Die freiwillige Mitgliedschaft der Antragstellerin besteht über den 01.01.2006 hinaus längstens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens fort. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Frage, ob die freiwillige Mitgliedschaft der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin wegen nicht fristgerecht gezahlter Beiträge erloschen ist.
Die Antragstellerin, die als sogenannte Ich-AG seit 15.12.2003 ein Steh-Café betreibt, beantragte im gleichen Monat bei der Antragsgegnerin die Begründung eines freiwilligen Krankenversicherungsverhältnisses. Der monatliche Beitrag wurde zunächst auf 171,34 EUR und ab 01.01.2004 auf monatlich 173,88 EUR festgesetzt.
Nachdem die Antragstellerin bereits seit Beginn des Versicherungsverhältnisses die monatlichen Beiträge nicht pünktlich entrichtet und auch Ratenzahlungsvereinbarungen nicht eingehalten hatte, teilte die Antragsgegnerin ihr mit Schreiben vom 26.05.2004 mit, die Ratenzahlungsvereinbarung sei ungültig, der Gesamtrückstand einschließlich der Säumniszuschläge belaufe sich auf insgesamt 593,00 EUR. Darüber hinaus führte die Antragsgegnerin u. a. Folgendes aus:
Wir weisen darauf hin, dass Ihre Mitgliedschaft mit dem 15. des kommenden Monats unabhängig von einer weiteren gesonderten Mitteilung endet, sofern bis zu diesem Tag nicht alle fälligen Beiträge entrichtet werden. Bitte beachten Sie, dass an diesem Tag ein weiterer Monatsbeitrag fällig wird und dass die Aufrechterhaltung Ihrer Mitgliedschaft von der Begleichung der Gesamtschuld einschließlich dieses Monatsbeitrages abhängt.
( …)
Zur Aufrechterhaltung Ihrer Mitgliedschaft empfehlen wir Ihnen deshalb dringend, die Gesamtschuld bis spätestens zum 15. des kommenden Monats zu begleichen.
Mit weiterem Schreiben vom 16.06.2004 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Beiträge trotz des Schreibens vom 26.05.2004 und des damit verbundenen Hinweises auf die Rechtsfolgen auch bis zum 15.06.2004 nicht entrichtet worden seien. Aus diesem Grunde habe die Mitgliedschaft nach § 191 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) V zum 15.06.2004 geendet. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2004 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2004 vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.03.2005 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ihrer vom Gesetzgeber geforderten Hinweispflicht auf die sich aus der Nichtentrichtung zweier Monatsbeiträge ergebenden Rechtsfolgen sei die Antragsgegnerin nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Das Schreiben vom 26.05.2004 sei mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen, dadurch sei der Eindruck vermittelt worden, dass die im Schreiben angekündigten Rechtsfolgen durch die Einlegung eines Widerspruchs zumindest aufgeschoben werden könnten. Bei verständiger Würdigung des Inhalts des gesamten Schreibens vom Empfängerhorizont aus sei es durchaus naheliegend, dass der Adressat eines solchen Schreibens nicht davon ausginge, auch bei Einlegung eines Widerspruchs innerhalb der angegebenen Monatsfrist die angegebene Zahlungsfrist in jedem Fall einhalten zu müssen, um die aufgezeigte Rechtsfolge zu verhindern. Bei der Beurteilung der Anforderung an einem gesetzesgemäßen Hinweis gemäß § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V seien im Sinne der Versicherten hohe Anforderungen zu stellen.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.03.2005 hat die Antragsgegnerin am 02.05.2005 Berufung eingelegt. Nachdem die Antragstellerin zunächst mit Schriftsatz vom 10.05.2005 beantragt hatte, die sofortige Vollziehung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.03.2005 anzuordnen und diesen Antrag im Erörterungstermin vom 28.09.2005 nach einem Hinweis des Gerichts wieder zurückgenommen hatte, beantragt sie nunmehr mit Schriftsatz vom 20.10.2005, ihr vorläufigen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung zu gewähren. Im Erörterungstermin vom 28.09.2005 sei sie darauf hingewiesen worden, dass auf Grund des zusprechenden Urteils vom Fortbestehen ihrer freiwilligen Mitgliedschaft auszugehen sei. Sie habe ihre Hausärztin aufsuchen wollen, um dringend benötigte Leistungen auf Grund ihrer Diabetes-Erkrankung zu beanspruchen. Von ihrer Hausärztin habe sie sodann erfahren, die Antragsgegnerin habe dieser mitgeteilt, dass keine Leistungen gewährt werden dürften, die Antragstellerin vielmehr Barzahlung zu leisten habe. Eine Nachfrage bei der Antragsgegnerin habe ergeben, dass das Versicherungsverhältnis zwar bestehe, Leistungen aber erst nach Ausgleich des gesamten Rückstandes gewährt werden könnten. Dies sei ihr auch schriftlich bestätigt worden. Die Antragsgegnerin versuche damit, die ihr zustehende Behandlung vorzuenthalten. Sie könne den Rückstand nicht in einem Betrag zurückzahlen, andernfalls wäre der Rechtsstreit bereits im Erörterungstermin erledigt worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin und ihren mitversicherten Kindern sämtliche Leistungen zu gewähren, die ihr als freiwilliges Mitglied bei der Antragsgegnerin zustehen, ohne dass diese von einer weiteren Bedingung abhängig gemacht werden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Auf Grund der Äußerungen der Antragstellerin im Erörterungstermin und dem bisherigen Zahlungsverhalten müsse davon ausgegangen werden, dass sie weder die rückständigen noch die laufenden Beiträge vollständig innerhalb der gesetzlichen Zahlungsfristen zahlen werde. Damit bestünde die Situation, dass die Antragstellerin trotz erheblichen Beitragsrückstandes und trotz der Tatsache, dass sie keinerlei laufende Beiträge bezahle, weiterhin einen vollen Krankenversicherungsschutz habe und den auch für sich und ihre familienversicherten drei Kinder in erheblichem Umfang in Anspruch nehmen werde. Es widerspreche dem Grundgedanken der gesetzlichen Krankenversicherung, dass freiwillige Mitglieder, die während eines anhängigen Rechtsstreits, in dem die Frage einer bestehenden Mitgliedschaft zu klären sei, weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung vollständige Leistungen erhielten, ohne ihren Beitragspflichten nachkommen zu müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Sozialgerichts Düsseldorf (S 8 KR 30/04 bzw. L 11 KR 15/05) und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Vorliegend ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu gewähren, denn die Antragstellerin begehrt nicht lediglich die bloß formale Feststellung des Fortbestehens ihrer Mitgliedschaft, denn damit sind vielmehr auch Leistungsansprüche aus dem Versicherungsverhältnis verbunden. Zwar wendet sie sich auch gegen das als Bescheid zu bezeichnende Schreiben vom 16.06.2004, in dem die Feststellung getroffen wird, ihre freiwillige Mitgliedschaft habe zum 15.06.2004 geendet, jedoch wird durch die zu treffende und an sich überflüssige Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage die Rechtslage nicht geklärt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beendigung der Mitgliedschaft der Antragstellerin bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 SGB V kraft Gesetzes endet (vgl. hierzu Peters, Kasseler Kommentar, Stand September 2005, § 191 SGB V Anmerkung 16) und die im Bescheid vom 16.06.2004 ausgesprochene Beendigung der Mitgliedschaft der Antragstellerin angesichts dessen lediglich eine deklaratorische und damit an sich überflüssige Erklärung darstellt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 der Vorschrift, die auf die entsprechenden Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) verweist, sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Anordnungsanspruch findet seine Grundlage im materiellen Recht (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 86 b Anm. 27), vorliegend in § 191 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 SGB V. Danach endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächstens Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Dieser Hinweis muss deutlich machen, dass nach dem Ende der Mitgliedschaft eine freiwillige Versicherung auch bei anderen Krankenkassen ausgeschlossen ist und dass unter den Voraussetzungen des SGB XII die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Sozialhilfeträger möglich ist.
Nach § 20 Abs. 1 der Satzung der Antragsgegnerin ist Zahltag für die monatlichen Beiträge jeweils der 15. des Folgemonats. Die Antragstellerin war im Juni 2004 mit 593,00 EUR einschließlich Säumniszuschlägen und damit mit mehr als zwei Monatsbeiträgen im Zahlungsverzug. Die Säumnis der Antragstellerin lag damit vor, jedoch ist die Antragsgegnerin ihrer Hinweispflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Diese Verpflichtung der Antragsgegnerin ist in Satz 1 Nr. 3 des § 191 SGB V nur mittelbar geregelt ("trotz Hinweises auf die Folgen"), ist jedoch für das Ende der Mitgliedschaft wegen Beitragsrückstandes von entscheidender Bedeutung. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang auf das drohende Ende der Mitgliedschaft hinzuweisen und eine angemessene Nachfrist zu setzen. Diese ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem Zusammenhang. Wenn die Beiträge "trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden", setzt das voraus, dass nach dem Hinweis noch eine Gelegenheit zur Zahlung besteht. Diese Nachfrist sollte datumsmäßig bestimmt werden und muss so bemessen sein, dass zum Ausgleich des Rückstandes eine reale, wenn auch zeitlich knapp bemessene Chance bleibt (vgl. hier Peters, Kasseler Kommentar, a. a. O. § 191 SGB V Anmerkung 12 und 13). Diesen Anforderungen genügt der Hinweis der Antragsgegnerin im Schreiben vom 26.05.2004 nicht. Die darin enthaltenen Ausführungen sind insoweit missverständlich, als dass sie neben den genannten Beitragsrückständen auch darauf hinweisen, dass zum Fälligkeitstag ein weiterer Beitrag zu entrichten ist – was unstreitig zutreffend ist -, jedoch erweckt die weitere Formulierung "zur Aufrechterhaltung Ihrer Mitgliedschaft empfehlen wir Ihnen deshalb dringend, die Gesamtschuld bis spätestens zum 15. des kommenden Monats zu begleichen" den Eindruck, dass für das Fortbestehen der Mitgliedschaft über den für den Ausschluss aus der gesetzlichen Versicherung maßgeblichen Stichtag hinaus auch das Entrichten des an diesem Stichtag fälligen Beitrages erforderlich ist. Dies entspricht nicht den Tatsachen, denn die Antragstellerin könnte durch Zahlung zweier Beiträge den Ausschluss abwenden und den dann wieder fällig werdenden Beitrag schuldig bleiben (so auch LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2005, Az.: L 2 B 39/05 KR ER). Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass derartige Unklarheiten in der Formulierung zu Lasten der Antragsgegnerin gehen. Inwieweit die vom Sozialgericht vertretene Auffassung zutrifft, die dem Schreiben vom 26.08.04 beigefügte Rechtsmittelbelehrung lasse den erteilten Hinweis auf die Rechtsfolgen unklar erscheinen, braucht der Senat an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der von der Antragsgegnerin vertretenen zutreffenden Ansicht, dass die Antragstellerin trotz Säumnis der Beiträge weiterhin einen vollen Krankenversicherungsschutz habe und dies dem Grundgedanken der gesetzlichen Krankenversicherung widerspreche, wenn freiwillige Mitglieder, die während eines anhängigen Rechtsstreits, in dem die Frage einer bestehenden Mitgliedschaft zu klären sei, vollständigen Krankenversicherungsschutz erhielten, ohne den Beitragspflichten nachkommen zu müssen. Der Gesetzgeber hat, wie ausgeführt, für die Beendigung der freiwilligen Versicherung klare Voraussetzungen geschaffen, die die Antragsgegnerin durch Beachtung der gesetzlichen Vorgaben herbeiführen kann.
Es besteht schließlich auch ein Anordnungsgrund, weil die beantragte vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den finanziellen Risiken, die ein fehlender Krankenversicherungsschutz bewirkt. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII hängt ab von der Bedürftigkeit und setzt daher zunächst den Einsatz eigenen Kapitals voraus. Dies hält der Senat angesichts der Krankheitskosten, die insbesondere bei einem notwendig werdenden stationären Aufenthalts auftreten können, für nicht zumutbar, so lange die Rechtslage im Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig geklärt ist.
Dem Wesen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend hat der Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass die Frage des Fortbestehens der freiwilligen Mitgliedschaft mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten im Wege einer Regelungsanordnung nur für die Zukunft Bedeutung haben kann. Daraus folgt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Ebenso ist das pünktliche Entrichten weiter fälliger Beiträge bei Fortbestehen der freiwilligen Mitgliedschaft auch im Wege einer vorläufigen Regelung selbstverständlich. Inwieweit weitere Säumnisse der Antragstellerin möglicherweise erneut den Ausschluss aus der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigen können, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 24.02.2006
Zuletzt verändert am: 24.02.2006