Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.02.2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.026,06 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Projektentwicklungs- und Baubetreuungsunternehmen. Sie führt unter anderem als Generalübernehmer Baumaßnahmen durch. Hierzu schließt sie Verträge unter anderem mit Bauunternehmern.
Im Jahre 2008 errichtete die Klägerin als Bauherrin ein Pflegeheim mit betreutem Wohnen sowie Ärztehaus auf einem Grundstück in M, das mit ungenutzten Fabrik- und Wohngebäuden bebaut war. Diese wurden für die Projektverwirklichung umgebaut, saniert und modernisiert. Zur Realisierung des Projektes schloss die Klägerin mehrere Verträge mit Handwerks- und Bauunternehmern ab. Unter anderem schloss sie unter dem 08.02.2008 einen VOB-Bauvertrag mit der Firma T Bau GmbH (im Folgenden: Nachunternehmerin) über die Erbringung von Mauer- und Betonarbeiten gemäß dem Auftrags-Leistungsverzeichnis, das dem Vertrag als Anlage beigefügt war. Die ursprünglich vereinbarte Auftragssumme betrug 83.631,19 Euro netto und 99.521,13 Euro brutto, d.h. inklusive Umsatzsteuer.
Nach Beginn der Bautätigkeiten wurde der Auftrag allerdings sukzessive erweitert. Mit Schlussrechnung vom 25.11.2008 stellte die Nachunternehmerin der Klägerin einen Gesamtbetrag von 305.712,28 Euro netto und 363.797,61 Euro brutto in Rechnung. Nach Abzug erhaltener Abschlagszahlung ergab sich ein restlicher Forderungsbetrag von 29.583,85 Euro. Die Klägerin beglich diese Forderung nicht vollständig, sondern überwies der Nachunternehmerin auf der Grundlage ihrer Abrechnung vom 02.01.2009 ("Schlusszahlung") lediglich noch den Betrag von 10.728,94 Euro.
Die Nachunternehmerin kam bereits im Jahre 2008 ihren Pflichten gegenüber der Beklagten zur Zahlung von Beitragsvorschüssen/Beiträgen nicht mehr vollständig nach. Über ihr Vermögen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts I vom 01.04.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ende 2009 betrugen die Rückstände der Nachunternehmerin gegenüber der Beklagten 17.902,53 Euro, wobei 12.855,91 Euro auf das Jahr 2008 entfielen. Insgesamt bestanden ursprünglich Beitragsforderungen der Beklagten gegen die Nachunternehmerin für das Jahr 2008 i.H.v. 25.985,48 Euro.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Nachunternehmerin mit, seit dem 01.01.2008 sei sie nur von der Klägerin als Generalunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt worden. Die Nettoauftragssumme habe 305.712,28 Euro betragen.
Die Beklagte hörte die Klägerin daraufhin zum Erlass eines Haftungsbescheids nach § 150 Abs. 3 SGB VII an. Mit Schreiben vom 06.04.2010 teilte die Klägerin u.a. mit, es habe keinen Grund zu prüfen gegeben, wie die Nachunternehmerin ihre Subs und Arbeitnehmer entlohnt habe und wie sie ihren Unternehmer-Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 21.04.2010 nahm die Beklagte die Klägerin im Wege der Beitragshaftung als Auftraggeber gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV i.H.v. 9447,06 Euro in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV hafte derjenige Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftrage, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Über die bei der Ausführung des Auftrags auf der Baustelle zur Errichtung des Pflegeheims in M entstandenen Lohnkosten seien keine detaillierten Angaben gemacht worden. Deshalb würden die Arbeitsentgelte i.H.v. 2/3 der Nettoauftragssumme geschätzt. Ausgehend von Arbeitsentgelten in Höhe von 203.808,19 Euro ermittelte die Beklagte sodann einen Gesamtbeitrag i.H.v. 14.651,15 Euro. Hiervon zog sie von der Nachunternehmerin geleistete Zahlungen i.H.v. 5204,09 Euro ab und ermittelte so den Haftungsbetrag von 9447,06 Euro.
Hiergegen legte die Klägerin am 04.05.2010 Widerspruch ein und beantragte am 07.05.2010 bei der Beklagten die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids. Zur Begründung trug sie vor, ausweislich der ihr vorliegenden Bau-Tagesberichte der Nachunternehmerin habe diese 4.572 Arbeitsstunden geleistet. Ausgehend von einem Bruttostundenlohn eines Maurers i.H.v. 13,00 Euro errechne sich hieraus eine Nettolohnsumme von 59.436,00 Euro. Der hierauf zu entrichtende Beitrag betrage mithin 4.160,52 Euro, so dass sich unter Berücksichtigung der Zahlungen der Nachunternehmerin eine Überzahlung i.H.v. 1097,57 Euro ergebe.
Nach Ablehnung des Aussetzungsantrags durch die Beklagte stellte die Klägerin einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beim Sozialgericht Dortmund. In diesem Verfahren wiederholte sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und überreichte die in ihrem Besitz befindlichen Bau-Tagesberichte der Nachunternehmerin aus dem Zeitraum vom 08.02.2008 bis zum 05.06.2008.
Nach Ablehnung des Antrags durch das Sozialgericht (Beschluss vom 08.07.2010 – S 21 U 480/10 ER -) und Erlass eines Pfändung- und Überweisungsbeschlusses durch das Amtsgericht M zu Gunsten der Beklagten vom 27.10.2010 zahlte die Klägerin zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den im Bescheid vom 21.04.2010 geforderten Betrag von 9447,06 Euro sowie weitere, von der Beklagten geltend gemachte Säumniszuschläge und Nebenkosten i.H.v. 579,00 Euro an die Beklagte.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, sie sehe sich außer Stande, weitere Dokumente zur Lohngestaltung der Nachunternehmerin vorzulegen. Sie versichere jedoch, dass die bereits übersandten Bau-Tagesberichte die gesamten von der Nachunternehmerin erbrachten Werkleistungen einschlössen und dokumentierten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2010, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.12.2010 zugestellt worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, Rechtsgrundlage für die Beitragshaftung sei § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII. Diese Vorschrift enthielt in der nach § 116a SGB IV wegen der Erbringung der Bauleistungen vor dem 01.10.2009 anwendbaren, bis zum 30.09.2009 gültigen Fassung zwar nur einen Verweis auf § 28e Abs. 3a SGB IV. Das BSG habe jedoch in einer Grundsatzentscheidung am 27.05.2008 entschieden, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gehandelt habe und die sich hieraus ergebende Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanente Rechtsfortbildung durch Erweiterung der Verweisung auch auf die Abs. 3b bis 3f des § 28e SGB IV zu schließen sei. Die Wertgrenze des § 28e Abs. 3d SGB IV i.H.v. 500.000 Euro werde unstreitig bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben erreicht. Die Klägerin sei ein Unternehmen des Baugewerbes, denn hierzu gehörten nach der Rechtsprechung des BSG auch Bauträgergesellschaften, deren gewerbliche Betätigung darin bestehe, Grundstücke anzukaufen, sie von anderen Unternehmen bebauen zu lassen und die darauf errichteten Gebäude oder Gebäudeteile zu verwerten bzw. nach der Generalübernahme von Bauobjekten/Bausanierungen diese durch Weitervergabe an Baufirmen zu realisieren. Die Nachunternehmerin habe Bauleistungen erbracht und sei auch ihren Zahlungsverpflichtungen nicht vollständig nachgekommen. Der Haftungsbescheid sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Da die Nachunternehmerin ihren Verpflichtungen nach § 165 Abs. 4 SGB VII nicht nachgekommen sei und über die bei der Ausführung des Bauvorhabens angefallenen Arbeitsentgelte keine Angaben gemacht worden seien, habe die Beklagte gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII der Berechnung der Haftungsforderung geschätzte Arbeitsentgelte zugrunde gelegt. Hierbei seien nach der Rechtsprechung 2/3 der Nettoauftragssumme angesetzt worden. Die von der Klägerin vorgenommene Rechnung, die von einem Lohnanteil am Auftragsvolumen von unter 20 % ausgehe, sei gerade bei den lohnintensiven Unternehmen der Baubranche absolut unrealistisch. Die vorgelegten Bau-Tagesberichte gäben im Übrigen keinen Aufschluss auf das entsprechende Bauvorhaben, bezifferten keine Stundenlöhne und gäben vor allem keinen Rückschluss auf Vollständigkeit. So berücksichtige die Klägerin auch nicht, dass unterschiedlich qualifizierte Arbeiter angegeben worden sein und somit auch unterschiedlich hohe Stundenlöhne zu berücksichtigen gewesen wären. Die Beklagte habe schließlich die gesamten Zahlungen, die die Nachunternehmerin 2008 geleistet habe, anteilig, d.h. gemessen am Gesamtbeitragssoll der Nachunternehmerin, zu Gunsten der Klägerin abgezogen. Dazu sei sie im Übrigen in entsprechender Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet gewesen.
Die Klägerin hat am 06.01.2011 Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, der Mindestlohn im Baugewerbe habe sich im streitgegenständlichen Zeitraum in der Lohngruppe 1 auf 10,40 Euro und in der Lohngruppe 2 auf 12,50 Euro belaufen. Deshalb sei die von ihr vorgenommene Ermittlung der Arbeitsentgelte (4572 geleistete Arbeitsstunden x 13,00 Euro = 59.436,00 Euro) bestätigt. Nach erfolgter Einvernahme des früheren Geschäftsführers der Nachunternehmerin hat die Klägerin eingeräumt, dass die Nachunternehmerin nicht nur bis zum 05.06.2008, sondern bis November 2008 an dem Bauvorhaben gearbeitet habe. Weitere Bau-Tagesberichte könne sie allerdings nicht vorlegen, weil sie seinerzeit nicht erhalten habe. Es seien, so hat die Klägerin behauptet, aber nach dem 05.06.2008 nur noch in untergeordnetem Umfang Restarbeiten erledigt worden. Das Vertragsverhältnis sei durch mangelhafte Werkausführung massiv belastet gewesen. Es sei falsch, dass man im Baugewerbe generell mit 2/3 Lohnkosten und 1/3 Materialkosten rechne. In jedem Fall beinhalte der so ermittelte Lohnanteil auch sämtliche Nebenkosten des Unternehmens, weiterhin die Lohnnebenkosten sowie Fahrzeug- und Gerätekosten sowie Unternehmensgewinne. Dies sei durch Sachverständigengutachten weiter aufzuklären. Im Übrigen seien hier betriebswirtschaftliche Parameter genannt, die eine konkrete Berechnung der Schadenssumme ermöglichen würden. So seien die Werklohnforderung der Nachunternehmerin, der von ihr entrichtete Werklohn, die von der Nachunternehmerin geleisteten Arbeitsstunden sowie die an die Arbeitnehmer geleistete Vergütung bekannt. Unter Berücksichtigung dieser Parameter sei es für einen Sachverständigen unschwer möglich, eine konkrete Aussage dazu zu treffen, ob im Baugewerbe pauschal 2/3 der Vertragssumme als Lohnkosten anzusetzen sein. Die Nachunternehmerin habe im Übrigen von ihr nur eine Vergütung von 294.658,18 Euro erhalten. Hieraus ergebe sich ein maximaler Lohnanteil i.H.v. 65.479,60 Euro. Hierüber müsse Beweis durch Sachverständigengutachten erhoben werden.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom fünf und 20.11.2010 aufzuheben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 9447,06 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2010 sowie vereinnahmte Säumniszuschläge und Nebenkosten i.H.v. 579,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen ihre Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden wiederholt.
Das Sozialgericht hat am 19.12.2016 den früheren Geschäftsführer der Nachunternehmerin, Herrn T, als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Weiterhin hat das Sozialgericht von der Steuerberaterin der Nachunternehmerin Lohnabrechnungen der Nachunternehmerin für die Zeit von Februar bis Juni 2008 beigezogen. Mit deren Übersendung hat die Steuerberaterin, Frau Q, mitgeteilt, dass die auf das Bauvorhaben der Klägerin entfallenden Arbeitsstunden nicht mehr zugeordnet werden könnten.
Mit im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil vom 14.02.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zunächst gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 Bezug genommen. Darüber hinaus hat es ausgeführt, die Klägerin habe sich nicht gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3b SGB IV exkulpiert. Es sei auch unstreitig geblieben, dass der geschätzte Gesamtwert aller von der Klägerin für die Errichtung des Pflegeheims in Auftrag gegebenen Bauleistungen den damals geltenden Mindestbetrag gemäß § 28e Abs. 3d SGB IV i.H.v. 500.000 Euro überschritten habe. Hierfür spreche, dass die Nachunternehmerin lediglich Mauer- und Betonarbeiten übernommen habe, das gesamte Projekt jedoch den Umbau eines Fabrikgebäudes in ein Pflegeheim/Ärztehaus betroffen habe und der vernommene Zeuge bekundet habe, auf der Baustelle seien noch eine weitere Firma für Betonarbeiten sowie eine Trockenbaufirma, ein Containerdienst und ein Dachdecker eingesetzt worden, und das Gesamtauftragsvolumen habe bestimmt 1,5 Millionen bis 2 Millionen Euro betragen. Schließlich halte auch die Schätzung der Beklagten gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII einer Kontrolle stand. Aufzeichnungen, die den Anforderungen von § 165 Abs. 4 Satz 1 2. HS SGB VII entsprochen hätten, seien weder im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden, noch hätten die erforderlichen Angaben im gerichtlichen Verfahren ermittelt werden können. Eine Zuordnung der Arbeitnehmer, der Arbeitsentgelte und der geleisteten Arbeitsstunden zu dem Werkvertrag zwischen der Klägerin und der Nachunternehmerin sei nicht möglich gewesen. Die Zuordnung im Sinne von § 165 Abs. 4 SGB VII sei insbesondere dadurch erschwert gewesen, dass im Rahmen des Vertrages zwischen der Klägerin und der Nachunternehmerin im Wesentlichen Einheitspreise unabhängig vom Zeitaufwand vereinbart worden seien, die Nachunternehmerin ihren Arbeitern jedoch zur Zahlung des vereinbarten Stundenlohns für angefallene Stunden verpflichtet gewesen sei. Somit habe sich aus den dem Gericht sowohl von der Klägerin als auch von der Nachunternehmerin im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren vorgelegten Entgeltaufstellungen weder die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden, noch die hierfür an die Arbeiter geschuldeten Stundenlöhne ergeben. Zwar sei eine Zuordnung der von der Klägerin vorgelegten Bau-Tagesberichte zu dem Bauprojekt möglich gewesen. Darüber hinaus hätten jedoch die Arbeitnehmer dem Werkvertrag mit der Klägerin nicht zugeordnet werden können. Auch lasse sich von der in den Bau-Tagesberichten unter "Anzahl der Beschäftigten" aufgeführten Berufsbilder nicht auf deren Stundenlohn schließen. Der Hinweis der Klägerin auf tarifliche Mindestlöhne trage nicht, da sich der von der Klägerin angeführte Stundenlohn i.H.v. 10,40 Euro in keiner der Abrechnungen wieder finde, der Stundenlohn von 12,50 Euro lediglich in einer. Auch ein Durchschnitt von 13,00 Euro pro Stunde, wie von der Klägerin zunächst vorgetragen, könne in Ansehung der Bandbreite der möglichen Stundenlöhne nicht angesetzt werden. Schließlich sei eine Berechnung auf der Grundlage der Bau-Tagesberichte auch deshalb nicht möglich, da sich diese nicht auf die gesamte Dauer des Bauprojektes bezogen hätten und somit auch die Stundenzahl nicht insgesamt vorliege. Damit sei die Beklagte nach § 165 Abs. 3 SGB VII berechtigt gewesen, die zu Grunde liegende Lohnsumme zu schätzen. Die Schätzung habe sich dabei an Erfahrungswerten zu orientieren. Damit nicht säumigen Unternehmern durch die Schätzung Beitragsvorteile entstünden, die von der Solidargemeinschaft auszugleichen wären, gelte, dass im Zweifel eher zu hoch als zu niedrig zu schätzen sei. Die Schätzungsgrundlage mit einem Betrag i.H.v. 305.712,28 Euro netto begegne keinen Bedenken. Diesen Betrag habe die Nachunternehmerin gegenüber der Klägerin abgerechnet und ergebe auch am ehesten Aufschluss darüber, inwieweit Bauleistungen durch die Nachunternehmerin tatsächlich erbracht worden sein. Zwar habe die Klägerin eingewandt, sie habe davon nach eingehender Prüfung lediglich einen berechtigten Werklohn i.H.v. 294.658,18 Euro entrichtet. Sie habe jedoch nicht mitgeteilt, warum sie den Restbetrag einbehalten habe. Es entspreche auch den von der Rechtsprechung bislang angesetzten Erfahrungswerten, von der Nettosumme von Bauleistungen 2/3 als Lohnbestandteil dieses Betrages anzusetzen (Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.12.2014 – L 3 U 3062/12 -, juris Rn. 36, und BGH, Urt. v. 10.11.2009 – 1 StR 283/09 -, juris Rn. 22) und diesen der Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen. Die weiteren Berechnungsfaktoren der Beitragshöhe seien zwischen den Beteiligten unstreitig geblieben. Im Übrigen sei eine Fehlerhaftigkeit insoweit auch nicht erkennbar.
Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 02.03.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.03.2018 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen einschließlich ihrer Beweisangebote. Ergänzend meint sie, das Sozialgericht hätte nicht den Abrechnungsbetrag der Nachunternehmerin zugrunde legen dürfen. Sie habe, so behauptet sie, bereits erstinstanzlich erläutert, dass die Nachunternehmerin Leistungen abgerechnet habe, welche sie jedoch tatsächlich nicht erbracht habe. Insoweit werde auf die Schlusszahlungserklärung vom 02.01.2009 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.02.2014 zu ändern, den Bescheid vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 9447,06 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2010 sowie vereinnahmter Säumniszuschläge und Nebenkosten i.H.v. 579,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Richterbrief vom 01.04.2020, der dem Kläger am 14.04.2020 und der Beklagten am 17.04.2020 zugestellt worden ist, hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung des Richterbriefs gegeben. Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Senat darf nach § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Sachverhalt ist geklärt und wirft weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten auf. Darüber hinaus beschränkt sich die Berufung im Wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin zudem zu erkennen gegeben, dass sie an einer Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung nicht sonderlich interessiert ist. Verantwortliche der Klägerin sind zu den beiden vom Sozialgericht anberaumten Erörterungsterminen nicht erschienen, obwohl das Sozialgericht zum Termin zur Erörterung und zur Beweisaufnahme am 19.12.2016 das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet hatte. Der in E ansässige Prozessbevollmächtigte hat sich zudem durch Erteilung einer Untervollmacht von einem in J ansässigen Rechtsanwalt vertreten lassen, der zum einen über den Sachverhalt nicht vollständig informiert (vgl. den im Terminprotokoll wiedergegeben, inhaltlich falschen Vortrag im Termin am 19.12.2016, wonach die Nachunternehmerin Generalunternehmerin gewesen sei und andere Gewerke von der Klägerin nicht in Auftrag gegeben worden seien) und zum anderen nicht wirklich verhandlungsbefugt war (vgl. den im Termin am 26.10.2015 abgeschlossenen Vergleich, der von der Klägerin dann fristgerecht widerrufen wurde). Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner erneuten Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG, die die Klägerin in objektiver Klagenhäufung (§ 56 SGG) mit einer ebenfalls zulässigen, auf die Erstattung der bereits auf der Grundlage des angefochtenen Bescheids vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 vereinnahmten Zahlungen der Klägerin gerichteten allgemeinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG verbunden hat, zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen, das sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beschränkt und sich im Übrigen nicht mit den ins Einzelne gehenden Erwägungen des Sozialgerichts auseinandersetzt, führt zu keiner anderen Bewertung. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden Erwägungen des Senats, die, sofern sie von den Erwägungen des Sozialgerichts abweichen, selbstständig tragend neben die Begründung des Sozialgerichts treten:
1. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 21.04.2010 seine Rechtsgrundlage in § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a bis Abs. 3f SGB IV, jeweils in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung, die nach § 116a SGB IV wegen der Erbringung der Bauleistung vor dem 01.10.2009 anwendbar ist, findet, wobei sich die Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung nach der vom Sozialgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 27.05.2008 – B 2 U 11/07 R -, juris Rn. 24) auch auf die nicht ausdrücklich aufgeführten Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV bezieht.
2. Das Sozialgericht hat ebenso zutreffend festgestellt, dass die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes dem Grunde nach für die von der Nachunternehmerin geschuldeten, aber nicht vollständig gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung haftet, soweit sie von der Nachunternehmerin auf die Arbeitsentgelte zu entrichten waren (vgl. § 153 Abs. 1 SGB VII), die die Nachunternehmerin ihren Beschäftigten aufgrund der von diesen geleisteten Arbeitsstunden für das Bauwerk (Errichtung des Pflegeheims/Ärztehaus in M), für das die Klägerin als Bauherrin und Projektentwicklerin Bauleistungen in einem Gesamtwert von deutlich über 500.000 Euro (§ 28e Abs. 3d SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung) unter anderem auch an die Nachunternehmerin in Auftrag gegeben hat, schuldete (zur Geltung des Anspruchsprinzips im Rahmen von § 153 Abs. 1 SGB VII siehe unter anderem Scholz, in: jurisPK-SGB VII, § 153 Rn. 6 m.w.N.). Die Klägerin hat hiergegen auch keine Einwände erhoben.
Insbesondere hat die Klägerin nicht im Sinne von § 28e Abs. 3b SGB IV in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung nachgewiesen, dass sie ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass die Nachunternehmerin ihre Zahlungspflicht erfüllt. Unabhängig davon, ob der Klägerin die Zahlungsschwierigkeiten der Nachunternehmerin bekannt waren, lassen ihre Ausführungen im Anhörungsverfahren erkennen, dass sie sich um die Erfüllung der Zahlungspflichten der Nachunternehmerin gegenüber der Beklagten nicht nur nicht gekümmert, sondern sich hierfür auch gar nicht interessiert hat. Ein solchermaßen generell fehlendes Interesse begründet zumindest ein Vertretenmüssen (vgl. insoweit § 276 BGB analog) in Form von Fahrlässigkeit.
3. Die von der Beklagten ermittelte Höhe der Beiträge, für die die Klägerin nach § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a bis Abs. 3elf SGB IV, jeweils in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung, haftet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
a) Wie bereits das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, durfte die Beklagte die der Beitragsberechnung nach § 153 Abs. 1 SGB VII zugrunde zu legenden Arbeitsentgelte, die die Nachunternehmerin ihren Beschäftigten für die im Jahre 2008 auf der Baustelle in M, auf der die Nachunternehmerin im Auftrag der Klägerin Bauleistungen erbracht hat, geleisteten Arbeitsstunden schuldete, schätzen. Dies folgt aus § 165 Abs. 3 SGB VII, der, wie sich aus § 165 Abs. 4 Satz 1 2. HS SGB VII ergibt, gerade auch zur Bestimmung des Umfangs der Beitragshaftung nach § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII Anwendung findet. Die Voraussetzungen von § 165 Abs. 3 SGB VII liegen vor, weil weder die Nachunternehmerin noch die Klägerin die nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erforderlichen Angaben zu den geleisteten Arbeitsstunden und die hierfür zu entrichtenden Arbeitsentgelte rechtzeitig und vollständig gemacht haben.
Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Bau-Tagesberichte erfassen die auf der Baustelle in M geleisteten Arbeitsstunden der Beschäftigten der Nachunternehmerin nicht vollständig. Der Zeuge T, der frühere Geschäftsführer der Nachunternehmerin, hat in seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht glaubhaft ausgeführt, dass die Nachunternehmerin im Auftrag der Klägerin bis November 2008 durchgehend Arbeiten auf der Baustelle in M verrichtet hat. Dies hat die Klägerin auch eingeräumt und damit ihre bis zur Vernehmung des Zeugen aufrecht erhaltene Behauptung, die Nachunternehmerin habe nur bis zum 05.06.2008, bis zu dem die vorgelegten Bau-Tagesberichte reichen, Arbeitsleistungen erbracht, revidiert. Von Anfang ergab sich dieses allerdings auch aus der Abrechnung der Klägerin ("Schlusszahlung") vom 01.01.2009. Aus dieser geht hervor, dass vom 24.06.2008 bis zum 24.10.2008 (und damit noch vor Erteilung der Schlussrechnung der Nachunternehmerin vom 25.11.2008) erhebliche Beträge als Abschlagsforderungen von der Nachunternehmerin in Rechnung gestellt und von der Klägerin auch gezahlt wurden (dokumentierte Anweisungen in Höhe von insgesamt 136.856,89 Euro netto und 162.859,70 Euro brutto). In Anbetracht der bereits im Jahre 2008 vorhanden gewesenen Zahlungsschwierigkeiten der Nachunternehmerin und aufgrund der gängigen Praxis im Baugewerbe ist es offensichtlich, dass die Nachunternehmerin diese Abschlagsforderung für Arbeiten geltend gemacht hat, die sie nach dem 05.06.2008 erbracht hat. Denn ein Unternehmen des Baugewerbes wird, zumal wenn es sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet, seine Forderungen unmittelbar nach Erbringung der Leistungen geltend machen. Dass die Nachunternehmerin für bis zum 05.06.2008 erbrachte Leistungen Abschlagszahlungen abschnittsweise ab dem 24.06.2008 geltend gemacht hat, war bei lebensnaher Betrachtung von vornherein fernliegend.
Darüber hinaus gingen bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 weder aus den Angaben der Nachunternehmerin noch aus dem Vortrag der Klägerin und den von ihr bis dahin vorgelegten Unterlagen hervor, welche Arbeitsentgelte die Nachunternehmerin welchen Versicherten für die auf der Baustelle in M geleisteten Arbeitsstunden schuldete. Die Klägerin hat insoweit lediglich unsubstantiierte Vermutungen angestellt, indem sie die in den – wie bereits ausgeführt unvollständigen – Bau-Tagesberichten aufgeführten Arbeitsstunden mit dem Mindestlohn im Baugewerbe multipliziert hat. Wie hoch der Mindestlohn im Baugewerbe zum damaligen Zeitpunkt war, ist jedoch nicht relevant. Maßgeblich ist allein, auf welches Arbeitsentgelt die auf der Baustelle in M tätigen Versicherten nach den von ihnen mit der Nachunternehmerin abgeschlossenen Arbeitsverträgen und gegebenenfalls den einschlägigen Tarifverträgen Anspruch hatten. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen und konnte dies mangels vorhandener Erkenntnisse insoweit auch nicht tun.
Aus den Erkenntnissen im gerichtlichen Verfahren ergibt sich nichts anderes. Es kann dahinstehen, ob etwaige nach Erlass des Widerspruchsbescheids bekannt gewordene Erkenntnisse überhaupt etwas an der Befugnis der Beklagten zur Schätzung gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII ändern und zur Rechtswidrigkeit eines aufgrund einer Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII erlassenen Beitrags- oder Haftungsbescheids führen können. Dagegen spricht, dass, wie sich aus § 165 Abs. 3 SGB VII ergibt, die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und geschuldeten Arbeitsentgelte "rechtzeitig" mitgeteilt werden müssen und es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Beitragsbescheid, der ausschließlich einen abgelaufenen Zeitraum betrifft und nicht in die Zukunft reicht, mithin also keine Dauerwirkung hat, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids ankommt. In jedem Fall ergeben sich die auf der Baustelle in M von den Versicherten der Nachunternehmerin geleisteten Arbeitsstunden und das hierfür von der Nachunternehmerin geschuldete Arbeitsentgelt weder aus den von der Steuerberaterin der Nachunternehmerin beigezogenen Unterlagen noch aus dem von der Klägerin eingereichten VOB-Bauvertrag nebst dem diesem Vertrag beigefügten Leistungsverzeichnis.
Die von der Steuerberaterin vorgelegten Lohnabrechnungen umfassen nur den Zeitraum von Februar bis Juni 2008 und lassen zudem eine Zuordnung der geleisteten Arbeitsstunden zu der Baustelle in M nicht erkennen. Letzteres gilt auch für das von der Steuerberaterin übersandte Leistungsverzeichnis der Nachunternehmerin mit Stand von November 2008. Diesem kann noch nicht einmal entnommen werden, welche Leistungen die Nachunternehmerin im Einzelnen auf der Baustelle in M zugunsten der Klägerin erbracht hat.
Der VOB-Bauvertrag umfasste lediglich eine Gesamtauftragssumme von 99.521,13 Euro brutto und blieb damit deutlich hinter der sukzessive erweiterten Gesamtauftragssumme, die auch nach den Einlassungen der Klägerin annähernd 300.000 Euro erreichte, zurück. Zudem ließen sich dem Auftrags-Leistungsverzeichnis keinerlei Anhaltspunkte über die anzusetzenden Arbeitsstunden entnehmen.
b) Die Beklagte hat sich bei ihrer Schätzung zu Recht auf den anerkannten allgemeinen Erfahrungssatz gestützt, dass im lohnintensiven Baugewerbe die für die Bestimmung des Arbeitsentgelts im Sinne von § 153 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 14 SGB IV maßgebliche Bruttolohnquote jedenfalls im Jahre 2008 zwei Drittel des Nettoumsatzes betrug. Dieser Erfahrungssatz ist in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung verschiedener Gerichtsbarkeiten anerkannt und stand jedenfalls im Jahre 2008 außer Zweifel (so deutlich BGH, Urt. v. 10.11.2008 – 1 StR 283/09 -, juris Rn. 22). Die Rechtsprechung geht sogar noch weiter und nimmt an, dass bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen (Schwarzarbeit) die Nettolohnquote, die naturgemäß niedriger ist als die Bruttolohnquote, im Baugewerbe zwei Drittel des Nettoumsatzes beträgt (BGH, a.a.O., Rn. 21; Urt. v. 06.02.2013 – 1 StR 577/12 -, juris Rn. 55; FG Köln, Urt. v. 24.10.2012 – 15 K 66/12 -, juris Rn. 57; FG Münster, Beschl. v. 23.06.2015 – 1 V 1012/15 L -, juris Rn. 100; FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.07.2016 – 9 K 9267/12 -, juris Rn. 136; Sächsisches LSG, Beschl. v. 08.12.2010 – L 1 B 1/08 KR-PKH -, juris Rn. 19; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.02.2015 – L 3 R 486/12 -, juris Rn. 11, 21, 24). Der Einwand der Klägerin, die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2008 beziehe sich auf die Bemessung einer Steuerhinterziehung und die Vorenthaltung von Arbeitsentgelt bei der Vergütung von Schwarzlohn und sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, geht daher ins Leere und beruht im Übrigen auf einer unzureichenden Lektüre der genannten Entscheidung. Es geht nicht um die Übertragung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall, sondern um die Anwendung eines anerkannten, allgemeinen Erfahrungssatzes, den der Bundesgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dieser Erfahrungssatz wird in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte zudem zu Recht auch für die Bemessung der Beitragshaftung des Hauptunternehmers nach § 150 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB VII als gültig erachtet (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.12.2014 – L 3 U 3062/12 -, juris Rn. 36; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.06.2019 – L 3 U 194/16 -, juris Rn. 51). Warum diese landessozialgerichtliche Rechtsprechung die Rechtsauffassung der Beklagten nicht stützen soll, wie die Klägerin meint, erschließt sich nicht.
Im Hinblick auf die vorstehend zitierte Rechtsprechung sieht der Senat keinen Anlass, die Richtigkeit des von der Beklagten zu Grunde gelegten Erfahrungssatzes in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen. Vielmehr wird die Richtigkeit des Erfahrungssatzes auch durch die Aussage des Zeugen T vor dem Sozialgericht bestätigt. Dieser hat ausgesagt, generell rechne man im Baugewerbe mit zwei Drittel Lohnkosten und einem Drittel Material. Anlass, an der Richtigkeit dieser Wahrnehmung des Zeugen zu zweifeln, sieht der Senat nicht.
Die Klägerin hat lediglich diese Einschätzung pauschal als zu hoch erachtet und ihrerseits gemeint, die Lohnkosten könnten nur ein Drittel des Nettoumsatzes betragen haben. Die Klägerin hat jedoch nicht dargelegt, auf welche tatsächlichen Grundlagen sie ihre Behauptung stützt. Der Ansatz, dass die Lohnkosten ein Drittel des Nettoumsatzes betragen hätten, erscheint deshalb vollkommen aus der Luft gegriffen und ist dem offensichtlichen Ziel der Klägerin geschuldet, die Haftungssumme, mit welchen Mitteln auch immer, möglichst klein zu rechnen. In Anbetracht des vollkommen unsubstantiierten Vortrags der Klägerin besteht auch kein Anlass, die Richtigkeit des von der Beklagten zu Grunde gelegten Erfahrungssatzes, z.B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, zu überprüfen. Insoweit würde es sich um eine Ermittlung "ins Blaue hinein" und einen Ausforschungsbeweis handeln, wozu der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG nicht verpflichtet.
Fehl geht darüber hinaus der weitere Einwand der Klägerin, die von der Beklagten angenommene Bruttolohnquote von zwei Dritteln des Nettoumsatzes entspreche in etwa der Gesamtsumme Lohnanteil einschließlich Lohnnebenkosten, Fahrzeug- und Gerätekosten sowie Unternehmensgewinnen, so dass diese Positionen noch abzusetzen sein. Bezogen auf den von der Beklagten zu Recht zugrunde gelegten allgemeinen Erfahrungssatz ist dieser Einwand offensichtlich falsch. In der Rechtsprechung, die den genannten allgemeinen Erfahrungssatz fortwährend anwendet, werden entsprechende Abzüge nicht vorgenommen. Vielmehr geht, wie bereits ausgeführt, die Rechtsprechung sogar davon aus, dass die hinter der Bruttolohnquote grundsätzlich zurückbleibende Nettolohnquote zwei Drittel Nettoumsatzes beträgt. Für einen Abzug von Lohnnebenkosten, Unternehmensgewinnen etc. ist deshalb bei der Anwendung des genannten allgemeinen Erfahrungssatzes von vornherein kein Raum (vgl. insoweit auch LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., Rn. 52).
Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht insoweit nicht. Vielmehr zieht die Klägerin in der Sache die Richtigkeit des von der Beklagten zu Recht zu Grunde gelegten Erfahrungssatzes in Zweifel, ohne hierfür allerdings eine substantielle Begründung zu liefern. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist insoweit, wie bereits ausgeführt, weder erforderlich noch zulässig.
c) Es trifft zwar zu, dass nach der zitierten Rechtsprechung auf den genannten allgemeinen Erfahrungssatz nur zurückgegriffen werden darf, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden Beweismittel nicht möglich ist oder entsprechende Beweismittel nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswerten zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu beschaffen sind (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2008 – 1 StR 283/09 -, juris Rn. 27 ff.; Urt. v. 06.02.2013 – 1 StR 577/12 -, juris Rn. 55). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist und war vorliegend jedoch eine genauere Berechnung der Arbeitsentgelte der Versicherten der Nachunternehmerin, soweit sie die Nachunternehmerin für die auf der Baustelle in M verrichteten Arbeitsstunden der Versicherten schuldete, nach Ausschöpfung der verfügbaren Erkenntnismittel nicht möglich.
Dies liegt bereits daran, dass ein wesentlicher Parameter für die Bestimmung der haftungsrelevanten Arbeitsentgelte, nämlich die Anzahl der von Versicherten der Nachunternehmerin geleisteten Arbeitsstunden auf der Baustelle in M, noch nicht einmal annähernd bestimmt werden kann. Aufzeichnungen über die auf der Baustelle in M geleisteten Arbeitsstunden der Versicherten der Nachunternehmerin existieren in Gestalt der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bau-Tagesberichte nur unvollständig, nämlich nur für die Zeit bis zum 05.06.2008. Die Versicherten der Nachunternehmerin haben jedoch, wie bereits ausgeführt, bis einschließlich November 2008 Arbeitsstunden auf der Baustelle in M geleistet und dementsprechend auch insoweit Arbeitsentgelt verdient. Es kann noch nicht einmal annäherungsweise festgestellt werden, wie viele Arbeitsstunden die Versicherten der Nachunternehmerin nach dem 05.06.2008 auf der Baustelle in M geleistet haben.
Dies ist auch nicht aufgrund der im gerichtlichen Verfahren hinzugekommenen Unterlagen möglich, wobei dahinstehen kann, ob entsprechende nachträgliche Erkenntnismöglichkeiten etwas an der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten auf der Grundlage der bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vorliegenden Unterlagen vorgenommenen Schätzung hätten ändern können. Wie bereits ausgeführt, regelt der zu den Akten gereichte VOB-Bauvertrag nur die Erbringung von Bauleistungen zu einem Gesamtbetrag von 99.521,15 Euro brutto, was, wie ebenfalls bereits ausgeführt, offensichtlich nicht dem letztlich vereinbarten Gesamtumfang des Auftrags der Klägerin gegenüber der Nachunternehmerin entsprach. Im Übrigen enthalten die im Auftrags-Leistungsverzeichnis vereinbarten Arbeiten ohnehin nur Arbeiten bis Mai 2008 und zudem nur leistungsbezogene Einheitspreise, die keinen Rückschluss auf die konkret kalkulierten Arbeitsentgelte und Arbeitsstunden zulassen. Auch die von der Steuerberaterin der Nachunternehmerin beigezogenen Unterlagen geben keinen Aufschluss über die auf der Baustelle in M von Versicherten der Nachunternehmerin geleisteten Arbeitsstunden. Soweit Entgeltabrechnungen übersandt wurden, erfassen diese ebenfalls nicht die Zeit nach Juni 2008 und lassen auch nicht erkennen, ob und in welchem Umfang die in den Abrechnungen genannten Arbeitnehmer auf der Baustelle in M tätig geworden sind. Von daher besteht auch unabhängig von der nicht erkennbaren Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden keine Erkenntnismöglichkeiten zu den Arbeitsentgelten, die die Nachunternehmerin ihren Versicherten aufgrund der auf der Baustelle in M im Auftrag der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen hatte.
Weitere Erkenntnismöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Der Zeuge T hat glaubhaft ausgesagt, dass er über keine weiteren Unterlagen mehr verfüge und ihm auch der Insolvenzverwalter keine weiteren Unterlagen mehr zu Verfügung stellen konnte.
Soweit die Klägerin behauptet, nach Juni 2008 sei nur noch Restarbeiten auf der Baustelle in M in geringem Umfang verrichtet worden, kann auch hieraus nichts Konkretes abgeleitet werden. Zudem hält der Senat die Angaben der Klägerin zum Umfang der nach dem 05.06.2008 auf der Baustelle in M durch die Nachunternehmerin und ihre Versicherten geleisteten Arbeitsstunden insgesamt für unglaubhaft und die Klägerin und die für sie handelnden Personen insoweit auch für unglaubwürdig. So hat die Klägerin sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren zunächst nachdrücklich behauptet, die Nachunternehmerin habe nur bis Juni 2008 auf der Baustelle in M gearbeitet. Diese – nach den obigen Ausführungen im Übrigen von vornherein haltlose – Behauptung hat sie erst aufgegeben, nachdem der Zeuge T vor dem Sozialgericht ausgesagt hat, die Nachunternehmerin habe bis einschließlich November 2008 auf der Baustelle in M gearbeitet, und deshalb die offensichtlich falsche Behauptung der Klägerin nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Die angegebene Erklärung, sie habe sich geirrt, hält der Senat in Anbetracht der von der Klägerin selbst erstellten Abrechnung ("Schlusszahlung") vom 02.01.2009 für eine Schutzbehauptung. Die Klägerin hat dann ihren Vortrag angepasst und ist dazu übergegangen, den Arbeitsaufwand der Nachunternehmerin nach Juni 2008 kleinzureden. Auch diese Behauptungen sind mit der Abrechnung der Klägerin vom 02.01.2009 nicht vereinbar, denn die erheblichen Abschlagszahlungen, die die Klägerin nach der Abrechnung vom 02.01.2009 nach dem 05.06.2008 an die Nachunternehmerin geleistet hat, lassen auf einen erheblichen Arbeitsaufwand der Nachunternehmerin nach diesem Zeitpunkt schließen (siehe dazu oben a)). Der gesamte Vortrag der Klägerin insoweit ist damit offensichtlich darauf ausgerichtet, die auf der Baustelle in M von der Nachunternehmerin und ihren Versicherten geleisteten Arbeitsstunden und damit auch ihre Haftungssumme, mit welchen Mitteln auch immer, möglichst gering zu halten. Der Senat hält deshalb den Vortrag der Klägerin und der für sie handelnden Personen zum Umfang der geleisteten Arbeitsstunden auf der Baustelle in M für insgesamt rein Interessen geleitet und unwahr.
Von vornherein fehl geht der Einwand der Klägerin, es hätte ein Sachverständiger beauftragt werden müssen, um unter Auswertung der vorliegenden Unterlagen eine konkrete Aussage dazu zu treffen, ob zwei Drittel der Vertragssumme als Lohnkosten anzusetzen seien. Die Einholung von Sachverständigengutachten im Rahmen einer Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII liefe dem Sinn und Zweck dieser Regelung von vornherein entgegen. Die Regelung dient dazu, dass der zuständige Unfallversicherungsträger die Beiträge möglichst schnell, d.h. gerade ohne weitere Ermittlungen, festsetzen kann (vgl. Spellbrink, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VII § 165 Rn. 9). Im Übrigen weist § 165 Abs. 3 SGB VII der Beklagten die Kompetenz zu, durch Schätzung die erforderlichen Tatsachen festzustellen. Diese Tatsachenfeststellung (vgl. Spellbrink, a.a.O) ist zwar gerichtlich auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit der gewürdigten Tatsachen überprüfbar. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Schätzung ist jedoch weder zulässig noch erforderlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, keine Erkenntnismöglichkeiten in Gestalt von nachprüfbaren Unterlagen existieren, die eine konkretere Berechnung der Beiträge ermöglichen könnten. In diesem Fall würde die Aufgabe der Schätzung nämlich in der Sache auf den Sachverständigen übertragen, denn dieser könnte in Ermangelung verfügbarer Erkenntnismöglichkeiten die geleisteten Arbeitsstunden und die hierfür geschuldeten Löhne selbst nur frei schätzen. Mithin widerspräche die von der Klägerin begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens der gesetzlichen Wertung des § 165 Abs. 3 SGB VII und würde zudem mangels hinreichender verfügbarer Erkenntnismöglichkeiten einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.
d) Die Beklagte hat bei der Anwendung des nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht berücksichtigten allgemeinen Erfahrungssatzes auch zutreffend den Betrag von 305.712,28 Euro als Nettoumsatz angesetzt. Dies entspricht den Angaben des Zeugen T zur Gesamtauftragssumme nach Abzug der Umsatzsteuer, die die Nachunternehmerin der Klägerin in Rechnung gestellt hat.
Dieser Betrag ist für die Bestimmung der Arbeitsentgelte der Versicherten geeignet, weil davon auszugehen ist, dass die Nachunternehmerin bei dieser Summe die Arbeitsentgelte berücksichtigt hat, die sie ihren Arbeitnehmern aufgrund der auf der Baustelle im M geleisteten Arbeitsstunden schuldete. Da es, wie bereits ausgeführt, im Unfallversicherungsrecht zur Bestimmung der Beitragshöhe nicht auf die tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte, sondern darauf ankommt, was die Versicherten aufgrund vom Unternehmer als Entgelt beanspruchen konnten, erscheint es von vornherein weniger sachgerecht, auf den Betrag abzustellen, den die Klägerin der Nachunternehmerin tatsächlich gezahlt hat. Kürzungen der von der Nachunternehmerin geltend gemachten Vergütung können schließlich auch darauf beruhen, dass der Hauptunternehmer Werkmängel geltend macht. Solche Werkmängel ändern am Anspruch der Arbeitnehmer der Nachunternehmerin auf Arbeitsentgelt nichts. Bereits deshalb ist die von der Nachunternehmerin gegenüber der Klägerin geltend gemachte Gesamtvergütung die grundsätzlich geeignete Basis zur Bestimmung der für die Beitragsberechnung maßgeblichen Bruttolohnsumme in Anwendung des unter b) und c) behandelten allgemeinen Erfahrungssatzes.
Die Behauptung der Klägerin, sie habe die von der Nachunternehmerin geltend gemachte Vergütung gekürzt, weil die Nachunternehmerin Leistungen, die sie abgerechnet habe, tatsächlich nicht erbracht habe, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, welche konkreten Leistungen die Nachunternehmerin abgerechnet, aber tatsächlich nicht erbracht haben soll. Schon deshalb sind der Vortrag der Klägerin unsubstantiiert und weitere Ermittlung von Amts wegen deshalb insoweit nicht möglich.
Zudem hat die Klägerin zur Begründung ihrer im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung auf ihre Schlusszahlungsübersicht vom 02.01.2009 (Anlage K 15, Bl. 176 der Gerichtsakten) Bezug genommen. Aus dieser geht jedoch nur hervor, dass die Klägerin teilweise weniger als von der Nachunternehmerin gefordert an diese gezahlt hat, ohne dass der Grund hierfür ersichtlich wäre. In der Übersicht findet sich lediglich der Passus "Wert der geprüften Leistung". Was die Klägerin hierunter versteht, geht aus der Schlusszahlungsübersicht nicht hervor. Die verwendete Formulierung deutet jedoch darauf hin, dass die Klägerin nach Prüfung der erbrachten Leistungen zu der Einschätzung gekommen ist, dass die Leistungen der Nachunternehmerin weniger wert sind als von dieser geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass die Klägerin mit den Abschlägen von der geltend gemachten Vergütung der Nachunternehmerin angeblichen Mängeln in der Ausführung Rechnung tragen wollte. Hätte die Nachunternehmerin tatsächlich einzelne in Rechnung gestellte Leistungen nicht erbracht, hätte es nahegelegen, die konkrete Nichtleistung zu benennen und in die Schlusszahlungsübersicht die Kategorie "nicht erbrachte Leistungen" aufzunehmen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist die im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung der Klägerin, die Nachunternehmerin habe in Rechnung gestellte Leistungen nicht erbracht, bereits nicht schlüssig.
Schließlich hat auch der Zeuge T in seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht ausgesagt, die Klägerin habe trotz erbrachter Leistungen nicht ausreichend bzw. rechtzeitig gezahlt. Auch die Klägerin hat eingeräumt, dass es in Abwicklung der Bauleistungen zwischen der Klägerin und der Nachunternehmerin wegen angeblicher Mängel zu Unstimmigkeiten gekommen ist. In der Gesamtschau ist der Senat deshalb überzeugt, dass die von der Klägerin vorgenommene Kürzung der Vergütung der Nachunternehmerin auf die angeblich mangelhafte Ausführung von Leistungen der Nachunternehmerin zurückzuführen ist. Dafür, dass die Nachunternehmerin in der der Klägerin gegenüber geltend gemachten Gesamtvergütung von 305.712,28 Euro implizit Arbeitsstunden abgerechnet hat, die tatsächlich auf der Baustelle in M nicht geleistet wurden und für die die Nachunternehmerin dementsprechend auch kein Arbeitsentgelt schuldete, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch insoweit fällt für den Senat ins Gewicht, dass die Klägerin ausdrücklich erst im Berufungsverfahren behauptet hat, die Nachunternehmerin habe Leistungen abgerechnet, die sie tatsächlich nicht erbracht habe. Diese Behauptung stellt sich damit wiederum als Teil eines fortlaufend angepassten, Interessen geleiteten Vortrags der Klägerin und der für sie handelnden Personen dar, deren Glaubwürdigkeit bereits durch den offensichtlich unrichtigen Vortrag zu den angeblich auf der Baustelle in M geleisteten Arbeitsstunden der Nachunternehmerin nachhaltig erschüttert ist.
e) In Anwendung des unter b) und c) dargelegten, zu Recht herangezogenen allgemeinen Erfahrungssatzes und auf der Basis der zutreffend nach den Ausführungen unter d) angesetzten Nettoumsatzsumme von 305.712,28 Euro hat die Beklagte zutreffend haftungsrelevante Arbeitsentgelte i.H.v. 203.808,19 Euro der Beitragsberechnung zugrundegelegt. Auch die übrigen Berechnungsfaktoren im Bescheid vom 21.04.2010 entsprechend der Sach- und Rechtslage, so dass sich zu Lasten der Klägerin eine Gesamthaftungssumme von 14.651,15 Euro ergibt.
Dass die Beklagte hiervon einen Teil der von der Nachunternehmerin für 2008 gezahlten Beiträge abgezogen hat, beschwert die Klägerin nicht. Zu einem entsprechenden Abzug war die Beklagte nicht verpflichtet, denn in entsprechender Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB waren die Zahlungen der Nachunternehmerin vorrangig auf andere Beitragsforderungen anzurechnen, weil die Beitragsforderung, soweit sie auf Arbeitsentgelte entfiel, die die Nachunternehmerin ihren Versicherten aufgrund der Arbeiten auf der Baustelle in M schuldete, wegen der Haftung der Klägerin entsprechend einem selbstschuldnerischen Bürgen der Beklagten eine höhere Sicherheit bot. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass unter Beachtung von § 366 Abs. 2 BGB analog ein höherer Betrag abzuziehen gewesen wäre. Entsprechendes trägt die Klägerin auch nicht vor.
f) Die von der Klägerin selbst angestellten Berechnungen der Haftungssumme beruhen, wie bereits ausgeführt, auf willkürlich gesetzten Parametern und entbehren insgesamt einer nachvollziehbaren Grundlage. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, soweit sie im Berufungsverfahren ihre Anträge auf Einholung von Sachverständigengutachten zu verschiedenen Gesichtspunkten (siehe dazu auch oben b) und c)) sowie zur Überprüfung ihrer, wie bereits ausgeführt, substanzlosen Berechnung aufrechterhalten hat, auch keine ordnungsgemäßen Beweisanträge gestellt hat. So hat die Klägerin weder mitgeteilt, welcher Sachverständige geeignet sein soll, noch zumindest das Fachgebiet bezeichnet, aus dem ein Sachverständiger ausgewählt werden soll. Dies gehört aber zu einem ordnungsgemäßen Beweisantrag dazu (vgl. hierzu BSG, Beschl. v. 03.02.2020 – B 13 R 295/18 B -, juris Rn. 7).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
5. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
6. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Erstellt am: 01.07.2020
Zuletzt verändert am: 01.07.2020