Der Antrag der Beschwerdeführerinnen, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 20.03.2009 (3 VK-40/09) über den 29.04.2009 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen.
Die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (jetzt noch) 63 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen. Das Gebietslos 1 umfasst die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca, 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz und AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.
Gegenstand der Ausschreibung waren (zunächst) die folgenden 64 Wirkstoffe:
Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + HCT
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
Hydrochlorathiazid
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Lisinopril + HCT
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil
Hinsichtlich des Wirkstoffs Olanzapin ist die Ausschreibung wegen eines bestehenden Patentrechts zwischenzeitlich aufgehoben worden.
Nach den Verdingungsunterlagen hat jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen "Rabatt-ApU" (Rabatt-Apothekenverkaufspreis) für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 – sog. Stichtag) im Sortiment hat. Gemäß § 2 Abs. 2 Rabattvertrag (RV) errechnet sich der Rabatt je PZN nach der Formel Rabatt = ApU (Apothekenverkaufspreis) – Rabatt-ApU. Der Rabatt-ApU wird dabei für die Vertragslaufzeit fest vereinbart. Im Falle einer Erhöhung der Abgabepreise nach Vertragsschluss erhöht sich der Rabatt entsprechend. Der Rabatt ist von den pharmazeutischen Unternehmern direkt an die AG zu zahlen.
Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, die in 14-tägigem Rhythmus aktualisiert wird, enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordnete PZN erlaubt die eindeutige Identifizierung jedes Arzneimittels nach den dargestellten Kriterien.
Je Wirkstoff und Gebietslos soll allein ein Bieter den Zuschlag erhalten, nämlich der, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots wird an Hand von zwei Kriterien ermittelt werden: Zum einen mit dem Kriterium "Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU s", zum anderen an Hand des Ausschlusskriteriums "Ausgleich der Mehrkosten der Überschreitung des zum Zeitpunkt der Bewertung geltenden Festbetrags für jede der angebotenen PZN durch den absoluten Rabatt". Im Rahmen des ersten Kriteriums soll die Höhe der möglichen Einsparungen auf der Grundlage von "Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßzahlen" (GWMZ) ermittelt werden. Hierbei werden die durchschnittlichen Abgabepreise von vergleichbaren Arzneimitteln der sog. Preisvergleichsgruppe, Verordnungszahlen aus der Vergangenheit und bestimmte weitere Vergleichsgrößen (bereinigte Rabatt-ApU s und bereinigte durchschnittliche ApU s der Preisvergleichsgruppe, jeweils pro Milligramm Wirkstoff) berücksichtigt. In die Berechnung der GWMZ wird auch die Produktbreite des jeweiligen Bieters einbezogen, also die Anzahl der vom Bieter je Gebietslos angebotenen Arzneimittel innerhalb einer Preisvergleichsgruppe. Den Bietern wurde von den AG zum Eintrag der von ihnen angebotenen Rabatte ein sog. Produkt- und Rabattblatt in elektronischer Form (Excel-Tabelle) zur Verfügung gestellt. Diese Tabelle enthielt bereits alle von pharmazeutischen Unternehmen zum Stichtag in der Lauer-Taxe geführten PZN der von den AG nachgefragten Produkte. Der Bieter seinerseits konnte Eintragungen in der Spalte Rabatt-ApU vornehmen (diese Eintragungen wurden automatisch weiterverarbeitet). In einer weiteren Spalte wurde dem Bieter das "Ergebnis Wirtschaftlichkeitsmaßzahl (WMZ) Angebot je PZN angezeigt". Aus den WMZ wurden sodann durch Addition der jeweiligen WMZ je PZN die GWMZ errechnet, die sich auf die einzelnen Gebietslose bezogen und grundsätzlich über die Bieterreihenfolge je Wirkstoff und je Gebietslos entscheiden sollten (Teil A IV.2 der Verdingungsunterlagen).
Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (AS) sind zum Konzern T AG gehörige Generika-Vertriebsgesellschaften mit einem Jahresumsatz (2008) von 180,3 Mio. Euro bzw. 252,1 Mio. Euro mit Sitz in M bzw. Bad W. Die AS reichten Angebote für zahlreiche Fachlose, u.a. für den hier streitbefangenen Wirkstoff Doxepin (Fachlos Nr. 20) ein, wobei die AS zu 1) für die Gebietslose 3 (AOK Hessen und AOK Plus), 4 (AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz, AOK Saarland) und 5 (AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein), die AS zu 2) für die Gebietslose 1 (AOK Bayern) und 2 (AOK Rheinland-Hamburg, AOK Westfalen-Lippe) boten. Die AG teilten den AS unter dem 04.12.2008 gemäß § 13 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) u.a. mit, dass die AS für das Fachlos Nr. 20 (Doxepin) keinen Zuschlag auf eines ihrer Gebote erhalten sollten, sondern dass vielmehr die beigeladenen pharmazeutischen Unternehmen zu 1), 14) und 15) für den Zuschlag vorgesehen seien.
Am 11.12.2008 haben die AS bei der Vergabekammer (VK) bei der Bezirksregierung Düsseldorf einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens u.a. wegen der Vergabe der Rabattvereinbarungen für den Wirkstoff Doxepin (Fachlos Nr. 20) bezogen auf die Gebietslose 1 – 5 (entsprechend ihren Geboten) gestellt. Die VK des Bundes, an die das Verfahren durch Beschluss vom 27.01.2009 verwiesen worden war, hat den Nachprüfungsantrag u.a. auch hinsichtlich des Fachloses Nr. 20 (Wirkstoff Doxepin) durch Beschluss vom 20.03.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe Bezug genommen.
Dagegen haben die AS am 06.04.2009 sofortige Beschwerde bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt und (u.a.) beantragt, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern. Der Senat hat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde durch den Beschluss vom 20.04.2009 vorläufig bis zum 29.04.2009 verlängert.
Zur Begründung ihres Begehrens macht die AS geltend: Es sei rechtswidrig, dass die Ausschreibung der AG es zur Voraussetzung mache, dass jedes Arzneimittel, für das ein Gebot abgegeben werden solle, in der Lauer-Taxe mit einer PZN zu einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag (01.09.2008) gelistet sein müsse. Diese Voraussetzung verstoße gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsprinzip und Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 1 und 2 GWB, des Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG sowie des § 2 VOL/A und außerdem gegen den Grundsatz der Produktneutralität nach Art. 23 Abs. 8 der Richtlinie 2004/18/EG i.V.m. § 8a Nr. 5 VOL/A. Der PZN-Stichtag stelle eine rückwirkende echte Zulassungsvoraussetzung dar, denn ein Gebot sei nur für solche Produkte möglich gewesen, die bereits am 01.09.2008 und damit bereits vor dem Zeitpunkt des vorgesehenen Vertragsbeginns und sogar vor Abgabe des Angebots mit einer PZN in der Lauer-Taxe aufgeführt gewesen seien. Die PZN-Zulassungsvoraussetzung sei nach den Grundsätzen, welche der EuGH für Zulassungsvoraussetzungen bei Ausschreibungen im Gesundheitsbereich aufgestellt habe, als unverhältnismäßige Zulassungsvoraussetzung rechtswidrig. Grundlegend sei insoweit das Urteil vom 27.10.2005 in der Rechtssache C-234/03. Hieraus ergebe sich, dass es offensichtlich unverhältnismäßig sei, in einer Ausschreibung für die Erbringung von Gesundheitsleistungen oder für die Lieferung von Pharmaprodukten Zulassungsvoraussetzungen aufzustellen, die an einen Status quo zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder sogar rückwirkend zum Zeitpunkt vor der Angebotsabgabe anknüpften. Zulässig könne immer nur die Zulassungsvoraussetzung sein, die geforderte Leistung zum geplanten Vertragsbeginn anzubieten bzw. die notwendigen Kriterien zu erfüllen. Die PZN-Zulassungsvoraussetzung sei auch keine zulässige Definition des Beschaffungsbedarfs. Sie könne auch nicht durch § 130a Abs. 8 SGB V gerechtfertigt werden. Das im EU-Recht verankerte vergaberechtliche Gebot der produktneutralen Ausschreibung sei gegenüber den nationalen sozialrechtlichen Regelungen vorrangig.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde über den 29.04.2009 hinaus bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss der VK.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und Vergabeakten sowie der Akten der Vergabekammer Bezug genommen.
II.
Der Antrag der AS, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über einen dahingehenden Eilantrag hat das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstandes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer Interessenabwägung nach § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB bedarf (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.03.2007 – VII-Verg 5/07, VergabeR 2007, 662). Die sofortige Beschwerde hat hier keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Anwendbarkeit der §§ 97 – 115, 128 GWB für die Zeit ab 18.12.2008 ergibt sich aus § 69 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I S.2426); für die Zeit vor dem 18.12.2008 folgt dies aus einer EU-Richtlinien-konformen Auslegung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 69 SGB V (§ 69 in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002, BGBl I S. 1412). Demgegenüber sind auf das vorliegende Vergabeverfahren nicht die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) anwendbar, weil dieses vor dem 24.04.2009 begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB n.F.).
Die AG sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Dies folgt (jedenfalls) daraus, dass sie als staatlich kontrollierte Einrichtungen zu beurteilen sind. Sie unterliegen einer nachträglichen Rechtsaufsicht (§ 87 ff Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV) wie auch einer präventiven Aufsicht (z.B. § 34 SGB IV). Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den gesetzlichen Krankenkassen im Ergebnis eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2009, Az L 11 WB 5971/08 m.w.N.). Ob darüber hinaus die Eigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber aus einer wenn auch mittelbaren staatlichen Finanzierung abzuleiten ist (so der Schlussantrag des Generalanwaltes Mazak vom 16.12.2008 in der Rechtssache C-300/07; OLG Düsseldorf, Beschluss 19.12.2007 VII – Verg 51/07, NZ Bau 2008, 194 ff.; siehe auch Engelmann in Juris PK-SGB X § 69 Rdnr. 195 ff.) kann der Senat hier offen lassen.
Bei den zu schließenden RV handelt es sich – dies ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten – um öffentliche Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB. Zwar betrifft der RV keine Waren iSv Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/18 EG, denn Ausschreibungsgegenstand ist die Einräumung von Rabatten (vergl. LSG Baden-Württemberg aaO). Auch kann nicht von einer typischen Beschaffungssituation ausgegangen werden, weil die Krankenkassen auf das Verordnungverhalten der Ärzte keinen unmittelbaren Einfluss haben (vgl. Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69, Rdn. 226 ff. m.w.N.). Entscheidend ist aber der Umstand, dass dem Rabattvertragspartner nach § 7 Abs. 1 RV Exklusivität zugesichert wird, so dass ein öffentlicher Auftrag in Form eines Rahmenvertrages (§ 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A) anzunehmen ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in einem solchen Fall der RV i.V.m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu einem echten Wettbewerbsvorteil führt, den der Auftraggeber dem Rabattvertragspartner einräumt, um seinerseits einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 23.01.2009, a.a.O. und vom 28.10.2008 – L 11 KR 4810/08 ER-B).
Die von den AS erhobenen Rügen sind nicht begründet.
Eine Verletzung von § 97 Abs. 2 GWB (Gebot der Chancengleichheit) oder des Gebotes der Produktneutralität (§ 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A) liegt nicht vor. Gemäß § 97 Abs. 2 GWB sind die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet. Nach § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dürfen bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Gegenstand der Ausschreibung der AG nicht die Beschaffung der generischen Arzneimittel selbst ist, sondern dass es vielmehr um die Einräumung von Rabatten "für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel" durch den Abschluss von Rabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V geht. Allerdings zeitigt die im Rabattvertrag vorgesehene Exklusivität für den Ausschreibungsgewinner das Ergebnis, dass er für das betreffende Fachlos innerhalb des jeweiligen Gebietsloses die Versicherten der AG mit Arzneimitteln versorgt. Es handelt sich somit zwar um einen Liefervertrag (vergl. oben "öffentlicher Auftrag"), der allerdings durch die gesetzliche Regelung des § 130a Abs. 8 SGB V modifiziert wird. Diese – gesetzliche – Ausgestaltung rechtfertigt es, bei der Ausschreibung der Rabattverträge genau auf diesen "Pool" von Arzneimitteln abzustellen, aus dem die zu Lasten der AG verordneten Generika stammen: die Lauer-Taxe. Dass diese Arzneimittel aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen den AG und den Apothekern nahezu ausnahmslos in der Lauer-Taxe mit einer PZN und den dazu gehörigen weiteren Spezifikationen gelistet sind, ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe rechtfertigt sich somit aus der Art der Ausschreibung und ihrem Gegenstand – den Rabatten – heraus. Deshalb durften die AG ihren Beschaffungsbedarf unter Zugrundelegung der Lauer-Taxe festlegen. Hervorzuheben ist, dass durch das Abstellen auf die Listung in der Lauer-Taxe kein Unternehmen diskriminiert wird, denn der Zugang zur Lauer-Taxe steht allen – inländischen und ausländischen – pharmazeutischen Herstellern mit ihren Produkten offen. Sie repräsentiert damit die auf dem deutschen Markt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erhältlichen Arzneimittel.
Allerdings haben es die AG nicht allein bei der Anknüpfung an die Listung eines generischen Arzneimittels in der Lauer-Taxe als Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung belassen, sondern es weiter zur Bedingung gemacht, dass dies zu einem bestimmten Stichtag (01.09.2008) der Fall gewesen sein muss. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
Die gesetzliche Formulierung in § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ("zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel") sowie der Aussschreibungsgegenstand ("Rabatt") rechtfertigen es, im Rahmen der Ausschreibung auf solche Arzneimittel abzustellen, die bereits (in der Vergangenheit) zu Lasten der AG an Versicherte abgegeben worden sind. Der Gesetzgeber knüpft damit selbst – allerdings auch notwendigerweise – an den bestehenden Markt oder Bestand von Arzneimitteln an, der aktuell der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung dient. Auf diesem Markt können die gesetzlichen Krankenkassen tätig werden und Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmern schließen. Jedenfalls ist es bei dieser Gesetzeslage nicht erforderlich, dass die AG den pharmazeutischen Unternehmern vor Durchführung der Ausschreibung durch die Wahl eines in der Zukunft liegenden Stichtages Gelegenheit geben, ihre autonomen unternehmerischen Entscheidungen hinsichtlich der sich aktuell auf jenem Markt befindlichen Arzneimittel zu korrigieren und ergebnisorientiert zu optimieren. Für das Abstellen auf den real existierenden, der Versorgung der Versicherten in der Vergangenheit dienenden Markt gibt es weitere sachliche Gründe: Nur bei solchen Arzneimitteln besteht nämlich für die AG die Möglichkeit, das Einsparungsvolumen durch den Rabattvertrag realistisch zu beurteilen, weil nur in diesem Fall das Verordnungsvolumen der Vergangenheit bekannt ist. Darüber hinaus erscheint es auch fraglich, ob die Wirtschaftlichkeit eines Angebots, das (auch) auf einem zu einem späteren Zeitpunkt – als dem Ausschreibungsbeginn – erstmals gelisteten generischen Arzneimittel beruht, im Vergleich zu anderen, länger auf dem Markt befindlichen Generika zuverlässig zu beurteilen wäre. Insoweit ist nämlich auch die Akzeptanz des generischen Arzneimittels bei Ärzten und Versicherten, die trotz der Regelung des § 129 Abs.1 Satz 3 SGB V, eine Rolle spielen dürfte, zu berücksichtigen. Gerade diese lässt sich aber wegen fehlender Erfahrungswerte überhaupt nicht beurteilen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei den pharmazeutischen Unternehmern im Hinblick auf den Umfang der Ausschreibung und das Recht, für einen Zeitraum von 2 Jahren die Versicherten der AG im Rahmen des Zuschlags exklusiv mit Arzneimitteln zu versorgen, der nachvollziehbare Wunsch entsteht, die in der Vergangenheit getroffenen unternehmerischen Entscheidungen nunmehr den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das gesetzgeberische Konstrukt des Rabattvertrages mit der Anknüpfung an die in der Vergangenheit erfolgte Versorgung der Versicherten sowie die diesen Regelungen zugrunde liegenden sachlichen Erwägungen stehen dem jedoch entgegen.
Darüber hinaus ist die Stichtagsregelung durch von den AG angestrebte Transparenz gerechtfertigt. Ohne die Wahl des Stichtags 01.09.2008 wäre es nicht möglich gewesen, den Interessenten unmittelbar nach der Bekanntmachung der Ausschreibung ein Produkt- und Rabattblatt zur Verfügung zu stellen, in dem sämtliche zur Angebotsabgabe und Kalkulation erforderlichen Daten hinterlegt sind. Dieses Produkt- und Rabattblatt ermöglicht nicht nur die sichere Kalkulation des eigenen Angebots und den Vergleich mit möglichen Angeboten anderer Bieter durch die Gegenüberstellung der aus verschiedenen Rabatthöhen resultierenden WMZ (so auch VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2008 – 1 VK 52/08). Durch die in dem Produkt- und Rabattblatt hinterlegten PZN sämtlicher pharmazeutischer Unternehmen wurden sämtliche Interessenten in die Lage versetzt, geeignete Partner zur Bildung von Bietergemeinschaften auszuwählen, deren Zulassung wiederum dem Schutz mittelständischer Interessen dient. Abgesehen davon haben die AG mit dem Produkt- und Rabattblatt klar gestellt, auf welche Arzneimittel sich der gewünschte Rabatt beziehen soll.
Es ist auch fernliegend in der Anknüpfung der AG an diesen "Zustand" diskriminierende Wirkungen zu sehen, zumal sie den Stichtag jedenfalls nicht willkürlich gewählt, sondern auf den letzten Termin ("aktueller Pool") vor der Ausschreibung abgestellt haben.
Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität (§§ 8 Nr. 3 Abs. 3, 8a Nr. 5 VOL/A) ist nicht gegeben. Diese Normen schließen es nicht aus, bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Auftragsgegenstandes – hier: Nachfrage nach Rabattangeboten für ohnehin zu vergütende Arzneimittel in Gestalt sog. Rabatt-ApU s – an die auf dem Markt anerkannte Lauer-Taxe anzuknüpfen. Die Bestimmungen zur Produktneutralität (vgl. etwa § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A und § 8 Nr. 5 VOL/A) sind solche, die "Leistungsbeschreibungen" bzw. "technische Spezifikationen" betreffen. Diese Normen sind von vornherein nicht einschlägig bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs. Die Anknüpfung an den Produkt- und PZN-Stand der Lauer-Taxe gewährleistet vielmehr die Beachtung des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, wonach die Anforderungen an die Leistung/Lieferung so genau zu fassen sind, dass sie den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen.
Dieses Ergebnis verstößt entgegen der Ansicht der AS auch nicht gegen Europarecht.
Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG ist nicht verletzt, denn die AG haben – wie bereits oben dargelegt – das in dieser Vorschrift enthaltene Diskriminierungsverbot und Transparenzgebot beachtet. Ebensowenig ist der mit § 8a Nr. 5 VOL/A wortgleiche Art. 23 Abs. 8 dieser Richtlinie tangiert. Auch insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen (oben) verwiesen. Schließlich ergibt sich auch aus dem Urteil des EuGH vom 27.10.2005 in der Rechtssache C-234/03 nicht, dass die Anknüpfung an einen in der Vergangenheit liegenden Stichtag hinsichtlich der in der Lauer-Taxe gelisteten Arzneimittel unzulässig wäre. Die AS verkennen, dass der EuGH in dieser Entscheidung nicht generell die Anknüpfung an ein in der Vergangenheit liegendes Kriterium für unzulässig erklärt hat, sondern lediglich das konkrete Erfordernis des Vorhaltens eines öffentlich zugänglichen Geschäftsraums (bei der Abgabe des Angebots) für unverhältnismäßig gehalten hat. Hier besteht aber eine gänzlich andere Sach- und Rechtslage (vergl. oben), die hinsichtlich der zu schließenden Rabattverträge das Anknüpfen an den real existierenden Markt rechtfertigt und deshalb dieses Erfordernis nicht als unverhältnismäßig erscheinen lassen kann.
Die Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Erstellt am: 15.05.2009
Zuletzt verändert am: 15.05.2009