Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.06.2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG an Stelle der tatsächlich erbrachten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018.
Die 1990 geborene, ledige und mittellose Klägerin ist ghanaische Staatsangehörige. Sie reiste am 07.01.2017 aus Tschechien kommend über die Niederlande erstmals in das Bundesgebiet ein. Mit Schreiben vom 09.01."2016" (recte: 2017) beantragte sie die Ausstellung einer Duldung bzw. einer Bescheinigung nach § 15a AufenthG (als unerlaubt eingereister Ausländer) bei der Stadt B. Sie sei schwanger; der Kindsvater solle in B leben. Der voraussichtliche Entbindungstermin sei im Mai 2017. Mit Verteilungsbescheid vom 14.02.2017 wurde die Klägerin zunächst der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen in C zugewiesen. Dort hielt sie sich jedoch wegen bescheinigter Reiseunfähigkeit auf Grund der bestehenden Schwangerschaft zu keiner Zeit auf. Am 21.02.2017 erkannte Herr C S an, Vater des noch ungeborenen Kindes der Klägerin zu sein. Am 28.02.2017 beantragte die Klägerin die Zuweisung nach B, dem Wohnort des Kindsvaters. Sie wolle mit ihm nicht zusammenleben, aber man wolle das Kind dort gemeinsam erziehen. Am 00.05.2017 wurde das Kind B S geboren. Mit Bescheid der Bezirksregierung D vom 16.06.2017 wurde die Klägerin der Stadt B zugewiesen. Am 27.06.2017, 09.11.2017 und 04.04.2018 (zuletzt gültig bis 04.10.2018) wurden der Klägerin jeweils Duldungen nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG ausgestellt.
Seit dem 09.01.2017 erhält die Antragstellerin Leistungen nach dem AsylbLG durch die Beklagte. Zuletzt waren ihr mit Bewilligungsbescheid vom 22.12.2017 für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 30.04.2018 Leistungen nach § 3 AsylbLG i.H.v. monatlich 413,28 EUR bewilligt worden (Bedarfe nach § 3 Abs. 1. S. 8 und Abs. 2 S. 2 AsylbLG i.H.v. 322,61 EUR, Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 90,67 EUR).
Am 30.04.2018 erkundigte sich die Klägerin per E-Mail, ob sie mit einer Bewilligung von sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG ab dem 10.04.2018 rechnen könne. Mit Bescheid vom 19.09.2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen erneut nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis zum 31.10.2018. Hiergegen legte die Klägerin am 24.09.2018 Widerspruch ein und beantragte zugleich die Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungen für frühere Leistungszeiträume nach § 44 SGB X, weil sie bereits länger als 15 Monate im Bundesgebiet lebe.
Zeitgleich mit der Einlegung des Widerspruchs beantragte die Klägerin beim Sozialgericht Aachen den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 19 AY 23/18 ER). Nach Rücksprache mit dem Ausländeramt (das mitteilte, dass keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung des Aufenthaltes durch die Klägerin vorliege) erkannte die Beklagte den geltend gemachten Anspruch an und stellte eine auch rückwirkende Zahlung der Leistungen nach § 2 AsylbLG in Aussicht.
Mit Bescheid vom 09.10.2018 half die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 19.09.2018 ab und nahm diesen Bescheid "für den Monate September 2018 sowie Bescheide über die Gewährung von laufenden Leistungen , welche sich in der Zahlung der Leistungen für die Monate Mai 2018 bis August 2018 und Oktober 2018 manifestiert haben", unter Hinweis auf § 44 SGB X teilweise zurück: sie bewilligte der Klägerin nunmehr Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis zum 31.10.2018 und zahlte einen Betrag von 947,64 EUR nach. Zu einer Überprüfung des Bescheides vom 22.12.2017, der Leistungen für die Zeit vom 01.01.2018 bis zum 30.04.2018 bewilligt hatte, machte der Bescheid keine expliziten Ausführungen.
Am 08.11.2018 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid erneut Widerspruch ein. Ihr seien spätestens ab dem 10.04.2018 Leistungen nach § 2 AsylbLG zu bewilligen, denn sie stehe bereits ab dem 09.01.2017 im Leistungsbezug nach dem AsylbLG. Die Umstellung von Grund- auf Analogleistungen habe taggenau zu erfolgen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. § 1 Abs. 3 AsylbLG regele, dass die Leistungsberechtigung mit Ablauf des Monats ende, in dem die Voraussetzungen für die Leistungen entfallen seien. Diese Vorschrift gelte auch für Leistungen nach § 2 AsylbLG; ein Rückgriff auf die allgemeinen Fristenregelungen des BGB sei insoweit nicht möglich.
Am 10.12.2018 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Eine Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG widerspreche dem Wortlaut des § 2 AsylbLG. Außerdem ende die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG bei bloßer Umstellung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nicht; sie – die Klägerin – sei deshalb weiterhin nach diesem Gesetz leistungsberechtigt. Bereits zur früheren Rechtslage habe das BSG in seinem Urteil vom 24.03.2009 – B 8 AY 10/07 R betont, dass für die Berechnung des Vorbezugszeitraumes von Grundleistungen i.S.v. § 2 Abs. 1 a.F. AsylbLG §§ 186, 187 BGB anzuwenden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 09.10.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2018 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin auch für die Zeit vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Kommentierung von Deibel (GK-AsylbLG zu § 2 Rn. 21) verwiesen; dieser halte – wie sie selbst – § 1 Abs. 3 AsylbLG in Fällen wie dem der Klägerin für anwendbar. Im Übrigen sei auch für das Verhältnis von SGB II und SGB XII in § 7a SGB II geregelt, dass der Übergang erst zum Beginn des Folgemonats zu erfolgen habe. Gleiches gelte gemäß § 1 Abs. 3 AsylbLG für den Übergang vom AsylbLG zum SGB II oder zum SGB XII.
Mit Urteil vom 27.06.2019 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Bewilligung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch für den Zeitraum vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 verurteilt. § 1 Abs. 3 AsylbLG finde keine Anwendung, wenn es um die Frage gehe, ab wann die höheren Analogleistungen zu zahlen seien. Schon nach ihrem Wortlaut knüpfe die Regelung ausschließlich an das Ende der Leistungsberechtigung an. Diese ende gemäß § 1 Abs. 3 Alt. 2 Nr. 1 AsylbLG mit dem Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzungen entfielen. Aus Praktikabilitätsgründen würden daher Beziehern von Asylbewerberleistungen noch Leistungen gewährt, obwohl die Leistungsvoraussetzungen bereits entfallen seien. Die Vorschrift werde jedoch in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man Ausländern, die eigentlich Anspruch auf höhere Analogleistungen hätten, diese bis zum Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen dafür erfüllt seien, vorenthielte. Auch systematische Erwägungen sprächen gegen ein solches Normverständnis. § 1 Abs. 3 AsylbLG enthalte keine allgemeine Fristbestimmung und treffe keine generelle Aussage, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen erst zu Beginn des Folgemonats berücksichtigt werde. Eine allgemeine Verfahrensbestimmung wäre überdies in § 9 Abs. 4 AsylbLG zu verorten gewesen. § 1 Abs. 3 AsylbLG sei schließlich auch nicht analog anzuwenden; denn es bestehe keine Vergleichbarkeit des geregelten mit dem ungeregelten Sachverhalt. Auf die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des § 26 SGB X könne ebenfalls nicht zurückgegriffen werden; denn aus dem Umkehrschluss aus § 9 Abs. 4 AsylbLG ergebe sich, dass diese keine Anwendung fänden. Für die Fristbestimmung sei daher auf die §§ 187 ff. BGB zurückzugreifen.
Gegen das der Beklagten am 27.08.2019 zugestellte Urteil hat diese am 24.09.2019 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen von 27.06.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Ausländerakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Sozialgericht nach § 144 SGG zugelassene, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 SGG) Berufung bleibt ohne Erfolg. Denn die Klage ist zulässig (dazu unter A.) und auch begründet (dazu unter B.).
A. I. Die Klage ist form- und fristgerecht gem. §§ 87 Abs. 1 S. 1, 90 SGG erhoben worden.
II. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2018. Mit dem Bescheid vom 09.10.2018 hat es die Beklagte – neben der Bewilligung von Analogleistungen ab dem 01.05.2018 – zugleich konkludent abgelehnt, im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2017 höhere Leistungen auch für den Zeitraum vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 zu gewähren. Denn die Klägerin hatte mit ihrem Widerspruch vom 24.09.2018 gegen den Bescheid vom 19.09.2018 – also gegen die Bewilligung nur von Grundleistungen für Mai bis Oktober 2018 – zugleich die Überprüfung bestandskräftiger Leistungsbewilligungen für frühere Zeiträume im Hinblick auf die Gewährung von Analog- statt Grundleistungen beantragt; dies konnte sich verständigerweise nur auf den Bewilligungsbescheid vom 22.12.2017 beziehen, welcher allein bestandskräftige Leistungsbewilligungen für Zeiträume enthielt, in denen sich die Klägerin i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG bereits länger als 15 Monate in Deutschland aufgehalten hatte. Die Bewilligung für Mai 2018 bis Oktober 2018 war hingegen auf Grund des Widerspruchs vom 24.09.2018 noch nicht bindend (§ 77 SGG) geworden. Wenn die Beklagte daher auf den Widerspruch vom 24.09.2018 im Bescheid vom 09.10.2018 (unter – diesbezüglich verfehlter – Heranziehung von § 44 SGB X) die höheren Analogleistungen nach § 2 AsylbLG allein für die Zeit ab dem 01.05.2018 bewilligt hat, hat sie damit zugleich konkludent zum Ausdruck gebracht, für die Zeit zuvor einen solchen höheren Leistungsanspruch (im Zugunstenverfahren) abzulehnen. Entsprechend stellt sich die Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsbescheid zum Leistungszeitraum 08. bis 30.04.2018 nicht etwa als erstmalige (Ausgangs-) Entscheidung über den Überprüfungsantrag vom 24.09.2018 im Sinne einer erstmals eingetretenen Beschwer dar, sondern bereits als echte Widerspruchsentscheidung.
Gegen diese Entscheidung, den Bescheid vom 22.12.2017 für den Zeitraum vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 nicht abzuändern, wendet sich die Klägerin mit ihrer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG, § 56 SGG).
III. Die Beklagte war als die den Bescheid erlassende Stelle richtige Klagegegnerin. Sie war auf Grund des Zuweisungsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 16.06.2017 auch für die Erbringung der Leistungen nach dem AsylbLG an die Klägerin gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG (i.d.F. ab 24.10.2015) zuständig.
B. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen nach § 2 AsylbLG bereits ab dem 08.04.2018 (und nicht erst ab dem 01.05.2018) zu gewähren. Der angefochtene Bescheid ist insofern rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
I. Anspruchsgrundlage für die Änderung der mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.12.2017 erfolgten Leistungsbewilligung für die Zeit vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 ist § 44 SGB X. Die Norm findet gemäß § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG auch auf Leistungsbewilligungen nach dem AsylbLG Anwendung. Danach ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Bescheides vom 22.12.2017 vor. Denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf Bewilligung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG bereits ab dem 08.04.2018.
II. Die Klägerin war als Inhaberin einer Duldung im streitigen Zeitraum grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG nach diesem Gesetz anspruchsberechtigt. Sie erzielte zudem in diesem Zeitraum weder Einkommen, noch besaß sie Vermögen.
III. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (i.d.F. bis 20.08.2019) ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie §§ 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Klägerin reiste am 07.01.2017 in die Bundesrepublik ein und verließ das Bundesgebiet nicht wieder, so dass sie sich am 08.04.2018 – dem Tag, ab dem sie ausweislich des erstinstanzlichen Klageantrages höhere Leistungen begehrt – bereits ununterbrochen 15 Monate in Deutschland aufhielt. Anhaltspunkte dafür, dass sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflusst hätte, bestehen nicht.
IV. Die in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Leistungen setzen taggenau nach Ablauf der 15-monatigen Wartefrist ein; sie sind nicht etwa – wie die Beklagte meint – erst ab dem Monatsersten zu gewähren, der auf den Monat folgt, in dem die 15-monatige Frist ablief.
1. Berechnet man diese Frist unter Heranziehung von §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Hs. 1 BGB, so war sie am 08.04.2018 – als dem ersten Tag, ab dem die Klägerin ausweislich ihres Klageantrags Analogleistungen begehrt – ersichtlich bereits abgelaufen. Dies bestreitet auch die Beklagte nicht, sondern geht im Widerspruchsbescheid selbst von einem bereits 15-monatigen Aufenthalt in Deutschland ab dem 08.04.2018 aus.
2. Der Ansicht der Beklagten, dass die höheren Analogleistungen nach § 2 AsylbLG gleichwohl erst ab dem Ersten des Folgemonats nach Fristablauf zu gewähren sind, folgt der Senat nicht. Denn § 2 Abs. AsylbLG legt insofern den Zeitpunkt, ab dem ein Anspruch auf die (höheren) Analogleistungen besteht, bereits zweifelsfrei fest; einer Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG, wie von der Beklagten angenommen, bedarf es nicht (so aber Deibel in Deibel/Hohm, AsylbLG aktuell, § 2 Rn. 3, sowie ders. in Hohm, GK-AsylbLG, § 2 Rn. 25, Stand: Oktober 2018, der allerdings die Frage des Fristendes mit der Frage, wann die erhöhten Analogleistungen einzusetzen haben, gleichsetzt; a.A. Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 2 AsylbLG Rn. 13).
a) § 1 Abs. 3 AsylbLG bestimmt lediglich, dass die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats endet, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut regelt sie damit nur das Ende des Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG als solchem; der Wortlaut erfasst hingegen nicht einen Übergang vom Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG zu demjenigen nach § 2 AsylbLG innerhalb einer nach wie vor bestehenden Leistungsberechtigung. Betrifft m.a.W. § 1 Abs. 3 AsylbLG die grundsätzliche Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG, so regelt § 2 AsylbLG lediglich die Leistungsmodalitäten innerhalb einer (nach Maßgabe des § 1 AsylblG) gegebenen grundsätzlichen Leistungsberechtigung.
b) Der Einwand der Beklagten, für den Leistungsübergang vom SGB II zum SGB XII bzw. vom AsylbLG zum SGB II oder zum SGB XII gälten mit § 7a SGB XII und § 1 Abs. 3 AsylbLG entsprechende, auf den Monatswechsel abstellende Regelungen, verkennt, dass in diesen Fällen jeweils ein Wechsel des das Existenzminimum sichernden Leistungsregimes stattfindet. Die Klägerin verblieb indes beim Wechsel von Grund- zu Analogleistungen innerhalb des Leistungsregimes des AsylbLG (als Inhaberin einer Duldung war sie vor wie nach dem Wechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt). Keineswegs sind die Analogleistungen nach § 2 AsylbLG solche der Sozialhilfe; sie bleiben vielmehr Leistungen des existenzsicherungsrechtlich eigenen Leistungsregimes des AsylbLG, die sich lediglich (und auch nicht für jeden Leistungsfall; vgl. einschränkend § 2 Abs. 2 AsylbLG) hinsichtlich der näheren Leistungsvoraussetzungen an den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung am SGB XII orientieren (vgl. dazu bereits den ursprünglichen Gesetzesentwurf zum AsylbLG, BT-Drs. 12/5008, S. 15 [zu § 1a AsylbLG]). Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Wechsel von Grund- zu Analogleistungen erst zum nächsten Monatsersten nach Ende der 15-monatigen Wartefrist erfolgt, so hätte eine entsprechende Formulierung in § 2 Abs. 1 AsylbLG nahegelegen, wie sie etwa § 7a SGB II enthält ("erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden").
c) Im Übrigen sprechen weitere systematische Erwägungen gegen eine Anwendung des § 1 Abs. 3 AsylbLG beim Wechsel von Grund- zu Analogleistungen. Denn § 1 AsylbLG, in dem die Regelung verortet ist, betrifft nach Überschrift und Inhalt die generelle Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG. Sein Abs. 3 setzt überdies voraus, dass bereits Leistungen nach dem AsylbLG bezogen wurden; denn nur in einem solchen Fall kann eine Leistungsberechtigung "enden". §§ 2 und 3 (ff.) AsylbLG bestimmen demgegenüber – bei gemäß § 1 AsylbLG bestehender Leistungsberechtigung – lediglich die Leistungshöhe und -modalitäten. Dabei setzt ein Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG nicht einmal voraus, dass zuvor überhaupt Leistungen nach dem AsylblG bezogen wurden; die (seit 01.03.2015) eine reine Wartefrist vorsehende Norm (vgl. Krauß in Siefert, AsylbLG, 2018, § 2 Rn. 13 ff.) gestattet vielmehr die Gewährung von Analogleistungen auch ohne vorausgegangenen Grundleistungsbezug (z.B. bei vorheriger mindestens 15-monatiger Versorgung durch Jugendhilfeleistungen, usw.). In solchen Fällen würde eine konsequente Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG zu dem absurden Ergebnis führen, trotz Ablaufs der 15-monatigen Wartefrist bis zum darauf folgenden Monatsende zunächst Grundleistungen gewähren zu müssen und erst mit Beginn des Folgemonats Analogleistungen erbringen zu können, obwohl zuvor gar keine Leistungen nach dem AsylbLG bezogen wurden. Der Zweck des § 1 Abs. 3 AsylbLG – eine Verwaltungsvereinfachung – würde dann in sein Gegenteil verkehrt (in diesem Sinne wohl auch der Hinweis bei Cantzler, AsylbLG, 2019, § 2 Rn. 19, dass § 1 Abs. 3 AsylbLG in solchen Fällen keinen Sinn mache).
d) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gibt ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG beim Wechsel von Grund- zu Analogleistungen. Zur früheren Gesetzesfassung, die seit dem 01.06.1997 und bis zum 28.02.2015 eine zunächst 36-monatige bzw. später 48-monatige Vorbezugszeit von Leistungen nach § 3 AsylbLG vorsah, sollte danach die Dauer eines ununterbrochenen Vorbezugs in Anlehnung an §§ 186, 187 BGB zu berechnen sein (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2009 – B 8 AY 10/07 R Rn. 13). Zwar musste sich das Bundessozialgericht dort nicht zum tatsächlichen Einsetzen der Leistungen nach § 2 AsylbLG äußern, weil im zugrundeliegenden Sachverhalt die Vorbezugszeit nicht erfüllt war. Hat das Gericht dort jedoch allgemeine Ausführungen zur Berechnung der Vorbezugszeit gemacht, so hätte es gleichwohl nahe gelegen, den Zeitpunkt des Einsetzens der Analogleistungen abweichend darzulegen, wäre das Ende der nach Monaten berechneten Frist nach Ansicht des Gerichts nicht taggenau zu ermitteln.
e) Auch der Gesetzesbegründung ist schließlich nicht zu entnehmen, dass die Leistungen nach § 2 AsylbLG (i.d.F ab 01.03.2015) nicht taggenau mit Ablauf der 15-Monats-Frist, sondern erst mit dem Ersten des Folgemonats einsetzen sollen. Dort heißt es lediglich: "§ 2 Absatz 1 legt u.a. den Zeitpunkt fest, ab dem eine Bedarfssituation vorliegt, die mit der anderer Leistungsberechtigter vergleichbar ist, weshalb Leistungen entsprechend dem SGB XII zu gewähren sind" (BT-Drs. 18/2592 S. 19). Danach ging der Gesetzgeber vielmehr gerade davon aus, dass durch das Ende der 15-Monats-Frist zugleich der Beginn der Analogleistungen markiert wird ("legt den Zeitpunkt fest"). Eine weitere Verschiebung des Leistungsbeginns ist der Begründung nicht zu entnehmen.
Eine solche würde auch der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht: Knüpft der Gesetzgeber ausdrücklich an eine nach Ablauf von 15 Monaten geänderte "Bedarfssituation" an, die (nunmehr) mit der von Leistungsberechtigten in den Grundsicherungsregimen des SGB II oder SGB XII vergleichbar sei, so nimmt er damit Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10 und 2/11 Rn. 73 ff.) auf, nach der der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums zwischen verschiedenen bedürftigen Personengruppen (d.h. auch bei den jeweils von SGB II, SGB XII bzw. AsylbLG erfassten Personenkreisen) nur insofern differenzieren darf, als der Bedarf der einen Gruppe von demjenigen anderer signifikant abweicht. Nach der Wertung des Gesetzgebers soll bei nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten gegenüber solchen nach dem SGB II oder SGB XII nach Ablauf von 15 Monaten kein (nach unten) abweichender Bedarf mehr vorliegen. Mithin rechtfertigt sich (jedenfalls) dann auch nicht mehr die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 62 ff.) auf dem im Vergleich zum übrigen Recht der Sicherung des Existenzminimums (SGB II bzw. SGB XII) niedrigeren Niveau der Grundleistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG und sind deshalb nach § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen entsprechend dem SGB XII zu erbringen. Geht es aber um die menschen- und grundrechtlich gewährleistete Sicherstellung des Existenzminimums (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 62), so erschiene es verfassungsrechtlich nicht vertretbar, durch Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG im Einzelfall (je nach Einreise im kalendarischen Monatsverlauf) bis zu 30 Tage nach Ablauf der 15-monatigen Wartefrist weiter zuzuwarten, bis die das Existenzminimum sichernden Leistungen mit dem Einsetzen von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG den Umfang erreichen, der auch in den allgemeinen existenzsichernden Leistungsregimen des SGB II bzw. des SGB XII gewährleistet wird.
3. Zu Recht hat das Sozialgericht auch eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG abgelehnt. Hierfür fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. § 2 Abs. 1 AsylbLG bestimmt vielmehr bereits zweifelsfrei, ab welchem Zeitpunkt ein Anspruch auf Analogleistungen besteht. Zur Berechnung der Frist verweist § 31 Abs. 1 VwVfG NRW (inhaltlich entsprechend der Vorschrift des § 26 Abs. 1 SGB X, die im Asylbewerberleistungsrecht nicht anwendbar ist; vgl. § 1 SGB X, § 68 SGB I sowie § 9 Abs. 4 AsylblG) – auf §§ 187 ff. BGB (vgl. dazu auch Krauß, a.a.O., § 2 Rn. 23); besteht so gerade eine gesetzliche Regelung zur Fristberechnung, gibt es keine durch Analogie zu füllende Lücke (a.A. Deibel in Hohm, GK-AsylbLG, § 2 Rn. 25). Eine Anwendung von § 1 Abs. 3 AsylbLG könnte daher zwar der Verwaltungsvereinfachung beim Wechsel der Leistungsarten nach dem AsylbLG dienen, widerspräche aber dem Gesetz und ist zur Bestimmung des genauen Zeitpunktes dieses Wechsels nicht erforderlich.
4. Sind der Klägerin damit im Zeitraum vom 08.04.2018 bis zum 30.04.2018 zu Unrecht allein Grundleistungen nach § 3 AsylbLG an Stelle der ihr zustehenden Analogleistungen nach § 2 AsylbLG erbracht worden, war der Bewilligungsbescheid vom 22.12.2017 insoweit rechtswidrig und auf den rechtzeitig gestellten Überprüfungsantrag vom 24.09.2018 gemäß § 44 SGB X zu korrigieren.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
D. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die fehlende Anwendbarkeit von § 1 Abs. 3 AsylbLG ergibt sich aus den genannten Gründen ohne Weiteres (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 160 Rn. 8a). Der Senat ist zwar nach § 143 Abs. 3 SGG an die Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht gebunden, nicht aber an dessen Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 15.07.2020
Zuletzt verändert am: 15.07.2020