Rev. der Kl. gegen Urteil LSG wird zurückgewiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2009.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen ein Risikostrukturausgleichs (RSA) statt. In seiner ursprünglichen Gestaltung wurde die Morbidität der Versicherten indirekt über die Merkmale Alter, Geschlecht und Bezug einer Erwerbsminderungsrente berücksichtigt (§ 266 Abs. 1 Satz 2 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab 1994 geltenden Fassung). Damit wurden die zwischen den Krankenkassen bestehenden Morbiditätsunterschiede nur unzureichend berücksichtigt und Anreize für die Krankenkassen zur (unerwünschten) Risikoselektion durch Ausrichtung ihrer Geschäftspolitik an der Gewinnung "guter" Risiken gesetzt (vgl. BT-Drucks. 14/6432, 8). Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl. I, 3465) wurde in § 268 SGB V bestimmt, dass die Versichertengruppen nach § 266 Abs. 1 SGB V und die Gewichtungsfaktoren nach § 266 Abs. 2 SGB V vom 01.01.2007 an nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden seien, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtige (sog. Morbi-RSA). Dabei wurden in 268 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-5 SGB V allgemeine Vorgaben für die Bildung der Morbiditätsgruppen gemacht. Abs. 2 Satz 1 a.a.O. räumt dem (jetzt) Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Ermächtigung ein, durch Rechtsverordnung nach § 266 Abs. 7 SGB V "das Nähere zur Umsetzung der Vorgaben nach Absatz 1" zu regeln.
Das Inkrafttreten des Morbi-RSA wurde zunächst auf den 01.01.2009 verschoben. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I, 378) wurden die Anforderungen an die Klassifikationsmerkmale in § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V in den Nummern 4 und 5 geändert und erhielten die heutige Fassung (Art. 1 Nr. 180 a GKV-WSG). Zugleich wurde § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) durch Art. 38 Nr. 6 GKV-WSG in die RSAV eingefügt. Dessen Abs. 1 gibt nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50 – 80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung "die nach Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zu Grunde zu legenden Morbiditäts-Gruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen" fest.
Seit dem 01.01.2009 werden die Versichertengruppen nach folgenden Merkmalen abgegrenzt (§ 29 RSAV):
– Morbiditätsgruppen (Nr. 1)
– Erwerbsminderung, differenziert nach Alter und Geschlecht (Nr. 2)
– Alter und Geschlecht (Nr. 3)
– sowie für Krankengeld nach Gruppen gemäß § 267 Abs. 2 Satz 2 SGB V (differenziert nach dem Umfang des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld)
– sowie zusätzlich differenziert nach Alter und Geschlecht (Nr. 4).
Der Wissenschaftliche Beirat ging in seinem Gutachten für die Auswahl der Krankheiten vom Dezember 2007 von einem Klassifikationsmodell aus dem US-amerikanischen Gesundheitswesen aus, das zusammenhängend medizinische Diagnosen über alle ICD-Gruppen hinweg berücksichtigt. Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat das BVA die schwerwiegenden und kostenintensiven Krankheiten festgelegt, die im Klassifikationsmodell berücksichtigt werden. Bei dem zu Grunde gelegten Modell werden zunächst die ICD-10-Codes für die ausgewählten 80 Krankheiten zu klinisch homogenen diagnostischen Gruppen – Dx-Gruppen – zusammengefasst. Die Dx-Gruppen werden dann zu Morbiditätsgruppen (MG) zusammengefasst, die aus einer oder mehreren Dx-Gruppen bestehen und einen vergleichbaren Ressourcen- und Behandlungsaufwand erwarten lassen. Im letzten Schritt werden dann die Morbiditätsgruppen zu hierarchisierten Morbiditätsgruppen (HMG) weiter entwickelt, indem der klinische Schweregrad der Erkrankung und deren Kostenträchtigkeit in hierarchischer Anordnung berücksichtigt werden. Die Zuordnung der Versicherten zu einer der HMG erfolgt durch einen vom BVA festgelegten Algorithmus. Insgesamt werden im RSA im Jahr 2009 106 Morbiditätsgruppen in 25 Krankheitshierarchien sowie 40 Alters-, Geschlechtsgruppen (AGG) und 6 Erwerbsminderungsgruppen (EMG) berücksichtigt; für diese 152 Risikogruppen werden Zu- und Abschläge ermittelt. Daneben gibt es noch gesonderte Gruppen für Auslandsversicherte und Versicherte, die das Kostenerstattungsverfahren (§§ 13 Abs. 2, 53 Abs. 4 SGB V) gewählt haben.
Die Festlegung der zu berücksichtigenden Krankheiten erfolgte mit Bekanntgabe vom 13.05.2008 (in der Fassung der Änderungsbekanntgabe vom 29.05.2008). Die weiteren Festlegungen der hierarchisierten Morbiditätsgruppen nebst Zuordnungsalgorithmus und Regressions- und Berechnungsverfahren erfolgten mit Bekanntgabe vom 03.07.2008. Die Festlegung der Krankheiten sowie des Klassifikationsmodells ist einschließlich des Anhörungsverfahrens dokumentiert auf der Homepage des BVA unter: Risikostrukturausgleich – Festlegungen – Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2009.
Die Klägerin hat am 03.02.2009 gegen den Grundlagenbescheid I/2009 und den Zuweisungsbescheid für den Monat Januar 2009 vom 01.01.2009 Klage erhoben. Sie hat die im Laufe des Verfahrens ergangenen weiteren Grundlagen-, Zuweisungs- und Korrekturbescheide sowie den Jahresausgleichsbescheid 2009 vom 16.11.2010 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Die Bescheide seien mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig. Sie verfolge primär das Ziel, verfassungskonforme höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erlangen. Einen konkreten Verpflichtungsantrag könne sie auf der Grundlage des ihr zur Verfügung stehenden Datenmaterials nicht stellen, dazu benötige sie die dem BVA vorliegenden Daten der GKV-Stichprobe. Nach ihren Berechnungen belaufe sich die Belastung durch den Morbi-RSA auf ca. 336 Millionen Euro.
Die Klägerin rügt, dass § 268 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 31 RSAV mit Art. 80 Abs. 1 Satz 4 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar sei, weil die maßgeblich inhaltliche Ausgestaltung des Klassifikationsmodells dem BVA überlassen werde. Eine Subdelegation gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG sehe § 268 Abs. 2 SGB V nicht vor. Gestützt auf ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten von Prof. Dr. Peter Huber zur "Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" vom 28.07.2009 (im Folgenden: Huber) macht sie geltend, § 31 Abs. 4 RSAV sei nichtig, weil die Bestimmung gegen die "besonderen Verfahrensvoraussetzungen" des § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) verstoße, wonach ein einvernehmlicher Vorschlag der Spitzenverbände der Krankenkassen in den Verordnungserlass einzubeziehen sei. Dem gegenüber verlange § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV nur eine Anhörung. Auch wenn § 31 Abs. 4 RSAV durch den parlamentarischen Gesetzgeber eingeführt worden sei, sei dieser an die Ermächtigungsgrundlage gebunden, so dass § 31 Abs. 4 RSAV in unzulässiger Weise von der Vorgabe des § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V abweiche. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2005 (BVerfGE 113, 167, Hinweis auf juris Rdn. 82) ergebe sich, dass dem Beteiligungsrecht der Krankenkassen in § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V ein erhebliches Gewicht zukomme. Die besonderen Verfahrensvoraussetzungen hätten im Hinblick auf die notwendige Vorhersehbarkeit des Inhalts einer Rechtsverordnung demnach ein erhebliches Gewicht.
Ferner sieht die Klägerin eine unzulässige Änderung der Regelungszuständigkeit und der Regelungsform. Nach § 268 Abs. 2 SGB V müsse das Klassifikationsmodell einschließlich des Berechnungsverfahrens vom BMG durch Verordnung bestimmt werden. Hiervon weiche § 31 Abs. 4 RSAV in unzulässiger Weise ab. Das BVA regle nicht nur technische Fragen, sondern treffe auf der Grundlage des Vorschlags des Wissenschaftlichen Beirats die maßgeblichen Feststellungen, für die § 31 RSAV nur wenige konkretisierende Vorgaben enthalte. Soweit die Beklagte meine, die "Regelung des Näheren" sei von den "Festlegungen" zu unterscheiden, bleibe sie die Antwort schuldig, welche Normen, wenn nicht die Festlegungen des BVA die maßgeblichen Regelungen zur Durchführung des Morbi-RSA und damit zur Umsetzung der Vorgaben des § 268 Abs. 1 SGB V träfen. Der von der Beklagten behauptete "systemische Zusammenhang" der Festlegungen mit den Aufgaben des BVA zur Verwaltung des Gesundheitsfonds zur Durchführung des RSA bestehe nicht. Bei den vom BVA getroffenen Festlegungen handele es sich nicht lediglich um technische Einzelheiten, sondern um normativ geprägte Entscheidungen mit großer finanzieller Relevanz. Es sei auch nicht zu erkennen, inwiefern nicht der Verordnungsgeber auf der Grundlage der vom BVA zusammengestellten und aufbereiteten Daten hätte festlegen können, welche Parameter in welcher Form und mit welchem Gewicht zu berücksichtigen seien. Im Übrigen zeige der Vergleich mit dem Umweltrecht, dass der Verordnungsgeber sehr wohl zum Erlass auch umfangreicher komplizierter technischer Regelungen in der Lage sei. Da die Regelungen zum Gesundheitsfonds mittelbare Grundrechtsrelevanz hätten, bedürften die Festlegungen zum Klassifikationsmodell eines hinreichenden Maßes demokratischer Legitimation, an dem es hier mangele.
Außerdem meint die Klägerin, die Weiterentwicklung des RSA verstoße gegen den rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil der Morbi-RSA in der Ausformung der §§ 29, 31 RSAV und der Festlegungen des BVA nicht geeignet sei, die verfolgten Ziele zu erreichen. Der Gesetzgeber habe eine offensichtlich unzutreffende Prognose hinsichtlich der Eignung des Morbi-RSA zur Erreichung der damit verfolgten Ziele Solidarität und Wettbewerb getroffen. Das Gesetz selbst sei strukturell defizitär, weil so weit gehende Manipulationsmöglichkeiten eröffnet seien, dass von einem fairen Wettbewerb nicht mehr gesprochen werden könne. Dabei könne ihr nicht entgegen gehalten werden, dass der RSA von Körperschaften des öffentlichen Rechts durchgeführt werde, die unter staatlicher Aufsicht stünden und bei denen von einer Bindung an Gesetz und Recht ausgegangen werden müsse. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen befürworte und durch die Einführung der Insolvenzfähigkeit sogar intensiviert habe. Von daher verhielten sich die Krankenkassen rational, wenn sie durch den RSA eröffnete Spielräume nutzten. Es bleibe offen, ob der später eingefügte § 273 SGB V Manipulationsversuchen wirksam begegnen könne, was sie bezweifle.
Die strukturellen Defizite bestünden auf folgenden Gebieten: So bestünden Manipulationsmöglichkeiten bei der Meldung ambulanter Diagnosen. Es sei seit Jahren bekannt, dass Unschärfen bei der Diagnoseverschlüsselung im ambulanten Bereich bestünden. Zwar habe sich die Kodierqualität im Vorfeld der Einführung der morbiditätsbasierten Regelleistungsvolumina im ambulanten Bereich verbessert, jedoch könne nach wie vor nicht von einer gesicherten Qualität der Diagnosen ausgegangen werden. Es gebe auch Hinweise auf eine systematische Fehl- bzw. Hochkodierung, die auf die Praxis-Software zurückzuführen sei. Erschwerend komme hinzu, dass von Ärztegruppen die Meldung ordnungsgemäßer Diagnosen mit den seitens der Ärzteschaft gewünschten Ergebnissen bei Vergütungsverhandlungen verknüpft würde. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Praktikabilität und Kontrollierbarkeit des RSA habe der Gesetzgeber schon vor der Einführung des Morbi-RSA klare Regelungen zur Kodierung von Diagnosen treffen müssen, um einerseits Fehlern und Manipulationsmöglichkeiten vorzubeugen und andererseits eine solide Datenbasis zu schaffen. Es bestehe derzeit kein Verfahren, das die Meldung von Diagnosen aus zuverlässigen Quellen sicherstelle. Die vorgesehene Einführung verbindlicher Kodierrichtlinien sei zunächst immer wieder hinausgeschoben worden; mittlerweile stehe fest, dass nach Streichung der Verpflichtung zur Einführung von Kodierrichtlinien durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz auch in Zukunft klare Vorgaben für eine einheitliche Kodierung der Diagnosen in der ambulanten Versorgung fehlten. Schon im Vorfeld der verzögerten Einführung der Kodierrichtlinien hätten der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Feststellung getroffen, dass eine qualitätsgesicherte Dokumentation der ambulanten Diagnosen nach der ICD-10-GM nicht vorliege. Dass eine ausreichende Qualität der gängigen Kodierpraxis nicht gegeben sei, ergebe sich nunmehr aus einer Studie des IGES-Instituts, dass dieses im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes in Kooperation mit der BarmerGEK erstellt habe. Das Gutachten gelange zu der Schlussfolgerung, dass bei allen untersuchten Erkrankungsbildern eine Gleichzeitigkeit sowohl von Über- als auch von Unterkodierungen zu beachten sei. Alles in allem weckten die Ergebnisse erhebliche Zweifel, dass die vertragsärztlichen Diagnosen ein zutreffendes Bild von der tatsächlichen bzw. der tatsächlich behandelten Morbidität gäben. Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Klägerin davon ausgehe, dass es zulässig gewesen sei, bei Einführung des Morbi-RSA auf die Existenz ambulanter Kodierrichtlinien zu verzichten, belege die jetzige Streichung, dass der Gesetzgeber gegen seine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten verstoßen habe.
Andererseits gebe es Bestrebungen von Krankenkassen, zu ihren Gunsten auf das Kodierverhalten der Ärzte Einfluss zu nehmen. Dazu hat die Klägerin auf zahlreiche "Manipulationsversuche" in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein verwiesen und hierzu Unterlagen vorgelegt. Diese Manipulationsversuche seien systembedingt und jedenfalls ihrem Wesen nach vorhersehbar gewesen. Dass solche Aktivitäten auch nach Ansicht des BVA rechtswidrig seien, ändere nichts daran, dass der Morbi-RSA in der derzeitigen Ausgestaltung nicht zur Erreichung der intendierten Ziele geeignet sei. Insoweit gebe es auch keine einheitliche Aufsichtspraxis, was zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen landesunmittelbaren- und bundesunmittelbaren Krankenkassen führe.
Auch im stationären Bereich gebe es Manipulationsmöglichkeiten. Eine stationäre Diagnose führe immer zu einer Zuordnung in eine HMG. Die Meldung sei auch nicht auf Hauptdiagnosen beschränkt, die Anlass der Behandlung gewesen seien, sondern erfasse auch Nebendiagnosen, die "leicht manipulierbar" seien. Die Angabe einer Nebendiagnose könne auch im Entlassungsbericht erfolgen. Insoweit sei ein "Diagnosehandel" zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern denkbar. Selbst wenn der Rechnungsbetrag sich erhöhe, könne dies durch den Morbiditätszuschlag gegebenenfalls überkompensiert werden. Tatsächlich böten externe Dienstleister mittlerweile eine gezielte Beratung für die Auswertung von Patientenakten an, was das BVA gegenüber den seiner Aufsicht unterstehenden Kassen als unzulässig bezeichnet habe. Entsprechende Reaktionen von Landesbehörden seien nicht bekannt.
Die Möglichkeit für Manipulationen gebe es auch bei der Bewilligung von Kuranträgen, es bestehe die Gefahr, dass die Krankenkassen die Bewilligung eines Antrags an solche Diagnosen knüpften, die Zuschläge auslösten. Im Ergebnis führten die Manipulationsmöglichkeiten dazu, dass die Höhe der Zuweisungen nicht zuletzt vom Verhalten Dritter abhänge.
Manipulationsmöglichkeiten bestünden schließlich bei den Leistungsausgaben der Satzart (SA) 100, bei der die Stichprobe zu einer systematischen Untererfassung der Leistungsausgaben von etwa 5 % führten. Die Untererfassung werde dadurch korrigiert, dass alle Zuschläge proportional erhöht würden. Dies bevorzuge Kassen mit einem höheren Risikofaktor. Dadurch bestehe für Kassen mit hoher Morbidität ein Anreiz, Leistungsausgaben "nicht oder nicht mit der notwendigen Sorgfalt" zu melden.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2005 habe noch § 268 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 10.12.2001 gegolten, wonach die Klassifikationsmerkmale "praktikabel und kontrollierbar" sein müssten. Hierauf habe das Bundesverfassungsgericht maßgeblich abgestellt (Hinweis auf BVerfGE a.a.O., juris Rdn. 262). Obwohl somit diese Vorgabe "wesentliche Systemvoraussetzung" für die Einführung des Morbi-RSA gewesen sei, habe der Gesetzgeber ohne Begründung die Bestimmung gestrichen, er habe "Relevanz und Tragweite" seiner Entscheidung offenbar nicht erkannt. Angesichts des immensen Volumens von 155 Milliarden Euro der risikojustierten Zuweisungen seien "höchst mögliche" Anforderungen an die Prognoseentscheidung des Gesetzgebers zu stellen. Die von ihr geschilderten Unregelmäßigkeiten seien keine Einzelfälle, sondern belegten, dass die in Frage stehenden Regelungen grundsätzlich ungeeignet seien, die Zielvorstellung des Gesetzgebers zu erreichen.
Die Klägerin rügt außerdem, dass es für die Weiterentwicklung des RSA an einer ausreichenden Datenbasis fehle. Insoweit verweist sie auf Ausführungen des BSG im Urteil vom 24.01.2003 (SozR 4-2400 § 266 Nr. 1) und meint, den Anforderungen des BSG an eine sichere Datengrundlage und Transparenz sei nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Insoweit weist die Klägerin zum einen auf die – aus ihrer Sicht bestehenden – Manipulationsmöglichkeiten, zum anderen eine Reihe von Unzulänglichkeiten bei den Daten. So gebe es eine unplausibel hohe Zahl von HIV-Diagnosen durch Augenärzte, die auf fehlerhafte Praxissoftware zurückzuführen sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei das Problem noch nicht behoben. Die Unzulänglichkeit der Daten zeige sich auch daran, dass die Daten von 44 Kassen für die Berechnung der Zuschläge nicht verwendet werden können; dies betreffe ein Viertel der Kassen mit 8 % der Stichprobenversicherten. Durch die Kassenausschlüsse werde jedoch eine Verzerrung generiert, da die ausgeschlossenen Kassen in ihrer Zusammensetzung nicht dem GKV-Durchschnitt entsprächen. Als weiteres Beispiel für die unzureichende Datengrundlage nennt die Klägerin die doppelten Versicherungsverhältnisse. Nach aktuellen Ergebnissen seien zur Zeit rund 200.000 Versichertenverhältnisse in der GKV doppelt gemeldet. Das Clearingverfahren führe in den Fällen, in denen bei dem Kassenwechsel ein Alters- oder Geschlechtswechsel in den Daten erfolgt sei, nach der Bereinigung dazu, dass das BVA den aktuellen Datensatz mit der früheren Meldung abgleiche und im Falle eines Wechsels den Datensatz streiche. Damit bekomme eine Kasse für das gestrichene Versichertenpseudonym keine Zuweisungen. Im Jahresausgleich 2009 habe das BVA bei ihr 368 Pseudonyme gestrichen, auf die rund 188.000,- Euro Leistungsausgaben entfallen seien. Als weiteres Beispiel führt die Klägerin an, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bremen fehlerhafte Daten gemeldet habe, die vom BVA durch Hochrechnungen korrigiert worden seien. Dies führe wiederum zu verzerrten Regressionsgewichten und damit verzerrten Zu- und Abschlägen. Außerdem hält die Klägerin die Zahl der Auslandsversicherten im Vergleich mit der amtlichen Statistik KM 6 für unplausibel hoch. Auch die Beklagte habe insoweit Erfassungsprobleme für das Jahr 2009 eingeräumt. Dass sich diese Probleme im Jahre 2011 nicht wiederholen dürften, könne nicht als Argument für die Richtigkeit der Daten im Jahresausgleich 2009 gelten. Auch unter Berücksichtigung des Unterschieds zwischen tagegenauer Erhebung und Stichtagserhebung müsse systembedingt die Zahl der gemeldeten Auslandsversicherten unter der in der Statistik gemeldeten Zahl der Auslandsversicherten liegen. Problematisch sei auch das Fehlen einheitlicher KV-Nummern, die erforderlich seien, um eine Zusammenführung der Versicherten beim BVA zu ermöglichen. Diese müssten von der Krankenkasse erst für jeden einzelnen Versicherten beschafft werden. Durch "unterschiedliche Intensität" bei der Beschaffung der bundeseinheitlichen KV-Nummern könnten Krankenkassen mit Versichertenabgängen die Zuweisungen der Kassen mit Versichertenzugängen beeinflussen. Außerdem seien für Kassenwechsler signifikant weniger Diagnosen von den abgebenden Krankenkassen gemeldet worden als für Bestandsversicherte. Dieser Effekt könne auf die fehlenden einheitlichen KV – Nummern sowie eine systematische Nicht-Meldung von Diagnosen für ehemalige Versicherte zurückgeführt werden. Ihr lägen zwar keine Anhaltspunkte dafür vor, dass vorsätzlich die abgebenden Kassen nicht alle zuschlagsrelevanten Diagnosen meldeten, für ein geordnetes Verfahren sei die Abhängigkeit der Zuweisungen einer Krankenkasse von der Meldepolitik anderer Kassen aber ungenügend.
Wenn man von der Verfassungsmäßigkeit des Morbi-RSA ausgehe, seien die Bescheide jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV gegen die Vorgaben der Verordnung verstießen, das BVA eine Korrekturmeldung zur SA 500 rechtswidrig nicht entgegen genommen habe und im Jahresausgleichsbescheid von der 14. Bekanntmachung abweichende landesbezogene Anpassungsbeträge berücksichtigt habe. Insoweit habe eine Verurteilung der Beklagten im Wege eines Bescheidungsurteils zu erfolgen. Gehe man davon aus, dass nur die Festlegungen rechtswidrig seien, seien diese entsprechend anzupassen bzw. zu ändern. Im Rahmen dieser Festlegungen dürfte dem BVA ein Beurteilungsspielraum verbleiben, so dass ein Bescheidungsurteil statthaft sei.
Die Krankheitsauswahl genüge nicht den Vorgaben des § 31 Abs. 1 RSAV. Die Auslegung des Krankheitsbegriffs stehe mit § 31 Abs. 1 Satz 4 RSAV nicht in Einklang, weil – entsprechend der Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats – Krankheit als Gruppierung von ein oder mehreren Dx-Gruppen definiert werde. Damit würden nicht Krankheiten, sondern Krankheitsgruppen gebildet und nicht, wie von § 31 Abs. 1 Satz 4 RSAV gefordert, 50 – 80 "eng abgrenzbare" Krankheiten ausgewählt. In vielen Fällen seien unterschiedliche Fallkonstellationen zu einer Krankheit zusammengefasst worden, wofür die Klägerin einige Beispiele nennt (rheumatoide Arthritis und entzündliche Bindegewebskrankheiten (Krankheit 26), schwerwiegende Erkrankungen der Blutbildung und Blutgerinnung (Krankheit 30), Morbus Parkinson und andere Basalganglien-Erkrankungen (Krankheit 48)). Auch die Ausführungen der Beklagten in der Dokumentation der Krankheitsauswahl seien nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Krankheitsauswahl zu belegen.
Zudem entspreche die berücksichtigte Prävalenz nicht den Vorgaben der RSAV. Die Prävalenzgewichtung führe unter Zugrundelegung der Wurzelfunktion zu einer verstärkten Berücksichtigung häufiger, aber wenig kostenintensiver Krankheiten. Dagegen verlange § 31 Abs. 1 Satz 3 RSAV eine personen- bzw. fallorientierte Betrachtung. Die Vorschrift meine somit eine Orientierung an den kostenintensiven Einzelfällen. Soweit in der Gesetzesbegründung davon die Rede sei, die Auswahl der Krankheiten solle sich auf solche erstrecken, die für das Versorgungsgeschehen von besonderer Bedeutung seien und wesentlichen Einfluss auf die Kostenbelastung der Krankenkassen hätten, stehe dies einer derartigen Auslegung nicht entgegen. Wenn die Beklagte davon ausgehe, dass bei einem solchen Vorgehen kein ausreichend hohes Maß an Zielgenauigkeit im Risikostrukturausgleich erreicht werde, übersehe sie, dass der Gesetzgeber Vorgaben für die erforderliche Zielgenauigkeit gegeben habe. In der Begründung zu § 31 Abs. 1 RSAV werde gefordert, dass die Prognosegüte des Modells den Wert von 12 % bezogen auf die Messgröße R² nicht unterschreite. Es werde somit kein Maximum an Prognosegüte gefordert, sondern eine Prognosegüte von 12 % für ausreichend gehalten. Auch dies zeige, dass der Gesetzgeber nicht auf die Berücksichtigung von weit verbreiteten, im Einzelfall aber kostengünstigen Volkskrankheiten abgezielt habe, sondern auf die Berücksichtigung von schweren und auch im Einzelfall kostenintensiven Krankheiten.
Weiter rügt die Klägerin, dass die vorgelegte Liste von Arzneimitteln nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Aus § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RSAV ergebe sich, dass eine die Zuordnung ermöglichende vollständige Arzneimittelliste habe erstellt werden müssen. Der Beirat habe eine Zuordnung der Arzneimittelwirkstoffe für alle Krankheiten vornehmen müssen. Dies sei nicht geschehen, die vom BVA vorgelegte Liste der Arzneimittel sei unvollständig. Schließlich habe das BVA auch kein Klassifikationsmodell festgelegt, dessen Einsatzfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung wissenschaftlich untersucht und bestätigt worden sei. Zwar sei es notwendig gewesen, das aus dem US-amerikanischen Gesundheitswesen übernommene Klassifikationsmodell den deutschen Verhältnissen anzupassen, das BVA sei jedoch darüber hinausgegangen, was insbesondere für die veränderte Zuordnung von ICD-Codes zu Dx-Gruppen gelte.
Zur Rüge der Nichtentgegennahme einer Korrekturmeldung der SA 500 trägt die Klägerin vor, sie habe im Juli 2010 eine Korrekturmeldung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 RSAV abgegeben, nachdem die Datenmeldung für das Berichtsjahr teilweise fehlerhaft erstellt worden sei. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 RSAV sei eine Korrektur bis zum 15. August des zweiten auf das Berichtsjahr folgenden Jahres durch eine Neumeldung zu korrigieren. Diese Frist sei noch nicht abgelaufen gewesen, gleichwohl habe das BVA diese nicht angenommen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass in der Bestimmung nach § 267 Abs. 7 Nr. 1 und 2 SGB V (dort § 27 Abs. 2) eine Korrekturmeldung bis zum 15.06. zu erfolgen habe. Die Auffassung der Beklagten, diese Bestimmung sei die speziellere und gehe daher der Frist des § 30 Abs. 4 Satz 2 RSAV vor, gehe fehl, weil § 267 Abs. 7 Nr. 1 und 2 SGB V den GKV-Spitzenverband nicht dazu ermächtige, Fristen oder Stichtage für Datenerhebungen zu bestimmen. Eine solche Ermächtigung sehe nur § 266 Abs. 7 Nr. 6 und 7 SGB V vor. Die Beklagte handele im Übrigen widersprüchlich, denn sie habe im Verfahren zum Ausgleichsjahr 2010 von anderen Kassen eine verspätete Datenlieferung der SA 700 nach Fristablauf entgegengenommen.
Außerdem weist die Beklagte darauf hin, dass in der 14. Bekanntmachung andere landesbezogene Anpassungsbeträge je Versichertentag genannt worden seien. Mit den Werten aus dieser Bekanntmachung hätte ihre Zuweisung 50.501,35 Euro höher ausfallen müssen. Erst mit Schreiben vom 23.11.2010 seien mit der 15. Bekanntmachung die landesbezogenen Anpassungswerte nachträglich an die bereits im Jahresausgleich angesetzten Werte angeglichen worden. Sie könne nicht beurteilen, welche Werte zutreffend seien, dies zeige auch die Intransparenz des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.11.2010 zu verurteilen, ihr verfassungskonform höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.11.2010 zu verurteilen, ihr höhere Zuweisungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts aus dem Gesundheitsfonds zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
§ 31 Abs. 4 RSAV sei entgegen der Meinung der Klägerin nicht verfassungswidrig. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Rechtsgutachten die Nichteinhaltung der besonderen Verfahrensanordnung des § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V rüge, übersehe sie, dass sich aus dem Vorrang des Gesetzes auch ergebe, dass der Gesetzgeber ein legislatives Zugriffsrecht auf den Erlass einer Verordnung habe. Diesem legislativen Zugriffsrecht liefe es zuwider, könne das Parlament nicht oder nur in Abhängigkeit von den an den Erlass der Verordnung geknüpften Voraussetzungen agieren. Weder die Klägerin noch der Gutachter berücksichtigten, dass der Gesetzgeber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur das einheitlich für das Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Verfahren einzuhalten habe, auch wenn er gleichzeitig Verordnungsrecht ändere. § 268 Abs. 2 SGB V gelte allein für den Erlass einer Verordnung. Im Übrigen habe die gemeinsame Stellungnahme der Spitzenverbände gerade keinen gemeinsamen Vorschlag enthalten, ein solcher sei seitens der Verbände nicht zustande gekommen. Sie seien gleichwohl umfassend angehört worden und hätten sich entsprechend unterschiedlich geäußert. Dass ein für den Verordnungsgeber relevanter Vorschlag dem Gesetzgebungsverfahren hätte vorausgehen müssen, wäre mit dem Initiativ- und Zugriffsrecht des Parlaments nicht vereinbar.
Eine unzulässige Subdelegation liege nicht vor. Die Klägerin fingiere aber bei ihrer Argumentation zum Wechsel der Regelungszuständigkeit eine Subdelegation und setze dabei fälschlich Regelungen mit Festlegungen gleich. § 31 RSAV bestimme, wie und in welchem Kontext die Festlegungen zu erfolgen hätten. Die Vorschrift beinhalte damit erkennbar das "Nähere zur Umsetzung der Vorgaben des § 268 Abs. 1 SGB V". Die Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV seien dem gegenüber untergeordnet. Die Klassifikationsmerkmale seien in § 268 Abs. 1 SGB V bereits maßgeblich normativ vorgeprägt, außerdem enthielten §§ 29 ff. RSAV eine Fülle von Konkretisierungen. Auch spreche die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG hinsichtlich der Festlegung des Algorithmus, der Zuordnung der Versicherten und das Verfahren der Regressionsrechnung zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren von weiteren "technischen Festlegungen". Bereits mangels Identität der Regelungen des Näheren zur Umsetzung der Vorgaben nach § 268 Abs. 2 SGB V mit den Festlegungen könne weder von einer Änderung der Regelungszuständigkeit noch einer Änderung der Regelungsform gesprochen werden. Im Übrigen bestehe ein "systemischer Funktionszusammenhang" von Festlegungen und Aufgaben des BVA. Als nunmehr integraler Bestandteil des Gesundheitsfonds führe das BVA den RSA durch. Es erhalte insoweit Daten, von denen ausgehend Kostenintensität und Chronizität von Krankheiten ermittelt werden könnten. Die Festlegung nach § 31 Abs. 4 RSAV erforderten die Kenntnis der Struktur der Datensätze und ihrer Aufbereitung, damit programmartige Festsetzungen überhaupt operabel seien. Zudem normiere bereits § 29 RSAV die Grundsätze der Weiterentwicklung und überantworte die Festlegung des Klassifikationsmodells dem BVA. Damit seien die Festlegungen nicht nur normativ, sondern auch systematisch bzw. funktionsbezogen als eine Durchführungsaufgabe für das BVA vorgeprägt. Mangels Normsetzung bestehe auch kein Legitimationsdefizit. Die materielle Legitimation werde über die Bindung an das Gesetz und die Eingliederung des BVA in die Behördenorganisation vermittelt. Über die gesetz- und verordnungsgeberische Grundentscheidung werde auch das für die "Wichtigkeit" der Entscheidung korrespondierende Legitimationsniveau hinreichend verwirklicht. Ohnehin bestünden die behaupteten Wirkungen der Festlegungen für die Grundrechtsträger nicht. Für die Beitragsbelastung des Versicherten spiele es keine Rolle, ob er einem Klassifikationsmerkmal unterfalle oder nicht. Der individuelle Finanzbedarf einer Krankenkasse bestimme sich auch nicht nach einer guten Risikostruktur sondern danach, ob und wie sie ihre Leistungsausgaben angesichts standardisierter Mittelzuweisungen decken könne. Es sei nicht zu erkennen, wie von einer mittelbaren Grundrechtsrelevanz auszugehen sein solle, die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlich sein könnte, wenn Zusatzbeiträge wesentlich von der individuellen Kostenstruktur einer Krankenkasse abhingen. Außerdem sei ein grundrechtlich fundierter Schutz vor Zusatzbeiträgen kaum denkbar. Unter dem Gesichtspunkt des demokratischen Prinzips sei auf die besondere Einbindung der Verbände in das Verfahren sowohl hinsichtlich der Krankheitsauswahl als auch der weiteren Festlegungen hinzuweisen.
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht zu erkennen. Die Klägerin sei weder Trägerin von Grundrechten noch sei ihr Selbstverwaltungsrecht verfassungsrechtlich verankert. Das Bundesverfassungsgericht habe zum Alt-RSA offen gelassen, ob überhaupt eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit in Betracht käme, habe jedoch die Vereinbarkeit der alten Regelungen selbst nach strengen Maßstäben bejaht. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes bestehenden Verhältnisse eine offensichtlich fehlerhafte Prognose gestellt hätte. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich die Berücksichtigung von Erfahrungen mit Klassifikationsmodellen verlangt (§ 268 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Er sei sich seiner Beobachtungs- und ggf. Nachbesserungspflicht nicht nur bewusst gewesen, sondern habe diese mittels §§ 29, 31 RSAV geradezu institutionalisiert. Die Behauptung der Klägerin, das Bundesverfassungsgericht habe bei seiner Entscheidung die Praktikabilität und Kontrollierbarkeit als wesentliche Voraussetzung für die Weiterentwicklung des RSA angesehen, sei unzutreffend, weil die Klägerin diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts aus ihrem Zusammenhang herauslöse. Das Gericht habe darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber zwischen den Polen Gewährleistung des Solidarausgleichs (was die Berücksichtigung möglichst vieler Ausgleichsfaktoren bedeute) und Praktikabilität eine Entscheidung habe treffen müssen, die in Gestalt des Reformgesetzes gefallen sei.
Was die von der Klägerin angesprochenen Manipulationsmöglichkeiten anbelange, so dürften im Bereich der ambulanten Leistungen allein die zu Abrechnungszwecken erfassten und übermittelten Diagnosen nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemeldet werden, die gemäß § 295 Abs. 1 Satz 2 SGB V nach den Vorgaben des ICD 10 GM – Katalogs kodiert worden seien. Es bestehe daher eine unzweideutige Pflicht der Ärzte zur Diagnosekodierung, die im Übrigen von berufsständischen Vorgaben flankiert würden. Zwar seien verbindliche Richtlinien im Hinblick auf die Behandlung in Zweifelsfällen hilfreich, gleichwohl sei von einer ausreichenden Qualität der gängigen Kodierpraxis auszugehen. Entgegen der Darstellung der Klägerin werde die Gesetzeslage von Seiten der Aufsichtsbehörden der Länder auch nicht unterschiedlich bewertet. Es bestehe Einigkeit, dass Aktivitäten des Nachbesserns in Widerspruch zum Datenschutzrecht stünden und sich insbesondere nicht auf § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 SGB V stützten ließen. Auch im stationären Bereich dürften nur die konkret leistungs- und abrechnungsrelevanten Diagnosedaten gemeldet werden. Fehlverhalten einzelner Krankenkassen könne mit aufsichtsrechtlichen Mitteln begegnet werden. Was die Manipulationsmöglichkeiten bei Leistungsausgaben (SA 700) anbelange, treffe zwar zu, dass es zu einer systematischen Untererfassung von etwa 5 % komme. Dies werde durch ein Hochrechnungsverfahren, das wissenschaftlich anerkannt sei, korrigiert. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit dies zusätzliche Manipulationsanreize schaffe, die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin seien unplausibel und die Manipulationsmöglichkeiten als theoretisch und konstruiert zu bezeichnen.
Zum "Diagnosehandel" im stationären Bereich hat die Beklagte außerdem darauf hingewiesen, dass die zusätzliche Kodierung von Nebendiagnosen sofort Vergütungsansprüche auslöse, während zu diesem Zeitpunkt die Kasse noch nicht wissen könne, in welcher Höhe sie dadurch ggf. Zuschläge erlösen werde. Außerdem erhalte sie die Zuschläge, da es sich um ein prospektives Verfahren handele, auch nur, wenn der Versicherte in der Zukunft noch bei ihr versichert sei.
Zum Vorwurf mangelhafter Datengrundlagen führt die Beklagte aus, aus den von der Klägerin zitierten Ausführungen des BSG lasse sich kein Beurteilungsmaßstab für die Regelung des Morbi-RSA heranziehen. Soweit die Klägerin die Datensicherheit zur Vermeidung von "Härten und Ungerechtigkeiten" verlange, sei darauf hinzuweisen, dass in dem Jahresausgleichsbescheid 2009 Zuweisungen in Höhe von 14,066 Milliarden Euro festgesetzt worden seien. Denen stünden nach der Jahresrechnung der Klägerin für das Jahr 2009 Gesamtausgaben in Höhe von 13,633 Milliarden Euro gegenüber. Der Klägerin sei es also möglich gewesen, sogar Überschüsse zu erwirtschaften.
Was die Frage der HIV-Diagnosen durch Augenärzte betreffe, handele es sich offensichtlich nicht nur um ein Phänomen, das auf ein bestimmtes Software-Produkt zurückzuführen sei. Allerdings bleibe offen, inwiefern es sich tatsächlich um Falschdiagnosen gehandelt habe. Auch wenn eine gewisse Auffälligkeit nicht abzusprechen sei, bleibe offen, ob insoweit ein die Validität beeinträchtigendes grundsätzliches Datenproblem bestehe.
Zum Ausschluss der Daten von 44 Kassen bei der Berechnung der Zuschlagshöhen sei darauf hinzuweisen, dass die Datenverantwortung nach wie vor bei den Krankenkassen liege (§ 267 Abs. 1 – 3 SGB V). Unverändert bestehe keine eigene Amtsermittlungspflicht des BVA. Die Bereinigung durch statistische Berechnungsverfahren entspreche den gesetzlichen Vorgaben (§ 5 Abs. 3 RSAV).
Die Problematik der doppelten Versicherungsverhältnisse sei nicht in einer Weise systemrelevant, dass davon gesprochen werden könne, es liege keine ausreichend valide Datenbasis vor. Die Löschung eines Datensatzes erfolge nur dann, wenn ein Versicherter von mehreren Krankenkassen als am letzten Tag des Berichtszeitraums bei der Krankenkasse versichert gemeldet worden war. Das Plausibilitätskonzept sei vorab mit dem GKV-Spitzenverband abgestimmt worden.
Zur fehlerhaften Meldung der KV Bremen weist die Beklagte darauf hin, dass die behauptete Verzerrung sich auf lediglich 0,3 % der GKV-weiten ärztlichen Ausgaben belaufen habe. Im Übrigen sei es Aufgabe des GKV-Spitzenverbandes, sämtliche Datenlieferungen vor ihren Meldungen an das BVA auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die amtliche Statistik eine unplausibel hohe Zahl von Auslandsversicherten rüge, sei darauf hinzuweisen, dass die KM 6 stichtagsbezogen sei, während die Vergleichszahl aus der SA 100 zeitraumbezogen sei. Sie erfasse somit jeden Versicherten, der mindestens einen Tag im Ausland gewesen sei, also nicht nur am Stichtag. Es sei demnach geradezu zu erwarten, dass die Zahl der Pseudonyme im Vergleich größer sei. Außerdem weist die Beklagte darauf hin, dass keineswegs in die Durchführung des Jahresausgleichs 2009 überhöhte Versicherungszeiten für die Auslandsversicherten eingegangen seien.
Zur Problematik der fehlenden bundeseinheitlichen KV-Nummer führt die Beklagte aus, für die Stichprobendaten 2005 habe der Anteil der Pseudonyme mit uneinheitlicher KV-Nummer 3,2 % betragen, für die Stichproben des Jahres 2006 sei der Anteil sogar auf 1 % gesunken. Der Anteil der Pseudonyme mit uneinheitlicher KV-Nummer für die Vollerhebung des Jahres 2006 habe 1,2 % betragen, dieser Anteil sei auf 0,91 % gesunken. Es sei mit einem weiteren Absinken in den kommenden Datenlieferungen zu rechnen, so dass es sich um ein Phänomen mit abnehmender Bedeutung handle. Es sei unwahrscheinlich, dass die Vergabe der KV-Nummer für die bisher noch nicht mit einheitlicher KV-Nummer ausgestatteten Versicherten böswillig verschleppt werde. Im Übrigen betreffe das Fehlen einer bundeseinheitlichen KV-Nummer insbesondere die Gruppe der Kinder von 6 – 12 Jahren und der Jugendlichen von 13 – 17 Jahren sowie die im Ausland lebenden familienversicherten Angehörigen. In der zweiten Gruppe seien Kassenwechsler seltene Ausnahmeerscheinungen, die erste Gruppe werden durch den schrittweisen Eintritt in das Erwerbsleben zunehmend kleiner, da der dann stattfindenden Vergabe einer Rentenversicherungsnummer automatisch die Vergabe einer KV-Nummer folge. Was die Diagnosen für Kassenwechsler anbelange, könne nicht nachvollzogen werden, wie die Klägerin an derartige Informationen gelangen solle. Ihr selbst lägen keinerlei Erkenntnisse über defizitäre Meldungen vor. Es sei aber ein bekanntes Phänomen, das flexible Kassenwechsler tendenziell gesünder seien als andere Bestandsversicherte, gerade dies habe Diskussionen um Risikoselektion ausgelöst. Wenn die Klägerin nunmehr im Übrigen einräumt, dass sie keinerlei Hinweise auf ein vorsätzliches Nichtmelden zuschlagsrelevanter Diagnosen habe, entziehe sie ihrer Argumentation auch die Grundlage.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Krankheitsauswahl ordnungsgemäß. Eine wissenschaftlich allgemein anerkannte verbindliche Definition des Begriffs Krankheit gebe es nicht. § 31 RSAV stehe der Abgrenzung mittels einer oder mehrerer Dx-Gruppen ebenso wenig entgegen wie § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Die Beklagte verweist insoweit auf die Begründung zur Krankheitsauswahl in der Dokumentation, mit der sich die Klägerin nicht auseinander gesetzt habe.
Auch die Prävalenzgewichtung sei ordnungsgemäß. Entgegen der Auffassung der Klägerin verlange § 31 Abs. 1 Satz 3 RSAV nicht allein eine personen- bzw. fallorientierte Bewertung. Insoweit verweist die Beklagte auf die Gesetzesbegründung und meint, eine zielgenaue Abbildung der Risikostruktur einzelner Krankenkassen sei bei einer Beschränkung auf im Einzelfall sehr teure, aber seltene Krankheitszustände nicht zu erreichen. Die von der Klägerin geforderte Orientierung an den kostenintensiven Einzelfällen nehme statt des ausgleichsrelevanten Versorgungsgeschehens nur Versorgungsfälle in den Blick, so dass die "Listenplätze" mit seltenen Krankheiten belegt würden. Soweit die Klägerin meine, der Gesetzgeber habe es durch die Nennung der Prognosegüte zu erkennen gegeben, dass er eine möglichst hohe Zielgenauigkeit nicht anstrebe, sei dies fernliegend; vielmehr werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch mit einer begrenzten Zahl von Krankheiten ein hohes Maß an Zielgenauigkeit erreicht werden soll.
Zum Umfang der Arzneimittelliste weist die Beklagte darauf hin, § 29 Satz 1 Nr. 1 RSAV verlange lediglich, die Risikozuschläge auch auf der Grundlage von Arzneimittelwirkstoffen zu ermitteln. Die Verordnungsbegründung spreche von einem Klassifikationsmodell, das als Aufgreifkriterium für die Morbidität der Versicherten Diagnosen und/oder Arzneimittelwirkstoffe verwende. Dem trage die Validierung von Diagnosen mittels relevanter Arzneimittelwirkstoffe hinreichend Rechnung. Aus den rechtlichen Vorgaben könne weder das Erfordernis einer Zuordnung zu sämtlichen Dx-Gruppen anhand der Arzneimittelwirkstoffe abgeleitet werden noch die Notwendigkeit, nur für die betreffende Dx-Gruppe spezifische Arzneimittel festzulegen. Die Heranziehung von Arzneimittelwirkstoffen sei zudem von der Auswahl und Anpassung des Klassifikationsmodells abhängig. Oftmals lasse sich die Morbidität im ambulanten Sektor über Arzneimittelinformationen nicht angemessen abbilden, da einige der zu berücksichtigenden Krankheiten selten oder gar nicht mit Arzneimitteln therapiert würden. Zudem seien manchen Krankheiten Arzneimittelinformationen nicht eindeutig zuzuordnen.
Was die wissenschaftliche Untersuchung des Klassifikationsmodells anbelange, seien in dem Ausgangsgutachten mehrere Klassifikationsmodelle untersucht und für geeignet befunden worden. Die gutachtlichen Gründe für die Anpassung seien aus der Dokumentation ersichtlich. Die veränderte Zuordnung von ICD-Codes zu anderen Dx-Gruppen stelle genau das dar, was mit der geforderten Anpassung des gewählten Klassifikationsmodells an die deutschen Besonderheiten gefordert worden sei.
Die Darstellung der Klägerin zur Zurückweisung der Korrekturmeldung der SA 500 treffe zum Sachverhalt zu. Die neue Meldung sei nicht termingerecht im Sinne des § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV gewesen, weil § 27 Abs. 2 der Bestimmung des GKV-Spitzenverbandes eine andere Frist festlege. Die Bestimmung regle auch im Übrigen Fristen und Stichtage für Datenerhebungen und stelle in diesem Sinne eine ergänzende Regelung im Sinne der Ausgestaltung des "Näheren" dar. Die in der Bestimmung getroffene Regelung trage dem Ziel Rechnung, die Datenerhebung, -verarbeitung und -weiterleitung terminlich zu entzerren, da ansonsten die Datenverarbeitungskapazitäten vieler Kassen überfordert seien. Die Regelung sei im Einvernehmen zwischen dem BVA und dem GKV – Spitzenverband getroffen worden.
Die Abweichung der länderspezifischen Anpassungsbeträge im Jahresausgleich von den Werten der 14. Bekanntmachung beruhe – wie aus der 15. Bekanntmachung unzweifelhaft hervorgehe – darauf, dass die in der 14. Bekanntmachung genannten Beträge aufgrund eines Übertragungsfehlers mit fehlerhaften Werten veröffentlicht worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet, denn der angefochtene Jahresausgleichsbescheid 2009 vom 16.11.2010 ist nicht zu beanstanden.
I. 1. Zu Recht hat die Klägerin mit ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag allein den Jahresausgleichsbescheid vom 16.11.2010 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die von ihr zunächst angefochtenen Bescheide (Grundlagenbescheid I/09 und Zuweisungsbescheid für den Monat Januar) sind nämlich durch diesen Bescheid im Sinne des § 96 Sozialgerichtgesetz (SGG) ersetzt worden.
Nach § 266 Abs. 6 Satz 2 SGB V erhalten die Krankenkassen monatliche Zuweisungen, die auf der Grundlage der vorläufig festgestellten Werte ergehen (Satz 1 a.a.O., § 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV). Die kassenindividuellen Zuweisungsgrundlagen werden in sogenannten Grundlagenbescheiden festgestellt; auf diesen kassenindividuellen Werten basieren die monatlichen Zuweisungsbescheide, mit denen – angepasst an die aktuellsten Versichertenzahlen – die monatlichen Zuweisungen festgesetzt werden. Die im ersten Grundlagenbescheid festgestellten Werte werden nachfolgend drei Mal zu bestimmten Terminen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV) durch neu ermittelte Werte ersetzt, die dann jeweils Grundlage sowohl der bis dahin geleisteten (§ 39 Abs. 3 Satz 4 RSAV) als auch der bis zur nächsten Anpassung gezahlten Zuweisungen werden (s. dazu eingehend Sichert/Göpffarth, SGb 2010, 394, 395 ff). Nach Ablauf des Kalenderjahres wird die Höhe der Zuweisungen endgültig ermittelt (§ 266 Abs. 6 Satz 3 SGB V), wobei die monatlich gezahlten Zuweisungen als Abschlagszahlungen gelten (Satz 4 a.a.O.) und nach Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisungen auszugleichen sind (Satz 5 a.a.O.). Demgemäß werden die bis zur Durchführung des Jahresausgleichs ergangenen Grundlagen- und Zuweisungsbescheide im Sinne des § 96 SGG durch den Jahresausgleichsbescheid ersetzt, der nach Durchführung des Jahresausgleichs alleinige Rechtsgrundlage der für das Ausgleichsjahr zustehenden Zuweisungen ist.
2. Die Klage ist zulässig.
Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3. Nr. 1 SGG funktionell zuständigen Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rdn. 16 (unter Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG)) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat das BVA zwar eine gebundene Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten, der Klägerin ist jedoch eine Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit des Morbi-RSA bzw. der Unwirksamkeit der §§ 29, 32 RSAV und der Festlegungen des BVA von ihr nicht zu beziffern sind.
II. Der Bescheid vom 16.11.2010 ist entgegen der Argumentation der Klägerin nicht deshalb rechtswidrig, weil es für die Ermittlungen risikoadjustierter Zuschläge für die im Rahmen des gewählten Klassifikationsmodells den Morbiditätsgruppen zuzuordnenden Versicherten an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlen würde. Weder verstoßen §§ 29, 31 RSAV bzw. das vom BVA festgelegte Klassifikationsmodell gegen § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V (dazu 1.), noch sind die dem Jahresausgleich 2009 zu Grunde liegenden Festlegungen des BVA vom 13.05.2008 in der Fassung der Änderungsbekanntgabe vom 29.05.2008 (Krankheitsauswahl) und 03.07.2008 (Festlegung der Morbiditätsgruppen, des Zuordnungsalgorithmus, des Regressions- und Berechnungsverfahrens) mit den Vorgaben des § 31 Abs. 1 RSAV unvereinbar (dazu 2.). Der Jahresausgleichsbescheid ist auch nicht wegen Zurückweisung einer Korrekturmeldung oder der Abweichung von den Werten der 14. Bekanntmachung rechtswidrig (dazu 3.).
1. §§ 29, 31 RSAV verstoßen nicht § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V (dazu a), ebenso wenig bedeutet die Beauftragung des BVA mit der Festlegung eines Klassifikationsmodells (§ 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV) eine verfassungsrechtlich unzulässige "faktische Subdelegation" (dazu b).
a) § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001, mit dem der Gesetzgeber die Weiterentwicklung des RSA hin zu einer direkten Morbiditätsorientierung angeordnet hat, enthält nur allgemeine Vorgaben für die Festlegung der insoweit maßgeblichen Klassifikationsmerkmale. Sie sollen zugleich (Nr. 1) die Morbidität der Versicherten auf der Grundlage von Diagnosen, die Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationsgruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigen, (Nr. 2) an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der zugeordneten Versicherten orientiert sein, (Nr. 3) Anreize zur Risikoselektion verringern, (Nr. 4) Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung fordern und (Nr. 5) praktikabel und kontrollierbar sein. Zur Umsetzung dieser Vorgaben wird in § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V das (jetzt) BMG ermächtigt, "das Nähere" in der RSAV zu regeln. Diese Ermächtigungsgrundlage ist mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18.07.2005 festgestellt hat (BVerGE 113, 167, 268 ff.).
Auf dieser Ermächtigungsgrundlage ist zunächst § 29 RSAV durch die 14. Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (14. RSA-ÄndVO) vom 18.12.2006 (BGBl I., 3224) eingefügt worden. Im Rahmen des GKV-WSG ist durch dessen Art. 38 Nr. 6 u.a. § 31 RSAV mit Wirkung vom 01.04.2007 (Art. 46 Abs. 1 GKV-WSG) eingefügt worden. Soweit in diesem Gesetzgebungsverfahren gleichzeitig durch Art. 1 Nr. 180a GKV-WSG die Klassifikationsmerkmale in § 268 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 SGB V geändert worden sind und die heute geltende Fassung erhalten haben, ist diese Änderung erst zum 01.01.2009 in Kraft getreten (Art. 46 Abs. 10 GKV-WSG). Da eine Verordnung sich jedenfalls im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf eine wirksame Ermächtigungsgrundlage stützen muss (BVerfGE 22,330, 346; 34, 9, 21; Mann in Sachs (Hrsg.), GG, 5. Aufl., Art. 80 Rdn. 7), kann Ermächtigungsgrundlage für die erfolgte Änderung der RSAV nur § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der am 01.04.2007 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.) sein, also ohne die im GKV-WSG erfolgten Änderungen der Klassifikationsmerkmale in Nrn. 4 und 5 (s. auch Huber., Tz. 69).
aa) §§ 29, 31 RSAV sind wirksam erlassen worden. Die Einfügung des § 29 RSAV durch die 14. RSA-ÄndVO erfolgte formell ordnungsgemäß unter Beachtung des Zitiergebots des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG und mit Zustimmung des Bundesrats. Die Einfügung des § 31 RSAV im Rahmen des GKV-WSG war zulässig, da auch der parlamentarische Gesetzgeber jedenfalls – wie hier – im Zusammenhang mit der Änderung eines Sachbereiches auch eine Verordnung ändern darf (vgl. BVerfGE 114, 196, 238 ff). Da der Gesetzgeber dabei das für förmliche Gesetze geltende Verfahren (Art. 76 ff. GG) einzuhalten hat (a.a.O. S.238), ist er nicht an das Zitiergebot gebunden (Huber, Tz. 53; Haratsch in Sodan, GG, 2. Aufl., Art. 80 Rdn. 25).
bb) Die Klägerin ist – gestützt auf die Ausführungen im Gutachten von Huber (Tz. 54 ff.) – der Auffassung, § 31 Abs. 4 RSAV sei nichtig, weil die "besonderen Verfahrensanforderungen" des § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der Fassung bis 31.12.2011) nicht eingehalten worden seien. Entgegen dieser Bestimmung sei ein gemeinsamer Vorschlag der (damaligen) Spitzenverbände der Krankenkassen nicht einbezogen worden, was zur Nichtigkeit der Verordnung führe. Diese Argumentation geht fehl.
(1) Zum einen übersieht die Klägerin, dass die genannte Norm nicht vorschreibt, dass die Verordnung erst nach Vorliegen eines einvernehmlichen Vorschlags ergehen darf, sondern nur die Einbeziehung eines entsprechenden Vorschlags verlangt. Es wird sogar noch nicht einmal gefordert, dass den Spitzenverbänden vor Verordnungserlass Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Vielmehr geht die Vorschrift von einem bei Verordnungserlass vorliegenden Vorschlag aus, erwartet also ein iniatives Handeln der Spitzenverbände. Ferner musste selbst ein einvernehmlicher Vorschlag der Spitzenverbände nur "einbezogen" werden, d.h. der Verordnungsgeber war lediglich verpflichtet, sich mit diesem Vorschlag substantiell auseinanderzusetzen, ohne sein Entscheidungsrecht zu verlieren (s. zur entsprechenden Formulierung in § 92 SGB V: Baier in juris PK – SGB V 2. Auflage, § 92 Rdn. 96; s. auch BT-Drucks. 14/1245, 75). Während die in § 268 Abs. 2 Satz 5 SGB V (in der Fassung bis 31.12.2011) genannte wissenschaftliche Untersuchung für die Auswahl eines geeigneten Modells als zwingende Verfahrensregelung (so A. Becker in juris PK SGB V, 1. Auflage, § 268 Rdn. 23) angesehen werden kann, weil sie den Boden für die Einführung eines Klassifikationsmodells in der GKV bereiten sollte (s. BT-Drucks. 14/6432, 15), trifft dies für den Vorschlag der Spitzenverbände nicht zu, denn ein solcher brauchte nicht vorzuliegen. Die Spitzenverbände wären im Übrigen nicht gehindert gewesen, vor Erlass der §§ 29, 31 RSAV einen gemeinsamen Vorschlag für ein Klassifikationsmodell zu unterbreiten. Ein solcher Vorschlag ist aber nicht erfolgt und war im Übrigen auch angesichts der unterschiedlichen Interessenlage selbst innerhalb einzelner Kassenarten nicht zu erwarten (wie die späteren Stellungnahmen zu den beabsichtigten Festlegungen des BVA zeigen), so dass nicht ersichtlich ist, inwiefern hier dem Verordnungsgeber ein Verstoß gegen § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der Fassung bis 31.12.2011) vorgeworfen werden könnte.
(2) Noch weniger kann ein Verstoß darin gesehen werden, dass § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV im Rahmen der Festlegungen durch das BVA nur eine Anhörung der Spitzenverbände vorsieht (so aber wohl Huber, Tz. 60). Davon abgesehen, dass § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V ohnehin nur für den Erlass der Verordnung gilt und § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV keine (unzulässige) Subdelegation darstellt (dazu sogleich unten b), begründet das Anhörungsrecht kein minderes Mitwirkungsrecht der Spitzenverbände, da wie dargelegt auch das "Einbeziehen" nur die Berücksichtigung und die Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten fordert und diese Verpflichtung vom BVA ausweislich der Dokumentation des Festlegungsverfahrens in vollem Umfang erfüllt wird.
(3) Vor allem könnte allein der Umstand, dass vor Erlass der §§ 29, 31 RSAV ein gemeinsamer Vorschlag der Spitzenverbände nicht vorlag, nicht zur Nichtigkeit der §§ 29, 31 RSAV führen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Verordnung, die ohne die in der gesetzlichen Ermächtigung geforderte Anhörung von Sachverständigen ergangen war, als nichtig angesehen (BVerfGE 10, 221, 227). Der vorliegende Fall liegt aber schon deshalb anders, weil hier der Verordnungserlass nicht an eine vorangegangene Anhörung geknüpft, sondern lediglich ein vorliegender Vorschlag zu berücksichtigen ("einzubeziehen") war. Zudem hatte in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die Anhörung besondere Bedeutung, weil es sich um eine vorkonstitionelle Ermächtigung handelte (vgl. Niehaus, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 80 Rdn. 437). Demgegenüber hält das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 59, 48, 50 f) bei Verletzung von Mitwirkungsrechten eine differenzierende Beurteilung geboten, wonach abhängig von Sinn und Zweck des Mitwirkungsrechts und seines Gewichts die Nichtigkeit einer Verordnung eintreten soll. Danach wäre hier eine Nichtigkeit der §§ 29, 31 RSAV schon deshalb zu verneinen, weil die Spitzenverbände, von deren Kenntnis von dem beabsichtigten Erlass der Vorschriften ausgegangen werden kann, sich ohne Weiteres hätten im Verordnungsverfahren gemeinsam positionieren können. Nur dann, wenn ein gemeinsamer Vorschlag der Spitzenverbände vorgelegen hätte und vom Verordnungsgeber nicht beachtet worden wäre, läge eine mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vergleichbare Fallkonstellation vor, bei der aus diesem Grund die Nichtigkeit der §§ 29, 31 RSAV wegen einer Verletzung des Mitwirkungsrechts der Spitzenverbände angenommen werden könnte. Vor allem vor dem Hintergrund, dass § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V voraussetzt, dass die Spitzenverbände von sich aus aktiv werden und einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten, würde allein der Umstand, dass die Spitzenverbände im Verordnungsverfahren nicht zur Vorlage eines Vorschlages aufgefordert worden sein sollten, nicht so schwer wiegen, deswegen die Nichtigkeit der §§ 29, 31 RSAV anzunehmen.
bb) §§ 29, 31 RSAV halten sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung.
Die Weitergeltung der Versichertengruppen im § 29 Satz 1 Nrn. 2 und 3 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009) beruht auf § 268 Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung). Die Vorgabe in § 29 Satz 1 Nr. 1 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009), dass das Klassifikationsmodell auf der Grundlage von Diagnosen und Arzneimittelwirkstoffen Risikozuschläge berücksichtigen solle, ist mit § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (a.F.) vereinbar, denn das Merkmal "Diagnosen" wird dort ausdrücklich genannt und die gesetzliche Formulierung "oder Kombinationen dieser Merkmale" deckt auch die alleinige Berücksichtigung eines der gesetzlichen Merkmale. Die zusätzliche Berücksichtigung des Merkmals Arzneimittelwirkstoff ist unbedenklich, zumal es (zusätzliche) Rückschlüsse auf die Morbidität der Versicherten erlaubt (so auch Huber, Tz. 65). Die Forderung, dass das gewählte Klassifikationsmodell auf Modellen aufzubauen habe, deren Einsatzfähigkeit in der GKV wissenschaftlich untersucht und bestätigt worden sei, berücksichtigt zum einen die Anforderung in § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (a.F.) nach Praktikabilität des Klassifikationsmodells und führt zum anderen den in § 268 Abs. 2 Satz 3 und 5 SGB V (in der Fassung bis zum 31.12.2011) verankerten Gedanken weiter, das aufbauend auf internationalen Erfahrungen mit Klassifikationsmodellen mit Hilfe wissenschaftlichen Sachverstandes ein für die GKV "passendes" und umsetzbares Modell zu wählen ist.
Ebenso bewegen sich die Bestimmungen in § 31 Abs. 1 RSAV innerhalb der Vorgaben des § 268 Abs. 1 SGB V (a.F.). Die Forderung in Satz 1, dass kein Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen geschaffen werden sollen, entspricht der Vorgabe der Nr. 4 des § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch die Merkmale gefördert werden sollen. Soweit nach Satz 2 das Klassifikationsmodell innerhalb von 50 bis 80 Krankheiten zu filtern ist, also nur für eine begrenzte Zahl von Krankheiten Zuschläge ermittelt und die Kosten für die übrigen Krankheiten über die Alters- und Geschlechtsgruppen bzw. Erwerbsminderungsgruppen berücksichtigt werden, ist zu beachten, dass nach § 268 Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der Fassung bis 31.12.2011) der Verordnungsgeber ermächtigt worden war, die bisherigen Versichertengruppen teilweise beizubehalten, also schon nicht verlangt worden war, ausschließlich die Morbidität bei den Zuweisungen zu berücksichtigen. Zudem durfte der Verordnungsgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Verordnungsermessens auch einen teilweisen Übergang hin zur direkten Morbiditätsorientierung vorsehen. Dies gilt umso mehr, als gleichzeitig – allerdings erst mit Wirkung zum 01.01.2009 – in § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V eine entsprechende Regelung auf Gesetzesebene geschaffen wurde. Die Entscheidung für eine prospektive Ausgestaltung (d.h. für die Berücksichtigung der Behandlungskosten im Ausgleichsjahr für eine im Vorjahr diagnostizierte Krankheit) ist mit Wirtschaftlichkeitsanreizen verbunden, weil die Wahrscheinlichkeit für eine unnötige Behandlungsmaßnahme, die zu einer Risikoklassifikation führt, in einem prospektiven Modell deutlich geringer ist (vgl. "Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich" des Wissenschaftlichen Beirats vom 22.06.2011 (Evaluationsbericht), S 23) und setzt damit die Vorgabe des § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V (a.F.) um.
Die auszuwählenden Krankheiten werden in § 31 Abs. 1 Satz 3 RSAV näher bezeichnet, wobei die Berücksichtigung der Kostenhöhe schon von § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V (a.F.) verlangt wird. Die in § 31 Abs. 1 Satz 4 RSAV geregelte enge Abgrenzbarkeit der Krankheiten ist von § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (a.F.) gedeckt.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin regeln die genannten Bestimmungen der RSAV in (noch) ausreichender Weise "das Nähere" zur Umsetzung der Vorgaben des § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dass § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV dem BVA die konkrete Ausgestaltung des Klassifikationsmodells einschließlich des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Risikozuschläge übertragt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
aa) Soweit Huber (Tz. 78 ff) in den Festlegungen des BVA eine "faktische Subdelegation" im Sinne des Artikel 80 Abs. 1 Satz 4 GG sieht, die er wegen eines Verstoßes gegen die "Regelungszuständigkeit und -form" für verfassungsrechtlich unzulässig hält (Tz. 88 f), berücksichtigt er die oben dargestellten Regelungen der RSAV zur Ausgestaltung des Klassifikationsmodelles nicht und geht ohne Weiteres davon aus, dass allein die Festlegungen des BVA die Vorgaben des § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V umsetzen würden. Dies trifft aber, wie oben dargestellt, nicht zu. § 268 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB V lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Verordnungsgeber verpflichtet wäre, alle Einzelheiten zur direkten Morbiditätsorientierung abschließend zu regeln und der Verwaltung kein Entscheidungsspielraum verbleiben dürfte (A. Becker in: jurisPK – SGB V, 2. Auflage § 268 Rdn. 27). Es spricht daher nichts dagegen, dass der Gesetz-/Verordnungsgeber die Konkretisierung der ausfüllungsbedürftigen Vorgaben der §§ 29 Satz 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 RSAV dem BVA zur verbindlichen Regelung des Klassifikationsmodells und des Berechnungsverfahrens übertragen hat.
bb) Eine exekutive Normsetzung ist nicht nur bei förmlicher Subdelegation nach Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG möglich, vielmehr darf der Gesetzgeber die Verwaltung auch sonst zum Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ermächtigen (Peter M. Huber, ZMR 1992, 470, 472). Dieser Typus von außenrechtsverbindlichen Normen ist vor allem im Umweltrecht anerkannt, wenn es darum geht, unbestimmte gesetzliche Rechtsbegriffe auf der Grundlage und unter Beteiligung wissenschaftlich- technischen Sachverstandes durch generelle Standards zu konkretisieren, die die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen (vgl. BVerwGE 107, 338, 340 ff; 110, 216, 218; Sendler, UPR 1993, 321). Aber auch die früheren beamtenrechtlichen Beihilfevorschriften sind von der Rechtsprechung als Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn angesehen und wie Rechtsvorschriften, also der Sache nach als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften behandelt worden (vgl. BVerwGE 64, 333, 336; 72, 119, 121; jetzt aber eine gesetzliche Regelung fordernd BVerwGE 121, 103, 109 f). Ebenso sind in der Vergangenheit im Sozialhilferecht die Regelung der Regelsätze für laufende Leistungen durch Runderlass der zuständigen Landesbehörde (BVerwGE 94, 335, 339 f) und die Pauschalierung der Hilfe zum Lebensunterhalt durch Ausführungsbestimmungen einer Kommune (BVerwGE 122, 264, 266) auch mit rechtlicher Außenwirkung für zulässig gehalten worden. Beispiele für untergesetzliche außenwirksame Normen finden sich im Sozialrecht etwa in Gestalt der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 SGB V (std. Rspr. seit BSGE 78, 70, 75 ff; 81, 73, 81 ff) oder neuerdings der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" des GKV-Spitzenverbandes nach § 240 Abs. 1 SGB V (s. BSG, Urt. vom 19.12.2012 – B 12 KR 20/11 R). Außerhalb des Bereichs der Grundrechtsausübung, in dem der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (dazu BVerfGE 98, 218, 251 ff; 108, 282, 312; Leisner in Sodan, GG, 2. Aufl., Art. 20 Rdn. 49a ff), ist eine Delegationsermächtigung zum Erlass von außenwirksamen Verwaltungsvorschriften rechtsstaatlich unbedenklich (Peter M. Huber, a.a.O., S. 473; s. auch Mann in Sachs (Hrsg.), GG, 5. Aufl., Art. 80 Rdn. 12; Bryde in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl., Art. 80 Rdn. 9b).
cc) Die Festlegungen des BVA nach § 31 Abs. 4 RSAV weisen dabei vor allem wegen der Einbeziehung wissenschaftlichen Sachverstandes deutliche Übereinstimmung mit den normkonkretisierenden Vorschriften im Umweltrecht auf. Das Ausgleichsverfahren ist nämlich für die Sachgerechtigkeit der Krankheitsauswahl, der Bildung der Morbiditätsgruppen und des Berechnungsverfahrens auf wissenschaftlichen Sachverstand, empirische Forschung und Statistik angewiesen (Schmehl in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rdn. 72). Demgemäß bestimmt § 29 Satz 1 Nr. 1 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009), dass das Klassifikationsmodell des BVA auf Klassifikationsmodellen aufzubauen hat, deren Einsatzfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung wissenschaftlich untersucht und bestätigt worden ist. Das BVA kann also nur ein Klassifikationsmodell festlegen, das wissenschaftlichen Anforderungen an eine sachgerechte Ausgestaltung der direkten Morbiditätsorientierung des RSA entspricht und das in der GKV einsatzfähig ist. Darüber hinaus muss das BVA nach § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV die Empfehlung des nach § 31 Abs. 2 RSAV zu bildenden Wissenschaftlichen Beirats, dessen Mitglieder nach § 31 Abs. 3 RSAV über besonderen Sachverstand hinsichtlich der mit dem Klassifikationsmodell zusammenhängenden Fragen verfügen müssen, für die Auswahl der Krankheiten berücksichtigen. Auch wenn dem BVA insoweit unmittelbar nur die Berücksichtigung der Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 RSAV, also hinsichtlich der Krankheitsauswahl (zunächst der erstmaligen Auswahl und dann der nachfolgenden Überprüfungen) aufgegeben ist, sind die Stellungnahmen des Beirats auch hinsichtlich der weiteren in § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV genannten Faktoren (Morbiditätsgruppen, Zuordnungsalgorithmus, Regressionsverfahren) insoweit von Bedeutung, als diese den Stand der Gesundheitsökonomie hinsichtlich der Ausgestaltung eines prospektiven Klassifikationsmodells widerspiegeln, da die Festlegungen des BVA sich nicht außerhalb des wissenschaftlichen Standards für die Umsetzung des Klassifikationsmodells bewegen dürfen. Von daher ist die für die Legitimation von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften geforderte Partizipation einschlägiger Sachverständiger zur Ermittlung vorhandener Erfahrung und des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse (s. dazu BVerwGE 107, 338, 342) gewährleistet. Ebenso sind über das Anhörungsrecht der Spitzenverbände der Krankenkassen (jetzt des GKV-Spitzenverbandes) die betroffenen Krankenkassen beteiligt, wobei die Dokumentation des Anhörungsverfahrens zeigt, dass das BVA ohnehin darüber hinausgehend auch anderen interessierten Kreisen die Möglichkeit der Stellungnahme einräumt und sich mit diesen Äußerungen auch auseinander setzt. Schließlich ist auch die – für die Wirksamkeit außenwirksamer Vorschriften notwendige (vgl. BVerwGE 122, 264, 269 f) – Veröffentlichung der Festlegungen angeordnet (§ 31 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbs. RSAV). Dabei begegnet die praktizierte Veröffentlichung der Festlegungen im Internet keinen Bedenken, denn die Kenntniserlangung des Adressatenkreises der gesetzlichen Krankenkassen, die ohnehin ständig über das Verfahren durch den GKV-Spitzenverband unterrichtet werden, ist damit zuverlässig gewährleistet.
dd) Die Regelung des § 31 Abs. 4 RSAV ist verfassungsrechtlich unbedenklich, denn die dem BVA übertragenen Festlegungen haben keine oder jedenfalls nur unbedeutende Grundrechtsrelevanz, so dass für deren Erlass keine vom BVA nicht erfüllte demokratische Legitimation erforderlich ist (a. A. Huber, Tz. 79).
Die Festlegungen betreffen die Zu- oder Abschläge für die Risikoadjustierung der Grundpauschale und damit letztlich die Höhe der Zuweisung für Leistungsausgaben aus dem Gesundheitsfonds. Da die gesetzlichen Krankenkassen nicht grundrechtsfähig sind (ständige Rechtsprechung, zuletzt wieder BVerfG SozR 4-2500 § 266 Nr. 7; SozR 4-2500 § 4 Nr. 1), haben die Festlegungen keine unmittelbare Grundrechtsrelevanz.
Soweit Versicherte mittelbar betroffen sind, haben die Regelungen für sie nur eine völlig untergeordnete Bedeutung. Für die Beitragsbelastung eines Versicherten ist es irrelevant, ob er Klassifikationsmerkmalen unterfällt oder nicht, da sich die Beiträge allein nach den beitragspflichtigen Einnahmen richten (§ 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Angesichts des gesetzlich festgelegten bundeseinheitlichen Beitragssatzes (§ 241 SGB V) gibt es auch keine Unterschiede in der Beitragshöhe zwischen den Kassen. Daher ist nicht ersichtlich, inwiefern es für den Versicherten grundrechtsrelevant sein soll, inwieweit er mit seinen Beiträgen zum Solidarausgleich innerhalb der GKV beiträgt (unklar Huber, Tz. 79).
Auswirkungen für Versicherte haben die Festlegungen nur dann, wenn ihre Kasse einen Zusatzbeitrag erheben muss (§ 242 Abs. 1 SGB V) oder anders als andere Kassen keine Prämie (§ 242 Abs. 2 SGB V) zahlen kann. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die finanzielle Situation einer Kasse nicht nur von den ihr zufließenden Mitteln, sondern ganz wesentlich durch ihre individuelle Kostenstruktur und damit ihr eigenes Wirtschaften bestimmt wird. Angesichts standardisierter Mittelzuweisungen führt unwirtschaftliches Handeln zur Notwendigkeit der Erhebung eines Zusatzbeitrags. Somit kann aus der Erhebung eines Zusatzbeitrags nicht geschlossen werden, die Kasse habe "zu wenig" Geld aus dem Gesundheitsfonds erhalten und ihre Versicherten würden deswegen "benachteiligt". Daher haben die Festlegungen nur einen kaum zu klärenden Einfluss auf die Beitragsbelastung des Versicherten. Ferner kann die Finanzausstattung einer Kasse sich leistungsrechtlich auf der Ebene der Satzungsmehrleistungen (§§ 11 Abs. 6, 37 Abs. 2 Satz 4, 38 Abs. 2 SGB V) auswirken. Solche Zusatzangebote haben aber angesichts des gesetzlichen Leistungskatalogs nur untergeordnete Bedeutung, auch wenn durch § 11 Abs. 6 SGB V dieser Bereich erweitert worden ist. Der für einen Versicherten wesentlichen Belastung im Falle der Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrages kann er sich im Übrigen durch Ausübung seines Sonderkündigungsrechts (§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V) entziehen, da bei fristgerechter Kündigung der Zusatzbeitrag nicht erhoben wird (§ 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Von daher ist eine mittelbare Grundrechtsrelevanz der Festlegungen nicht ersichtlich, jedenfalls sind die möglichen Auswirkungen auf die Grundrechte der Versicherten so geringfügig, dass es nicht eines besonderen Maßes an demokratischer Legitimation für deren Erlass bedarf.
2. Die Festlegung des BVA für das Ausgleichsjahr 2009 sind mit § 31 Abs. 1 RSAV vereinbar.
a) Die Kritik der Klägerin, die Zusammenfassung von mehreren Dx-Gruppen zu einer Krankheit bei der Bildung der Morbiditätsgruppen führe dazu, dass die so gebildeten Krankheiten entgegen § 31 Abs. 1 Satz 4 RSAV nicht mehr eng abgrenzbar seien, greift nicht durch. Insoweit ist der Klägerin schon entgegen zu halten, dass sie sich nicht mit der Begründung des BVA für die Bildung der Krankheiten auseinander setzt und nicht aufzeigt, inwiefern diese nicht tragfähig für die getroffene Auswahl ist. Vor allem berücksichtigt sie nicht, dass es keinen wissenschaftlich verbindlichen Begriff der Krankheit gibt und dem Gesetz auch kein feststehender Inhalt zu entnehmen ist. Das BVA hat dazu auch dargelegt, dass eine einzelne Dx-Gruppe nicht das Merkmal einer abgrenzbaren Krankheit erfüllt und es bei Verwendung einer einzelnen Dx-Gruppe auch zu einer medizinisch unsinnigen Krankheitsbildung käme (Dokumentation der Festlegung der Krankheitsauswahl, S. 20).
Die Bildung von Krankheiten auch durch mehrere Dx-Gruppen war vom Wissenschaftlichen Beirat in seinem Gutachten vom Dezember 2007 vorgeschlagen worden. In diesem Zusammenhang führt er unter Hinweis auf wissenschaftliche Literatur überzeugend aus, eine Krankheit müsse sich zur Vermeidung von Fehlanreizen durch einen Diagnosekode bzw. durch eine Gruppe von klinisch verwandten Diagnosekodes beschreiben lassen und es müsse sichergestellt werden, dass einander ähnelnde Krankheitszustände der gleichen Krankheit zugeordnet würden (S. 11 f des Gutachtens). Dass die vom BVA gewählte Bildung von "Krankheiten" diesen Anforderungen nicht entspricht, trägt die Klägerin nicht vor.
Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass der RSA insgesamt als lernendes System auf ständige Überprüfung und Verbesserung angelegt ist, was gerade für die Krankheitsauswahl gilt (s. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RSAV), so dass ggfls. die Krankheitsauswahl auch hinsichtlich der Abgrenzbarkeit der Krankheiten aufgrund der gewonnenen Erfahrungen ggfls. anzupassen wäre.
b) Die Krankheitsauswahl ist auch nicht wegen einer fehlerhaften Prävalenzgewichtung rechtswidrig. Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 RSAV "sollen insbesondere" Krankheiten mit schwerwiegendem Verlauf und kostenintensive chronische Krankheiten bei der Auswahl berücksichtigt werden. Schon diese Gesetzesformulierung spricht gegen die Ansicht der Klägerin, die Vorschrift verlange eine personen- bzw. fall-orientierte Betrachtung und eine ausschließliche Orientierung an kostenintensiven Einzelfällen, denn mit der Verwendung der Worte "sollen" und "insbesondere" lässt die Vorschrift Raum auch für die Berücksichtigung weiterer Aspekte. Vor allem ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, wonach sich die Auswahl auf Krankheiten erstrecken soll, die für das Versorgungsgeschehen von besonderer Bedeutung sind und wesentlichen Einfluss auf die Kostenbelastung der Krankenkassen haben (BT-Drucks. 16/3100, 204), dass nicht isoliert nur besonders aufwändige Behandlungsfälle, sondern das Versorgungsgeschehen insgesamt berücksichtigt werden soll. Schließlich zeigt auch die weitere Forderung, dass bei den ausgewählten Krankheiten die Kostenbelastung mindestens 150 % der durchschnittlichen Leistungsausgaben betragen muss, dass die ausgewählten Krankheiten lediglich ein bestimmtes Maß an Kostenintensität aufweisen müssen, aber nicht ausschließlich besonders kostenträchtige Krankheiten zu berücksichtigen sind. Da auch Krankheiten, die zwar im Einzelfall nicht so kostenintensiv sind, aber wegen ihrer Verbreitung kostentreibend wirken, für die Kostenbelastung der Kassen von Bedeutung sind, ist bei der Krankheitsauswahl auch deren Prävalenz zu berücksichtigen. Hiervon ist auch der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten vom Dezember 2007 ausgegangen, wobei er allerdings nur eine schwache Prävalenzgewichtung empfohlen hatte, weil er der Auffassung war, dass sich die Krankheitsauswahl primär an der Höhe der Kosten orientieren solle (S. 25 des Gutachtens). Dem gegenüber hat das BVA seiner Auswahl eine stärkere Prävalenzgewichtung zugrunde gelegt. Da die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats nur Grundlage der Festlegungen, also für das BVA nicht verbindlich ist, durfte das BVA vom Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats abweichen. Insoweit geht es nicht um die Einhaltung des wissenschaftlichen Standards für die Bildung eines Klassifikationsmodells (wie schon die Tatsache zeigt, dass in der parallel zur Krankheitsauswahl des Wissenschaftlichen Beirats erarbeiteten "Essener Liste" eine noch stärkere Prävalenzgewichtung vorgesehen war (vgl. Ulle et.al., in Göpffarth et.al (Hrsg.), Jahrbuch Risikostrukturausgleich 2008, S. 41, 51f)), sondern um die Frage, wie bei der Auswahl der Krankheiten dem Willen des Gesetzgebers am besten entsprochen werden kann. In diesem Zusammenhang ist eine Wertung vorzunehmen, nämlich die Abwägung, inwieweit seltenere, aber besonders kostenintensive Krankheiten gegenüber verbreiteten und dadurch insgesamt kostentreibenden Krankheiten zu berücksichtigen sind. Insoweit ist dem BVA ein nicht voll überprüfbarer Entscheidungsspielraum einzuräumen, denn vor allem bei der Krankheitsauswahl spielen auch angesichts der möglichen Bandbreite von 50 bis 80 Krankheiten nicht unerhebliche politische Bewertungen mit. Die vom BVA getroffene Abwägung (S. 43 der Dokumentation der Festlegung der Krankheiten) hält sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe, insbesondere ist die Erwägung sachgerecht, dass bei einer Beschränkung auf seltene teure Krankheiten nicht die Morbiditätsstruktur einer Kasse abgebildet würde und die vom Wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagene Prävalenzgewichtung zu einer deutlichen Unterbewertung weiter verbreiteter Krankheiten gegenüber kostenintensiven selten Krankheiten geführt hätte. Dass die vom BVA danach ausgewählten Krankheiten die zwingende Vorgabe zur Kostenintensität (150 % der Durchschnittskosten) verfehlen, behauptet selbst die Klägerin nicht, so dass die Krankheitsauswahl nicht zu beanstanden ist.
c) Auch die Rüge der Klägerin, die Ausgestaltung des Klassifikationsmodells sei fehlerhaft, weil allen Krankheiten Arzneimittelwirkstoffe hätten zugeordnet werden müssen, was nicht geschehen sei, geht fehl. Weder § 29 Satz 1 Nr. 1 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009) noch § 31 Abs. 1 RSAV kann entnommen werden, dass allen Krankheiten innerhalb des Klassifikationsmodells Arzneimittelwirkstoffe zugeordnet werden müssen. Das Klassifikationsmodell muss nach § 29 Satz 1 Nr. 1 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009) nur auf der Grundlage von Diagnosen und Arzneimittelwirkstoffen aufbauen. Die kumulative Heranziehung beider Merkmale ist damit aber nicht erforderlich; Grundlage des Klassifikationsmodells sind beide Merkmale schon dann, wenn das Klassifikationsmodell sie grundsätzlich heranzieht, im Einzelfall aber Krankheiten aber auch allein durch Diagnosen identifiziert werden. Etwas anderes lässt sich auch § 31 Abs. 2 Satz 3 RSAV nicht entnehmen. Zwar war der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten zur Auswahl der Krankheiten verpflichtet, für die ausgewählten Krankheiten auch die zur Identifikation dieser Krankheiten erforderlichen ICD-Codes und Arzneimittelwirkstoffe anzugeben. Nach den überzeugenden Hinweisen der Beklagten gibt es aber Krankheiten, bei denen keine oder nur selten Arzneimitteltherapien durchgeführt werden und z.T. werden die gleichen Arzneimittelwirkstoffe auch bei unterschiedlichen Krankheiten eingesetzt (s. auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, S.12; Glaeske in Göpffarth et.al (Hrsg.), Jahrbuch Risikostrukturausgleich 2008, S. 24, wonach für die Definition einer Krankheit die Arzneimittelverordnungen nicht notwendig sind). Die Angabe von Wirkstoffen ist damit nicht möglich bzw. wäre im Einzelfall nicht zielführend, so dass nicht angenommen werden kann, die genannte Bestimmung verlange, dass den Krankheiten immer Arzneimittelwirkstoffe zugeordnet werden müssten. Im Übrigen richtet sich § 31 Abs. 2 Satz 3 RSAV allein an den Wissenschaftlichen Beirat. Selbst wenn dieser seiner Verpflichtung nicht vollständig nachgekommen wäre, wäre dies für die Rechtmäßigkeit der Festlegung des BVA unbeachtlich, weil das Gutachten des Beirats nur Grundlage der Krankheitsauswahl ist und nach dem oben Gesagten das Versichertenklassifikationsmodell nicht zwingend kumulativ Diagnosen und Arzneimittelwirkstoffe zur Identifikation der Krankheiten verwenden muss.
d) Die Rüge der Klägerin, das Klassifikationsmodell des BVA sei nicht wissenschaftlich untersucht, ist schon deshalb unbegründet, weil § 29 Satz1 Nr. 1 RSAV (in der Fassung bis 10.03.2009) nur verlangt, dass das vom BVA festgelegte Modell auf Klassifikationsmodellen "aufbaut", deren Einsatzfähigkeit in der GKV wissenschaftlich untersucht und bestätigt worden sind. Dass es entsprechende Untersuchungen gibt, bezweifelt auch die Klägerin nicht, sie räumt selbst ein, dass aus dem US-amerikanischen Gesundheitswesen ein Klassifikationsmodell übernommen worden ist. Dessen Anpassung an die GKV obliegt allein dem BVA. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RSAV bestimmt insoweit nur, dass der Wissenschaftliche Beirat einen Vorschlag zur Anpassung des Klassifikationsmodells an die GKV zu unterbreiten hat. Dass wegen des Rücktritts des ursprünglichen Beirats im März 2008 ein solcher Vorschlag nicht erstellt worden ist, ist unschädlich. Zum einen wäre der Vorschlag – ebenso wenig wie die Empfehlung nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RSAV – verbindlich gewesen, zum anderen hat das BVA ausweislich des Entwurfs der Erläuterungen zur Festlegung der Morbiditätsgruppen, des Zuordnungsalgorithmus, des Regressionsverfahrens und des Berechnungsverfahrens wissenschaftlichen Sachverstand herangezogen (S. 2). Dass das Klassifikationsmodell aus fachlicher Sicht ungeeignet gewesen sei, ist im Evaluationsbericht zum Ausgleichsjahr 2009 nicht festgestellt worden.
3. Der Jahresausgleichsbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte eine Korrekturmeldung der SA 500 zu Unrecht zurückgewiesen hat (dazu a) oder die landesbezogenen Beiträge im Jahresausgleich von den Werten der 14. Bekanntmachung abweicht (dazu b).
a) Unstreitig hat die Klägerin die Korrekturmeldung, die die Daten der Diagnosen bei Krankenhausbehandlung (SA 500) betraf (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RSAV) innerhalb der Frist des § 30 Abs. 4 Satz 2 RSAV (15.08.) abgegeben. Die Beklagte war aber zur Zurückweisung nach § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV berechtigt, weil die Korrekturmeldung nach § 27 Abs. 2 der Bestimmung des GKV-Spitzenverbandes vom 29.03.2010 bis zum 15.06. zu erfolgen hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der GKV-Spitzenverband nach § 267 Abs. 7 Nr. 1 SGB V auch ermächtigt, im Rahmen des zu regelnden Stichprobenverfahrens für die Erhebung der Leistungsausgaben (§ 267 Abs. 3 SGB V) auch Stichtage und Fristen für Datenlieferungen festzulegen. Da die Lieferung der Ergebnisse der Datenerhebungen nach § 267 Abs. 3 SGB V nach § 5 Abs. 3 Satz 1 RSAV über den Spitzenverband erfolgt, der die Ergebnisse nach Satz 2 a.a.O. vor der Übermittlung an das BVA auf Vollständigkeit und Plausibilität zu Überprüfen hat, umfasst die Ermächtigung, "das Nähere" des Stichprobenverfahrens zu regeln, auch die Befugnis, ggfls. von der RSAV abweichende Fristen zu setzen, um die verwaltungsmäßig reibungslose Durchführung der Datenverarbeitung und -meldung sicherzustellen. Dass eine solche Regelung notwendig sein kann, zeigt schon der Umstand, dass eine entsprechende Fristsetzung schon in der früheren Vereinbarung der damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen geregelt war (s. die Vereinbarung der Spitzenverbände für das Ausgleichsjahr 2006 vom 30.07.2007, § 27 Abs. 2 Satz 1). Die Spitzenverbände als fachkundige Vertreter der Krankenkassen haben es offenkundig für sachlich geboten gehalten, um mögliche Überforderungen der Datenverarbeitungskapazitäten zu vermeiden, die Frist für die Meldung der Korrektur zu verkürzen, um so die reibungslose Durchführung der Datenerhebung, -verarbeitung und -meldung sicherzustellen. § 30 Abs. 4 Satz 2 RSAV markiert somit nur die äußerste zeitliche Grenze, bis zu der die Meldung an das BVA gelangt sein muss, schließt aber nicht aus, dass ggfls. durch eine speziellere Regelung – hier § 27 Abs. 2 der Bestimmung des GKV-Spitzenverbandes – eine andere Frist gesetzt wird.
Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe im Jahresausgleich 2010 die Korrektur einer Datenlieferung der SA 700 anderer Kassen auch nach Ablauf der Frist zugelassen, hat es sich um einen völlig anderen Sachverhalt gehandelt, wie die Vertreter des BVA in der mündlichen Verhandlung erläutert haben (partielle Berichtigung wegen eines Softwarefehlers). Ohnehin könnte die Klägerin für den Jahresausgleich 2009 hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten, wenn das BVA in jenem Fall rechtswidrig eine Korrektur zugelassen hätte.
b) Was die Abweichung von den länderspezifischen Anpassungsbeträgen von den Werten der 14. Bekanntmachung anbelangt, hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass insoweit aufgrund eines Übertragungsfehlers fehlerhafte Werte veröffentlicht worden waren. Dies ist in der 15. Bekanntmachung klargestellt worden. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass selbstverständlich im Jahresausgleich die zutreffenden Werte zu verwenden waren.
III.
Die Einführung des direkt morbiditätsorientierten RSA begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Klägerin meint, zwar sei der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, einen direkt morbiditätsorientierten RSA einzuführen, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe (BVerfGE 113, 167, 263 f). In der Ausformung der §§ 29, 31 RSAV sowie der Festlegungen des BVA sei er aber ungeeignet, die gesetzgeberischen Ziele eines Solidarausgleichs zwischen den Krankenkassen und der Eröffnung gleicher Wettbewerbschancen zu erreichen, so dass er gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße.
Geht man allerdings davon aus, der Morbi-RSA sei nur in der Ausformung der §§ 29, 31 RSAV und der Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV nicht geeignet, die verfolgten Ziele zu erreichen, würde dies nur zur Nichtigkeit der §§ 29, 31 RSAV führen können, da diese dann den Gesetzesbefehl des § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V unzureichend umsetzen würden. Die Frage der Verfassungswidrigkeit des Morbi-RSA kann sich nur stellen, wenn die Vorgaben des § 268 Abs. 1 SGB V ungeeignet wären, die gewünschten Ziele zu erreichen oder sich in der gegebenen Situation nicht wie vorgeschrieben ab dem 01.01.2009 umsetzen ließen. Der Senat lässt dahinstehen, ob sich insoweit überhaupt die Frage einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stellt, weil die direkte Morbiditätsorientierung Ungleichbehandlungen auf der Ebene der Kassen bewirken oder weil der RSA sich als Eingriff in ihr Selbstverwaltungsrecht (§ 4 Abs. 1 SGB V) darstellen würde.
Dies unterstellt wäre mangels Grundrechtsfähigkeit der Klägerin (BVerfG SozR 4-2500 § 266 Nr. 7; SozR 4-2500 § 4 Nr. 1) Prüfungsmaßstab allein das Willkürverbot als objektives Rechtsprinzip. Dieses ist nur verletzt, wenn sich für die gesetzliche Regelung kein sachlich rechtfertigender Grund findet (BVerfGE 89, 132, 142; 99, 367, 389). Das lässt sich nicht feststellen. Der Morbi-RSA ist in Weiterentwicklung des 1994 eingeführten RSA zur Verbesserung des Solidarausgleichs und Vermeidung von Risikoselektionen eingeführt worden. Dabei ist der Gesetzgeber von wissenschaftlichen Untersuchungen ausgegangen, die ausgehend von international bereits praktizierten Finanzausgleichen ein direkt morbiditätsorientiertes Konzept befürwortet haben (s. dazu auch BVerfGE 113, 167, 264).
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, das Konzept einer direkten Morbiditätsorientierung sei unter den gegebenen Bedingungen der GKV nicht geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen. Die Eignung eines Mittels ist schon dann gegeben, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht (BVerfGE 67, 157, 175; 96, 10, 23). Insoweit hat der Gesetzgeber eine Prognose über die voraussichtliche Eignung zu treffen; es reicht dabei aus, wenn diese Prognose sachgerecht und vertretbar war (BVerfGE 30, 250, 263; 103, 293, 307). Eine gesetzliche Maßnahme ist nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil sie auf einer sich später als unrichtig erweisenden Prognose beruht. Der Gesetzgeber darf Konzepte erproben und muss lediglich bei Fehlprognosen nachbessern (vgl. BVerfGE 57, 139,162; 113, 167, 234).
Nach diesen Maßstäben ist die Einführung des Morbi-RSA verfassungsrechtlich unbedenklich. Wie dargelegt, ist der Gesetzgeber von wissenschaftlichen Auffassungen ausgegangen, die eine direkte Morbiditätsorientierung empfohlen haben. Ferner ist die Einsatzfähigkeit ausländischer Modelle und deren Anpassung an die Gegebenheiten der deutschen GKV untersucht worden (s. auch Schmehl in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rdn. 70).
Die Kritik der Klägerin, angesichts der mangelhaften Kodierqualität insbesondere im ambulanten Bereich (dazu 1.) und der Manipulationsmöglichkeiten (dazu 2.) sei der eingeführte Morbi-RSA zur Erreichung der Zwecke schlechterdings ungeeignet, ist unbegründet. Auch der Vorwurf einer nicht ausreichenden Datenbasis für die Etablierung eines Morbi-RSA greift nicht durch (dazu 3.)
1. Soweit die Klägerin die Kodierqualität namentlich im ambulanten Bereich kritisiert und insoweit auf eine jetzt vorliegende Studie des IGES-Instituts vom 03.12.2012 verweist, die zu dem Schluss kommt, bei allen untersuchten Krankheitsbildern sei eine Gleichzeitigkeit sowohl von Über- als auch von Unterkodierungen zu beachten, so dass die Ergebnisse erhebliche Zweifel daran weckten, dass die vertragsärztlichen Diagnosen ein zutreffendes Bild von der tatsächlichen bzw. der tatsächlich behandelten Morbidität gäben, ist ihr schon entgegen zu halten, dass diese Studie primär zur Frage eingeholt worden ist, ob sich aus den kodierten Diagnosen die Morbiditätsentwicklung ableiten lässt, die nach § 87 a Abs. 3 SGB V für die Gesamtvergütungen von Bedeutung wäre. Die Studie stellt dabei sowohl Über- als auch Unterkodierungen fest, es gibt wohl auch keine Hinweise, dass systematisch bestimmte Kassen oder Kassenarten betroffen sind. Dem gegenüber hat der Wissenschaftliche Beirat in seinem Evaluationsbericht keine Belege für ein ungenaueres Kodieren gefunden und sogar eine Verbesserung der formalen Diagnosegüte sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich festgestellt (S. 185 des Berichts).
Vor allem stammt die Studie von Dezember 2012. Bisher gab es zur Kodierqualität wohl kaum Untersuchungen (vgl. Ocegowski, G+G Wissenschaft 2013, 23, 24). Die Klägerin hatte selbst noch in ihrem Schriftsatz vom 03.02.2009 eingeräumt, die Kodierqualität habe sich im Vorfeld der Einführung morbiditätsbasierter Regelleistungsvolumina verbessert. Zudem bestand nach § 295 Abs. 3 Satz 2 SGB V (in der Fassung des GKV-WSG) bei Einführung des Morbi-RSA die Verpflichtung zur Einführung von Kodierrichtlinien für den ambulanten Bereich bis zum 30.06.2009, womit eine höhere Verbindlichkeit der Dokumentation von Abrechnungsdiagnosen geschaffen werden sollte. Schon vor diesem Hintergrund kann dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, er habe schlechterdings nicht davon ausgehen dürfen, die Kodierqualität sei nicht ausreichend für einen auf den kodierten Diagnosen aufbauenden RSA. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber zum Handeln gezwungen war, weil der Alt-RSA auf Grund seiner nur indirekten Morbiditätsorientierung nur begrenzt den Solidarausgleich gewährleisten konnte und aus wissenschaftlicher Sicht eine direkte Morbiditätsorientierung empfohlen wurde. Eine Verschiebung der Einführung eines Morbi-RSA bis zur Einführung von verbindlichen Kodierrichtlinien hätte bedeutet, für weitere Zeit an einem unzulänglichen Ausgleichsverfahren festzuhalten. Im Übrigen hätte auch eine generell "schlechte" Kodierqualität von Ärzten kaum wettbewerbsverzerrende Wirkungen, weil diese Ärzte regelmäßig Versicherte verschiedener Kassen behandeln und sich die Kodierqualität erst bei selektivem Handeln zugunsten oder zu Lasten einer Kasse wettbewerbsverzerrend auswirken würde. Falls sich aus dem IGES-Gutachten Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergibt, könnte dies allenfalls für kommende Ausgleichsjahre von Bedeutung sein, wäre aber für das hier streitige Ausgleichsjahr 2009 irrelevant. Gleiches gilt für die Streichung der Einführung von verbindlichen Kodierrichtlinien durch die Aufhebung des § 295 Abs. 3 Satz 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 80 Buchst. b DBuchst. aa GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2983) zum 01.01.2012. Wenn man annehmen würde, der Gesetzgeber habe damit gegen seine nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehende Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht verstoßen, würde dies ebenso nicht das hier streitige Ausgleichsjahr 2009 betreffen.
2. Die Rüge der Klägerin, mit der Änderung des § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (a.F), wonach die Klassifikationsmerkmale "praktikabel und kontrollierbar" sein sollen, durch das GKV-WSG sei eine "wesentliche Systemvoraussetzung" für die Einführung des Morbi-RSA entfallen, ist schon deshalb unbeachtlich, weil – wie oben dargelegt (unter II. 1 a) – diese Änderung erst zum 01.01.2009 in Kraft getreten ist und Ermächtigungsgrundlage für §§ 29, 31 RSAV, auf denen die Festlegungen des BVA beruhen, noch die alte Fassung des § 268 Abs. Satz 1 SGB V ist, also einschließlich der Vorgabe der Nr. 5 a.a.O. nach Praktikabilität und Kontrollierbarkeit. Im Übrigen geht die Argumentation der Klägerin auch in der Sache fehl, weil selbstverständlich ein Klassifikationsmodell, das sich auf 50 – 80 Krankheiten beschränkt, wie es die Neufassung der Nr. 5 vorgibt, "praktikabel und kontrollierbar" ist. Die Neufassung des § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist sogar eher noch bestimmter als die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligte (BVerfGE 113, 167, 269 ff) frühere Fassung der Ermächtigung (Huber, Tz. 33).
Was die von der Klägerin behaupteten Manipulationsmöglichkeiten anbelangt, mag es zwar Versuche von Krankenkassen gegeben haben und auch geben, auf die Ärzte Einfluss hinsichtlich der Kodierung von Krankheiten Einfluss zu nehmen. Auch mögen anfänglich die Aufsichtsbehörden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Zulässigkeit einer nachträglichen Korrektur von Diagnosen vertreten haben. Der Gesetzgeber hat aber hierauf reagiert und im Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I 1990) mit Wirkung vom 23.07.2009 in § 268 Abs. 3 Satz 2 SGB V eine eindeutige Regelung getroffen. Die Vorschrift schreibt vor, dass für die Durchführung des Morbi-RSA der Meldung der versichertenbezogenen Diagnosen- und Verordnungsdaten nur die von den Leistungserbringern im Rahmen der Durchführung der Versorgung nach §§ 294 – 303 SGB V erhobenen Daten zugrunde gelegt werden dürfen. Gleichzeitig ist in § 273 SGB V eine Prüfungspflicht hinsichtlich der insoweit gemeldeten Daten geschaffen worden. Die Vorschriften sind ausdrücklich als Reaktion auf Aktivitäten der Krankenkassen eingeführt worden, im Hinblick auf den morbiditätsorientierten RSA Ärzte in ihrem Kodierverhalten zu beeinflussen (Göpffarth/Sichert in Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl., § 273 Rn. 1). Da nunmehr ausschließlich die für die Abrechnung gemeldeten Diagnosen für die Durchführung des Morbi-RSA verwendet werden dürfen, sind Nacherhebungen und Korrekturen gezielt für Zwecke des RSA unzulässig (Göpffarth/Sichert, a.a.O.). Außerdem besteht nach § 273 Abs. 1 SGB V eine Prüfungspflicht des BVA als Durchführungsbehörde, die nach Abs. 2 zunächst als Auffälligkeitsprüfung und dann nach Abs. 3 als Einzelfallprüfung durchgeführt wird und gem. Abs. 4 bei Feststellung von Verstößen gegen § 268 Abs. 3 Satz 2 SGB V zur Festsetzung eines Korrekturbetrages (§ 39a RSAV) führt. Der Gesetzgeber hat somit die Voraussetzungen geschaffen, um sicherzustellen, dass nicht für Zwecke des RSA der Abrechnungsdatensatz mit den darin enthaltenen Diagnosen nachträglich verändert wird. Dass die Vorschriften in größerem Umfang nicht beachtet werden, also ein systemisches Vollzugsdefizit besteht, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Ihr Hinweis auf die im Tätigkeitsbericht des BVA für 2011 geschilderte Erforderlichkeit aufsichtsrechtlichen Einschreitens in einigen Fällen zeigt im Gegenteil eher, dass die Einhaltung des § 268 Abs. 3 Satz 2 SGB V überwacht wird; es wäre bloße Spekulation anzunehmen, die bekannt gewordenen Fälle seien quasi nur die Spitze des Eisbergs.
Was die Frage des "Diagnosehandels" im stationären Bereich anbelangt, hat die Beklagte schon zu Recht darauf hingewiesen, dass in einem prospektiven Modell die höhere Vergütung des Krankenhauses sofort anfallen würde, während sich die "zusätzliche" Diagnose erst bei den Zuweisungen im Folgejahr auswirken würde, die Krankenkasse also nicht sicher sein könnte, tatsächlich von dem "Handel" zu profitieren. Von daher dürfte der Anreiz für ein solches Vorgehen für die Kassen eher gering sein.
Bei der Frage einheitlicher KV-Nummern handelt es sich nach dem überzeugenden Vortrag der Beklagten um eine Problematik von abnehmender Bedeutung. Vor allem gibt es keine Hinweise auf das "böswillige" Verschleppen der Beschaffung von KV-Nummern. Auch die Klägerin kann insoweit nur Vermutungen äußern. Erst recht ist es bloße Spekulation, wenn die Klägerin mutmaßt, der Umstand, dass für Kassenwechsler von den abgebenden Kassen signifikant weniger Diagnosen gemeldet würden, könne auf die systematische Nicht-Meldung für ehemalige Versicherte und die fehlenden KV-Nummern zurückgeführt werden. Davon abgesehen, dass nach Aussage der Beklagten schon die behaupteten defizitären Meldungen nicht nachvollzogen werden können, werden Kassenwechsler überwiegend eher als "gute" Risiken angesehen (s. den Evaluationsbericht, S. 58), was zwangslos erklären könnte, weshalb für diese Versicherten weniger Diagnosen zu melden sind.
Zudem hat der Wissenschaftliche Beirat in seinem Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 auch die Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die festgestellte Steigerung der Anzahl der gemeldeten Diagnosen im Kontext mit dem Morbi-RSA stehe. Die wahrscheinlichsten Erklärungen für den Anstieg seien eher vermehrte Diagnostik, eine sorgfältigeres Kodieren und eine vollständigere technische Erfassung. Der Beirat hält lediglich eine weitere sorgfältigere Beobachtung für angezeigt; auch müsse das dem BVA eingeräumte Kontrollinstrumentarium überprüft und weiter entwickelt werden (Abschnitt 9.3 des Berichts).
Der Evaluationsbericht widerlegt im Übrigen die Behauptung der Klägerin, der Morbi-RSA in seiner gegenwärtigen Gestaltung sei ungeeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Der Wissenschaftliche Beirat ist vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich der Morbi-RSA die Zielgenauigkeit der Zuweisungen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben erhöht hat und die festgestellte Verschlechterung der Zielungenauigkeit bei Deckungsquoten nach Altersgruppen lediglich Folge der nicht durchgeführten Annualisierung der Ausgaben unterjährig Verstorbener ist (s. "Zusammenfassung und Schlussfolgerungen", Abschnitt 6.4 des Berichts), gegen die sich insbesondere die Klägerin in allen Festlegungsverfahren ausgesprochen hat.
3. Die Klägerin hält ferner die Datengrundlage nicht für ausreichend, um den Morbi-RSA durchzuführen und bezieht sich insoweit auf Ausführungen des BSG in dessen Urteil vom 24.01.2003 (B 12 KR 12/01 R = SozR 4-2500 § 266 Nr. 1). Das BSG hat dort unter Hinweis auf die Schwierigkeiten, die wegen der bei Einführung des RSA nicht vollgesicherten Datengrundlage aufgetreten waren, gemeint, die Weiterentwicklung des RSA solle erst verwirklicht werden, wenn die Datenbasis sicher sei. In Zukunft könne möglicherweise nicht mehr geltend gemacht werden, dass mit dem RSA Neuland betreten wurde und Erfahrungen gesammelt werden dürften (a.a.O., Rdz. 83). Wie der Senat schon in seinem Urteil vom 23.02.2012 (L 16 KR 81/08 – unter II. 1.) ausgeführt hat, kann dem von der Klägerin zitierten Hinweis nichts dazu entnommen werden, welche Anforderungen insoweit an eine "gesicherte" Datengrundlage zu stellen wäre. Die Klägerin zeigt in ihrem Vortrag zwar einzelne im Verwaltungsvollzug typischerweise vorkommende Defizite auf (wie z.B. die Fehlerhaftigkeit der Daten von 44 Kassen im Rahmen der Stichprobenerhebung hinsichtlich der Leistungsausgaben oder die Meldung fehlerhafter Daten durch die KV Bremen). Diese können aber grundsätzlich die Durchführung des RSA nicht in Frage stellen. Dass erhobene Daten in Einzelfällen unplausibel oder unbrauchbar sein können, hat der Gesetzgeber schon in § 266 Abs. 7 Nr. 11 SGB V berücksichtigt und insoweit vorgegeben, in der RSAV Folgen fehlerhafter Datenmeldungen zu regeln. Dazu sieht § 5 Abs. 3 RSAV vor, dass die Stichprobenergebnisse ggfls. durch geeignete statistische Verfahren ergänzt oder ersetzt werden. Ferner sind die Aufsichtsbehörden nach § 15a RSAV verpflichtet, die Meldungen aller Versicherungszeiten für eines der beiden letzten Ausgleichsjahre zu prüfen. Die bei der Prüfung festgestellte Quote fehlerhafter oder nicht plausibler Fälle wird auf die Gesamtheit der Versicherten dieser Krankenkasse hochgerechnet (§ 15a Abs. 2 RSAV) und aufgrund der Hochrechnung wird ein Korrekturbetrag festgesetzt (§ 15a Abs. 3 Satz 1 RSAV). Der Gesetzgeber hat also Vorkehrungen zur Sicherungen einer validen Datenbasis geschaffen.
Was die von der Klägerin schon im früheren Verfahren gerügte Zahl doppelter Versicherungsverhältnisse anbelangt, gibt es wohl keine Hinweise, dass sich diese Problematik auf einzelne Kasse oder Kassenarten konzentriert, so dass sich bei angenommener gleichmäßiger Verteilung von Doppelmeldungen diese nicht verzerrend auswirken können. Ferner ist ein Verfahren zur Klärung der doppelten Versicherungsverhältnisse eingeführt worden. Soweit (wie Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz vorgetragen hat) von der informationstechnischen Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung gehäuft doppelte Versicherungsnummern vergeben worden sind, ist es Aufgabe der für die Datenlieferung zuständigen Krankenkassen bzw. des GKV-Spitzenverbandes auf die Beseitigung dieses Fehlers hinzuwirken; es liegt aber fern, allein deswegen von der Durchführung des RSA abzusehen. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die amtliche Statistik KM 6 eine unplausibel hohe Zahl von Auslandsversicherten rügt, hat die Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass die KM 6 die Versicherten stichtagsbezogen erfasse, während die Vergleichszahl für den RSA (SA 100) zeitraumbezogen sei und jeden Versicherten erfasse, der mindestens 1 Tag im Ausland gewesen sei, so dass es zwangsläufig zu differierenden Werten kommen werde. Auch wenn nach dem Vortrag der Klägerin die Zahl der gemeldeten Versicherten in der SA 100 immer unter der in der Statistik gemeldeten Zahl liegen müsste, würden im Jahre 2009 aufgetretene Erfassungsprobleme nicht die Rechtmäßigkeit des RSA in Frage stellen. Sofern tatsächlich die Zahl der Auslandsversicherten für das Ausgleichsjahr 2009 zu korrigieren wäre, könnte dem nach § 266 Abs. 6 Satz 6 SGB V Rechnung getragen werden. Die Bundesregierung geht im Übrigen selbst davon aus, dass die Zuweisungen an Auslandversicherte, die nur 0,4 % der Gesamtzuweisungen ausmachen, die Zielgerechtigkeit des Morbi-RSA nicht wesentlich berühren (Antwort der Bundesregierung auf die Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drucks. 17/7538, 4).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der angefochtene Bescheid vom 16.11.2010 nicht zu beanstanden ist, so dass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Klägerin beziffert ihre Belastung aufgrund des von ihr angegriffenen Morbi-RSA auf über 300 Mio. Euro.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 20.10.2014
Zuletzt verändert am: 20.10.2014