NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Vormerkung von Beitragszeiten umstritten; hier die Zeit vom 26.07.1976 bis 29.11.1992; dabei entfällt die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 04.07.1990 auf den Militärdienst des Klägers bei der sowjetischen Armee und die Zeit vom 30.07.1990 bis zum 29.11.1992 auf die Beschäftigungszeit des Klägers als Fahrer beim staatlichen pädagogischen Institut in U.
Der am 00.00.0000 in L (damals UdSSR, heute Moldawien) geborene Kläger leistete in der Zeit vom 26.07.1976 bis zum 04.07.1990 Militärdienst bei der sowjetischen Armee, in der Zeit vom 30.07.1990 bis zum 29.11.1992 war er als Fahrer eines Kfz-Transporters beim Staatlichen Pädagogischen U T-Institut U beschäftigt.
Am 21.12.1992 reiste er von U (Moldawien) aus in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde hier als Staatenloser, nicht jedoch als Vertriebener oder Spätaussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Aus seinem am 24.07.2017 von der Bundesstadt C ausgestellten Reisepass ergibt sich ferner, dass der Kläger heimatloser Ausländer nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951 und zum Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist.
Am 10.09.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten – neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit – auch die Klärung seines Rentenkontos.
Mit dem hier streitigen Vormerkungsbescheid vom 30.07.2013 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers bis zum 31.12.2006 verbindlich fest, sie entschied unter anderem, dass die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 29.11.1992 nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeit vorgemerkt werden könne, da die Zeit im Ausland zurückgelegt worden sei und die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Fremdrentengesetz (FRG) nicht vorlägen, der Kläger sei z.B. weder als Vertriebener noch als Spätaussiedler anerkannt.
Der Kläger legte hiergegen am 30.08.2013 Widerspruch ein und machte geltend, die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 29.11.1992 sei als Beitragszeit vorzumerken, da er anerkannter Staatenloser sei. Nach Artikel 24 des Staatenlosenübereinkommens von 1954 (StIÜbk) erfahre er in Bezug auf die Soziale Sicherheit die gleiche Behandlung wie deutsche Staatsangehörige. Dieses Abkommen habe Deutschland anerkannt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 zurück. Die Fremdrentenzeiten des Klägers könnten in der deutschen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden, weil er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Insbesondere scheide eine Berücksichtigung der Fremdrentenzeiten nach § 1d FRG als heimatloser Ausländer aus, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bundesgebiet nicht bereits am 30.06.1950 hatte, sondern erst seit Dezember 1992.
Mit seiner am 15.09.2015 zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, seine in der ehemaligen UdSSR und Moldawien zurückgelegten Beitragszeiten seien nach Art. 24 des StIÜbk in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Demgegenüber müsse er die Voraussetzungen des FRG nicht erfüllen. Sein Geburtsland existiere nicht mehr. Er sei als Staatsfeind ausgebürgert worden. Wer solle jetzt noch seine Rente für 14 Jahre Offiziersmilitärdienstzeit leisten, wenn nicht der Staat, in dem er sich rechtmäßig aufhalte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 zu verpflichten, die Zeit vom 26.07.1976 – 29.11.1992 als Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung vorzumerken.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an der getroffenen Entscheidung festgehalten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 24 des StIÜbk führe nicht zu der für die Berücksichtigung der außerhalb des Bundesgebiets zurückgelegten Beitragszeiten notwendigen Zugehörigkeit des Klägers zum Personenkreis nach dem FRG.
Als anerkannter heimatloser Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951 könne eine Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 d FRG bestehen. Heimatlos im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer sei jedoch nur, wer als fremder Staatsangehöriger oder Staatenloser den Nachweis führe, dass er der Obhut der internationalen Organisation unterstehe, nicht Deutscher nach Art. 116 des Grundgesetzes sei und am 30.06.1950 seinen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes gehabt habe. Es sei bisher nicht nachgewiesen, dass der Kläger zu diesem Personenkreis gehöre. Zudem habe er seinen Wohnsitz erst seit Dezember 1992 im Bundesgebiet genommen. Eine Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 FRG sei damit nicht gegeben.
Für eine Anerkennung nach dem FRG sei das Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen nicht relevant.
Auf Nachfrage des SG, warum dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.09.1954 keine Relevanz zukomme, hat die Beklagte dann abschließend dahingehend Stellung genommen, dass Art. 24 Abs. 1 lit b) StIÜbk Staatenlosen, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, zwar im Bereich der sozialen Sicherheit die gleiche Behandlung wie ihren Staatsangehörigen gewährleiste. Nur führe die Gleichstellung mit einem deutschen Staatsangehörigen nicht zur Zugehörigkeit zum Personenkreis nach dem FRG. Für deutsche Staatsangehörige seien Zeiten, die sie in der ehemaligen UdSSR zurückgelegt hätten, nach deutschen innerstaatlichen Vorschriften nicht anzuerkennen. Der Kläger erfahre damit, wie durch das StIÜbk vorgesehen, die gleiche Behandlung wie ein deutscher Staatsangehöriger und sei damit nicht beschwert. Die gesetzliche Rentenversicherung beruhe auf dem Territorialitätsprinzip. Das bedeute, dass Rentenansprüche aus der Deutschen Rentenversicherung grundsätzlich nur aus den zur deutschen Rentenversicherung gezahlten Beiträgen entstehen könnten. Das FRG habe Ausnahmecharakter. § 1 FRG enthalte insoweit eine abschließende Aufzählung des berechtigten Personenkreises. Dieser stehe im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen, die der Kläger nicht für sich geltend machen könne. Auch Personengruppen wie Flüchtlinge gehörten nicht zum Personenkreis des FRG. Der Gesetzgeber habe keine Veranlassung gesehen, für diese Personen eine ähnliche Ausnahmeregelung zuzulassen. Eine Anerkennung der vom Kläger in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Zeiten käme daher nicht in Betracht, weil der Kläger nicht zum Personenkreis des FRG gehöre. Dies werde auch bestätigt durch das Urteil des LSG NRW vom 07.11.2016 zum Aktenzeichen L 3 R 39/16. Die dortige Klägerin habe ebenfalls Zeiten in der ehemaligen UdSSR zurückgelegt; ihr sei aus politischen Gründen 1975 die russische Staatsangehörigkeit entzogen worden. Die Klägerin sei dann nach Deutschland zugezogen und hier sogar eingebürgert worden. Sie besitze damit die deutsche Staatsangehörigkeit. Allein dies führe jedoch nicht zur Anwendung des FRG. Auch die Berücksichtigung der Zeiten im Rahmen des Sozialversicherungsabkommens nach Art. 24 Abs. 3 StIÜbk sei nicht möglich, der frühere Vertrag zwischen den DDR und der UdSSR vom 24.05.1960 sei erloschen. Dies sei durch das BSG (Urteil vom 25.07.2001 – B 5 RJ 6/00 R) betätigt worden.
Mit Urteil vom 08.01.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 beschwert den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf hat, die Zeit vom 26.07.1976-29.11.1992 als Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung vorzumerken. Dies folgt aus § 55 Abs. 1 S. 1 und 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Beiträge sind dann nach Bundesrecht gezahlt, wenn sie nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) aufgrund der im Bundesgebiet geltenden Vorschriften, insbesondere nach dem SGB VI oder der Reichsversicherungsordnung (RVO) gezahlt worden sind. Diese Rechtsqualität kommt auch Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach den §§ 15, 16 FRG zu. Darüber hinaus werden ausländische Versicherungszeiten von § 55 Absatz 1 S. 1 SGB VI nur erfasst, wenn diese deutschen Beitragszeiten gleichstehen; eine solche Gleichstellung kann sich aus Sozialversicherungsabkommen oder überstaatlichem Recht ergeben (Kasseler Kommentar, Gürtner, § 55 SGB VI Rn. 7f.). Des Weiteren sind nach § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten, z.B. nach §§ 11, 12 WGSVG (Kasseler Kommentar, Gürtner, ä. a. O., Rn. 9).
Von diesen rechtlichen Maßstäben ausgehend kann der Kläger von der Beklagten nicht die Vormerkung seiner in der ehemaligen UdSSR und Moldawien zurückgelegten Beitragszeiten beanspruchen. Für diese Zeiten wurden zunächst nicht im Sinne von § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge nach Bundesrecht gezahlt. Für die geltend gemachten Zeiten wurden allenfalls Beiträge zu einem nichtdeutschen Rentenversicherungsträger geleistet. Ebenso scheidet eine Gleichstellung dieser Zeiten nach Maßgabe der Regelungen in §§ 15, 16 FRG aus. Das FRG findet auf den Kläger keine Anwendung. Nach § 1 FRG findet dieses Gesetz unbeschadet des § 5 Abs. 4 FRG und des § 17 FRG Anwendung auf
a) Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind,
b) Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes und frühere deutsche Staatsangehörige im Sinne des Artikels 116 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, wenn sie unabhängig von den Kriegsauswirkungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, jedoch infolge der Kriegsauswirkungen den früher für sie zuständigen Versicherungsträger eines auswärtigen Staates nicht mehr in Anspruch nehmen können,
c) Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes und frühere deutsche Staatsangehörige im Sinne des Artikels 116 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, die nach dem 8. Mai 1945 in ein ausländisches Staatsgebiet zur Arbeitsleistung verbracht wurden,
d) heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (HAusIG), auch wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben oder erwerben,
e) Hinterbliebene der in Buchstaben a bis d genannten Personen bezüglich der Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene.
Hiervon wird der Kläger nicht erfasst, er ist zunächst weder im Sinne von § 1 lit. a bis c FRG als Vertriebener oder Spätaussiedler anerkannt noch ist er Deutscher, der in ein ausländisches Staatsgebiet zur Arbeitsleistung verbracht worden ist oder infolge der Kriegsauswirkungen den früher für ihn zuständigen Versicherungsträger eines auswärtigen Staates nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Auch unterfällt er nicht der Regelung in § 1 lit. d FRG. Der Kläger ist nicht heimatloser Ausländer im Sinne des HAusIG. Nach § 1 Abs. 1 HAusIG ist heimatloser Ausländer ein fremder Staatsangehöriger oder Staatenloser, der
a) nachweist, dass er der Obhut der Internationalen Organisation untersteht, die von den Vereinten Nationen mit der Betreuung verschleppter Personen und Flüchtlinge beauftragt ist, und
b) nicht Deutscher nach Artikel 116 des Grundgesetzes ist und
c) am 30.06.1950 seinen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) hatte, oder die Rechtsstellung eines heimatlosen Ausländers auf Grund der Bestimmungen des § 2 Abs. 3 HAusIG erwirbt.
Zum Nachweis dieser Voraussetzungen genügt noch nicht der Besitz eines entsprechenden Reiseausweises. Vielmehr haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit selbst festzustellen, ob die Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 HAuslG erfüllt sind (BSG, Urteil vom 14.05.1991 – 5RJ29/9Ö, Rn. 23 bei juris).
Dies berücksichtigend kann offenbleiben, ob der Kläger im Sinne von § 1 Abs. 1 lit. a HausIG der Obhut der Internationalen Organisationen (IRO) unterstanden hat oder zumindest von ihr satzungsgemäß hätte betreut werden können (in diesem Sinne: BSG, a. a. O.). Jedenfalls erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 lit. c HAuslG. Er hat zunächst nicht bis zum 30.06.1950 seinen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) genommen, sondern erst im Dezember 1992. Auch hat er nicht nach § 2 Abs. 3 HAusIG die Rechtsstellung eines heimatlosen Ausländers erworben. Danach erlangt ein fremder Staatsangehöriger oder Staatenloser, der die Bestimmungen des § 1 Abs. 1a und 1b HAusIG erfüllt und nach dem 01.07.1948 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) hatte und ihn danach außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes oder von Berlin (West) verlegt hat, die Rechtsstellung eines heimatlosen Ausländers, wenn er innerhalb von 2 Jahren seit dem Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes oder aus Berlin (West) rechtmäßig seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in den Geltungsbereich des Grundgesetzes oder nach Berlin (West) zurückverlegt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Die Vorschrift ist nur auf Personen anwendbar, die während des 2. Weltkrieges oder wegen der durch ihn verursachten Macht- und Bevölkerungsverschiebungen fliehen mussten. Sie bezieht sich nur auf Personen, die in der Zeit vom 01.07.1948-30.06.1950 ihren Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des GG oder von Berlin (West) verlegt haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.11.2016 – L 3 R 39/16, Rn. 38 bei juris). Das trifft auf den Kläger nicht zu.
Des Weiteren scheidet auch eine Gleichstellung der ausländischen Versicherungszeiten mit deutschen Beitragszeiten aus. Eine solche ergibt sich weder aus Sozialversicherungsabkommen noch aus überstaatlichem Recht. Letzteres folgt zunächst nicht aus Art. 24 Abs. 1 lit. b Staatenlosenübereinkommen (StIÜbk). Danach gewähren die Vertragsstaaten des Übereinkommens den Staatenlosen, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, in Bezug auf folgende Angelegenheiten die gleiche Behandlung wie ihren Staatsangehörigen:
a) Arbeitsentgelt einschließlich Familienbeihilfen, wenn diese Bestandteil des Arbeitsentgelts sind, Arbeitszeit, Überstundenregelung, bezahlter Urlaub, Beschränkungen in der Heimarbeit, Mindestalter für die Beschäftigung, Lehrzeit und Berufsausbildung, Arbeit von Frauen und Jugendlichen sowie die Inanspruchnahme der auf Tarifverträgen beruhenden Vergünstigungen, soweit diese Angelegenheiten durch Rechtsvorschriften geregelt sind oder in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fallen;
b) Soziale Sicherheit (gesetzliche Bestimmungen über Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Alter, Tod, Arbeitslosigkeit, Familienunterhalt sowie jedes andere nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch ein System der Sozialen Sicherheit gedeckte Wagnis), vorbehaltlich
i. geeigneter Regelungen in Bezug auf die Wahrung erworbener Rechte und Anwartschaften sowie
ii. besonderer innerstaatlicher Rechtsvorschriften des Aufenthaltslands über Leistungen oder Leistungsteile, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, sowie über Zuwendungen an Personen, welche die zur Erlangung einer normalen Rente festgesetzten Beitragsbedingungen nicht erfüllen.
Von dieser Vorschrift kann der Kläger im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens nicht profitieren. Unabhängig davon, dass dieses nicht die unmittelbare Anwendung gesetzlicher Bestimmungen insbesondere über das Alter betrifft, erfährt der Kläger als Staatenloser keine andere Behandlung als deutsche Staatsangehörige. Auch diese können eine Berücksichtigung von nicht im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung, nur unter Beachtung weiterer Voraussetzungen beanspruchen, vornehmlich der aus § 1 FRG, die der Kläger wiederum, wie ausgeführt, nicht erfüllt – auch wenn man unterstellt, dass er Deutscher ist.
Ferner folgt für den Kläger nichts anderes aus Art. 1 lit. h, 2 Abs. 1, 6 VO (EG) Nr. 883/2004. Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Einbeziehung der Staatenlosen und deren Gleichbehandlung mit Inländern gelten nur für die Einreise aus einem EU/EWR-Staat nach Deutschland. Bei unmittelbarer Einreise aus einem Drittland können aus der Verordnung keine Rechte (z.B. auf Kindergeld) abgeleitet werden (FG Nürnberg, Urteil vom 20.11.2014 – 3K 1510/13; EuGH, Urteil vom 11.10.2001 – C-95/99). Das gilt auch für den Kläger, der 1992 von U (Moldawien) ohne EU-Bezug in die Bundesrepublik eingereist ist.
Schließlich unterfällt der Kläger auch nicht der Regelung aus § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten sind, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Der Kläger hat einen solchen Tatbestand (siehe dazu im Einzelnen: Kasseler Kommentar-Gürtner, a. a. O., Rn. 9) nicht verwirklicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG."
Gegen das am 20.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.02.2018 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, das Urteil des Sozialgerichts Köln sei willkürlich und verstoße gegen die Prinzipien des Völkerrechts. Für anerkannte Staatenlose seien die Voraussetzungen des FRG außer Kraft. Es gelte das Staatenlosenübereinkommen vom 28.09.1954. Dies habe die Bundesrepublik anerkannt. Laut Staatenlosen-Konvention gewährten die Vertragsstaaten den Staatenlosen, die sich rechtmäßig in deren Hoheitsgebiet aufhielten, in Bezug auf das Arbeitsrecht und die soziale Sicherheit die Gleichbehandlung; es gelte § 24 StlÜB.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 zu verpflichten, die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 29.11.1992 als Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Entscheidungsgründe und vertritt die Ansicht, insbesondere könnte eine Gleichstellung der ausländischen Versicherungszeiten mit deutschen Beitragsrecht nicht aus dem überstaatlichen Recht abgeleitet werden.
Der Kläger verwies auf den vom Ausländeramt der Stadt C ausgestellten Reiseausweis für Staatenlose, dessen Kopie er nochmals zur Gerichtsakte überreichte; er beantrage eine Stellungnahme des Ausländeramtes. Weiter trägt der Kläger mit Schreiben vom 17.10.2018 vor, er habe kein Geld, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Eine Stellungnahme des Ausländeramtes der Stadt C überreiche er mit weiterer Post.
Der Senat hat dies als Antrag auf Prozesskostenhilfe gewertet und mit Beschluss vom 23.10.2018 dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt. Anschließend hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers für den Kläger bestellt.
Der Kläger hat dann noch selbst mit Schreiben vom 21.02.2019 mitgeteilt, das Ausländeramt C habe die Bemerkung Heimatlosigkeit in seinem Reisedokument mit der Begründung "Amtsfehler bei der Bestellung" am 18.10.2018 gestrichen. Das Landessozialgericht möge den Unterschied zwischen dem Begriff staatenlos und heimatlos klären.
Mit Schreiben vom 23.04.2019 hat der Senat dann die Beteiligten zu einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Die Beklagte hat zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 02.05.2019 ihr Einverständnis erklärt. Weiterhin teilte die Beklagte mit, dass der Kläger keinen Anspruch auf vorzeitige Altersrente habe, da er die Wartezeit von 35 Jahren für eine Altersrente für langjährig Versicherte nicht erfülle. Das gleiche gelte für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Frühestens bestünde ein Anspruch auf Regelaltersrente ab dem 01.06.2025.
Abschließend nahm der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 15.07.2019 Stellung; zu Unrecht habe das Sozialgericht angenommen, dass eine Gleichstellung nicht aus Artikel 24 Abs. 1 StLÜbk folge. Der Kläger werde weder von der Russischen Föderation noch von Moldawien als deren Staatsangehöriger angesehen. In Deutschland sei er daher als Staatenloser anerkannt. Der Kläger könne sich daher insbesondere auf Artikel 24 Abs. 1 lit. b StLÜbk berufen. Der Kläger könne als Staatenloser jedoch eine ungleiche Behandlung im Vergleich zu deutschen Staatsangehörigen bzw. Personengruppen nach § 1 FRG für sich in Anspruch nehmen, da für ihn eine Sicherstellung nach Maßgabe der Regelung der §§ 15, 16 FRG nicht gewährleistet werde. Diese Personengruppe könnte eine Berücksichtigung von nicht im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung beanspruchen. Während der Kläger als Staatenloser bei der Übersiedlung nach Deutschland seine erworbenen Rentenansprüche verliere, könnten die aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nicht staatenlosen Einwanderer die zurückgelegten Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung beanspruchen. Der Kläger könne wegen des fortgeschrittenen Alters eine ausreichende Regelaltersrente nicht mehr erreichen. Insoweit liege eine benachteiligende Ungleichbehandlung vor. Das Finanzgericht Köln habe im Übrigen entschieden, dass ein Staatenloser hinsichtlich des Kindergeldes einem Deutschen gleichgestellt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II. Die Berufung konnte durch Beschluss zurückgewiesen werden, denn ein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG liegt nicht vor. Das Sozialgericht Köln hat aufgrund Verhandlungstermins am 08.01.2018 die Klage abgewiesen; zum Verhandlungstermin war der Kläger persönlich auch erschienen. Zudem hält der erkennende Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Der Kläger ist über die Rechtslage durch gerichtliches Schreiben vom 23.04.2019 informiert worden. Die Beteiligten wurden mit diesem Schreiben zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig; insb. ist die Berufung fristgerecht innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden; § 151 Abs. 1 SGG.
Auch besteht für das Verfahren in Ermangelung eines Altersrentenbescheids auch Rechtsschutzbedürfnis; nur nach Erlass eines Rentenbescheids besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens in Bezug auf den Vormerkungsbescheid (so die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vergleiche: BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 13 R 23/14 R -, Rn. 12, juris – mit Hinweis auf die ältere gleichlauteten Rechtsprechung des BSG). Die Beklagte hat mitgeteilt, dass der Kläger keine Altersrente erhält, eine solche vorgezogene Altersrente auch mangels entsprechender Wartezeiten nicht beanspruchen kann und ein Anspruch auf Regelaltersrente erst ab dem 01.06.2025 in Betracht kommt.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Vormerkungsbescheid vom 30.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2018 an und macht diese auch zum Gegenstand dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG.
Auch sieht der Senat keine Möglichkeit zur Vormerkung der streitigen Zeiten unter Berücksichtigung von Artikel 24 Abs. 1 lit b) StIÜbk. Artikel 24 Abs. 1 StLÜbk verschafft dem begünstigen Staatenlosen nur das Recht dem Grunde nach, nicht aber auch das Recht auf Zusammenrechnung im Sinne einer rentenwerthöhenden Wirkung. Dies ergibt sich zwanglos auch aus dem Koordinierungsrecht der Europäischen Union, dessen Konstruktion Artikel 24 Abs. 1 StLÜbk teilt.
Artikel 24 Abs. 1 lit. b) StLÜbk gibt dem Staatenlosen, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhält, in Bezug auf die Rechte der Sozialen Sicherheit – insb. auch im Alter – lediglich das Recht auf gleiche Behandlung wie deutsche Staatsangehörige. Dies bezieht sich aber nur auf den Anspruch bspw. auf Altersrente dem Grunde nach. Die Vorschrift trifft in keinerlei Hinsicht auch die Verpflichtung des zuständigen Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Staatenlose rechtmäßig auffällt, fremde – im Ausland zurückgelegte – Zeiten außerhalb der fremdrentenrechtlichen Regelungen anzuerkennen und ggf. bei der Berechnung der Altersrente im Ausland zurückgelegte Zeiten rentenwerterhöhend zu berücksichtigten.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kommt zwar grundsätzlich die Einbeziehung Staatenloser in das europäische Koordinierungsrecht nach der EGV 883/2004 in Betracht; und zwar nach Art. 1 lit. h, 2 Abs. 1, 6 EGV 883/2004. Das SG hat die grundsätzliche Unanwendbarkeit der EGV 883/2004 zutreffend festgestellt. Das Koordinierungsrecht sieht in Art. 6 EGV 883/2004 insoweit nur die Verpflichtung zur Berücksichtigung von im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten insb. bei Erwerb und Aufrechterhaltung eines Rechts vor. Eine insoweit rentenwerterhöhende Berücksichtigung von im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten – auch solcher in der Rentenversicherung – kommt daher selbst nach dem Koordinierungsrecht nicht in Betracht. Erst recht gibt daher Artikel 24 Abs. 1 StLÜbk dem Staatenlosen nicht das Recht auf rentenwerterhöhende Berücksichtigung – und damit Vormerkung – im Ausland zurückgelegter Zeiten jenseits der fremdrentenrechtlichen Regelungen.
Das Sozialgericht hat insoweit auch zutreffend ausgeführt, dass schon keine Ungleichbehandlung des Klägers als Staatenloser mit deutschen Staatsangehörigen und auch nicht mit der Personengruppe nach § 1 FRG – insbesondere der Vertriebenen und Spätaussiedler – vorliegt. Der Kläger unterfällt gerade nicht dem Anwendungsbereich des FRG nach § 1 FRG.
Der Senat weist nur der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die Einbeziehung solcher in Deutschland nicht zu Beiträgen führenden Versicherungszeiten in einem Drittstaat, der nicht durch ein Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland verbunden ist, auch gerechtfertigt ist, da der ansonsten rentenwerterhöhenden Wirkung kein entsprechender Beitrag zur Deutschen Rentenversicherung gegenübersteht. Der Senat weist insoweit auf die Grundsatzvorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI hin.
Sofern der Bevollmächtigte auf eine Entscheidung des Finanzgerichts hinweist, wonach ein Staatenloser hinsichtlich des Kindergeldes einem Deutschen gleichgestellt sei, so weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte dem Kläger als Staatenloser das Recht auf Rente grundsätzlich zuerkennt und daher den Kläger gleichbehandelt mit Deutschen, die insbesondere nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 160 Abs. 1 S. 1, 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 06.05.2020
Zuletzt verändert am: 06.05.2020