Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 08.08.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse einen "papiergebundenen Anspruchsnachweis" anstelle der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) über den 01.01.2015 hinaus.
Der 1959 geborene Kläger ist taubstumm. Ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G und RF zuerkannt. Er hatte bereits im Jahr 2012 bei der Beklagten die unbefristete Nutzung seiner bisherigen Krankenversicherungskarte beantragt. Die gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten (Bescheid vom 10.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2013) vom Kläger beim Sozialgericht Dortmund erhobene Klage vom 12.02.2013 (S 8 KR 163/13) blieb – wie ein zeitgleicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 8 KR 166/13 ER) – erfolglos.
Mit Schreiben vom 22.12.2014 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ab dem 01.01.2015 bei Arzt- oder Zahnarztbesuchen nur noch eine gültige elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis akzeptiert werde. Er möge kurzfristig ein Passbild zur Verfügung zu stellen. In jedem AOK-Kundencenter könne kostenlos ein Bild für die eGK erstellt werden. Ein Bild könne auch zugesandt oder im Internet hochgeladen werden.
Der Kläger beantragte daraufhin am 02.01.2015 die Ausstellung eines papiergebundenen Ausweises gemäß § 19 Abs. 3 BMV-Ä und für den Besuch seines Zahnarztes ein Formular, aus dem die maßgeblichen Versichertendaten hervorgingen. Er habe wiederholt erklärt, dass er weder ein Passbild abgeben werde noch die Ausstellung einer eGK wünsche. Aus § 291a SGB V ergebe sich keine Pflicht zur Einsendung eines Fotos. Die entsprechende Weigerung stelle keine Ordnungswidrigkeit dar. Sie könne auch nicht anderweitig mit Sanktionen belegt werden. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenersparnis sei er im Interesse der Versichertengemeinschaft bereit, sich auf die elektronische Zusendung der entsprechenden Nachweise einzulassen. Im Falle einer Ablehnung werde um eine rechtsmittelfähige Bescheidung gebeten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16.01.2015 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R) ab.
Der Kläger wies zur Begründung seines Widerspruchs vom 16.02.2015 auf das von ihm angestrengte und beim Sozialgericht Dortmund anhängige Klageverfahren S 8 KR 163/13 hin. Er bitte darum, bis zur Entscheidung in diesem Verfahren "am Ersatzverfahren" teilnehmen zu können, d.h. quartalsweise papiergebundene Anspruchsnachweise zu erhalten. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen eGK/TI (Telematik-Infrastruktur) liege noch nicht vor. Auch angesichts aktueller Datenskandale, in die auch Geheimdienste verwickelt seien, könne man nicht mehr ruhigen Gewissens auf eine Karte setzen, deren Entwicklungsmöglichkeiten auch in Fachkreisen aktuell als sehr beschränkt eingeschätzt würden.
Mit Schreiben vom 11.03.2015 wies die Beklagte darauf hin, dass für die Inanspruchnahme von Krankenkassenleistungen ohne Nutzung der eGK die Möglichkeit bestehe, die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V zu wählen. Hinsichtlich vermeintlicher Sicherheitslücken werde auf zwei Stellungnahmen der Firma H vom 18.09.2013 und 25.02.2015 verwiesen. Unter dem 16.03.2015 übersandte die Beklagte nähere Informationen zur Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V. Eine anderweitige Nachweisberechtigung könne in der beantragten Form nicht ausgestellt werden, da dies nur in – im Fall des Klägers nicht gegebener – Ausnahmefällen möglich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es bestehe kein Anspruch auf Ausstellung eines papiergebundenen Ausweises anstelle einer eGK. Indem § 291a Abs. 2 SGB V für die Erweiterung der Krankenversichertenkarte zur eGK den Bezug zum Wortlaut von § 291 Abs. 2 SGB V herstelle, werde deutlich, dass sich die eGK hinsichtlich der auf ihr verpflichtend enthaltenen Angaben nicht von der bisher gültigen Krankenversichertenkarte unterscheide. Dies gelte auch für die Erweiterung der eGK um das Lichtbild, welches ebenfalls in § 291 Abs. 2 SGB V ausdrücklich erwähnt werde. Das Lichtbild sei notwendig, damit sichergestellt werden könne, dass der Inhaber der Karte auch mit dem Versicherten, der auf der Karte genannt sei, identisch sei. Sofern § 291a Abs. 3 SGB V die Möglichkeit eröffne, weitere Daten auf der eGK zu speichern, sei das Erheben, Verarbeiten und Nutzen solcher Daten gemäß § 291a Abs. 5 Satz 1 SGB V ohnehin nur mit dem Einverständnis des Versicherten möglich. Diese gesetzliche Regelung beschwere die Versicherten nicht. Versicherte hätten es insoweit selbst in der Hand, bereits das Erheben der Daten zu verhindern. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 18.11.2014 bestätigt, dass die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Krankenkassenleistungen durch die eGK nachgewiesen werden müsse. Die eGK und das damit verbundene Lichtbilderfordernis stünden danach im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Regelungen und verletzten nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein papiergebundener Anspruchsnachweis dürfe nicht als dauerhafter Ersatz für die eGK ausgestellt werden. Gemäß § 19 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 4 der Anlage 4 a BMV-Ä sei entsprechend auch festgelegt worden, dass nur noch die eGK als Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen gelte; die alte Krankenversicherungskarte sei ab dem 01.01.2015 ungültig und könne ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Nachweis für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen verwendet werden.
Der Kläger hat am 24.04.2015 Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben und diese auf 123 DIN A4-Seiten begründet. Er begehre Leistungen nach dem SGB V von der Beklagten, ohne die eGK nutzen zu müssen. Die Nutzung der Karte und die TI verletzten ihn vor allem wegen fehlender gesetzlicher Detailregelungen zum Datenschutz in seinen Grundrechten. Das Gesetz enthalte keine Regelungen, die verhinderten, dass seine Gesundheitsdaten und personenbezogenen Daten in einer über das Internet vernetzten TI gespeichert würden. Zudem sei das eGK/TI-System eine Blackbox. Alle bisherigen Aussagen zur eGK und zur TI seien nicht ausreichend überprüft worden. Man könne weder von einer Verbesserung des Gesundheitswesens, von höherer Wirtschaftlichkeit und Einsparungspotenzial noch von einer sichereren technischen Infrastruktur ausgehen. Eine (aktuelle) Kosten-Nutzenanalyse wäre erforderlich, die zu Lasten des eGK/TI-Systems ausgehen werde.
Er sei geneigt, die Verschlechterung des Gesundheitssystems in erster Linie auf den Einsatz der kostenträchtigen Technik zurückzuführen. Die Einführung des eGK/TI-Systems bringe zahlreiche Nachteile mit sich. Es werde angeregt, in eine Einzelfallprüfung einzutreten, ob im konkreten Fall ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht vorliege. Dabei beziehe er sich nicht auf einen Geräte- und Systemzustand, der noch nicht existiere, sondern auf die eGK und die TI mit der derzeitigen Funktionalität.
Die rechtlichen Vorbehalte bringe etwa die Arbeit von Marie Seedorf "Der Sozialdatenschutz nach dem SGB und sein Einfluss auf Kooperationsmöglichkeiten in der sozialen Arbeit" auf den Punkt. Der Vorbehalt des Gesetzes sei nicht geachtet, der Grundsatz der Normenklarheit werde verletzt, ebenso der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Prinzip der Erforderlichkeit. Es liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Der Grundsatz der Datensparsamkeit werde verletzt und der Zweckbindungsgrundsatz. Die Speicherung auf Vorrat sei generell unzulässig. Es bestehe ein Vorrang der Datenerhebung beim Betroffenen.
Er lehne die eGK und die dahinter stehende TI ab, weil auch bei der derzeitigen Funktionalität unzumutbare Folgen drohten. Dies ergebe sich detailliert aus den von ihm mitgelieferten Quellen. Der bisher gezogenen Schluss, dass die Verbesserung des Gesundheitssystems wegen des Allgemeininteresses höher zu bewerten sei als das Recht des Einzelnen in seiner informationellen Selbstbestimmung, sei darauf zurückzuführen, dass die technischen und systemischen Informationen gefehlt hätten bzw. vorhandene Informationen und Nachweise nicht überprüft worden seien, die ein Gegengewicht zu den bisherigen Publikationen bildeten. Es fehle seit jeher an einer verständlichen Beschreibung des gesamten Systems. Die Klageschrift und die genannten Quellen füllten diese Lücke.
Durch das eGK/TI-System entstehe das größte informationelle System Deutschlands, welches alle Einrichtungen des Deutschen Gesundheitssystems vernetzte und so eine lückenlose Verfolgung aller Ereignisse und Maßnahmen, die seine Person beträfen, ermögliche. Besonders betroffen sei er durch die Automation der Erzeugung von Sekundärdaten und Metadaten. Die Durchnummerierung der gesetzlich Versicherten mit einer 30-stelligen Versicherungsnummer und deren Durchkategorisierung stelle auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus eine immense Gefahr für jeden einzelnen von der Norm abweichenden Versicherten dar, für bestimmte Zwecke missbraucht zu werden. Die 30-stellige Krankenversichertennummer bilde eine weltweit einmalige globale Identifikationsnummer, die Menschen markiere, etikettiere und stigmatisiere. Durch das eGK/TI-System könne die Art der Dokumentation der Behandlungen und auch die Behandlung selbst unzulässig eingeengt werden, unabhängig von der Zustimmung des Betroffenen. Der Datenabgleich der eGK könne seine Rechte dadurch verletzen, dass bestimmte Gesundheitsdaten auch an Leistungserbringer übermittelt würden, bei denen der Kläger dies nicht wolle bzw. keine Notwendigkeit hierfür bestehe. All dies werde durch unzureichende gesetzliche Regelungen ermöglicht. Die derzeitige Rechtssetzungsmacht der H mit Generalklausel-Vollmachten sei nicht akzeptabel und verletze das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Grundrechte.
Hinsichtlich der Darstellung des technischen Sachverhalts sei er unterstützt worden durch S. D. M, Systemadministrator und Programmierer, der sich seit über drei Jahren mit der Analyse und der Funktionsweise des eGK/TI-Systems beschäftige. Die Einschätzung des BSG, dass noch keine TI zur Beurteilung vorliege, sei falsch. Seit 2008 werde eine komplexe Infrastruktur aufgebaut. Es komme bereits zu Datenvernetzungen und einem ständigen Datenaustausch zwischen real existierenden Systemen und Entwicklungs- und Testumgebungen. Seit 2007 würden Patientendaten aus dem Gesundheitswesen in die TI übernommen.
Es bestünden erhebliche Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der eGK (Diebstahl der Karte, der PIN, Phishing-Attacken). Es werde mehr Sicherheit dadurch suggeriert, dass ein Passbild implementiert werde, dessen Motiv mit der Person übereinstimme, die die eGK vorlege. Diese könne jedoch mit jedem dafür geeigneten handelsüblichen Chipkarten-Drucker mit einem anderen Passbild verfälscht werden. Zukünftige Entwicklungen der Bildverarbeitung im Internet seien insoweit zu berücksichtigen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 16.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen papiergebundenen Ausweis anstelle der eGK auszustellen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2016 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, zutreffend habe die Beklagte festgestellt, dass es für die Ausfertigung eines dauerhaften papiergebundenen Ausweises keine rechtliche Anspruchsgrundlage gebe. Ausschließlich die eGK sei ab dem 01.01.2015 als dauerhafter Nachweis für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen zu verwenden. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht. Dies habe das BSG in seinen umfassenden Ausführungen im Urteil vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R) dargestellt. Im Übrigen könne der Kläger auch ohne Verwendung der eGK alle Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen, wähle er anstelle der Inanspruchnahme von Sach- und Dienstleistungen den Weg der Kostenerstattung.
Gegen das ihm am 10.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.09.2016 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe gegen sein Recht auf rechtliches Gehör verstoßen. Eine genügende Anhörung, die den Anforderungen des § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG genüge, sei nicht erfolgt. Er habe beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag der Beteiligten habe nicht stattgefunden. Es sei nicht erkennbar, ob das Sozialgericht seinen Vortrag inhaltlich gewürdigt habe. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zeige, dass sich das Sozialgericht nicht mit den vorgelegten Beweisen beschäftigt habe, weil es ansonsten hätte erkennen müssen, dass hier viel weiterführende Beweise vorgelegt worden seien und zwar solche technischer Art, die dem BSG nicht vorgelegen hätten. Diese Beweise hätten damals zu einem anderen Urteil geführt. Dem Sozialgericht seien umfangreiche Materialsammlungen zur Verfügung gestellt worden, ohne dass es darauf eingegangen sei. Die hier maßgeblichen Aspekte seien nicht Gegenstand der Entscheidung des BSG gewesen.
Das Sozialgericht habe verkannt, dass er nicht nur gegen die Durchsetzung der eGK klage, sondern auch gegen die zwangsweise Durchsetzung der Nutzung der TI. Er habe beantragt, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen. Das Sozialgericht habe die von ihm geschilderten katastrophalen Auswirkungen der Technik auf die Versicherten und die Demokratie ignoriert.
Die Möglichkeit der Wahl der Kostenerstattung biete für ihn keine Alternative. Grundsätzliches Problem sei insoweit das unüberschaubare Restkostenrisiko. Ein solches könne er nicht eingehen.
Entgegen der Auffassung des BSG sei die TI hinreichend verfestigt. Insoweit liege eine Fehleinschätzung vor. Das BSG habe sich wie zahlreiche Landessozialgerichte ausschließlich mit der Nutzung der eGK befasst und damit alle Fragen, die die TI beträfen, hinsichtlich der Datensicherheit und möglicher Grundrechtsverletzungen ausgeklammert. Die TI bestehe aus den Teilnetzen der Primärsysteme, also den kompletten IT-Infrastrukturen der Leistungserbringer und den geplanten Rechenzentren, die von der H beauftragt würden. Die Software und Hardware der bestehenden Primärsysteme (KIS- Krankenhausinformationssystem; AVS-Apothekenverwaltungssystem für Apotheken; PVS-Praxisverwaltungssystem für Zahnarztpraxen) werde zurzeit immer weiter ausgebaut und angeglichen. Die Teilsysteme bestünden bereits. Die Arztpraxen seien schon mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen verbunden. Diese Aussage sei bewiesen durch die Tatsache, dass die Abrechnung bereits über diese Teilsysteme (netzbasierend) erfolgten und nicht mehr mit der Post versandt würden. Dem BSG sei nicht aufgefallen, dass die TI das komplette deutsche Gesundheitswesen selbst sei. Aus der 310 Seiten langen Beschreibung der Gesamtarchitektur des eGK/TI-Systems werde der Tranformationsprozess zu einem fusionierten Gesamtsystem deutlich. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft spreche z.B. von einer telematikkonformen Anpassung und Nutzung der Primärsysteme im Krankenhausbereich. Das eGK/TI-System entwickle sich bereits seit 2007 zu einer komplexen Infrastruktur, in der die derzeitigen Produktionssysteme und Testumgebungen und besonders auch die eingesetzte Software nicht weiter beachtet worden seien. Zu bedenken sei, dass bereits eine Umsetzung der eGK und des TI-Systems in Form von Entwicklungs- und Testumgebungen stattfinde (etwa im Krankenhausbereich). Der jetzige Entwicklungsstand sei noch gefährlicher für die Gesundheitsdaten als zu einem (späteren) Zeitpunkt, wenn die TI vollkommen funktionsfähig sei. Es bestünden bereits Testregionen, in denen das Einlesen der Gesundheitskarten durch neue Lesegeräte getestet werde sowie das Speichern von Notfalldaten auf der Karte.
Aus den Testumgebungen heraus fänden eine Datenvernetzung und ein beständiger Datenaustausch zu real existierenden Systemen der telematischen Infrastruktur statt. Die Software der Ärzte sei bereits an die Vorgaben der H angepasst, was die Abrechnung der Ärzte und den eArztbrief angehe. Es sei zwingend erforderlich, dass die Primärsysteme für den TI-Betrieb vorbereitet würden. Es laufe bereits seit Mai 2014 eine Zertifizierung aller Praxisverwaltungssysteme. Angesichts dessen könne auf die notwendige Überprüfung der Datensicherheit der TI nicht verzichtet werden, weil sich die TI bereits hinreichend verfestigt habe.
Die Daten, die auf der alten Krankenversicherungskarte gespeichert waren, seien nicht identisch mit den Daten auf der neuen eGK, weil die Daten auf Letzterer im XML/XSD-Format gespeichert und um Metadaten erweitert würden. Dies habe schwerwiegende Folgen. Aus den Veröffentlichungen der H ergebe sich bereits, dass Sozialdaten der Versicherten in den ungeschützten Datencontainer auf der eGK der derzeitigen Funktionalität kopiert würden, damit die neue Karte überhaupt an die Versicherten ausgegeben werden könne. Es werde eine Unmenge weiterer Daten gespeichert, die den Umfangsbereich der neuen Datensätze des § 291a Abs. 3 SGB V fast gänzlich unbemerkt weit überschritten. Die XML/XSD seien auch derzeit schon von zentraler Bedeutung.
Auch bei der Ablehnung von freiwilligen Anwendungen würden im Übrigen medizinische Daten gesammelt. Alle im Gesundheitssystem befindlichen Rechner und zentralen Rechenzentren seien jedoch vernetzt. Die Diagnosen von Patienten, die sich in "Chroniker-Programmen" befänden, gelangten ungeschützt in das Versichertenstammmanagement, das für Menschen und Maschinen frei zugänglich sei. Das sei illegal. Im Übrigen müssten versicherte Personen immer wieder zahlreiche Angaben im Rahmen der Beanspruchung gesundheitlicher Leistungen machen, die wiederum archiviert würden. Sämtliche an die Krankenkasse weitergeleiteten Gesundheitsdaten würden schlichtweg unverschlüsselt und nicht anonymisiert bzw. "pseudonymisiert" in irgendeinen freien Container abgelegt. Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sei nicht rechtmäßig. Missbrauchsabwehr rechtfertige den Eingriff nicht. Es sei durch keine Studie bewiesen, dass die Zahlen, die den Missbrauch der Krankenversicherungskarte alter Natur bestätigen sollten, zuträfen. Es werde nicht bedacht, dass der Missbrauch vielleicht sogar vermehrt geschehen könne. Die aufgezeigten Möglichkeiten des Missbrauchs seien nicht beachtet worden. Vorgelegte Schadensannahmen hätten spekulativen Charakter. Selbst wenn von 1 Milliarde Euro Schaden bei Nutzung der Krankenversicherungskarte alter Prägung ausgegangen werden könne, stehe dies in keinerlei Verhältnis zu einem 14,5 Milliarden Euro teuren und rechtsverletzenden eGK/TI-System mit gravierenden Folgen für den Versicherten und die Gesellschaft. Ein Einsparpotenzial für die Krankenkassen sei nicht schlüssig vorgetragen.
Die Annahmen des BSG zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch das Vermeiden von Medienbrüchen bei Verwendung des elektronischen Rezepts seien durch den zitierten Aufsatz der Autoren Kruse/Kruse in WzS 2006 gerade nicht nachgewiesen. Die Aussagen des BSG seien vielmehr falsch. Es sei sogar so, dass die Apotheken durch die übermäßige Kostenbelastung bei Einführung des elektronischen Rezepts benachteiligt würden.
Auch die Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 21.06.2016 – L 11 KR 2510/15 seien verfehlt. Erfreulicherweise habe das Gericht allerdings festgestellt, dass die ungefragte Speicherung von Angaben, die über die Art der Mitgliedschaft hinausgingen, ohne gesetzliche Ermächtigung erfolge. Das Gericht habe aber übersehen, dass die moderne Technik, die hinter dem System stehe, neue Möglichkeiten schaffe, an Informationen zum jeweiligen Patienten zu gelangen (XML/XSD, OID, Selektoren, ICD-Nummern und Datawarehouse). Weil die Daten der Versicherten im XML-Format gespeichert würden, seien sie einer automatisierten Bearbeitung zugänglich. Durch den gewählten Einsatz von XML/XSD werde eine Vielzahl von Metadaten automatisch erzeugt. Diese Daten lieferten viel weitergehende Informationen als die Daten, die auf der alten Krankenversicherungskarte gespeichert worden seien. Mithilfe der Technologie sei es möglich, ganze Persönlichkeitsprofile zu schaffen. Es würden auch aktuell Gesundheitsdaten ohne Kenntnis der Betroffenen (Diagnosen von DMP-Teilnehmern und Gesundheitsinformationen aus Metadaten) gespeichert.
Es sei zu beachten, dass die Rechtsprechung des BSG angesichts des rasanten technischen Fortschritts nicht mehr aktuell sei.
Eine Beurteilung der Probleme, die sich aus der Erweiterung und der Weiterverarbeitung der Versichertendaten mit XML und XSD und neuer angepasster Software ergäben, sei ohne den Einsatz spezialisierter Gutachter, die eine ausreichende Beurteilung eines der größten IT-Projekte der Welt vornähmen, nicht möglich.
Der Kläger hat der Berufungsbegründung zahlreiche weitere Unterlagen beigefügt. Er ist der Auffassung, aus aktueller Rechtsprechung des Sozialgerichts Nürnberg, des Sozialgerichts Augsburg und Sozialgerichts Düsseldorf ergebe sich ein Umdenken in der herrschenden Rechtsprechung.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 08.08.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 zu verpflichten, ihm einen papiergebundenen Ausweis bzw. im Voraus quartalsbezogene Berechtigungsnachweise für die ärztliche und zahnärztliche Behandlung anstelle der eGK auszustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des BSG. Sie hat erneut auf § 13 Abs. 2 SGB V hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte einschließlich der Schriftsätze der Beteiligten hingewiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl der Kläger, der von seinem Recht nach § 186 Abs. 1 GVG dahingehend Gebrauch gemacht hat, dass die Verständigung mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die der Senat hinzugezogen hat, erfolgen sollte, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn der Kläger ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 16.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger einen papiergebundenen Ausweis zum Nachweis seiner Anspruchsberechtigung nach dem SGB V anstelle der von ihm abgelehnten eGK auszustellen. Der Kläger will insoweit im Ergebnis wie in dem der Entscheidung des BSG vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R) zu Grunde liegenden Sachverhalt, erreichen, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihm einen Weg zu eröffnen, auf dem er in gleicher Weise wie bisher seine Berechtigung zur Inanspruchnahme von vertragsärztlichen Leistungen nachweisen kann, ohne dabei die eGK nach § 291a SGB V (i.d.F. durch Art. 4 Nr. 8 Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) vom 21.07.2012, BGBl. I 1613) verwenden und einen online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten dulden zu müssen. Hingegen geht es im vorliegenden Verfahren nicht darum, dass der Kläger Anspruch darauf hat, dass die Beklagte es unterlässt, ein ihr künftig übersandtes Lichtbild von ihm zur Ausstellung der eGK zu speichern, wenn die hiermit ausgestellte eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers gelangt ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2018 – B 1 KR 31/17 R, juris Rn. 7).
Die Klage ist ausgehend von dem so ermittelten Begehren zulässig. Ein Versicherter, der sich durch das Erfordernis der Verwendung einer eGK mit ihren weiteren Angaben zur Person, den deutlich erweiterten technischen Möglichkeiten und dem Lichtbilderfordernis in seinen Rechten verletzt sieht, hat für sein Begehren ein Rechtsschutzbedürfnis (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 35/13 R, juris Rn. 11).
Der Kläger vermag jedoch in der Sache mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Sein Begehren ist erfolglos letztlich – wie das BSG nachfolgend zu einem vergleichbaren Sachverhalt in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zur Überzeugung des Senats zutreffend ausgeführt hat – darauf gerichtet, die vom BSG überzeugend bejahten, sich aus § 15 Abs. 2, §§ 291 f SGB V ergebenden, ihn als Versicherten treffenden Obliegenheiten gesetzeswidrig zu umgehen (BSG, Beschluss vom 05.04.2018 – B 1 KR 102/17 B, juris Rn. 11).
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht nicht nur nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.11.2014 a.a.O.; Beschluss vom 05.04.2018 a.a.O.) nicht, sondern ebenso wenig nach der – soweit ersichtlich – einhelligen Auffassung auch der Landessozialgerichte (statt vieler: LSG NRW, Urteil vom 28.11.2017 – L 1 KR 398/14, juris – auch im Internet abrufbar etwa unter www.dejure.org; Beschluss des Senats vom 25.03.2019 – L 16 KR 626/17; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.07.2018 – L 4 KR 4901/17 ER, juris). Der Senat macht sich insbesondere die eingehenden Ausführungen des BSG, auf deren Wiederholung im Einzelnen er verzichtet, zu eigen und hält damit an dieser Rechtsprechung fest.
Weiterhin dient die eGK verpflichtend grundsätzlich lediglich dem Zweck der Identitätsfeststellung und dem Versicherungsnachweis. Eine maßgebliche Änderung zur Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidungen des BSG ist nicht eingetreten. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch maßgeblich auf den aktuellen, für die Versicherten verpflichtenden Entwicklungsstand der eGK abzustellen. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich aktuell für ihn eine darüber hinausgehende, auf der Verpflichtung zur Nutzung der eGK folgende, konkrete – etwa in Bezug auf "statusergänzende Merkmale" (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016 – L 11 KR 2510/15, juris Rn. 42) – Betroffenheit und Rechtsverletzung ergeben könnte.
Soweit der Kläger ungeachtet des Regelungsgegenstandes der angefochtenen Bescheide und der Zielrichtung seines von der Beklagten beschiedenen Antrags die TI als solches inzidenter rechtlich überprüft wissen will, ist die gegen die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse gerichtete Klage ein von vornherein untaugliches Instrument, eingedenk der Tatsache, dass die TI nach dem Verständnis des Klägers "das komplette deutsche Gesundheitswesen selbst" unter Einschluss sämtlicher Primärsysteme (etwa des Krankenhausinformationssystems, des Apothekenverwaltungssystems und des Praxisverwaltungssystems) sowie bereits vorhandener IT-Infrastrukturen der Leistungserbringer und existenter wie geplanter Rechenzentren sei. Der Kläger verkennt im Übrigen, dass auch bei Nichtgebrauch der eGK ihn betreffende Daten als Folge der Digitalisierung Eingang in Datenverarbeitungssysteme finden. Insofern ist der Kläger in zumutbarer Weise insbesondere auf den Sozialdatenschutz zu verweisen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird insofern etwa durch das Sozialgeheimnis in tauglicher Weise konkretisiert (siehe § 35 SGB I in Verbindung mit den §§ 67 ff. SGB X).
Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft hingegen vermag der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Erstellt am: 23.06.2020
Zuletzt verändert am: 23.06.2020