Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.06.2016 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014.
Der am 00.00.1975 geborene Kläger bezog ab dem 16.01.2013 Arbeitslosengeld, welches ihm von der Beklagten mit einer ursprünglichen Anspruchsdauer von 180 Kalendertagen bis zum 14.07.2013 mit einem täglichen Leistungssatz von zunächst 47,32 EUR gewährt wurde (s. Bescheid v. 18.06.2013). In seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 07.01.2013 bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Zum 01.07.2013 nahm der Kläger an einer von der Beklagten geförderten Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teil. Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 01.07.2013 "bis auf weiteres" in Höhe eines täglichen Zahlbetrages von 47,40 EUR (Änderungsbescheide vom 17.07.2013 und 03.08.2013).
Ab dem 28.07.2014 hielt sich der Kläger in Marokko auf. Die Ortsabwesenheit war ihm von der Beklagten für die Zeit bis zum 17.08.2014 (21 Tage) genehmigt worden. Der Kläger kehrte zum 18.08.2014 nicht aus Marokko nach Deutschland zurück. Nach seiner Rückkehr sprach er erstmals am 01.09.2014 bei der Beklagten vor und reichte eine Bescheinigung ("medizinisches Zertifikat/Attest") des marokkanischen Arztes (Dr. U) mit Ausstellungsdatum vom 18.08.2014 in französischer Sprache ein. Danach sei der Kläger medizinisch untersucht worden. Sein Gesundheitszustand erfordere, dass er für den Zeitraum vom 18.08.2014 (Montag) bis 22.08.2014 (Freitag) die Arbeit niederlegen/unterbrechen müsse. In der Folgezeit reichte der Kläger die Erstbescheinigung des deutschen Arztes (Dr. C) ein, die ihm Arbeitsunfähigkeit vom 25.08.2014 (Montag) bis 27.08.2014 (Mittwoch) attestierte. Im Nachgang reichte der Kläger eine Folgebescheinigung seines Arztes für die Zeit vom 01.09.2014 bis 09.09.2014 ein.
Mit Änderungsbescheid vom 04.09.2014 hob die Beklagte u.a. die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.08.2014 bis zum 09.09.2014 unter Bezugnahme auf § 48 SGB X auf. Auch stellte die Beklagte am 25.08.2014 die Zahlung des Arbeitslosengeldes vorläufig ein. Ab dem 10.09.2014 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld weitergewährt.
Gegen den Bescheid vom 04.09.2014 legte der Kläger am 12.09.2014 Widerspruch ein. Der Bescheid enthalte keine Begründung, warum ihm in der Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 keine Leistungen gewährt würden.
Daraufhin führte die Beklagte u.a. mit Schreiben vom 19.09.2014 hierzu aus, dass der Kläger ab dem 18.08.2014 arbeitsunfähig krank gewesen sei. Da die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb des Zeitraums der genehmigten Ortsabwesenheit und somit nicht während des Bezuges von Arbeitslosengeld eingetreten sei, finde die Vorschrift des § 146 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) auf ihn keine Anwendung. Während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der Kläger bis einschließlich 09.09.2014 arbeitsunfähig krank gewesen. Die Zahlung von Arbeitslosengeld habe daher frühestens ab dem 10.09.2014 wieder aufgenommen werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit entsprechender Begründung zurück und führte ergänzend aus: Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sei der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei. Grob fahrlässig handele, wer in besonders schwerem Maße die erforderliche Sorgfaltspflicht verletze, mithin nicht beachte, was jedem einleuchten müsse. Dies sei in der Regel der Fall, wenn eindeutige Hinweise, z.B. in Merkblättern, nicht beachtet würden. Dies sei vorliegend der Fall. Der Kläger hätte wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch – aufgrund der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende der genehmigten Ortsabwesenheit – weggefallen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 24.10.2014 Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass er nicht nach dem Ende der genehmigten Ortsabwesenheit erkrankt sei, sondern währenddessen. Der Kläger hat hierzu erstmals nach einem Erörterungstermin vom 09.09.2015 auf eine – undatierte, unter dem 08.10.2015 amtlich übersetzte – Stellungnahme des marokkanischen Arztes Bezug genommen, der bescheinigt hat, dass die Beschwerden schon zwei Tage, bevor der Kläger den Arzt am Montag, den 18.08.2014, aufgesucht hatte, d.h. am Samstag und Sonntag, angefangen hätten. Ferner hat der Kläger eine Bescheinigung der C Akademie (Maßnahmeträger) samt Anlagen eingereicht, wonach er in der Zeit vom 18.08.2014 bis zum 09.09.2014 durchgängig krankgeschrieben gewesen sei. Im Übrigen stehe ihm deshalb Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit zu, weil er am 18.08.2014 ohne Weiteres Arbeitslosengeld weiterbezogen hätte, wäre er nicht erkrankt gewesen. Dass er an dem Tag noch nicht aus Marokko zurückgekehrt sei, liege an der eingetretenen Erkrankung; dieser Umstand dürfe ihm daher nicht zu seinem Nachteil gereichen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 04.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Zeitraum 18.08.2014 bis 09.09.2014 Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass die Stellungnahme des marokkanischen Arztes lediglich eine Vermutung ausspreche und insbesondere keinen Nachweis darstelle, dass die Beschwerden vom Wochenende (16./17.08.2014) zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Entgegen der Bescheinigung der Bernards Akademie ergäbe sich aus den eingereichten Anlagen gerade nicht, dass der Kläger bis zum 09.09.2014 durchgängig krankgeschrieben gewesen sei. Arbeitsunfähigkeit sei für die Zeit vom 23.08.2014 bis zum 24.08.2014 und vom 28.08.2014 bis zum 31.08.2014 nicht attestiert worden. Es könne somit nicht positiv festgestellt werden, dass bei dem Kläger Arbeitsunfähigkeit während seines genehmigten Auslandsaufenthalts eingetreten sei und bis zum 09.09.2014 bestanden habe. Auch habe er darüber hinaus den Wegfall des Leistungsanspruchs aufgrund entsprechender Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose kennen müssen.
Das Sozialgericht hat am 09.09.2015 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die entsprechende Niederschrift wird Bezug genommen. Ferner hat das Sozialgericht einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. C eingeholt, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 22.06.2016, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das Sozialgericht die Beklagte unter "Änderung" des angegriffenen Bescheides "verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 zu gewähren". Zur Begründung hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Die zulässige Klage sei begründet. Die Beklagte habe zu Unrecht die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.08.2014 bis zum 09.09.2014 aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor. Zwar sei nach dem Erlass der Bewilligungsbescheide vom 17.07.2013 und 03.08.2013, mit denen dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit der Weiterbildungsmaßnahme gewährt worden sei, in den tatsächlichen Verhältnissen insoweit eine Änderung eingetreten, als der Kläger – spätestens – ab dem 18.08.2014 arbeitsunfähig erkrankt sei. Diese Änderung sei jedoch insofern nicht wesentlich gewesen, als sie nicht zum Wegfall des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld geführt habe. Vielmehr sei dem Kläger das Arbeitslosengeld nach § 146 Abs. 1 SGB III weiter zu gewähren gewesen. Nach dieser Vorschrift verliere, wer während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig werde, dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Arbeitsunfähigkeit des Klägers während des Leistungsbezuges eingetreten. Der erforderliche Vorbezug sei schon dann gegeben, wenn für den betreffenden Leistungstag ohne die Arbeitsverhinderung infolge Krankheit ein normaler Zahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld auf der Basis eines davor entstandenen Anspruchs bestehen würde. Dem Zahlungsanspruch des Klägers stehe nicht entgegen, dass er weiterhin ortsabwesend gewesen sei. Die Ortsabwesenheit sei Folge der Erkrankung gewesen. Sinn und Zweck der zeit- und ortsnahen Erreichbarkeit sei die sofortige Vermittelbarkeit. Diese könne aber aufgrund der fehlenden Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitslosen ohnehin nicht erreicht werden. Im Hinblick darauf erscheine es sinnwidrig zu verlangen, dass der Kläger die Heimreise antrete und damit möglicherweise seine Gesundheit gefährde, obwohl er – ausgehend von der Bescheinigung des marokkanischen Arztes aufgrund von bereits während der genehmigten Ortsabwesenheit eingetretenen Beschwerden – wohl nicht reisefähig gewesen sei, damit er Kranken-Arbeitslosengeld hätte erhalten können. Soweit die Beklagte einwende, dass eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 nicht nachgewiesen worden sei, sei auf den eingeholten Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. C hinzuweisen. Dieser habe eine durchgehende Erkrankung für die Zeit vom 25.08.2014 bis 09.09.2014 bestätigt. Für die Zeit vom 23.08.2014 bis zum 24.08.2014 liege zwar kein Attest vor. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass es sich um ein Wochenende gehandelt habe. Der Kläger habe insoweit im Erörterungstermin glaubhaft vorgetragen, dass er nicht davon ausgegangen sei, dass er auch für ein Wochenende eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung brauche, weshalb er auch keinen Notdienst oder ein Krankenhaus bemüht habe. Da der Kläger nachgewiesen vom 18.08.2014 bis 22.08.2014 (Freitag) wegen einer Magenentzündung arbeitsunfähig krank und dann wieder ab dem 25.08.2014 (Montag) deswegen durchgehend krank gewesen sei, sei bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass er auch an diesem Wochenende und damit durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen sei. Ebenso sei er weniger als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen, so dass ihm Arbeitslosengeld nach § 146 Abs. 1 SGB III für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 18.08.2014 bis zum 09.09.2014 zustehe.
Gegen dieses ihr am 13.07.2016 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 09.08.2016 eingelegten Berufung, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe sich für die Zeit vom 28.07.2014 bis 17.08.2014 mit Einverständnis der Beklagten im Marokko aufgehalten. Am 18.08.2014 hätte er demzufolge wieder an seinem Wohnort in Deutschland sein müssen, um auch ab diesem Zeitpunkt noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Insoweit sei die Voraussetzung, die das Sozialgericht als Grundlage für seine Entscheidung annehme, nicht gegeben. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger eine Erkrankung bereits für die Tage des 16.08. und 17.08.2014 belegt habe. Das von dem marokkanischen Arzt vorgelegte Attest bestätige lediglich, dass sich der Kläger am 18.08.2014 bei diesem Arzt vorgestellt habe, nicht aber, dass dem Arzt aus eigener Anschauung der Eintritt der Erkrankung bereits zwei Tage zuvor bekannt gewesen sei. Damit handele es sich nicht um einen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit bereits während der Zeit der genehmigten Ortsabwesenheit. Ferner habe das Sozialgericht unterstellt, dass der Kläger nicht reisefähig gewesen sei, um am 18.08.2014 wieder in Deutschland zu sein. Auch hierfür ergebe sich kein konkreter Beleg aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Das Sozialgericht stütze demnach seine Annahme eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den 18.08.2014 auch ohne einen Leistungsfortzahlungsanspruch auf Vermutungen und Unterstellungen. Tatsächlich belegt sei ausschließlich der Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 18.08.2014. Diese begründe jedoch keinen Leistungsfortzahlungsanspruch nach § 146 SGB III, da dieser Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit außerhalb der genehmigten Ortsabwesenheit gelegen habe. Auch seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gegeben. Der Kläger hätte Kenntnis haben können, dass er nur Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Form der Leistungsfortzahlung für bis zu sechs Wochen habe, sofern die Arbeitsunfähigkeit während eines rechtmäßigen Leistungsbezuges einträte. Dieser Hinweis sei in Merkblatt 1 enthalten, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld unterschriftlich bestätigt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.06.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Das Sozialgericht habe zutreffend festgestellt, dass er nicht reisefähig gewesen sei, um am 18.08.2014 wieder in Deutschland zu sein. Die fehlende Reisefähigkeit habe er auch nicht zu vertreten, so dass die Voraussetzungen für die Leistungsfortzahlung gemäß § 146 SGB III vorgelegen hätten.
Der Senat hat den Rechtsstreit im mündlichen Verhandlungstermin vom 14.06.2018 vertagt, weil die Beklagte vor Erlass des angefochtenen Bescheides § 24 SGB X nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Deswegen sei das Verfahren zu unterbrechen und der Beklagten Gelegenheit zu geben, das Anhörungsverfahren durchzuführen.
Sodann hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27.08.2018 zu der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 18.08.2014 angehört. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Anhörungsschreibens Bezug genommen. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass er ab dem 16.08.2014 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Die Erkrankung sei nachgewiesen worden. Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass Letzteres, insbesondere durch das Attest des Dr. U, gerade nicht der Fall sei. Das Attest belege nur, dass der Kläger sich am 18.08.2014 bei dem Arzt vorgestellt habe und an diesem Tag erkrankt gewesen sei. Der Arzt habe nicht aus eigener Anschauung bestätigen können, dass der Kläger bereits zwei Tage zuvor erkrankt gewesen sei. Allein ein Attest aufgrund eigener Diagnose des Arztes sei als Nachweis für eine Erkrankung geeignet.
Mit Schreiben vom 15.01.2019 hat der Senat eine Anfrage an die C Akademie für berufliche Weiterbildung, B, zu den Umständen der Ortsabwesenheit des Klägers sowie der von ihm geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit gerichtet. Hierauf hat die Akademie mit Schreiben vom 12.02.2019 geantwortet. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte – der Wert der Beschwer liegt über 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), da 22 Tage Arbeitslosengeld (18.08.2014 bis 09.09.2014) mit einem täglichen Leistungssatz von 47,40 EUR im Streit stehen, damit insgesamt 1.090,20 EUR – und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil sie als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zwar zulässig, jedoch unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2014 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte hat die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die streitige Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III zu Recht aufgehoben.
1.) Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar ist der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 04.09.2014 über die beabsichtigte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 von der Beklagten nicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch spätestens durch das im Berufungsverfahren ergangene Schreiben der Beklagten vom 27.08.2018, das auch die subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X thematisiert, geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X). Hierbei hat die Beklagte die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die Aufhebung mitgeteilt und dem Kläger somit Gelegenheit gegeben, sich zu diesen Tatsachen zu äußern, was er im Anschluss auch getan hat.
2.) Die Beklagte hat auch materiell zu Recht die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III aufgehoben. Soweit danach in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit u.a. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch u.a. ganz oder teilweise weggefallen ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
a) Ab dem 18.08.2014 ist in den für die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dadurch eingetreten, dass der Kläger durch seinen weiteren Aufenthalt in Marokko mit Ablauf des 17.08.2014 den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 3 Abs. 1 der Erreichbarkeits-Anordnung – (EAO) zur Verfügung stand. Hält sich der Arbeitslose nicht innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs der Agentur für Arbeit auf, steht dies seiner Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher ihre Zustimmung erteilt hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EAO). Hier hat sich der Kläger mit Einverständnis der Beklagten für die Zeit vom 28.08.2014 bis 17.08.2014, d.h. für exakt drei Wochen, in Marokko aufgehalten, was seiner (objektiven) Verfügbarkeit nicht entgegengestanden hat. Mit Ablauf des 17.08.2014 fehlte es jedoch an einer Zustimmung der Beklagten für einen längeren Aufenthalt des Klägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs. Ebenso fehlte es am Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes, der eine Überschreitung der Drei-Wochen-Frist rechtfertigen könnte. So ist insbesondere ein Fall einer außergewöhnlichen Härte i.S.d. § 3 Abs. 3 EAO, die zu einer Verlängerung höchstens um drei Tage führen könnte, nicht ersichtlich. Im Übrigen handelt es sich hierbei um eine (gar nicht vorliegende) Entscheidung der Beklagten ("kann verlängert werden"), die durch das Sozialgericht ggf. auf Ermessensfehler überprüft, nicht jedoch ersetzt werden kann. Demnach stand der Kläger mit Ablauf des 17.08.2014 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung und war deshalb nicht (mehr) arbeitslos.
b) Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts hat es sich hierbei auch um eine "wesentliche" Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehandelt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl. nur BSG, Urt. v 19.02.1986 – 7 RAr 55/84 – SozR 1300 § 48 Nr. 22). Danach muss sich die Änderung nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken, bei tatsächlichen Änderungen müssen diese so erheblich sein, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führen (Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 12). Würde danach der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld trotz Ablauf des Zeitraums der genehmigten Ortsabwesenheit nach materiellem Recht nicht wegfallen, wäre die Änderung der Sach- und Rechtslage damit nicht i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X wesentlich und könnte eine rechtmäßige Aufhebung der Bewilligung nicht begründen.
Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Denn dem Kläger hätte Arbeitslosengeld in der Zeit vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 auch nicht nach Maßgabe des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III bewilligt werden dürfen, weil die Voraussetzungen für eine Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen haben. Wer danach während des Bezuges von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig oder während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird, verliert dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen (Leistungsfortzahlung).
Hier scheitert die Anwendung von § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III schon daran, dass der Kläger nicht "während des Bezuges von Arbeitslosengeld" arbeitsunfähig geworden ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Zeit vor dem Eintritt des Verfügbarkeitshindernisses ein realisierbarer Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld entstanden ist. Das Entstehen des Stammrechts, d.h. des Anspruchs auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach, genügt nicht; es muss vielmehr für die Zeit vor Eintritt der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit auch ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld bestehen (vgl. nur BSG, Urt. v. 20.02.2002 – B 11 AL 59/01 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Von der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit (oder der hier irrelevanten stationären Behandlung auf Kosten der Krankenkasse) abgesehen, müssen für eine Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III somit alle Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld fortbestehen. Insoweit sind freilich nur die von der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen unabhängigen Voraussetzungen gemeint, namentlich die Arbeitsbereitschaft (subjektive Verfügbarkeit) i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III im Rahmen des gesundheitlichen Leistungsvermögens. Demgegenüber entfallen in den von § 146 Abs. 1 SGB III erfassten Fällen nicht zuletzt wegen des maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsbegriffs (jede nach Maßgabe des § 140 SGB III zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, s. hierzu Aubel, in: jurisPK-SGB III, § 146 Rn. 21 m.w.N.) zwangsläufig objektive Verfügbarkeit in Bezug auf das "Arbeitenkönnen" (§ 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 SGB III) und die Fähigkeit, die nach § 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB III geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen. Konsequenterweise muss der arbeitsunfähige Arbeitslose daher auch nicht i.S.v. § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III erreichbar sein ("Residenzpflicht"), so dass ein Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der zuständigen Arbeitsagentur (§ 3 EAO) während der Arbeitsunfähigkeit der Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 SGB III im Grundsatz nicht entgegensteht (BSG, Urt. v. 25.07.1985 – 7 RAr 74/84 -, juris Rn. 30 ff., 32; ebenso Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: März 2018, § 146 SGB III Rn. 34; Aubel, in: jurisPK-SGB III, § 146 Rn. 45). Tritt das Verfügbarkeitshindernis während eines Aufenthalts außerhalb des Nahbereichs der zuständigen Arbeitsagentur ein, besteht ein Anspruch aus § 146 Abs. 1 SGB III aber nur, wenn und soweit der Anspruch auf Arbeitslosengeld vor Eintritt des Verfügbarkeitshindernisses nach § 3 EAO hiervon unberührt blieb. Dementsprechend besteht gerade kein Anspruch auf Leistungsfortzahlung, wenn das Verfügbarkeitshindernis nach Ablauf des Drei-Wochen-Zeitraums, d.h. während eines Aufenthalts außerhalb des Nahbereichs ohne Leistungsbezug, eintritt (Aubel, in: jurisPK-SGB III, § 146 Rn. 45 a.E.). Mit anderen Worten: Tritt die Arbeitsunfähigkeit außerhalb des Zeitraums der genehmigten Ortsabwesenheit, d.h. im Regelfall nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 EAO ein, führt dies wegen Fehlens der objektiven Verfügbarkeit des (bei Ablauf des Genehmigungszeitraums noch arbeitsfähigen!) Arbeitslosen zum Anspruchsverlust. In einem solchen Fall kommt § 146 SGB III dann nicht zur Anwendung, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht während des Bezugs von Arbeitslosengeld, also eines realisierbaren Anspruchs auf diese Leistung, eingetreten ist (ebenso Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 146 SGB III Rn. 33).
Diesem Ergebnis steht das auch von dem Sozialgericht zitierte o.a. Urteil des BSG vom 25.07.1985 – 7 RAr 74/87 -, juris Rn. 30 ff.) nicht entgegen. Dem dortigen Fall lag die Konstellation des Eintritts von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während des genehmigten Aufenthalts außerhalb des Nahbereich des Arbeitsamtes (s. Leitsatz 1 u. juris Rn. 1) zu Grunde. Für diesen Fall hat das BSG die Anwendbarkeit von § 105b AFG, der inhaltlich der jetzigen Regelung des § 146 SGB III entsprach, zu Recht bejaht. Denn da die Vorschrift auf die Verfügbarkeit als Voraussetzung einer Leistungsfortzahlung verzichtet, müssen Arbeitslose in diesen Fällen auch nicht wie gesunde Arbeitslose erreichbar sein und sich nicht im Nahbereich der Agentur für Arbeit aufhalten. Sie sollen insbesondere nicht gezwungen sein, trotz Erkrankung während des genehmigten Urlaubs an ihren Wohnort zurückzukehren, da sie der Arbeitsvermittlung ohnehin nicht zur Verfügung stehen. In solchen Fällen endet der Anspruch auf Leistungsfortzahlung nach § 146 SGB III auch nicht mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der von der BA genehmigten Ortsabwesenheit, sondern erst nach Ablauf von sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Dies alles steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass es gerade nicht zu einem Anspruchsverlust aus anderen Gründen gekommen ist (so auch ausdrücklich BSG, Urt. v. 25.07.1985 – 7 RAr 74/87 -, juris Rn. 28). Dies ist aber der Fall, wenn die Arbeitsunfähigkeit – so wie hier – erst nach Ablauf des Zeitraums des § 3 Abs. 1 EAO eintritt und somit unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen nicht mehr vorliegt.
Bei dem Kläger hat Arbeitsunfähigkeit ausweislich der entsprechenden, unter dem 18.08.2014 "für amtliche Zwecke" ausgestellten Bescheinigung des marokkanischen Arztes Dr. B. U (erst) am 18.08.2014 und mithin nach Ablauf des Zeitraums der genehmigten Ortsabwesenheit zum 17.08.2014 vorgelegen. Ausweislich dieser aktenkundigen und von dem Kläger nach seiner Rückkehr am 01.09.2014 bei der Beklagten eingereichten Bescheinigung ist er von dem Arzt in Marokko medizinisch untersucht worden. Hiernach hat der Arzt – wörtlich übersetzt – dem Kläger attestiert, dass er für den Zeitraum vom 18.08.2014 bis 22.08.2014 die Arbeit unterbrechen müsse. Mithin kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger am 18.08.2014 nicht mehr in der Lage gewesen ist, eine ihm i.S.d. § 140 SGB III zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Letzteres bestreitet auch die Beklagte im Ergebnis nicht.
Dagegen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger bereits am 16.08.2014 oder spätestens 17.08.2014 und damit noch innerhalb des Zeitraums der genehmigten Ortsabwesenheit (= realisierbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld) arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Ob der Leistungsberechtigte arbeitsunfähig ist, hat die Beklagte und im Streitfall das Sozialgericht anhand ärztlicher Befunde positiv festzustellen. Weder die BA noch das Sozialgericht sind an eine vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gebunden. Wenn keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Arbeitslosen vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehen, kann diese als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit genügen. Arbeitslosengeldbezieher haben ihrerseits nach § 311 Satz 1 SGB III der BA eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen und spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. Anders als beim Krankengeld (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V) ist eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit jedoch keine Voraussetzung für die Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB III. § 146 Abs. 3 SGB III normiert gerade keine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Zahlung von Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit (s. BSG, Urt. v. 31.01.2006 – B 11a AL 13/05 R -, juris Rn. 23 a.E.; Aubel, in: jurisPK-SGB III, § 146 Rn. 25).
Auch auf der Grundlage der im Vergleich zum SGB V weniger formalisierten Voraussetzungen für den Nachweis des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit in der Arbeitslosenversicherung kann eine für eine Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 SGB III relevante Arbeitsunfähigkeit des Klägers spätestens ab dem 17.08.2014 nicht positiv festgestellt werden. So gibt die medizinische Bescheinigung des marokkanischen Arztes vom 18.08.2014 für die Annahme von Arbeitsunfähigkeit auch für das vorausgegangene Wochenende nichts her, da sie explizit für die Zeit ab dem 18.08.2014 ausgestellt ist und sich ihr auch keine sonstigen Hinweise auf das Vorliegen einer früheren Arbeitsunfähigkeit des Klägers entnehmen lassen. Insbesondere lässt sich auch aus dem erstmals im Klageverfahren eingereichten, undatierten sowie (erst) unter dem 08.10.2015 amtlich übersetzten ärztlichen Attest des marokkanischen Arztes keine sichere Überzeugung vom Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor dem 18.08.2014 gewinnen. Dieser hat lediglich bestätigt, dass sich der Kläger am 18.08.2014 wegen Erbrechen und Bauchschmerzen vorgestellt habe und dass diese Beschwerden schon zwei Tage zuvor angefangen hätten. Ferner seien sie "sehr wahrscheinlich" (sic!) durch eine Magen-Darm-Schleimhautentzündung verursacht worden. Hiermit hat der Arzt gerade nicht aus eigener Anschauung den Eintritt der Erkrankung bereits zwei Tage bzw. einen Tag zuvor bestätigen können und wollen. Vielmehr dürfte es sich um eine Auskunft des Klägers gehandelt haben, wobei schon unklar ist, welche Intensität die Beschwerden hatten und ob sie insbesondere geeignet waren, jegliche Beschäftigungsaufnahme für leichte Tätigkeiten zu verhindern. Gegen den Nachweis von Arbeitsunfähigkeit bereits am Wochenende vor dem 18.08.2014 spricht auch, dass es sich ausweislich der aktenkundigen Atteste des marokkanischen Arztes um einen in einer Notfallaufnahme ("Urgences") praktizierenden Allgemeinmediziner handelt. Damit hätte wohl nichts dagegen gesprochen, dass der Kläger den ärztlichen Notdienst auch am Wochenende in Anspruch genommen hätte, soweit seine Schmerzen eine entsprechende Intensität erreicht hätten. Auch hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, die Dienste des in der Notfallaufnahme befindlichen Arztes auch am Wochenende in Anspruch zu nehmen. Schließlich führt auch der von dem Sozialgericht eingeholte Befundbericht des behandelnden Arztes für Innere Medizin Dr. C vom 18.04.2016 nicht weiter, da er mangels eigener Anschauung die Frage, ob bei dem Kläger am 16.08.2014 und 17.08.2014 bereits eine Magenentzündung vorgelegen hat, explizit nicht beantworten konnte.
Nach alledem kann eine nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III relevante Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor dem 18.08.2014 und damit während des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht festgestellt werden. Ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung für den Zeitraum vom 18.08.2014 bis 09.09.2014 scheidet folglich aus. Dementsprechend kann auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger in der Zeit vom 23.08.2014 bis 09.09.2014 durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist. Denn diese Zeit hat erst recht nicht während des Bezuges von Arbeitslosengeld gelegen. Die objektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den streitigen Zeitraum nach § 48 Abs. 1 SGB X liegen somit vor.
c) Der Kläger hat auch den Unlauterkeitstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt, so dass die Beklagte berechtigt und verpflichtet (§ 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) gewesen ist, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, hier ab dem 18.08.2014, aufzuheben. Nach dem im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X maßgeblichen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff handelt grob fahrlässig, wer aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen hätte erkennen können, dass er zur Mitteilung eines Umstandes verpflichtet war, oder wer dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. hierzu nur BSG, Urt. v. 29.10.2008 – B 11 AL 44/07 R -, juris Rn. 23; LSG NRW, Beschl. v. 20.05.2010 – L 1 AL 2/10 B -, juris Rn. 9). In der Regel handelt schon grob fahrlässig, wer das bei Antragstellung von der Beklagten ausgehändigte Merkblatt 1 für Arbeitslose nicht beachtet, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall ohne Weiteres erkennen konnte (BSG, Urt. v. 24.04.1997 – 11 RAr 89/96 -; Senat, Urt. v. 05.06.2008 – L 9 AL 46/07 -, juris Rn. 32).
So liegt der Fall hier. Dem Kläger hätte sich bei Anstellen einfachster Überlegungen aufdrängen müssen, dass ein weiterer Aufenthalt in Marokko über den 17.08.2014 hinaus unweigerlich Auswirkungen auf seinen weiteren Leistungsanspruch haben musste. So hatte er Kenntnis davon, dass die Beklagte der Ortsabwesenheit nur bis zum Ablauf des 17.08.2014 zugestimmt hat. Er kann sich zu seiner Entlastung auch nicht darauf berufen, dass er ab dem 18.08.2014 arbeitsunfähig erkrankt und damit – was durch die medizinischen Unterlagen im Übrigen in keiner Weise nachgewiesen ist – aus gesundheitlichen Gründen möglicherweise gehindert war, nach Deutschland zurückzukehren. Dem steht bereits entgegen, dass er es offenbar nicht für nötig befunden hat, die Beklagte sowohl über seine Aufenthaltsverlängerung als auch die eingetretene Arbeitsunfähigkeit zeitnah in Kenntnis zu setzen. Gerade über letztere aus § 311 Satz 1 SGB III folgende Pflicht wurde der Kläger ausweislich S. 23 des Merkblatts für Arbeitslose, dessen Aushändigung und Kenntnisnahme von seinem Inhalt er mit seiner Unterschrift unter seinen ursprünglichen Antrag auf Arbeitslosengeld am 07.01.2013 bestätigte, ausdrücklich informiert. Ebenso wurde er nach Seite 22 des Merkblattes darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Weiterzahlung von Arbeitslosengeld bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während des rechtmäßigen Leistungsbezuges voraussetzt. Damit kann die Kumulation aus der Kenntnis der auf die Zeit bis zum 17.08.2014 begrenzten Zustimmung zur Ortsabwesenheit, der Verlängerung des Aufenthalts in Marokko ohne jegliche Information der Beklagten sowie der gegenüber der Beklagten erstmals am 01.09.2014 dargelegten Arbeitsunfähigkeit ab dem 18.08.2014 nur als besonders leichtfertiges Verhalten im Hinblick auf die (weitere) Gewährung des Arbeitslosengeldes bezeichnet werden. Jedenfalls war der Kläger über alle seine Ortsabwesenheit sowie den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit betreffenden Gesichtspunkte so informiert, dass er zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit die Beklagte über den streitentscheidenden Sachverhalt hätte unverzüglich in Kenntnis setzen können. Dem steht im Übrigen auch nicht entgegen, dass die Nichtvorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entgegen der Pflicht des § 311 Satz 1 SGB III lediglich zur Entziehung des Arbeitslosengeldes nach Maßgabe der §§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 66 Abs. 1 SGB I führen kann (s. Aubel, in: jurisPK-SGB III, § 146 Rn. 25). Damit würde eine (materielle) Aufhebung der Leistungsbewilligung allenfalls nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ausscheiden, nicht aber über § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Ferner bezieht sich der besonders grobe Verstoß des Klägers gegen seine Sorgfaltspflichten nicht alleine darauf, die Beklagte nicht rechtzeitig über die eingetretene Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt zu haben, sondern vor allem auch darauf, dass er es auf eine auch zeitlich nicht unbeachtliche Aufenthaltsverlängerung trotz Kenntnis der begrenzten Zustimmung der Beklagten hat ankommen lassen. Jedenfalls kann das von dem Kläger geltend gemachte Vertrauen darauf, den maßgeblichen Sachverhalt durch eine erst nachträglich weit nach Rückkehr eingereichte, noch dazu auf den Tag nach Ablauf der Zustimmung der Beklagten datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Rechtsverlust klären zu können, keinesfalls als schutzwürdig angesehen werden.
Endlich kann sich der Kläger auch nicht mit dem Hinweis auf das im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit stehende Verhalten des Trägers der von ihm absolvierten Bildungsmaßnahme, der C Akademie in B, entlasten. Abgesehen davon, dass eine etwaige rechtzeitige Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Weiterbildungsträger eine solche gegenüber der Beklagten nicht zu ersetzen vermag, was sich dem Kläger auch und gerade angesichts der dargestellten, insoweit eindeutigen Ausführungen im Merkblatt für Arbeitslose hätte aufdrängen müssen, ist sein diesbezügliches Vorbringen auch in der Sache nicht belegbar. So hat die Bernards Akademie auf ausdrückliche Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 12.02.2019 geantwortet, dass bereits die Genehmigung zur Ortsabwesenheit von den Teilnehmern selbst beantragt und die Genehmigung der Beklagten auch direkt den Teilnehmern gegenüber erlassen wird. Die weitere gerichtliche Anfrage, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger gegenüber der Akademie erfolgt und ob diese Mitteilung an die Beklagte, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, übersandt worden sei, hat die Akademie mangels Unterlagen über den Kläger nicht beantworten können. Eine dem Kläger günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergibt sich schließlich auch nicht aus der mit Schriftsatz des Klägers vom 25.03.2019 eingereichten Auszug aus der Hausordnung der C Akademie vom 20.06.2018, wonach die Teilnehmer bei Krankheit am ersten Tag telefonisch direkt bei der Verwaltung der Akademie zu entschuldigen sind. Abgesehen davon, dass eine fünf Jahre nach Teilnahme an der Maßnahme vorgelegte Hausordnung in keiner Weise belegen kann, dass der Kläger (noch von Marokko aus) die Akademie über seine Arbeitsunfähigkeit, erst recht vor dem 18.08.2014, informiert hat, kommt es, wie erwähnt, auch nicht auf die Meldung bei der Akademie, sondern die Anzeige bei der Beklagten an. Auch hätte sich dem Kläger die Unterscheidung zwischen der Anzeige bei der Beklagten einerseits und der Erklärung von Fehltagen gegenüber dem Maßnahmeträger andererseits nach dem Merkblatt 1 der Beklagten aufdrängen müssen, wenn sie ihm nicht sogar bewusst gewesen ist.
d) Da die Beklagte bei der Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung schließlich auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt hat, war die Klage abzuweisen.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
4.) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 03.06.2020
Zuletzt verändert am: 03.06.2020