit Schreiben vom 20.11.2017 haben die Beteiligten Hinweise zur Rechtslage erhalten und sind unter Fristsetzung bis zum 08.12.2017 zu einer Beschlussentscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 S. 2 SGG) durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu ordnungsgemäß angehört worden. Der Senat sieht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung angesichts der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage sowie des Umstands, dass bereits das Sozialgericht einen Termin – mit Beteiligung des Klägers – durchgeführt hat, nicht als erforderlich an (zur Ermessensausübung im Rahmen des § 153 Abs. 4 SGG vgl. näher BSG, Beschlüsse vom 06.04.2011 – B 4 AS 188/10 B, vom 24.05.2012 – B 9 SB 14/11 B und 29.05.2012 – B 1 KR 6/12 B; Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 153 Rn. 23; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 153 Rn. 15 m.w.N.).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend einen Leistungsanspruch des Klägers wegen des Eingreifens des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 5 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl I, 850 – a.F.) abgelehnt. Für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II a. F. kommt es (nur) darauf an, ob die Ausbildung ihrer Art nach gefördert werden könnte. Der Ausschlussregelung liegt die Erwägung zugrunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung gemäß §§ 51, 57 und 58 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst, und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im SGB II soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2015 – B 14 AS 25/14 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 40, m.w.N.). Dieser Sinn und Zweck, die Ausbildungsförderung nach dem BAföG und SGB III von der Grundsicherung nach dem SGB II abzugrenzen, gilt unterschiedslos für alle abstrakt förderungsfähigen Ausbildungen. Ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist, ist auf Grundlage der abstrakten, sachlichen Förderungskriterien und losgelöst von der Person des Auszubildenden zu entscheiden (ganz h.M.; vgl. BSG, Urteile vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 38; vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 27; vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 26; vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R -; vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 9; vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R – BSGE 99, 67 und vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8). Entsprechend dem Wortlaut "dem Grunde nach förderungsfähig" ist nicht maßgeblich, ob im Einzelfall tatsächlich eine Förderung nach dem BAföG oder dem SGB III erfolgt.
Die Prüfung, ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG ist, richtet sich abschließend nach § 2 BAföG. Danach liegt ein Besuch einer Ausbildungsstätte i.S.v. § 2 BAföG vor, solange ein Auszubildender einer Ausbildungsstätte organisationsrechtlich zugehört und die Ausbildung an ihr tatsächlich betreibt (BSG, Beschluss vom 02.12.2014 – B 14 AS 261/14 B -, m.w.N.). Bei einer Fachhochschulausbildung – wie vorliegend – begründet der Auszubildende seine Zugehörigkeit zur Fachhochschule durch die Immatrikulation (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 27 und Beschluss vom 02.12.2014 – B 14 AS 261/14 B). Mithin liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 SGB II a.F. vor.
Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs. 6 SGB II ab dem 01.08.2016 (Gesetz vom 26.07.2016, BGBl. I, 1824) bzw. ab dem 29.12.2016 (Gesetz vom 22.12.2016, BGBl. I, 2954) liegen nicht vor. Danach findet der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende, die (1.) aufgrund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, (2.) deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst bzw. ab dem 29.12.2006 nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemiss oder (3.) die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 5 SGB II ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 08.10.2014 – 1 BvR 886/11m.w.N.).
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens nach § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II in der ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung (Gesetz vom. 26.07.2016, BGBl. I, 1824) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Eine besondere Härte liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen ließen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R). Die Ausbildungsförderung ist abschließend außerhalb des SGB II geregelt. Das Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht soll deshalb nicht dazu dienen, eine nach den Spezialgesetzen förderfähige Ausbildung, die nach den Spezialgesetzen aus individuellen Gründen nicht gefördert wird, über die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu ermöglichen. D.h. der Zwang, dass ein Studierender, welcher nach den Spezialgesetzen aus individuellen Gründen nicht gefördert wird, sein Studium beenden muss, um den Ausschluss von SGB II Leistungen abzuwenden, ist systemimmanent und kein besonderer Härtefall. Weitere Umstände, die über diese dargestellte Härte hinausgehen, sind nicht ersichtlich. Solche Gründe sind dem Zweck des SGB II entsprechend, bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, erwerbszentriert. Das BSG hat insoweit drei Fallgruppen der "besonderen Härte" anerkannt (umfassend BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R):
Bei der ersten Fallgruppe ist wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden, der nicht durch BAföG oder BAB gedeckt werden kann und es besteht deswegen begründeter Anlass für die Annahme, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2007 – 14/7b AS 36/06 R – BSGE 99, 67). Für den Begriff "vor dem Abschluss stehend" muss die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar etwa durch die Meldung zur Prüfung, dass der Ausbildungsabschluss in absehbarer Zeit bevorsteht. Dies ist hier offenkundig nicht der Fall, denn der Kläger hat das Studium gerade erst aufgenommen.
Auch der zweite Ausnahmefall einer weit fortgeschrittenen, bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung, die wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist, liegt nicht vor.
Bei der dritten Fallgruppe ist Voraussetzung, dass objektiv belegbar nur eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt. Eine solche Konstellation ist nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar. Voraussetzung sind persönliche Defizite, die dem Studierenden andere Entwicklungsmöglichkeiten verschließen würden (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8). Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 31.07.2019
Zuletzt verändert am: 31.07.2019