Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.02.2020 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Anspruch des Antragstellers (Ast) auf Versorgung mit dem in Deutschland und EU-weit bislang nicht zugelassenen Importarzneimittel Zolgensma® (Onasemnogene Abeparvovec-xioi). Die Verabreichung erfolgt in Form einer Injektion im Wert von rund 2 Millionen Euro.
Es handelt sich hierbei um ein Gentherapeutikum, das bisher in den USA seit Mai 2019 für die Anwendung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zugelassen ist. Das Zulassungsverfahren in Europa ist noch nicht abgeschlossen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) hat laut Pressemitteilung vom 27.03.2020 der für die Zulassung in der EU zuständigen EMA (European Medicines Agency) die Zulassung empfohlen; eine entsprechende Entscheidung der EMA liegt noch nicht vor.
Der am 00.00.2017 geborene Ast leidet seit seiner Geburt an Spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ I. Diese schwere infantile Form der Erkrankung beginnt in der Regel vor dem 6. Lebensmonat (gewöhnlich vor dem 3.), basiert auf einem Gendefekt und ist gekennzeichnet durch schwere und progrediente Muskelschwäche und -hypotonie als Folge einer Degeneration bzw des Verlustes der unteren Motoneurone im Rückenmark und im Kern des Hirnstammes; die Prognose ist in der Regel ungünstig. Der Ast wird aktuell mit dem in Deutschland zugelassenen Medikament Spinraza® (Wirkstoff Nusinersen) behandelt.
Am 30.10.2019 beantragte der Ast bei der Antragsgegnerin (Ag) die Versorgung mit Zolgensma®. Mit dem Medikament Spinraza® lasse sich sein Leiden ein wenig lindern, der Tod jedoch bestenfalls um einige Monate hinauszögern. Die einzige Chance auf Rettung oder sogar Heilung biete eine Therapie mit Zolgensma® des Herstellers Novartis. Es könne nicht länger gewartet werden, da die Behandlung so früh wie möglich durchgeführt werden müsse. Hierzu reichte er auf Anregung der Ag zwei Arztbriefe des St. G- Hospitals, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums der Universität B vom 15.07.2019 und 30.08.2019 ein, aus welchen sich im Wesentlichen nur die Diagnose SMA Typ I sowie Laborbefunde und die Durchführung einer Pneumokokkenimpfung am 29.08.2019 ergeben.
Die Ag unterrichtete den Ast mit an seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt gerichteten Schreiben vom 30.10.2019 und 04.11.2019 darüber, dass sie eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen werde und damit verpflichtet sei, binnen 5 Wochen zu entscheiden.
Der MDK kam mit Gutachten vom 05.11.2019 zunächst zu dem Ergebnis, eine Kostenübernahme komme nicht in Betracht. Zwar sei die Erkrankung bei Beginn im frühen Kindesalter grundsätzlich schwerwiegend beziehungsweise lebensbedrohlich. Der Verlauf im Einzelfall sei aber nicht hinreichend dokumentiert. Eine Indikationsstellung und ein begründeter Kostenübernahmeantrag der behandelnden Ärzte, insbesondere unter Bezugnahme auf zugelassene Therapien liege bislang nicht vor.
Die Ag holte hierzu Befunde und Auskünfte der den Ast behandelnden Ärzte des St. G-Hospitals, Dr. L und Prof. Dr. M ein, die insbesondere ausführten, der Ast sei seit dem 13.03.2018, zunächst im Rahmen eines Luftwegsinfekts mit Belüftungsstörung der Lunge, in Behandlung der Kinderklinik. Zunächst sei neben der antibiotischen Behandlung eine Atemunterstützung mittels High-Flow und zusätzlichem Sauerstoff erfolgt. Es habe sich gezeigt, dass der Ast sich nicht in erwarteter Weise klinisch erholt habe. Nachdem die Diagnose einer SMA bestätigt worden sei, habe am 19.04.2018 eine Behandlung mit Spinraza® (Wirkstoff Nusinersen) begonnen. Diese werde gut vertragen und sei eindeutig wirksam. Es gebe keine Hinweise auf eine Unverträglichkeit oder Nebenwirkungen. Zu Therapiebeginn habe eine bereits weiter fortgeschrittene Muskelschwäche vorgelegen. Inzwischen könne der Ast zB Arme und Beine von der Unterlage anheben. Auch bezüglich der selbstständigen Nahrungsaufnahme sei ein klarer und qualitativ hoch zu bewertender Nutzen der Therapie zu sehen. Es bestehe eine stabile Gesundheitssituation und keine akute Lebensbedrohung. Es liege daher keine Indikation zu einer Therapie mit Zolgensma® vor. Dem folgend blieb der MDK in einem Gutachten vom 28.11.2019 bei seiner bisherigen Auffassung, eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 02.12.2019 lehnte es die Ag ab, die Kosten der Behandlung mit Zolgensma® zu übernehmen, da mit Spinraza ein zugelassenes und im Einzelfall auch wirksames und verträgliches Medikament zur Therapie zur Verfügung stehe, wohingegen Zolgensma® in Deutschland und europaweit nicht zugelassen sei. Über diese Entscheidung informierte die Ag am gleichen Tag den Bevollmächtigten des Ast telefonisch, woraufhin dieser mitteilte, dass er Widerspruch einlegen werde. Zudem übersandte sie den Bescheid, ebenfalls am 02.12.2019, um16.13 Uhr, dem Bevollmächtigten per Fax.
Mit dem hiergegen am 02.12.2019 erhobenen Widerspruch machte der Ast geltend, die Stellungnahme der behandelnden Ärzte gebe eindeutig eine unbefriedigende Beatmungssituation wieder. Es sei häufig zu beobachten, dass die Wirkung von Spinraza® bei Atmung und Schlucken früher stagniere als bei der Ausbildung der motorischen Fähigkeiten. Es liege insoweit ein Therapieversagen vor. Die fehlende Indikationsstellung durch einen Arzt sei unschädlich. Zwar habe der Ast zwischenzeitlich das zweite Lebensjahr erreicht. Es gebe aber für eine starre Altersgrenze keine medizinische Rechtfertigung.
Am 26.01.2020 hat der Ast einen Antrag auf Kostenübernahme durch Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dortmund (SG) gestellt. Er leide unter einer regelmäßig tödlichen Erkrankung. Für diese stehe keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung. Die Behandlung mit Nusinersen könne das Fortschreiten der Symptomatik nur verzögern. Es liege zwar kein vollständiges Therapieversagen vor. Eine Heilung oder Steigerung der Lebenserwartung sei aber nicht möglich. Bei der Behandlung mit Zolgensma® bestehe die Hoffnung, dass das Fortschreiten für immer gestoppt werde. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich zudem aus der Genehmigungsfiktion gern § 13 Abs 3a Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V). Die Ag habe die 5-Wochen-Frist nicht eingehalten. Maßgeblich sei die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes. Bei einem elektronischen Verwaltungsakt gelte die Zugangsfiktion, so dass der Bescheid vom 02.12.2019 erst am 05.12.2019 und damit einen Tag zu spät bekanntgegeben worden sei. Es liege kein mündlicher Verwaltungsakt vor. Der Anordnungsgrund bestehe, da der Antragsteller das Hauptsacheverfahren nicht erleben werde. Auch wenn die Entwicklung durch die Gabe von Nusinersen verlangsamt werde, werde es zu einem frühen Tode kommen. Der Ast sei im Zeitpunkt der Antragstellung unter zwei Jahre alt gewesen. Auf diesen Zeitpunkt komme es an.
Das SG hat mit Beschluss vom 20.02.2020 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Ast habe bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, so dass kein Raum für eine Folgenabwägung verbleibe. Es bestehe weder ein Anspruch aus einer Genehmigungsfiktion noch ein solcher aus § 27 Abs 1 S 1 in Verbindung mit § 31 SGB V, da Zolgensma® in Deutschland und Europa nicht zugelassen und eine ausnahmsweise Verordnung gemäß § 2 Abs 1a SGB V nicht möglich sei. Die Ag habe innerhalb der gesetzlichen Fristen des § 13 Abs 3a SGB V durch mündlichen Bescheid entschieden und diese Entscheidung auch fristgerecht bekannt gegeben. Der mündliche Bescheid erfülle sämtliche Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes gemäß § 33 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) und sei noch am selben Tag schriftlich bestätigt worden. Der Bescheid sei auch fristgerecht per Telefon gern §§ 39, 37 SGB X bekanntgegeben worden. Die Bekanntgabe sei grundsätzlich formlos. Sie könne auch mündlich oder durch Fax erfolgen. Ein mündlicher Verwaltungsakt sei in dem Moment bekannt gegeben, wenn der Betroffene beziehungsweise dessen Bevollmächtigter diesen vernehme und die Erklärung als solche verstanden habe. Der Antrag sei bei der Antragsgegnerin am 30.10.2019 eingegangen. Fristbeginn sei damit der 31.10.2019 gemäß § 26 Abs 1 SGB X. Das Ende der Fünf-Wochen-Frist belaufe sich auf den 04.12.2019. Ohnehin habe der Ast die begehrte Leistung nicht für erforderlich halten dürfen, nachdem dem Antrag keine ärztliche Empfehlung zugrunde gelegen habe. Auch bestehe ein Anordnungsanspruch nicht gemäß § 27 Abs 1 S 1 in Verbindung mit § 31 Abs 1 SGB V, da Zolgensma® weder in Deutschland noch in Europa zugelassen sei. Das Zulassungserfordernis bestehe sowohl im Rahmen der vertragsärztlichen als auch in der stationären Versorgung. Zolgensma® fehle die erforderliche Zulassung gem. § 21 Arzneimittelgesetz (AMG). Schließlich sei ein Anspruch auch nicht gemäß § 2 Abs 1a SGB V glaubhaft gemacht. Nach den Ausführungen der behandelnden Ärzte bestehe keine Indikation zu einer Therapie mit Zolgensma®. Der Ast werde zudem mit einer zugelassenen Therapie durch Nusinersen, die er gut vertrage und die wirksam sei, behandelt. Die Ausführungen zum (teilweisen) Therapieversagen würden gerade nicht von den behandelnden Ärzten bestätigt. Darüber hinaus sei fraglich, ob der Anwendungsbereich von Zolgensma® überhaupt eröffnet sei. Der Ast sei mit dem 30.12.2019 zwei Jahre alt geworden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei in jeder Lage des Verfahrens der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86 b, Rn 42 mwN). Zolgensma® sei in den USA seit Mai 2019 nur für die Behandlung von Kindern bis zwei Jahre zugelassen.
Der Ast hat gegen den ihm am 20.02.2020 zugestellten Beschluss am 20.03.2020 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens ergänzend vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten zwischenzeitlich die Auffassung vertreten, es liege nunmehr ein Therapieversagen von Nusinersen vor, dies allerdings bislang nur mündlich geäußert und nicht verschriftlicht.
Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.02.2020 zu ändern und die Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihn einmalig mit der Behandlung mit Zolgensma® zu versorgen.
Die Ag beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und bestreitet die Behauptung, die behandelnden Ärzte würden von einem Therapieversagen ausgehen, mit Nichtwissen. Zudem habe das begehrte Arzneimittel in keinem Land eine Zulassung für die Behandlung von Kindern im Alter ab 2 Jahren.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs 2 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die AG im Wege einstweiligen Rechtschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm § 86b Abs 2 S 4 SGG glaubhaft zu machen. Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Ast darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Ein Anspruch des Ast auf Versorgung mit Zolgensma ist nicht auseichend glaubhaft gemacht. In Ergänzung zu der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des SG, die sich der Senat nach eigener Prüfung im Wesentlichen Bezug nehmend zu Eigen macht (§ 142 Abs 2 S 3 SGG), ist auf Folgendes hinzuweisen:
1. Die Verpflichtung der Ag zur Übernahme der Kosten einer Behandlung mit diesem Medikament ergibt sich nicht bereits unter dem Aspekt des Eintritts einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V. Die Ag hat über den Antrag vom 30.10.2019 am 02.12.2019 mit Zugang am gleichen Tag fristgerecht im Sinne des Fristenregimes des § 13 Abs 3a SGB V entschieden. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (S 1). Die Frist begann am 30.10.2019 zu laufen. Sie endete am 04.12.2019, da die Fünf-Wochen-Frist (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 2 SGB V) galt, weil die Ag den Ast mit Schreiben vom 30.10. und 04.11.2019 rechtzeitig innerhalb der Frist von drei Wochen nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK informierte. Innerhalb dieser Frist beschied die Ag den Antrag mit Bescheid vom 02.12.2019.
Dieser Bescheid wurde auch am gleichen Tag und nicht erst am 05.12.2019, wie der Ast meint, ihm gegenüber wirksam. Nach § 39 Abs 1 S 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Nach § 37 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
Die Vorschrift setzt drei Bekanntgabeformen voraus: die einfache Bekanntgabe, die öffentliche Bekanntgabe und die Bekanntgabe durch Zustellung. Vorliegend hat die Ag die einfache Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten des Ast als dessen Vertreter, mündlich sowie durch Fax am 02.12.2019, gewählt. Es kann dahinstehen, ob der Bescheid als verkörperter, schriftlicher Verwaltungsakt auch per Fax rechtzeitig am 02.12.2019 bekanntgegeben wurde, da der Bescheid jedenfalls in seiner mündlichen Form an diesem Tag zugegangen ist.
Selbst bei unterstellter Fristversäumnis ist eine Genehmigungsfiktion aber nicht eingetreten, denn es handelt sich bei der Behandlung mit Zolgensma vorliegend nicht um eine Leistung, die der Ast für erforderlich halten durfte. Um als genehmigt zu gelten, muss der Antrag des Berechtigten eine Leistung betreffen, die er für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl ua BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, Rn 26). Diese subjektive Erforderlichkeit fehlt, weil es sich bei der begehrten Behandlung um eine solche handelt, die zum – maßgeblichen – Zeitpunkt der Antragstellung durch die behandelnden Fachärzte des St. Josef-Hospitals weder befürwortet noch für notwendig erachtet wurde. Daher konnte der Ast jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass die erstrebte Behandlung medizinisch indiziert und daher einer Genehmigungsfiktion fähig ist. Ob sich die Ärzte nunmehr anders einlassen, wie der Ast zur Beschwerdebegründung behauptet hat, ist unerheblich. Die drängende und in jeder Hinsicht nachvollziehbare Hoffnung, der Erkrankung Einhalt zu gebieten, genügt allein iü nicht, um eine subjektive Erforderlichkeit zu begründen, da nur der medizinische Sachverstand eine belastbare Folgenabwägung von Nutzen und Risiken vornehmen kann (so in einem vergleichbaren Fall auch: Beschluss des LSG NRW vom 27.02.2020, L 5 KR 1/20 B ER, juris Rn 42).
2. Der Anspruch besteht auch nicht auf der Grundlage von § 27 Abs 1 Nr 3 SGB V. Fertigarzneimittel wie Zolgensma sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz – AMG -) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 7/05 R -, BSGE 96, 170-182, SozR 4-2500 § 31 Nr 4, Rn 15). Für Zolgensma liegt bislang weder in Deutschland noch EU-weit eine solche Arzneimittelzulassung vor. Das Zulassungsverfahren in Europa ist noch nicht abgeschlossen. Die bestehende Arzneimittelzulassung in den USA, also im Ausland, entfaltet nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen für Deutschland (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 30/06 R -, juris, Rn 11).
Zwar zieht das BSG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt (vgl BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, juris mwN). Die Voraussetzungen hierfür sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der SMA Typ I ist, wie schon die Zulassung von Spinraza zeigt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch (vgl auch hierzu iü Beschluss des LSG NRW aaO, Rn 45).
Schließlich kann ein Anspruch nicht aus grundrechtsorientierter Leistungsausdehnung hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) als auch des BSG kann in einer notstandsähnlichen Situation unter engen Voraussetzungen die Versorgung mit arzneimittel-rechtlich in Deutschland bzw EU-weit nicht zugelassenen Import-Fertigarzneimitteln gerechtfertigt sein (vgl ua BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98 in juris; BSG Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R in juris). Die Grundrechte aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 GG begründen (vgl § 2 Abs 1a SGB V) einen Anspruch Versicherter hierauf in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und die gewählte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl für einen vergleichbaren Fall einer nicht anerkannten Krankenhausversorgung: BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 1 KR 20/19 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4 (vorgesehen), juris, Rn 19).
Zwar leidet der Ast auch nach den Feststellungen des MDK an einer lebensbedrohlichen Krankheit. Es kann aber bereits nicht festgestellt werden, dass für ihn eine anerkannte Behandlung nicht zur Verfügung steht. Selbst seine behandelnden Ärzte haben, jedenfalls während des gesamten Verwaltungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens, die Behandlung mit Spinraza für wirksam und gut verträglich erachtet. Dass dies nicht mehr gelten soll, hat der Ast bislang nur behauptet, nicht aber glaubhaft gemacht, obwohl hierzu hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden hat. Auch eine ärztliche Verordnung liegt nicht vor. Im Übrigen kann sein Antrag auch aus einem anderen, hiervon unabhängigen, Grund, keinen Erfolg haben.
Die gewünschte Behandlung mit Zolgensma verspricht vorliegend nämlich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft weder eine Aussicht auf Heilung noch auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dies folgt bereits daraus, dass auch in den USA das Therapeutikum nur für die Anwendung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zugelassen ist. Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen zeigt Zolgensma bei älteren Kindern wie dem Ast offenbar keine ausreichende Wirkung. Zudem fehlt eine abgeschlossene veröffentlichten Studie mit Relevanz für den Ast (vgl zu diesem Erfordernis: BSG, Urteil vom 08.11.2011, aaO; zur Studienlage speziell bei Zolgensma SG Berlin, Beschluss vom 22.01.2020 S 51 KR 2926/19 ER, juris, Rn 58 ff). Schließlich ergibt sich aus den bisherigen Aussagen der behandelnden Ärzte ebenfalls nicht, dass mit Zolgensma die erhoffte Heilung oder der Stillstand der Erkrankung erreicht werden könnte.
Vor diesem Hintergrund vermag auch der erkennende Senat den Anordnungsanspruch auch nicht, wie das SG Berlin in seiner Entscheidung vom 22.01.2010 (aaO), aus den Grundsätzen der Folgenabwägung herzuleiten (vgl Beschluss des LSG NRW aaO, Rn 50 f).
Da ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist, kann dahinstehen, ob ein ausreichender Anordnungsgrund dargetan ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 S 1 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.06.2020
Zuletzt verändert am: 04.06.2020