Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 22.08.2019 geändert. Den Klägern wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S, X, beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Kläger haben einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten.
Beteiligte auf Klägerseite sind nicht nur die vom Sozialgericht als alleinige Klägerin angesehene Klägerin zu 1) K, sondern alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Dies folgt aus den Bescheiden und Widerspruchsbescheiden sowie der Auslegung der Klageschrift. Darin kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die Klägerin zu 1) in Abänderung der Bescheide nicht nur eigene Ansprüche (etwa Renovierung der Wohnung oder Erstausstattung), sondern auch Ansprüche der Kläger zu 2) bis 4) auf Erstausstattung (zB Kinderwagen und Kleiderschrank bzw Kleidung für die Kinder) geltend macht. Dafür spricht auch die Formulierung im Schriftsatz vom 21.11.2018, wonach die Verpflichtung des Beklagten, "der Klägerin für ihre drei, vier und fünf Jahre alten Kinder Darlehen für Kinderbekleidung" zu gewähren, begehrt wird.
Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 – 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 – 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07; st Rechtsprechung des Senats, vergl nur Beschlüsse vom 16.01.2019 – L 7 AS 1085/18 B, vom 20.04.2016 – L 7 AS 1645/15 B und vom 15.02.2016 – L 7 AS 1681/15 B).
Beide Voraussetzungen liegen vor.
Die Klage gilt nicht gem. § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen. Hiernach gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG führt zur Beendigung des Rechtsschutzverfahrens mit möglicherweise irreversiblen Folgen, insbesondere wenn behördliche Ausgangsentscheidungen dadurch in Bestandskraft erwachsen, ohne dass der Kläger dies durch ausdrückliche Erklärung in bewusster Entscheidung herbeigeführt hätte.
Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sind nicht erfüllt.
Formell zwar zutreffend ist die Betreibensaufforderung vom 17.05.2019 von der zuständigen Richterin verfügt und mit vollem Namen, dh insoweit ausreichend mit dem Nachnamen (und nicht nur mit einer Paraphe) in dem in der Akte vorhandenen Original unterzeichnet worden. Zudem sind die Kläger auf die Rechtsfolgen, die eintreten, falls sie der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen, hingewiesen worden. Jedoch hat das Sozialgericht den Ablauf der Frist von drei Monaten nach Zugang der Aufforderung nicht abgewartet. Das Sozialgericht hat die Verfügung vom 17.05.2019 insgesamt dreimal an den Bevollmächtigten der Kläger übermittelt und zwar zunächst (nach einem wohl aber nicht zutreffenden Vermerk der Geschäftsstelle "ohne Empfangsbekenntnis") am 20.05.2019 und dann am 03.06.2019 noch einmal ausdrücklich mit Empfangsbekenntnis (Verfügung Bl 39 R GA). Daraufhin erfolgte die Rücksendung von drei Empfangsbekenntnissen (20.05.2019, 24.05.2019 und 17.06.2019), die beim Sozialgericht am 27.06.2019 eingingen. Ausweislich eines Vermerks wurde die Betreibensaufforderung vom 17.05.2019 an den Bevollmächtigten dann (erneut) am 03.07.2019 mit Postzustellungsurkunde abgesandt. Die sodann am 04.07.2019 erfolgte, durch Postzustellungsurkunde belegte Zustellung ist maßgeblich für die Berechnung der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG. Das folgt aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Charakter der Vorschrift. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die Handhabung eines solchen prozessualen Instruments mit derart weitreichenden Konsequenzen muss im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Beteiligter ein von ihm eingeleitetes Verfahren auch durchführen will (Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG; 12. Auflage, § 102 Rn. 8a). Der Beteiligte kann sich daher darauf verlassen, dass eine nicht datumsmäßig, sondern wie hier nach Monaten bemessene Frist erst an dem zuletzt gesetzten Zeitpunkt zu laufen beginnt, hier also am 05.07.2019. Innerhalb der so berechneten Dreimonatsfrist haben die Kläger reagiert (ausführlicher Schriftsatz vom 19.08.2019, eingegangen beim Sozialgericht am 22.08.2019), weshalb ein Nichtbetreiben iSd § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht vorliegt.
In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist ua klärungsbedürftig, ob die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31.01.2019 einem Anspruch entgegen stehen, die Kläger ein Privatdarlehen, das als (nicht als Einkommen anzurechnende) Substituierung der vorenthaltenen Leistungen des Beklagten zu werten ist (hierzu BSG Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 46/11 R), erhalten haben, ob die Renovierung der Wohnung unter § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu subsumieren ist und inwieweit ein Anspruch auf Erstausstattung auch für die Kinder besteht.
Die Kläger sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen iSd § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Die Prozesskostenhilfe ist ratenfrei zu bewilligen.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).
Erstellt am: 18.12.2019
Zuletzt verändert am: 18.12.2019