Der Schiedsspruch der Beklagten vom 03.12.2015 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, einen neuen Schiedsspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob und ggfls. in welcher Höhe ein Gewinnzuschlag (Risikozuschlag) bei der Kalkulation der Pflegesatzvergütungen sowie der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung in dem Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 30.06.2016 zu berücksichtigen ist.
Die Beigeladene ist Trägerin u.a. des Pflegeheims "Caritashaus I" in N. Zwischen ihr und der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in Nordrhein-Westfalen besteht ein Versorgungsvertrag, nach dem die Einrichtung 80 vollstationäre sowie 14 teilstationäre Pflegeplätze ausweist. Unter dem 11.05.2015 forderte die Beigeladene die Kläger zur Aufnahme von Vergütungsverhandlungen für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 auf. Sie legte den gemeinsamen Nachweis gemäß § 85 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für stationäre Pflegeeinrichtungen in NRW vor, der einen Risikozuschlag von 4 % der Gesamtkosten (neben der Pflegevergütung für Personal und Sachkosten sowie den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung) enthielt. Die Kläger unterbereiteten am 26.05.2015 ein Angebot, das indes einen Risikozuschlag nicht enthielt. Eine Reaktion der Beigeladenen erfolgte (zunächst) nicht; auf Erinnerung wies die Beigeladene mit Schreiben vom 15.07.2015 auf den geforderten Gewinnzuschlag in Höhe von 4 % hin.
Am 13.08.2015 stellte die Beigeladene bei der beklagten Schiedsstelle für die Soziale Pflegeversicherung im Land Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, einen Antrag auf Durchführung eines Verfahrens zur Festsetzung der Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung gemäß § 85 Abs. 5 SGB XI gestellt.
Zur Begründung machte sie geltend:
Für den Vergütungszeitraum 01.07.2015 bis 30.06.2016 sei die Vergütung für die Pflegestufe 0 auf 50,94 Euro, für die Pflegestufe I auf 53,62 Euro, für die Pflegestufe II auf 56,30 Euro, für die Pflegestufe III auf 58,98 Euro, die Entgelte für Unterkunft auf 11,28 Euro und für Verpflegung auf 8,69 Euro – jeweils je Berechnungstag – festzusetzen. Die Kläger hätten demgegenüber Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung wie folgt angeboten (Schreiben vom 26.05.2015):
Pflegestufe 0: 48,22 Euro je Berechnungstag,
Pflegestufe 1: 50,76 Euro je Berechnungstag,
Pflegestufe 2: 53,30 Euro je Berechnungstag,
Pflegestufe 3: 55,84 Euro je Berechnungstag,
Entgelt Unterkunft: 11,31 Euro je Berechnungstag,
Entgelt Verpflegung: 8,71 Euro je Berechnungstag.
Sie sei unter Zurückstellung von Bedenken bereit, dieses Angebot ganz überwiegend zu akzeptieren. Nicht akzeptieren könne sie jedoch, dass die Kläger sich weigerten, einen Gewinnzuschlag in Höhe von lediglich 4 % des Gesamtbudgets zuzubilligen. Dieser Gewinnzuschlag mache lediglich 9113,00 Euro aus (ausgehend von einem Gesamtbudget von 227.837,00 Euro). Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 16.05.2013, Az.: B 3 P 2/12 R) ergebe sich, dass sie Anspruch auf einen Gewinnzuschlag habe. Welcher Gewinnzuschlag konkret angemessen sei, habe weder der Gesetzgeber noch das BSG vorgezeichnet, sondern vielmehr der Aushandlung der Pflegesatzparteien und im Streitfall der Entscheidung der zuständigen Schiedsstelle überlassen. Entsprechend der Entscheidung der Hessischen Schiedsstelle vom 29.01.2015, Az.: 18 C 07-13/14 sei davon auszugehen, dass hier ein Risikozuschlag in Höhe von 4 % – orientiert an § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) – angemessen sei.
Die Kläger vertraten die Auffassung, dass der Schiedsantrag unzulässig sei. Es sei rechtsmissbräuchlich, die Schiedsstelle nach Ablauf von sechs Wochen nach Verhandlungsaufforderung anzurufen, ohne zuvor in ernsthafte Verhandlungen eingetreten zu sein. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet. Die Beigeladene als Gesamtorganisation habe 2013 einen Gewinn in Höhe von 775.884,- Euro ausgewiesen; die Einrichtung der Beigeladenen habe im Jahr 2013 bei einer Auslastung von 99,98 % eine Kostendeckung von 99,13 % und im Jahr 2014 bei einer Auslastung von 99,39 % einen Kostendeckungsgrad von 98,85 % erzielt. Die Beigeladene könne Gewinnchancen insbesondere über die im Angebot unterlegte Auslastungsquote von 98 % erzielen. Außerdem würden in Nordrhein-Westfalen Gewinne bereits in der Begründung und Anerkennung der einzelnen prospektiv kalkulierten Ansätze eingepreist. Die Kläger haben außerdem geltend gemacht, dass weder der Heimbeirat noch die Bewohner der Einrichtung hinreichend ordnungsgemäß über die angestrebte Erhöhung der Pflegesätze informiert worden seien.
Durch Beschluss vom 03.12.2015 setzte die beklagte Schiedsstelle die Pflegesatzvergütungen sowie die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung entsprechend dem Begehren der Beigeladenen einschließlich eines an § 44 SGB I orientierten Gewinnzuschlags in Höhe von 4% fest. Wegen der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses vom 03.12.2015 Bezug genommen.
Gegen den ihr am 17./18.12.2015 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 13.01.2016 Klage vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erhoben.
Zur Begründung bringen sie vor: Die beklagte Schiedsstelle habe weder zwingendes Gesetzesrecht beachtet noch den streitigen Sachverhalt ausreichend ermittelt und schließlich ihre Abwägung nicht frei von Einseitigkeiten, mithin nicht in einem willkürfreien und fairen Verfahren vorgenommen. Deshalb sei der Schiedsbeschluss auch unter Berücksichtigung eines Beurteilungsspielraums bzw. einer Einschätzungsprärogative rechtswidrig ergangen. Aus der Entscheidung des BSG vom 16.05.2013 ergebe sich, dass das allgemeine Unternehmerrisiko nicht durch einen allgemeinen Zuschlag abzugelten sei. Um einen möglichen Risiko- und Wagniszuschlag anzuerkennen, müsse nach der Ansicht des BSG die Kostenstruktur des Pflegeheims erkennbar werden und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen. Deshalb habe das Pflegeheim geeignete Nachweise auch im Hinblick auf die angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation reiche in aller Regel nicht aus. Hier hätten sich die Vertragsparteien auf eine Auslastungsquote sowie prospektive Gestehungskosten geeinigt, die dem Einrichtungsträger ausreichende Gewinnmöglichkeiten einräumten. Ein Anspruch auf einen – zusätzlichen – festen, umsatzbezogenen Prozentsatz bestehe darüber hinaus nicht. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sei nicht zwischen einem einfachen, nicht zu plausibilisierenden und einem qualifizierten Gewinnzuschlag, der einen Risikonachweis erfordere, zu unterscheiden. Vielmehr seien auch sonstige Gestehungskosten, wie das allgemeine Unternehmerrisiko auf der ersten Prüfungsstufe nachzuweisen. Unternehmerische Risiken im Bereich der Steuerung der Personalmenge/Krankenstände, der Forderungsausfälle und der Umsetzung des Verhandlungsergebnisses, der Anordnungen der Heimaufsicht sowie nicht bekannte tarifliche Entwicklungen sowie Risiken der Belegungsstruktur seien nicht existent. Ohnehin sei aus der Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX – entgegen der Auffassung des BSG – nicht der Schluss zu ziehen, dass den Einrichtungsträgern eine Gewinnmöglichkeit eingeräumt werden müsse.
Die Beklagte habe ferner die Auslastungsquote als Kriterium zur Ermittlung einer Gewinnmöglichkeit fehlerhaft verworfen. Unter Berücksichtigung der Auslastung mit einem allgemein erreichbaren Niveau von 98 % sei in NRW die Option der Gewinnerzielung bei ordentlicher Betriebsführung eröffnet. Vorliegend seien darüber hinaus nicht 98 %, sondern 98 % mit einer 2,5 prozentigen Abwesenheit, also eine Auslastungsquote von 97,40 % vereinbart worden. Der Einrichtungsträger habe für 2013 eine Auslastungsquote von 78,97% und für 2014 von 77,57% angegeben. Die geeinte Auslastungsquote von 90% in NRW könne nicht grundsätzlich als ungeeignet angesehen werden, um einen Gewinn zu erzielen. Es müssten vielmehr insoweit die einrichtungsindividuellen und landesspezifischen Umstände berücksichtigt werden.
Schließlich sei die Ausrichtung der Gewinnpauschale von 4 % an § 44 SGB I fehlerhaft. § 44 Abs. 1 SGB I betreffe Ansprüche auf Geldleistungen und regle somit einen ganz anderen Sachverhalt. Vollends den Boden einer vertretbaren Ermessensausübung verlasse die Schiedsstelle, wenn sie diesen willkürlich angesetzten pauschalen Zinssatz von 4 % nicht, wie es die Hessische Schiedsstelle getreu der BSG-Entscheidung aus 2003 tue, am Unternehmensumsatz ausrichte, sondern wenig verständlich am Pflegesatz selbst. Hinzu komme, dass der feste umsatzbezogene Prozentsatz nach der Rechtsprechung des BSG nur auf die Pflegesatzvergütung und nicht auf die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung aufzuschlagen sei. Letztlich habe die Schiedsstelle ihre Beurteilung auf einer nur unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage vorgenommen. Sie habe insbesondere die streitigen allgemeinen Unternehmerrisiken nicht näher aufgeklärt. Außerdem habe sie ihre Amtsermittlungspflichten verletzt, weil sie die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Heimbewohner im Pflegesatzverfahren nicht in ihre Ermessenserwägungen aufgenommen habe.
Die Kläger beantragen,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 03.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Schiedsspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie entgegnet: Sie habe zwingendes Gesetzesrecht sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG beachtet und ihrer Entscheidung zugrundegelegt. Die Tätigkeit der Pflegeeinrichtungen sei gewinn- bzw. verlustorientiert, was sich unmittelbar aus dem Wortlaut von § 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX ergebe. Das BSG habe in seinem Urteil vom 16.05.2013 entschieden, dass die Pflegevergütung der Pflegeeinrichtung die Möglichkeit bieten müsse, Gewinne zu erzielen. Sei dies gewährleistet, so bedürfe es keiner weiteren Zuschläge wegen nicht näher konkretisierter Risiken des Pflegebetriebs. Aufgabe der Schiedsstelle sei es gewesen, im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums nach ihrem Ermessen in vertretbarer Weise mit der Festsetzung der Pflegevergütung zugleich die Grundlage für die Realisierung eines Gewinns zu schaffen. Sie habe sich nach Abwägung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände in Ausübung ihres Ermessens dafür entschieden, dass ein umsatzbezogener Prozentsatz als Grundlage für die Realisierung von Gewinnaussichten eher geeignet sei als die Steuerung über die Auslastungsquote. Entgegen der Behauptung der Kläger sei in Nordrhein-Westfalen zu keinem Zeitpunkt eine Gewinnsteuerung über die Auslastungsquote entwickelt worden. Richtig sei, dass im Grundsatzausschuss gemäß § 22 des Rahmenvertrags nach § 75 SGB XI für die Kurzzeitpflege und vollstationäre Pflege in NRW eine rechnerische Auslastungsquote von 98 % bei einer Abwesenheitsquote von 2,5 % (umgerechnet eine Nettoauslastungsquote von 97,4 %) vereinbart worden sei, die seitdem allen Pflegesatzberechnungen zugrundegelegt werde. Diese bereits über viele Jahre andauernde Praxis habe allerdings niemals den ausdrücklich erklärten oder zumindest aus der Sache heraus erkennbaren Zweck gehabt, in irgendeiner Weise eine Gewinnsteuerung vorzunehmen. Unabhängig davon sei auch eine landeseinheitliche Auslastungsquote von 98 % nicht geeignet, als Grundlage für die Realisierung von Gewinnaussichten i.S.d. Rechtsprechung des BSG zu dienen. Eine derart hohe Quote sei nur schwer zu erreichen; noch schwerer sei es, sie gewinnbringend zu überschreiten. Die durchschnittliche Auslastung der Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen liege nach den Feststellungen des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen bei 93,20 %. Um gewinnbringend zu wirtschaften, wäre somit im Durchschnitt eine Überschreitung dieses Satzes um fast 5 % erforderlich. Unabhängig hiervon sei es bei einer Gewinnsteuerung über die Auslastungsquote nach den ausdrücklichen Feststellungen des BSG auch erforderlich, Vergleiche mit anderen Einrichtungen im Bezugsraum vorzusehen, um so realistische Gewinnchancen auszuloten. Gerade in Nordrhein-Westfalen, einem Land mit vielen grundverschiedenen Strukturen, Bevölkerungsdichten und Pflegeheimangeboten müssten die durchschnittlichen Regionalquoten ermittelt werden, um daran die Realisierung von Gewinnchancen und eine Steuerung über die Auslastungsquoten herbeizuführen. Die beschriebenen Schwierigkeiten einer realistischen Einschätzung der Gewinnchancen über die Auslastungsquote hätten die Schiedsstelle veranlasst, dieses Modell für das Land Nordrhein-Westfalen als weniger geeignet anzusehen, als das vom BSG als Alternative beschriebene Modell eines umsatzbezogenen Prozentsatzes. Die Schiedsstelle habe die normative Wertung des § 44 SGB I als durchaus geeignetes Mittel bei der Bemessung der Höhe des Gewinnzuschlags angesehen. Eine Reduzierung habe sie nicht vornehmen können, weil hierfür keine hinreichenden Gründe erkennbar gewesen seien. Soweit die Kläger rügten, dass die Schiedsstelle sich nicht mit den im Einzelnen beschriebenen unternehmerischen Risiken befasst habe, gehe dieser Vorwurf ins Leere. Das BSG habe ausdrücklich klargestellt, dass wegen derartiger unternehmerischer Risiken – wenn ein Gewinnzuschlag nach einem der obigen Muster berücksichtigt worden sei – keine weiteren Zuschläge gewährt werden könnten. Insofern habe es auch keiner weiteren Aufklärung durch ein Sachverständigengutachten bedurft. Die Schiedsstelle habe den Gewinnzuschlag weiter als umsatzbezogenen Prozentsatz in konsequenter Weise auf alle Vergütungen und Entgelte verteilt, die an dem Umsatz beteiligt seien. Das BSG spreche zwar von den durch den Gewinnzuschlag zu erhöhenden Pflegevergütungen, meine dies jedoch offensichtlich nicht wörtlich, weil es gleichzeitig betont, dass der Zuschlag auf die Kosten einer Einrichtung bezogen sei, worunter nicht nur die Pflegekosten, sondern auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu verstehen seien.
Die Beigeladene schließt sich inhaltlich den Ausführungen der Beklagten an, stellt aber keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) in der Form der Bescheidungsklage (§ 131 Absatz 3 SGG) zulässig; der Schiedsspruch stellt einen Verwaltungsakt dar (vergl. BSG, Urteil vom 25.01.2017, Az.: B 3 P 3/15 R mit weiteren Nachweisen (mwN)).
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG NRW folgt aus § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Landessozialgerichte im ersten Rechtszug über Klagen u.a. gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 76 SGB XI. Zu diesen Entscheidungen gehört auch die Festsetzung der Pflegesätze nach einem Scheitern von Pflegesatzverhandlungen auf Antrag einer Vertragspartei der Pflegesatzvereinbarung nach § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI. Bei der Beklagten handelt es sich um eine solche Schiedsstelle. Angegriffen ist der Schiedsspruch vom 03.12.2015, mit dem die Pflegesätze für das von der Beigeladenen getragene Pflegeheim festgesetzt worden sind.
Die örtliche Zuständigkeit des LSG NRW ergibt sich aus einer – für den Fall der erstinstanzlichen Zuständigkeit des LSG NRW – entsprechenden Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG.
Eines Vorverfahrens vor Klageerhebung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG bedurfte es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 85 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1 SGB XI nicht.
Die Kläger sind auch klagebefugt, da sie gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB XI Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung sind.
Die Klage ist auch begründet. Der Beschluss der Beklagten vom 03.12.2015 ist rechtswidrig; die beklagte Schiedsstelle hat einen neuen Schiedsspruch hinsichtlich der Höhe der Pflegevergütung sowie der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die von der Beigeladenen getragene Pflegeeinrichtung für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 30.06.2016 zu erlassen.
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XI erhalten zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste nach Maßgabe des 8. Kapitels eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung. Pflegesätze sind nach § 84 Abs. 1 SGB XI die Entgelte der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger für die teil- oder vollstationären Pflegeleistungen des Pflegeheims sowie für die soziale Betreuung und, soweit kein Anspruch auf Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht, für die medizinische Behandlungspflege (Satz 1). In den Pflegesätzen dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden, die nicht der Finanzierungszuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung unterliegen (Satz 2). Die Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der seit 01.01.1995 geltenden Fassung). Sie sind nach dem Versorgungsaufwand, den der Pflegebedürftige nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit benötigt, in drei Pflegeklassen einzuteilen; für Pflegebedürftige, die als Härtefall anerkannt sind, können Zuschläge zum Pflegesatz der Pflegeklasse 3 bis zur Höhe des kalendertäglichen Unterschiedsbetrages vereinbart werden, der sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB XI ergibt (§ 84 Abs. 2 SGB XI). Die Pflegesätze müssen einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI). Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden (§ 84 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Überschüsse verbleiben dem Pflegeheim; Verluste sind von ihm zu tragen (§ 84 Abs. 2 Satz 5 SGB XI [seit 01.01.2015 § 84 Abs. 2 Satz 6 SGB XI]). Die Pflegesätze haben den Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten (§ 84 Abs. 2 Satz 6 bzw. seit 01.01.2015 Satz 7). Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheims und den Leistungsträgern nach Abs. 2 vereinbart (§ 85 Abs. 1 SGB XI). Nach § 85 Abs. 3 SGB XI ist die Pflegesatzvereinbarung im Voraus, vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode des Pflegeheims für einen zukünftigen Zeitraum (Pflegesatzzeitraum) zu treffen (Satz 1). Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen; es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen (Satz 2). Soweit dies zur Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen (Satz 3). Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluss entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung (Satz 4).
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.05.2013, B 3 P 2/12 R), sind Pflegesatzverhandlungen und eventuell nachfolgende Schiedsstellenverfahren grundsätzlich nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI (Prognose). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich). Im Ergebnis sind Pflegesätze und Entgelte dann leistungsgerecht i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI, wenn 1. die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie 2. in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen stehen. Geltend gemachte Pflegesätze und Entgelte sind dann nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete Kostensteigerungen nicht plausibel erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen stationären Pflegeeinrichtungen unangemessen sind.
Für den gerichtlichen Überprüfungsmaßstab ist von einer eingeschränkten Kontrolldichte auszugehen. Der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§ 76 Abs. 4 SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenfügung unterschiedlicher Interessen und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter aufweist. Deshalb ist der Schiedsstelle bei ihrer Entscheidungsfindung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist (BSG, Urteil vom 25.01.2017 aaO mwN). Deshalb ist gerichtlich zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgte, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht beachtet worden ist. Dies setzt voraus, dass die gefundene Abwägung auch hinreichend begründet ist. Die angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit sowie auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit hin geprüft werden können, im Schiedsspruch genannt werden oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht deutlich gemacht sein, so dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar ist und dies von den Beteiligten sowie von dem Gericht nachvollzogen werden kann (vgl. BSG Urteil vom 25.01.2017 aaO; BSG Urteil vom 29.01.2009, Az.: B 3 P 7/08 R). Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes erweist sich die Festsetzung der Pflegesätze sowie der Vergütungsätze für Unterkunft und Verpflegung unter Ansatz eines an der Vorschrift des § 44 SGB I orientierten pauschalen 4%igen Gewinnzuschlags als sachwidrig.
Nach der Entscheidung des BSG (Urteil vom 16.05.2013 aaO) müssen die Pflegesätze dem Pflegeheim die Möglichkeit bieten, Gewinne zu erzielen, die ihm i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 SGB XI als Überschuss verbleiben. Durch § 84 Absatz 2 Satz 4 SGB XI in der Fassung von Artikel 1 Nr. 17a a) aa) des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) vom 23.12.2016 (BGBl I, 3191ff) ist nunmehr – mit Wirkung ab 01.01.2017 auch gesetzlich – ausdrücklich klargestellt, dass Pflegeheime Anspruch auf eine angemessene Vergütung ihres Unternehmerrisikos haben. Wie diese Gewinnchance zu bemessen ist, hat der Gesetzgeber auch bei der Neuregelung nicht vorgezeichnet, sondern weiter der Aushandlung der Vertragspartner und im Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle im Verfahren nach § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI überlassen. Grundsätzlich ist es deshalb von den Vertragspartnern hinzunehmen, wenn die Schiedsstelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums nach ihrem Ermessen in vertretbarer Weise mit der Festsetzung der Pflegesätze zugleich die Grundlage für die Realisierung von Gewinnaussichten setzt. Dies kann entweder über einen festen umsatzbezogenen Prozentsatz geschehen oder auch über die Auslastungsquote gesteuert werden; das ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Letzteres setzt dann aber voraus, dass die der Entgeltbemessung zugrundegelegte Auslastungsquote im Vergleich mit anderen Einrichtungen im jeweiligen Bezugsraum so realistisch angesetzt ist, dass sie bei ordnungsgemäßer Betriebsführung zu einem angemessenen Unternehmensgewinn führen kann (vgl. BSG Urteil vom 16.05.2013 a.a.O.)
Zunächst geht der Senat davon aus, dass – entgegen dem Vorbringen der Kläger – in ihrem Angebot keine Gewinnmarge enthalten ist. Die Kläger haben nämlich insoweit – etwa zur Höhe und der Art der Ermittlung – keinerlei Angaben gemacht. Zudem haben sie – auch noch im Klageverfahren – gerade bestritten, dass den Pflegeheimen bei der Kalkulation der Pflegesätze überhaupt eine derartige Gewinnmöglichkeit eingeräumt werden muss. Bei dieser Sachlage ist zu schlussfolgern, dass das auch das Angebot – folgerichtig im Hinblick auf die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung – eine "eingepreiste" Gewinnmöglichkeit nicht enthält, sondern lediglich die Gestehungskosten.
Es ist ferner rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums gegen eine Steuerung der Gewinnmöglichkeiten des Pflegeheims über die Auslastungsquote entschieden hat: Die Beklagte hat die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte dargelegt; diese sind nachvollziehbar und sachgerecht. Dem Vorbringen der Kläger ist nichts zu entnehmen, was die Einschätzung der Beklagten fehlerhaft erscheinen ließe; soweit sie meint, im Gegensatz zur Beklagten sei nicht von einer kalkulierten Auslastungsquote von 98%, sondern vielmehr von 97,4% auszugehen, stellt dies erkennbar kein maßgebliches Kriterium dar; auch das BSG (Urteil vom 16.05.2013 aaO) hat bereits bei einer kalkulierten Auslastungsquote von 96% bezweifelt, dass den Heimen (durch das Streben nach einer tatsächlich höheren Auslastungsquote) angemessene Gewinnmöglichkeiten eröffnet werden.
Allerdings stellt sich die Entscheidung der Beklagten, die Pflegesätze und Entgelte für Verpflegung und Unterkunft unter Berücksichtigung einer an § 44 SGB I orientierten 4%igen pauschalen Gewinnquote festzusetzen, als sachwidrig dar; insoweit hat die Beklagte den ihr einräumten Beurteilungsspielraum überschritten.
Gemäß § 44 Absatz 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit mit vier vom Hundert zu verzinsen. Unter dem Begriff "Geldleistungen" sind grundsätzlich nur Sozialleistungen zu verstehen (vergl. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 13 mwN). Um Sozialleistungen handelt es sich bei den Vergütungsansprüchen der Pflegeheime unzweifelhaft nicht; außerdem setzt § 44 SGB I voraus, dass eine bestehende und fällige Forderung durch den Sozialleistungsträger nicht erfüllt worden ist. Diese Norm regelt somit einen ganz anderen Sachverhalt, der in keiner Hinsicht auch nur ansatzweise mit der hier gegebenen Fallgestaltung der Kalkulation von Pflegesätzen und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung vergleichbar ist. Der Zinsanspruch aus § 44 SGB I soll den Schaden oder den Nachteil ausgleichen, der bei nicht rechtzeitiger Befriedigung einer in Geld zu erbringenden Sozialleistung regelmäßig entsteht. Im Gegensatz dazu geht hier es um die Kalkulation eines künftig erst entstehenden vertraglichen Anspruchs. Es findet sich somit kein Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art; ebenso gut könnte jede andere Vorschrift, die eine bestimmte prozentual bemessene Quote enthält, herangezogen werden. Deshalb kann der Ansatz einer an dieser Vorschrift orientierten Gewinnquote nur als sachwidrig und willkürlich beurteilt werden.
Die neu zu treffende Entscheidung über die Höhe der Pflegesätze und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung unter Berücksichtigung einer angemessenen Gewinnmöglichkeit für das betroffene jeweilige Pflegeheim hat die Beklagte die wirtschaftlichen Verhältnisse der stationären Pflegeeinrichtungen zu Grunde zu legen. Hierzu ist es erforderlich, sowohl die Kostenstrukturen der jeweiligen Pflegeeinrichtungen zu ermitteln als auch festzustellen, welchen allgemeinen unternehmerischen Risiken die Pflegeheime ausgesetzt sind. Das Ausmaß der bestehenden Risiken ist zu bewerten. Dabei wird im Grundsatz davon auszugehen sein, dass eine Relation zwischen den bestehenden Risiken und den Gewinnmöglichkeiten herzustellen ist, die den Einrichtungen als "angemessen" einzuräumen sind. Die beschriebenen Feststellungen und Wertungen wird die Beklagte regelmäßig nur auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Sachverständigengutachten treffen können, weil es ihr insoweit weitgehend an der nötigen Sachkunde mangelt. Ob es erforderlich sein wird, insoweit jeweils einrichtungsspezifische Ermittlungen vorzunehmen, oder ob es gerechtfertigt sein kann, Einrichtungen nach ihrer örtlichen Lage oder anderen sachlichen Merkmalen verallgemeinernd zu beurteilen, wird von dem Ergebnis der durchzuführenden Ermittlungen abhängen. Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagten damit ein nicht unerheblicher Ermittlungsaufwand auferlegt wird; es ist aber nicht ersichtlich, auf welchem anderen Wege eine auf sachlichen Erwägungen beruhende Entscheidung zu der Höhe der Pflegesätze und der Vergütung für Unterkunft und Verpflegung unter Einschluss einer "angemessenen Gewinnmöglichkeit" getroffen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 197a Absatz 1 SGG, 154 Absatz 1 und 162 Absatz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Absatz 2 SGG).
Erstellt am: 25.04.2018
Zuletzt verändert am: 25.04.2018