Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 11.04.2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme eines Anhörungsschreibens zur beabsichtigten Herabsetzung sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufforderung der Beklagten zur Mitwirkung durch Vornahme von Angaben auf dem Fragebogen zur Nachprüfung.
Mit Bescheid vom 23.04.2020 stellte die Beklagte bei dem Kläger ab dem 19.12.2019 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Dem lag eine seelische Beeinträchtigung in Form rezidivierender mittel- bis schwergradiger depressiver Episoden, eine Zwangsstörung sowie eine instabile Persönlichkeit zugrunde.
Unter dem 05.05.2023 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen zur Nachprüfung mit der Bitte, diesen ausgefüllt zurückzuschicken. Mit Schreiben vom 26.05.2023 teilte der Kläger mit, trotz Widerrufs seiner Schweigepflichtentbindungserklärung seien ärztliche Unterlagen unbefugt weitergeleitet worden. Die Beklagte habe im Rahmen des vorangegangenen Verfahrens übermittelte Datenträger nicht öffnen und auswerten können. Man habe vereinbart, dass er einen Verschlimmerungsantrag stelle. Dazu sei er aus gesundheitlichen Gründen noch nicht gekommen. Er bitte um Auskunft, ob Unterlagen auf Anforderung Dritter, etwa der Gerichte, weitergeleitet worden seien.
Darauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.07.2023, eine Übersendung von Unterlagen an Dritte erfolge nur unter Vorlage einer von ihm unterschriebenen Einverständniserklärung. Sofern er keine Schweigepflichterklärung erteilen wolle, möge er dies erklären, aktuelle Befundberichte selbst übersenden oder einzelne Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Er könne der Weitergabe von Befunden an andere Behörden ausdrücklich widersprechen.
Unter dem 03.08.2023 teilte der Kläger mit, er müsse sich derzeit einem stationären Klinikaufenthalt unterziehen.
Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22.12.2023 zu einer beabsichtigten Herabstufung des GdB von 50 auf 30 an. Trotz Erinnerung sei der Fragebogen zur Nachprüfung bislang nicht eingegangen. Wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers sei nicht überprüfbar, ob und in welcher Ausprägung die seelischen Beeinträchtigungen noch vorlägen. Bis zur Nachholung der Mitwirkung werde der GdB nur noch mit 30 bewertet. Ein Widerspruch gegen diese Anhörung sei nicht zulässig, da es sich lediglich um die Ankündigung eines zu erlassenden Bescheides handele. Widerspruch könne erst gegen den noch zu erteilenden Bescheid erhoben werden.
Mit Schreiben vom 05.12.2023 teilte der Kläger mit, er sei vom 03.08.2023 bis 01.12.2023 zur gesundheitlichen Stabilisierung in einer Klinik gewesen. Seine Betreuerin habe die Betreuung aufgegeben. Sobald seine Arztberichte vollständig seien, würden sie persönlich einem Mitarbeiter der Beklagten übergeben. Nach Bearbeitung seien sie zurückzugeben. Eine Weitergabe an Dritte untersage er ausdrücklich. Mit weiterem Schreiben vom 29.12.2023 führte er aus, er habe noch nicht alle Unterlagen beisammen. Die Beklagte habe noch nicht bestätigt, die Unterlagen nicht an Dritte weiterzugeben. Die Androhung der Herabstufung sei unverzüglich zurückzunehmen, ansonsten erhebe er Klage.
Am 18.01.2024 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Er hat vorgetragen, es gebe mehrere gerichtliche Verfahren, eine Vermischung sei nicht zulässig. Es seien bereits Gutachten rechtswidrig durch Richter erlangt und an Dritte weitergegeben worden. Dies sei zu unterbinden, weshalb auch eine Freigabe der ärztlichen Unterlagen nicht erfolgen könne. Er sei bereit, persönlich Unterlagen einzureichen, und habe dargestellt, dass er aufgrund eines Klinikaufenthalts verhindert sei. Ihm werde unterstellt, er käme seinen Mitwirkungspflichten nicht nach. Er habe den Fragebogen verschiedenen Sozialdienstmitarbeiter vorgelegt. Keiner hätte so etwas je gesehen. Es erhärte sich der Verdacht, dass Unterlagen nur von ihm angefordert würden und diese für andere Verfahren bestimmt seien. Bislang sei nur die psychische Erkrankung berücksichtigt worden, nicht jedoch Beschwerden im Knie und Rücken sowie seine Neurodermitis. Sein psychisches Krankheitsbild verschlechtere sich zunehmend, eine Heilung sei nicht möglich. Da die Beklagte die Androhung nicht zurücknehme, sei er zur Klageerhebung gezwungen. Sofern Unterlagen benötigt würden, käme er dem so schnell wie möglich nach.
Der Kläger hat in der sinngemäßen Fassung seines Begehrens durch das SG beantragt,
das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 22.12.2023 und die darin enthaltene Falschbewertung aufzuheben sowie festzustellen, dass die Forderung einer Schweigepflichtentbindung rechtswidrig ist.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst vorgetragen, dass ein Herabsetzungsbescheid bislang noch nicht ergangen sei, da der Kläger angekündigt habe, medizinische Berichte einzusenden.
Demgegenüber hat der Kläger eingewandt, die Herabstufung sei tatsächlich schon vorgenommen worden und hat sein Vorbringen wiederholt.
Mit Bescheid vom 08.04.2024 hat die Beklagte den GdB des Klägers von 50 auf 30 abgesenkt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei von einer Besserung der seelischen Beschwerden auszugehen. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Daher habe der medizinische Sachverhalt nicht aufgeklärt werden können. Gegen den Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.04.2024 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Vorliegend richte sich die Klage gegen eine Anhörung des Klägers zu einer beabsichtigten Herabsetzung des GdB von 50 auf 30. Dabei handele es sich um keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), der mit Rechtsmitteln angegriffen werden könne. Zwischenzeitlich habe die Beklagte eine auf die fehlende Mitwirkung des Klägers gestützte Absenkungsentscheidung gem. § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) erlassen. Hiergegen sei der Widerspruch und nach Abschluss des Vorverfahrens gemäß § 78 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klage zulässig. Der Kläger könne jedoch bereits durch Nachholung seiner Mitwirkungshandlungen erreichen, dass die Beklagte eine Überprüfung der gesundheitlichen Beschwerden in der Sache vornehme. Er habe im Vorfeld der Klage bereits mitgeteilt, aktuelle ärztliche Befunde persönlich vorlegen und nach Bearbeitung wieder in Empfang nehmen zu wollen. Diese Bereitschaft habe er im Klageverfahren nochmals bestätigt. Eine Schweigepflichtentbindungserklärung müsse er in diesem Fall nicht erteilen und habe die Beklagte auch nicht angefordert. Soweit der Kläger ein Verlangen der Beklagten nach einer Schweigepflichtentbindungserklärung angreife, liege eine entsprechende Aufforderung nicht vor.
Der Kläger hat am 10.05.2024 im Wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens Berufung eingelegt. Insbesondere trägt er vor, dass er aufgrund laufender Verfahren keine Schweigepflichtentbindungserklärung abgeben könne. Ihm sei telefonisch dargelegt worden, dass er die Erklärung auszufüllen und abzugeben habe, ansonsten werde zu seinem Nachteil entschieden. Die Anhörung mit der Androhung der Herabsetzung sei rechtswidrig, willkürlich und nicht hinnehmbar. Sein Ausweis sei ihm befristet bis zum 31.05.2024 ausgestellt worden. Eine Herabsetzung vor Ablauf der Befristung sei nicht zulässig. Der von der Beklagten verwendete Fragebogen zur Nachprüfung sei den von ihm befragten Sozialarbeitern fremd gewesen. Er gehe der Annahme nach, dass es sich um Beschaffung von Daten zugunsten Dritter, insbesondere des Rentenversicherungsträgers, handele. Zudem sei bereits die Erstbewertung unzulässig und fehlerhaft durchgeführt worden. Bereits mehrfach seien nachweislich Gutachten und ärztliche Unterlagen rechtswidrig erlangt worden und an Dritte weitergeleitet worden. Er erachte das Anschreiben der Beklagten mit der Herabstufung als gegenstandslos.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 11.04.2024 zu ändern und das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 22.12.2023 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Forderung einer Schweigepflichtentbindung rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit Beschluss vom 28.06.2024 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Kläger ist trotz ordnungsgemäßer Ladung (nachgewiesen durch Postzustellungsurkunde vom 19.06.2024) zu dem Verhandlungstermin am 04.07.2024 nicht erschienen. Er ist in diesem Termin auch nicht vertreten gewesen. Am 24.06.2024 hat er eine „terminliche Verschiebung“ beantragt, da er aus gesundheitlichen Gründen dem nicht nachkommen könne. Er sei von seiner Ärztin für eine stationäre Behandlung als Akutfall angemeldet. Einen genaueren Termin habe er dazu nicht. Im Übrigen sei er krankheitsbedingt nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und benötige eine Begleitperson. Mit Schreiben vom 26.06.2024, das der Kläger noch vor dem Termin am 04.07.2024 erhalten hat, ist er durch den Senat darauf hingewiesen worden, dass einstweilen kein Grund für eine Aufhebung des Termins erkennbar sei, solange ein genauer Termin für die stationäre Behandlung noch nicht feststehe. Hinreichende Belege für die mangelnde Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen geschweige denn die Erforderlichkeit einer Begleitperson lägen bisher nicht vor. Hierfür möge der Kläger ggf. aussagekräftige ärztliche Befunde und Bescheinigungen vorlegen. Darauf hat sich der Kläger vor dem Verhandlungstermin nicht noch einmal gemeldet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Übrigen Inhalt der elektronischen Gerichtsakte und der elektronischen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
A) Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.07.2024 weder erschienen noch vertreten gewesen ist. Denn er ist auf diese Möglichkeit in der Ladung vorab hingewiesen worden (vgl. § 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Dem Begehren des Klägers auf Verlegung des Termins musste der Senat nicht nachkommen, weil die hierzu vorgetragenen Gründe nicht belegt sind (vgl. dazu im Einzelnen B. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 110 Rn. 4b m. w. N.). Einen genauen Termin zur Aufnahme einer stationären Behandlung hat der Kläger nicht angegeben. Für seine Behauptung, er sei nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und benötige eine Begleitperson, hat er trotz Aufforderung keine Belege eingereicht. Hinweise, die seine Behauptung stützen würden, ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt im Übrigen.
B) Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Klägers neben dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 11.04.2024 das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 22.12.2023 sowie das Feststellungsbegehren, dass die Forderung einer Schweigepflichtentbindung rechtswidrig ist.
II. Davon ausgehend hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend ist mit Blick auf das Feststellungsbegehren des Klägers darauf hinzuweisen, dass dieses bereits wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage unzulässig ist. Aus dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren Grundsatz der Subsidiarität folgt die Nachrangigkeit der Feststellungsklage gegenüber der Leistungs- und Anfechtungsklage (Bundessozialgericht [BSG]; Urteil vom 30.10.1980, 8a RU 96/79; BSG vom 20.05.1992, 14a/6 RKa 29/89). Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung nur in einzelnen, besonders gelagerten Fällen Ausnahmen zugelassen, wenn die Feststellung den Streit im Ganzen bereinigt (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2013, B 4 AS 42/12 R, Rn. 12 juris). Die Annahme einer solchen ist vorliegend nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat gegen den Herabsetzungsbescheid der Beklagten vom 08.04.2024, der auf die Verletzung seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 66 SGB I gestützt wird, Widerspruch erhoben. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens kann er im Wege der reinen Anfechtungsklage vorgehen. Angesichts der aufgrund der Regelung des § 86a Abs. 1 SGG eintretenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ist dem Kläger der Verweis auf die Anfechtungsklage auch zumutbar.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
D) Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Erstellt am: 11.12.2024
Zuletzt verändert am: 23.12.2024