Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.01.2020 aufgehoben.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt hat.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 06.11.2019 verurteilt, den Klägern unter Abänderung der angefochtenen Bescheide für Mai 2013 Leistungen iHv insgesamt 1.604,64 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Am 02.12.2019 haben die Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Berufungsstreitwert sei nicht erreicht. Mit Beschluss vom 03.01.2020 hat das Sozialgericht den Antrag der Kläger nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG als unzulässig verworfen. Bezüglich des Streitwerts habe der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG angesetzt werden müssen, denn das konkrete Begehren der Kläger sei bis zum Ende des Verfahrens weder beziffert worden noch hinreichend bezifferbar gewesen. Jedenfalls sei zugunsten der Kläger die Grundregel nach § 143 SGG anzuwenden.
Gegen den ihnen am 07.01.2020 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 21.01.2020 Beschwerde eingereicht. Der von den Klägern begehrte Betrag läge "sicherlich deutlich unter 750,00 EUR". Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
II.
Der Senat entscheidet durch Beschluss über die Beschwerde, denn das Sozialgericht, das den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als unstatthaft angesehen hat, hat formal zutreffend diesen Antrag in Anlehnung an §§ 158 Satz 2, 169 Satz 3 SGG durch Beschluss als unzulässig verworfen (vgl. Beschluss des Senats vom 16.04.2018 – L 7 AS 1476/17 B; LSG Niedersachsen Beschluss vom 27.12.1961 – L 10 S 49/61; für die VwGO OVG Hamburg Beschluss vom 01.12.1997 – Bs IV 135/97). Die Rechtsauffassung, die bei Unstatthaftigkeit eines Antrags auf mündliche Verhandlung eine Entscheidungsbefugnis des Sozialgerichts durch Beschluss ablehnt (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.08.2014 – L 13 AS 3162/14; zu diesem Meinungsstreit auch Schmidt in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. § 105 Rn. 24 mwN), führt zu dem wenig konsequenten Ergebnis, dass in der Hauptsache eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter ergehen konnte, während hinsichtlich der Frage, ob der Rechtsstreit hierdurch erledigt ist, ein Urteilsverfahren geboten sein soll. Das SGG sieht zwar keine ausdrückliche Beschlussbefugnis der Sozialgerichte für unzulässige Rechtsbehelfe nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG entsprechend der §§ 158 Satz 2, 169 Satz 3 SGG vor, jedoch liegt insoweit aus den dargelegten Gründen eine planwidrige Lücke vor, die unter analoger Anwendung der §§ 158, 169 SGG geschlossen werden kann.
Die auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Beschwerde der Kläger ist begründet, denn ihr Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung ist statthaft.
Gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG kann mündliche Verhandlung beantragt werden, wenn die Berufung nicht gegeben ist. Bei einer Klage, die – wie vorliegend – eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, bedarf die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Von einem Gegenstandswert von unter 750 EUR ist hier auszugehen. Zwar haben die Kläger zu keinem Zeitpunkt einen bezifferten Antrag gestellt und nicht dargelegt, welches Ziel sie mit der Klage verfolgen. Spätestens mit der Wahl des Rechtsbehelfs – hier Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung – haben die rechtlich vertretenen Kläger jedoch zum Ausdruck gebracht, dass ihr (verbliebenes) Begehren nicht die Streitwertgrenze von 750 EUR übersteigt (vgl. zu diesem Aspekt auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 27.05.2016 – L 9 AS 1782/14 B). Für die Frage, ob die Berufung ohne Zulassung statthaft ist oder nicht, kommt es nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG auf den Wert des Beschwerdegegenstandes an, der danach zu bestimmen ist, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. § 144 Rn. 14). Da das Sozialgericht vor Erlass des Urteils bzw. Gerichtsbescheides noch nicht wissen kann, welche Anträge der unterliegende Beteiligte im Berufungsverfahren stellen wird, ist bei der Prüfung, ob eine Zulassung erforderlich ist, auf den maximal möglichen Rechtsmittelstreitwert abzustellen, der grundsätzlich der Beschwer entspricht (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. § 144 Rn 14). Für die Prüfung der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels ist demgegenüber grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung maßgeblich (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. § 144 Rn. 19). Daher ist auch für die Frage der Statthaftigkeit eines Antrags auf mündliche Verhandlung nach Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Andernfalls wäre bei einem Beteiligten, der nach Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur den nicht berufungsfähigen Teil des Streitgegenstandes zur Überprüfung stellen will, zudem das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt.
Auf die Beschwerde der Kläger ist deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das Sozialgericht ist damit verpflichtet, die beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Gerichtsbescheid gilt als nicht ergangen (§ 105 Abs. 3 SGG).
Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen. Das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Ablehnung einer mündlichen Verhandlung ist kein eigenes Verfahren oder ein eigener Verfahrensabschnitt, sondern nur ein Zwischenstreit im noch anhängigen Rechtsstreit (Beschluss des Senats vom 16.04.2018 – L 7 AS 1476/17 B; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 27.05.2016 – L 9 AS 1782/14 B).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.06.2020
Zuletzt verändert am: 09.06.2020