Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.01.2020 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung, ihn in eine Maßnahme nach § 16i SGB II zuzuweisen.
Der am 00.00.1967 geborene Antragsteller bezog nach eigenen Angaben seit Februar 2009, nach einer Mitteilung der DRV seit Oktober 2012, bis Mai 2017 und bezieht wieder seit Juni 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach eigenen Angaben hatte er von Februar 2017 bis November 2018 ein "Kleingewerbe" angemeldet. Von Dezember 2018 bis zum 28.05.2019 war der Antragsteller in Vollzeit bei der B GmbH (monatliches Gehalt 2.500 EUR brutto) beschäftigt.
Mit E-Mail vom 13.08.2019 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Förderung einer Arbeitsaufnahme nach §16i SGB II. Der Antragsteller legte eine Einstellungszusage der Fa. N GbR vom 20.11.2019 vor. Er habe von Februar 2009 bis Februar 2017 durchgehend SGB II-Leistungen bezogen. Für die anschließende Zeit habe er Leistungen zu beanspruchen, ein entsprechender Antrag sei von dem Jobcenter W noch nicht beschieden worden. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Email vom 23.10.2019 mit, aufgrund einer Meldung der DRV sei von 1879 Tagen des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auszugehen. Für eine Förderung nach § 16i SGB II seien 2190 Tage (sechs Jahre) erforderlich. Es fehlten 311 Tage.
Am 20.12.2019 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Düsseldorf beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt nach § 16i SGB II bei der Fa. N zu bewilligen".
Mit Beschluss vom 14.01.2020 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Dem Antragsteller seien zuletzt bis November 2020 laufende Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, sodass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei.
Gegen den ihm am 15.01.2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.01.2020 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht habe den Sachverhalt verkannt, die Entscheidungsgründe seien völlig abwegig. Der Antragsteller sei langzeitarbeitslos und wolle diesen Zustand so schnell wie möglich beenden. Ohne Förderzusage drohe der Arbeitgeber, sein Einstellungsangebot zurückzunehmen. Der Antragsteller hat einen Schriftsatz in einem Untätigkeitsklageverfahren gegen das Jobcenter W vom 18.02.2020 vorgelegt, in dem er Leistungen von Juni 2017 bis August 2017 begehrt. Zudem hat er eine ergänzende Bescheinigung der Fa. N vom 17.02.202 vorgelegt, in dem die Einstellungszusage vorbehaltlich einer Zuweisung nach § 16i SGB II aufrechterhalten wird.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 02.10.2019 – L 7 AS 1147/19 B ER und vom 06.09.2019 – L 7 AS 1114/19 B ER).
Ein Anordnungsgrund kann nicht mit der Argumentation verneint werden, eine "existentielle Notlage" sei nicht gegeben. Dem Antragsteller geht es nicht um die Vermeidung einer existentiellen Notlage aufgrund der Nichtzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern um die Vermeidung von Nachteilen, die damit verbunden sind, dass er die begehrte Zuweisung in die Maßnahme nicht erhält und deshalb die Einstellungszusage nicht aufrecht erhalten werden kann. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Einstellungszusage an die Bewilligung der Zuweisung nach § 16i SGB II geknüpft ist und das Abwarten eines Hauptsachverfahrens die Gefahr mit sich bringen würde, dass der Arbeitgeber an der Einstellungszusage nicht festhalten kann, wodurch dem Antragsteller wesentliche Nachteile iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGB II drohen.
Ebenfalls zu Unrecht hat das Sozialgericht den Anordnungsanspruch am Maßstab der Anspruchsgrundlage für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemessen. Der Antragsteller begehrt derartige Leistungen nicht.
Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrte Leistung ist § 16i SGB II. Nach dieser durch das TeilhabechancenG vom 17.12.2018 (BGBl I, 2583) mit Wirkung ab 01.01.2019 eingefügten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben können Arbeitgeber für die Beschäftigung von zugewiesenen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten Zuschüsse zum Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie mit dieser ein sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis begründen (§ 16i Abs. 1 SGB II). Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person kann einem Arbeitgeber zugewiesen werden, wenn sie das 25. Lebensjahr vollendet hat, sie für insgesamt mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch erhalten hat, sie in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt oder selbständig tätig war und für sie Zuschüsse an Arbeitgeber nach Absatz 1 noch nicht für eine Dauer von fünf Jahren erbracht worden sind (§ 16i Abs. 3 Satz 1 SGB II).
Der Anordnungsanspruch auf die begehrte Zuweisungsentscheidung scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es sich bei den Leistungen nach § 16i SGB II – wie bei den meisten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – um eine Ermessenleistung handelt. Zwar könnte der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren (abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null) nur die Verpflichtung des Leistungsträgers erstreiten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über sein Begehren entschieden zu müssen. Dennoch ist im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes bei Erlass einer Regelungsanordnung dann eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erbringung der Leistung geboten, wenn durch eine Regelungsanordnung nur mit der Verpflichtung, erneut das Ermessen zu betätigen, wirksamer Rechtsschutz iSd Art. 19 Abs. 4 GG nicht erreicht werden könnte. Deswegen kann im Rahmen der Regelungsanordnung eine Verpflichtung zur Erbringung einer streitigen Ermessensleistung dann ausgesprochen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer erneuten Ermessensbetätigung eine Entscheidung zugunsten des Anspruchstellers ergehen würde (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 16.10.2006 – L 12 AL 202/06 ER mit zustimmender Anmerkung Lode, SGb 2009, 211).
Ebenso wenig scheidet ein Anordnungsanspruch aus, weil es sich bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt gem. § 16i Abs. 1 SGB II um Leistungen handelt, die unmittelbar an den Arbeitgeber und nicht an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erbracht werden. Für die Zuweisungsentscheidung ist streitig, ob Adressat der Leistungsberechtigte ist oder – wie das BSG für Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen angenommen hat – der Arbeitgeber (hierzu Harks in JurisPK SGB II § 16i Rn. 62 mwN). Denn die für die Zahlung an den Arbeitgeber erforderliche Zuweisung iSd § 16i Abs. 3 SGB II stellt jedenfalls ein subjektives Recht der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person dar und kann von dieser im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden (so im Ergebnis auch Harks in JurisPK SGB II § 16i Rn. 62, 64).
Allerdings hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Zuweisung iSd § 16i Abs. 3 SGB II vorliegen, denn er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er für insgesamt mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten hat.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier in der Hauptsache gegebenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allg. Meinung, vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 54 Rn. 34 mwN), im Falle des einstweiligen Rechtsschutzes mithin der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Die Sieben-Jahresfrist beginnt damit im März 2013 und endet im Februar 2020. In diesem Zeitraum hat der Antragsteller fünf Jahre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen (März 2013 – Mai 2017 = vier Jahre/drei Monate; Juni 2019 – Februar 2020 neun Monate; insgesamt fünf Jahre). Die Bewilligungsvoraussetzungen lägen damit allenfalls – unter Außerachtlassung der Einschränkung des § 16i Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II – nur vor, wenn dem Vorbringen des Antragstellers, er sei auch von Juni 2017 bis November 2018 leistungsberechtigt gewesen, zu folgen wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Der Antragsteller hat in dieser Zeit keine Leistungen "erhalten" iSd § 16i Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Der Umstand, dass er die Leistungen für einen Teilzeitraum (Juni 2017 bis August 2017) im Wege des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X nachträglich geltend macht, ist dem Erhalt von Leistungen nicht gleichzusetzen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf den Zeitpunkt der Antragstellung (August 2019) abstellt, da dann maßgeblich der Leistungsbezug von August 2012 bis Mai 2017 und vom Juni 2019 bis Juli 2019 (5 Jahre Leistungsbezug) wäre.
Da der Antragsteller nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit mindestens einem minderjährigen Kind lebt oder schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 und 3 SGB IX ist, kommt auch eine Verkürzung der Bezugsdauer nach § 16i Abs. 3 Satz 3 SGB II nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 16i Abs. 10 SGB II sind weder ersichtlich noch werden sie vom Antragsteller geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.06.2020
Zuletzt verändert am: 09.06.2020