Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2009 (VK 3-31/09) über den 29.04.2009 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) – ein pharmazeutisches Unternehmen, das sich u.a. mit Herstellung und Vertrieb von Generikaprodukten befasst – wendet sich in der Hauptsache gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Arzneimittelrabattausschreibung.
Die Antragsgegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (zunächst) 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen (Angebotsfrist: 03.11.2008). Das Gebietslos 1 umfasst die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca. 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz sowie AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.
Gegenstand der Ausschreibung waren zunächst die folgenden 64 Wirkstoffe:
Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT)
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
HCT
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Lisinopril + HCT
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil
Im Hinblick auf den Wirkstoff Olanzapin ist die Ausschreibung zwischenzeitlich aufgehoben worden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das für diesen Wirkstoff bestehende Patent wieder hergestellt hat und jeglicher Vertrieb von generischem Olanzapin in der Bundesrepublik daraufhin eingestellt werden musste (Urteil vom 16.12.2008 – X ZR 89/07).
Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen Rabatt-ApU für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 durch Bekanntmachung vom 10.09.2008 – Abl. EG 2008/S 175-232638 – sog. Stichtag) im Sortiment hat. Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, wird in einem 14-tägigen Rhythmus aktualisiert und enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (IFA) gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordnete PZN erlaubt die Identifizierung sämtlicher Arzneimittel nach den dargestellten Kriterien.
Je Wirkstoff und Gebietslos soll ein einziger Bieter den Zuschlag erhalten, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots wird anhand von zwei Kriterien ermittelt: Zum einen mit dem Kriterium "Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU s", zum anderen anhand des Ausschlusskriteriums "Ausgleich der Mehrkosten der Überschreitung des zum Zeitpunkt der Bewertung geltenden Festbetrags für jede der angebotenen PZN durch den absoluten Rabatt". Im Rahmen des ersten Kriteriums soll die Höhe der möglichen Einsparungen auf der Grundlage von Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßzahlen (GWMZ) ermittelt werden. Hierbei werden die durchschnittlichen Abgabepreise von vergleichbaren Arzneimitteln der sog. Preisvergleichsgruppe, Verordnungszahlen aus der Vergangenheit und bestimmte weitere Vergleichsgrößen (bereinigte Rabatt-ApU s und bereinigte durchschnittliche ApU s der Preisvergleichsgruppe, jeweils pro Milligramm Wirkstoff) berücksichtigt. In die Berechnung der GWMZ wird auch die Produktbreite des jeweiligen Bieters einbezogen, also die Anzahl der vom Bieter je Gebietslos angebotenen Arzneimittel innerhalb einer Preisvergleichsgruppe. Den Bietern wurde von den AG zum Eintrag der von ihnen angebotenen Rabatte ein sog. Produkt- und Rabattblatt in elektronischer Form (Excel-Tabelle) zur Verfügung gestellt. Diese Tabelle enthielt bereits alle von pharmazeutischen Unternehmen zum Stichtag in der Lauer-Taxe geführten PZN der von den AG nachgefragten Produkte. Der Bieter seinerseits konnte Eintragungen in der Spalte Rabatt-ApU vornehmen (diese Eintragungen wurden automatisch weiterverarbeitet). Dem Bieter wurde in einer weiteren Spalte das "Ergebnis Wirtschaftlichkeitsmaßzahl (WMZ) Angebot je PZN" angezeigt. Aus den WMZ wurden sodann durch Addition der jeweiligen WMZ je PZN die GWMZ errechnet, die sich auf die einzelnen Gebietslose bezogen und grundsätzlich über die Bieterreihenfolge je Wirkstoff und je Gebietslos entscheiden sollten (Teil A IV.2 der Verdingungsunterlagen).
Gemäß § 2 Abs. 2 Rabattvertrag (RV) errechnet sich der Rabatt je PZN nach der Formel Rabatt = ApU – Rabatt-ApU. Der Rabatt-ApU wird dabei für die Vertragslaufzeit fest vereinbart. Im Falle einer Erhöhung der Abgabepreise nach Vertragsschluss erhöht sich der Rabatt entsprechend. Der Rabatt ist von den pharmazeutischen Unternehmern an den AOK-Bundesverband zu entrichten.
Die Parteien treten nach § 3 des Vertragsentwurfs in einigen Fällen unverzüglich in Nachverhandlungen ein: Das ist nach § 3 Abs. 3 RV der Fall, wenn der Festbetrag für ein Rabattarzneimittel, für das eine Zuzahlungsbefreiung nach § 31 Abs. 3 Satz 4 SGB V besteht, abgesenkt wird mit der Folge, dass dieses Rabattarzneimittel allein dadurch zuzahlungspflichtig wird. Das gleiche gilt, wenn der Festbetrag für ein Arzneimittel abgesenkt oder ein Festbetrag nach Abschluss des Rabattvertrages neu festgesetzt wird oder wenn die Auftragnehmerin den Abgabepreis erhöht und infolge dessen der Apothekenverkaufspreis den Festbetrag übersteigt (§ 3 Abs. 4 RV). Sofern sich die Vertragsparteien im Fall des § 3 Abs. 4 RV nicht innerhalb von vier Wochen einigen, kann die Auftraggeberin eine Teilkündigung mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende aussprechen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 RV).
Die AS gab zu den Fachlosen Citalopram (Nr. 16), Doxepin (Nr. 20), Mirtazapin (Nr. 42), Sertralin (Nr. 55), Sumatriptan (Nr. 58) und Tramadol (Nr. 62) in sämtlichen Gebietslosen Angebote ab. Sie beanstandete ferner gegenüber den AG unter dem 01.09. und 12.09.2008 sowie unter dem 17.10., 24.10., 28.10. und 30.10.2008 mehrere – aus ihrer Sicht gegebene – Vergaberechtsverstöße, denen die AG nicht abhalfen. Mit Schreiben vom 28.11.2008/04.12.2008 setzten die AG die AS gemäß § 13 Vergabeverordnung (VgV) darüber in Kenntnis, dass sie in den streitgegenständlichen Losen bei der Zuschlagerteilung nicht berücksichtigt werde.
Am 10.12.2008 hat die AS einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer (VK) bei der Bezirksregierung Düsseldorf gestellt. Diese hat das Verfahren an die VK des Bundes (Beschluss vom 27.01.2008) verwiesen. In der Sache hat die AS beantragt, den gerügten Vergaberechtsverstößen abzuhelfen und Zuschläge im Hinblick auf die streitigen Wirkstoffe nur unter Berücksichtigung ihrer Angebote zu erteilen.
Mit Beschluss vom 25.03.2009 (zugestellt am 25.03.2009) hat die VK den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den Beschluss hat die AS am 08.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu verlängern (§ 118 Abs. 1 Satz 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)). Sie macht geltend, dass die AG im Rahmen des Vergabeverfahrens das Problem der "grauen Substitution" unberücksichtigt gelassen hätten, so dass sie bei der Kalkulation einen Sachverhalt habe zugrunde legen müssen, den nur die AG hätten beeinflussen können. Die AS hält ferner daran fest, dass die Stichtagsregelung mit Anknüpfung an die in der Lauer-Taxe am 01.09.2008 gelisteten PZN in diskriminierender und mittelstandsfeindlicher Weise die Wettbewerbsvorsprünge von Unternehmen mit einer größeren Produktbreite zementiere, die Vertragsklauseln in § 3 Abs. 3 und 4 RV ein ungewöhnliches Wagnis darstellten, dass sich die Ausschreibung als mittelstandsfeindlich darstelle und dass die durch die Ausschreibung erwarteten Einsparungen nicht erreicht würden, so dass die AG gleichfalls die in §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 und § 130a Abs. 8 SGB V normierten Ziele verfehlten.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerinnen beantragen schriftsätzlich,
den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss der VK.
Der Senat hat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vorläufig bis zum 29.04.2009 verlängert (Beschluss vom 20.04.2009).
II.
Der Antrag der AS, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über einen dahingehenden Eilantrag hat das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstandes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer Interessenabwägung nach § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB bedarf (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.03.2007 – VII-Verg 5/07, VergabeR 2007, 662). Die sofortige Beschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Anwendbarkeit der §§ 97 – 115, 128 GWB für die Zeit ab 18.12.2008 ergibt sich aus § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I S. 2426); für die Zeit vor dem 18.12.2008 folgt dies aus einer EU-Richtlinien-konformen Auslegung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 69 SGB V (§ 69 in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002, BGBl. I S. 1412). Demgegenüber sind auf das vorliegende Vergabeverfahren nicht die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) anwendbar, weil dieses vor dem 24.04.2009 begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB n.F.).
Die AG sind öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Dies folgt jedenfalls daraus, dass sie als eine staatlich kontrollierte Einrichtung betrachtet werden können. Sie unterliegen sowohl einer nachträglichen Rechtsaufsicht (§§ 87 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) als auch einer präventiven Aufsicht (z.B. § 34 SGB IV). Die staatliche Regelungsdichte ist auch unter Berücksichtigung des praktizierten Grundsatzes der "maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht" derart hoch, dass den gesetzlichen Krankenkassen im Ergebnis eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2009 – L 11 WB 5971/08 m.w.N.). Ob darüber hinaus die Eigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber aus einer – wenn auch mittelbaren – staatlichen Finanzierung abzuleiten ist (vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Mazak vom 16.12.2008 in der Rechtssache C-300/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2007 – VII-Verg 51/07, NZBau 2008, 194 ff.; siehe auch Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69, Rdn. 195 ff.).
Bei den hier streitigen Rabattvereinbarungen handelt es sich um öffentliche Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB. Ob Arzneimittelrabattverträge ausnahmslos als öffentliche Lieferaufträge i.S.d. vorgenannten Regelungen qualifiziert werden können, erscheint vor dem Hintergrund, dass nicht von einer typischen Beschaffungssituation ausgegangen werden kann, Krankenkassen keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte haben und als weitere Entscheidungsebene Apotheken in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden, fraglich (vgl. Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69, Rdn. 226 ff. m.w.N.). Angesichts des Umstandes, dass dem Rabattvertragspartner nach § 7 Abs. 1 RV Exklusivität zugesichert wird, unterliegt die Annahme eines öffentlichen Auftrages in Form eines Rahmenvertrages (§ 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A) jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in einem solchen Fall der RV i.V.m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu einem echten Wettbewerbsvorteil führt, den der Auftraggeber dem Rabattvertragspartner einräumt, um seinerseits einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 23.01.2009, a.a.O. und vom 28.10.2008 – L 11 KR 4810/08 ER-B).
Soweit die AS zunächst den Standpunkt vertritt, die AG hätten das Problem der "grauen Substitution" unberücksichtigt gelassen und sie daher einem ungewöhnlichen Wagnis i.S.d. § 8 Nr. 1 Abs. 3 Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) ausgesetzt sowie gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoßen habe, vermag der Senat diesem Vorbringen bereits im Ausgangspunkt nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass es nicht nur an Nachweisen, sondern auch schon an durchgreifenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass sich die "graue Substitution" als ein – für die Bieter in Vergabeverfahren kalkulationsrelevantes – Massenphänomen darstellt, ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiges Fehlverhalten vereinzelter Dritter nicht auschlaggebend für die Gestaltung von Ausschreibungen sein kann (und darf). Selbst wenn es sich somit um ein verbreitetes Phänomen handeltn sollte, würde es sich für den Senat als schlechterdings nicht hinnehmbares Ergebnis darstellen, eine Vergabestelle dazu zu verpflichten, illegalem Verhalten Dritter durch entsprechende Ausgestaltung von Ausschreibungen Rechnung zu tragen. Der Senat lehnt es überdies ab, einen ganzen Berufsstand bei fehlender Tatsachengrundlage unter den Generalverdacht zu stellen, in großem Umfang betrügerisch tätig zu sein.
Ebenso wenig haben die AG durch die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe und die Stichtagsregelung gegen Vorschriften des Vergaberechts verstoßen.
Die Stichtagsregelung knüpft willkürfrei an einen für alle interessierten pharmazeutischen Unternehmer gleichen Stand der Lauer-Taxe und der in ihr enthaltenen PZN an. Die Voraussetzung, dass das Arzneimittel mit einer PZN in der Lauer-Taxe aufgeführt ist, verstößt weder gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot noch gegen das Diskriminierungsverbot und das Gebot der Produktneutralität. Wie die VK in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, stand es den AG im Rahmen der Regelungen des Vergaberechts frei, ihren Beschaffungsbedarf zu definieren und gegenüber interessierten pharmazeutischen Unternehmen abschließend durch Bezugnahme auf die in der Lauer-Taxe an einem bestimmten Stichtag gelisteten PZN zu konkretisieren. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Gegenstand der Ausschreibung nicht die Beschaffung der generischen Arzneimittel selbst ist, sondern dass es vielmehr um die Einräumung von Rabatten "für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel" durch den Abschluss von Rabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V geht. Allerdings zeitigt die im RV vorgesehene Exklusivität für den Ausschreibungsgewinner das Ergebnis, dass er allein für das betreffende Fachlos innerhalb des jeweiligen Gebietsloses die Versicherten der AG mit Arzneimitteln versorgt. Es handelt sich somit zwar um einen Liefervertrag (vgl. oben "öffentlicher Auftrag"), der allerdings durch die gesetzliche Regelung des § 130a Abs. 8 SGB V modifiziert wird. Diese Ausgestaltung legt es nahe, bei der Ausschreibung der Rabattverträge genau auf diesen "Pool" von Arzneimitteln abzustellen, aus dem die zu Lasten der AG verordneten Generika stammen: die Lauer-Taxe. Dass diese Arzneimittel aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen den AG und den Apothekern nahezu ausnahmslos in der Lauer-Taxe mit einer PZN und den dazu gehörigen weiteren Spezifikationen gelistet sind, ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe rechtfertigt sich somit aus der Art der Ausschreibung und ihrem Gegenstand – den Rabatten – heraus. Angesichts dessen durften die AG ihren Beschaffungsbedarf unter Zugrundelegung der Lauer-Taxe festlegen. Hervorzuheben ist, dass durch das Abstellen auf die Listung in Lauer-Taxe kein Unternehmen diskriminiert wird, denn der Zugang zur Lauer-Taxe steht allen – inländischen wie ausländischen – pharmazeutischen Herstellern mit ihren Produkten offen. Sie repräsentiert damit die auf dem deutschen Markt zu Lasten der GKV erhältlichen Arzneimittel.
Allerdings haben es die AG nicht allein bei der Anknüpfung an die Listung eines generischen Arzneimittels in der Lauer-Taxe als Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung belassen, sondern weiterhin die Bedingung aufgestellt, dass dies zu einem bestimmten Stichtag (01.09.2008) der Fall gewesen sein muss. Auch dies ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzliche Formulierung in § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ("zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel") legt es in Verbindung mit dem Ausschreibungsgegenstand (Rabatt) nahe, im Rahmen der Ausschreibung auf solche Arzneimittel abzustellen, die bereits in der Vergangenheit zu Lasten der AG an Versicherte abgegeben worden sind. Der Gesetzgeber knüpft damit selbst – allerdings auch notwendigerweise – an den bestehenden Markt oder Bestand von Arzneimitteln an, der aktuell der Versorgung der Versicherten der GKV dient. Hier können die gesetzlichen Krankenkassen tätig werden und Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmern schließen. Jedenfalls ist es bei dieser Gesetzeslage nicht erforderlich, dass die AG den pharmazeutischen Unternehmern vor Durchführung der Ausschreibung durch die Wahl eines in der Zukunft liegenden Stichtages Gelegenheit geben, ihre autonomen unternehmerischen Entscheidungen hinsichtlich der sich aktuell auf jenem Markt befindlichen Arzneimittel zu korrigieren und ergebnisorientiert zu optimieren. Für das Abstellen auf den real existierenden, der Versorgung der Versicherten in der Vergangenheit dienenden Markt gibt es weitere sachliche Gründe: Nur bei solchen Arzneimitteln besteht nämlich für die AG die Möglichkeit, das Einsparvolumen durch den Rabattvertrag realistisch zu beurteilen, weil nur in diesem Fall das Verordnungsvolumen der Vergangenheit bekannt ist. Darüber hinaus erscheint es auch fraglich, ob die Wirtschaftlichkeit eines Angebots, das (auch) auf einem zu einem späteren Zeitpunkt (als dem Ausschreibungsbeginn) erstmals gelisteten generischen Arzneimittel beruht, im Vergleich zu anderen, länger auf dem Markt befindlichen Generika zuverlässig zu beurteilen wäre. Insoweit ist nämlich auch die Akzeptanz des generischen Arzneimittels bei Ärzten und Versicherten, die trotz der Regelung des § 129 Abs.1 Satz 3 SGB V eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürfte, zu berücksichtigen. Gerade diese lässt sich aber wegen fehlender Erfahrungswerte überhaupt nicht beurteilen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei den pharmazeutischen Unternehmern im Hinblick auf den Umfang der Ausschreibung und das Recht, für einen Zeitraum von 2 Jahren die Versicherten der AG im Rahmen des Zuschlags exklusiv mit Arzneimitteln zu versorgen, der nachvollziehbare Wunsch entsteht, die in der Vergangenheit getroffenen unternehmerischen Entscheidungen nunmehr den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das gesetzgeberische Konstrukt des Rabattvertrages mit der Anknüpfung an die in der Vergangenheit erfolgte Versorgung der Versicherten sowie die diesen Regelungen zugrunde liegenden sachlichen Erwägungen stehen dem jedoch entgegen.
Darüber hinaus ist die Stichtagsregelung durch die von den AG angestrebte Transparenz gerechtfertigt. Ohne die Wahl des Stichtags 01.09.2008 wäre es nicht möglich gewesen, den Interessenten unmittelbar nach der Bekanntmachung der Ausschreibung ein Produkt- und Rabattblatt zur Verfügung zu stellen, in dem sämtliche zur Angebotsabgabe und Kalkulation erforderlichen Daten hinterlegt sind. Das Produkt- und Rabattblatt ermöglicht nicht nur die sichere Kalkulation des eigenen Angebots und den Vergleich mit möglichen Angeboten anderer Bieter durch die Gegenüberstellung der aus verschiedenen Rabatthöhen resultierenden WMZ (so auch VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2008 – 1 VK 52/08). Durch die in dem Produkt- und Rabattblatt hinterlegten PZN aller pharmazeutischer Unternehmen wurden sämtliche Interessenten zudem in die Lage versetzt, geeignete Partner zur Bildung von Bietergemeinschaften auszuwählen, deren Zulassung wiederum dem Schutz mittelständischer Interessen dient. Abgesehen davon haben die AG mit dem Produkt- und Rabattblatt deutlich gemacht, auf welche Arzneimittel sich der gewünschte Rabatt beziehen soll und dadurch dem Transparenzgebot Rechnung getragen.
Es ist auch fernliegend, in der Anknüpfung der AG an diesen "Zustand" diskriminierende Wirkungen zu sehen, zumal sie den Stichtag jedenfalls nicht willkürlich gewählt, sondern auf den letzten möglichen Termin ("aktueller Pool") vor der Ausschreibung abgestellt haben.
Schließlich ist nach Ansicht des Senats auch ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität nicht gegeben. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dürfen bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. § 8a Nr. 5 Satz 1 VOL/A regelt, dass in den technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
Diese Normen schließen es nicht aus, bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Auftragsgegenstandes – hier: Nachfrage nach Rabattangeboten für ohnehin zu vergütende Arzneimittel in Gestalt sog. Rabatt-ApU s – an die auf dem Markt anerkannte Lauer-Taxe anzuknüpfen. Die Bestimmungen zur Produktneutralität (vgl. etwa § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A und § 8 Nr. 5 VOL/A) sind solche, die "Leistungsbeschreibungen" bzw. "technische Spezifikationen" betreffen. Diese Normen sind von vornherein nicht einschlägig bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs. Die Anknüpfung an den Produkt- und PZN-Stand der Lauer-Taxe gewährleistet die Beachtung des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, wonach die Anforderungen an die Leistung/Lieferung so genau zu fassen sind, dass sie den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass mit den ausgeschriebenen Rabattverträgen nicht etwa ein neuer Beschaffungsauftrag erteilt wird. Vielmehr werden die vom Vertragsbeginn an für zu Lasten der AG in Apotheken abgegebenen Arzneimittelrabatte gewährt. Die "Auftragsvergabe" erfolgt aus dem bereits laufenden Versorgungsgeschehen heraus. Dass mit der Verwendung des Produkt- und Rabattblattes dem Transparenzgrundsatz hinreichend Rechnung getragen worden ist, wurde bereits oben dargestellt.
Unerheblich ist, dass möglicherweise auch eine andere Gestaltung der Ausschreibung – insbesondere mit einem späteren Stichtag – zulässig hätte in Betracht kommen können.
Es ist dem Senat nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Nachverhandlungspflicht der Rabattvertragsparteien gemäß § 3 Abs. 3 RV bei Entstehen von Zuzahlungspflichten durch Festbetragsabsenkungen (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 4 SGB V) zu einem ungewöhnlichen Wagnis für Bieter führen soll. Denn der RV regelt für diese Fallkonstellation gerade keine (Teil-) Kündigungsrechte bei einem Scheitern von Nachverhandlungen, so dass lediglich die allgemeinen Regeln gelten.
Auch die in § 3 Abs. 4 RV geregelte Fallgestaltung (u.a. Teilkündigungsrecht) stellt nach Auffassung des Senats kein außergewöhnliches Wagnis dar. Der Umstand der Absenkung des Festbetrags für ein rabattiertes Arzneimittel entzieht sich der direkten Einflussnahme beider Vertragsparteien (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB V: Festsetzung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen). Es stellt sich deshalb nur als sachgerecht und angemessen dar, in Nachverhandlungen eine Lösung zu suchen und – vor dem Hintergrund der unbedingten und eindeutigen Regelung des § 31 Abs. 2 Satz 3 SGB V (vgl. hierzu auch BT-Drs. 16/691 S. 15) – für den Fall, dass eine Einigung nicht erfolgt, ein Teilkündigungsrecht vorzusehen.
Entgegen der Auffassung der AS haben die AG im Rahmen der Ausschreibung mittelständischen Interessen (§ 97 Abs. 3 GWB, § 5 Nr. 1 Satz 1 VOL/A) hinreichend Rechnung getragen. Durch die Aufteilung in Fach- und Gebietslose wurden auch kleinere und mittlere Unternehmen in die Lage versetzt, Angebote auf einzelne Wirkstoffe abzugeben und den Zuschlag zu erhalten.
Ohne Erfolg macht die AS schließlich geltend, dass das Ziel der Ausschreibung, möglichst große Einsparungen zu erzielen, verfehlt werde. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die §§ 2, 12, 70. 130a Abs. 8 SGB V insoweit keinen Bieterschutz garantieren und die AS nicht – quasi in Prozessstandschaft – fremde Rechte der Versicherten und Krankenkassen im eigenen Namen geltend machen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 30.01.2009 – L 21 KR 1/08 SFB und Beschluss vom 28.04.2009 – L 21 KR 40/09 SFB).
Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Erstellt am: 15.05.2009
Zuletzt verändert am: 15.05.2009